Aus dem am I3. Juni erschienenen Bericht der „Neuen Freien Presse" geht hervor, daß nach Molls Verbindung mit der Galerie Miethke auf „vier bis fünf Versammlungen" versucht wurde, den Konflikt beizulegen. Während dieser Zeit erfolgte die Wahl der neuen Vereinsleitung. Die Klimt-Gruppe soll schon zu diesem Zeitpunkt den Vorschlag gemacht haben - eine Art Zwei- teilung der Secession anstrebend -, daß iede künstlerische Gruppe abwechselnd eine Ausstel- lung arrangieren solle, worauf die Gruppe um Engelhort nicht eingingÄ Es wäre nun falsch, dieser Gruppe daraus einen Vorwurf zu machen, da diese Künstler im Gegensatz zur Klimt-Gruppe an geschlossenen Ausstellungsgestaltungen nicht interessiert waren. Doch zurück zu Carl Moll. Ein Jahr länger Mit- glied des Künstlerhauses (sieben Jahre] als Gu- stav Klimt, gehörte er mit Josef Engelhart zu den führenden „Unzufriedenen" der Künstlerge- nossenschaft, die eine Erneuerung der Wiener Kunst anstrebten und mit Mitgliedern des „Sie- bener-Clubs" und der „Haagengesellschaft" die Secession gründeten B. Moll pflegte die Verbindungen der Secession zum Ausland und vertrat die Secession in zahl- reichen Institutionen. Sa war er Mitglied des Kunstrates, des Kuratariums des österreichischen Museums, der Kunstkammission der modernen Galerie und war darüber hinaus zusammen mit Gustav Klimt als Vertreter der Wiener Secession sogar in den Vorstand des Deutschen Künstler- bundes berufen worden. Aufgrund dieser letzten Tätigkeit stellten er, Klimt und die Wiener Werk- statte auf der Ausstellung des Künstlerbundes in Berlin aus, die am I9. Mai 1905 eröffnet wurde '. Nur Klimt und Hadler hatte man in dieser Aus- stellung „Separaträume" zur Verfügung gestellt; Klimt erhielt den Preis des Künstlerbundes in Form eines einiährigen Aufenthaltes in der vom Bund erworbenen Villa Romana in Florenz. Klimt verzichtete aber auf den Aufenthalt und schlug dafür, wie es ihm nach den Statuten der Preis- gewährung zustand, Max Kurzweil vor". Wahr- scheinlich entschloß er sich dazu, um durch seine Anwesenheit die ausgetretene Gruppe zu fe- stigen. War die Preiszuerteilung an Klimt das wahrscheinlich letzte provozierende Ereignis vor dem Bruch, so lag der Höhepunkt des Kampfes um Anbringung oder Nichtanbringung der Fa- kultätsbilder nur ganz knapp davor. Uns soll es hier nur auf die Ereignisse ankom- men, die im Zusammenhang mit dem Bruch in der Secessian stehen. Dies sind folgende: Nach zwei Sitzungen der artistischen Kommission der Universität, in denen die schon lange vorher vorhandene feindliche Einstellung der Professo- ren gegenüber Klimts Bildern zur Ablehnung al- lein ihrer probeweisen Anbringung führte, er- klärte Klimt in einem Schreiben, das dem Mini- sterium am 3. April 1905 vorlag, seinen Verzicht auf den Auftrag und bat um Auskunft, an wel- che Kasse er die im Laufe der Jahre bezogenen Vorschüsse zurückzahlen solle. Das Unterrichts- ministerium drängte zwar auf Herausgabe der Bilder, doch hatte inzwischen die Presse van dem Vorgang erfahren, und es wurde am I2. April durch ein lnterview von Berta Zucker- kandl in der „Wiener Allgemeinen Zeitung" Klimts Stellungnahme zu den Ereignissen der Öffentlichkeit bekannt gemacht". Diese Stellungnahme Klimts kulminierte in der Passage: „Die Hauptsache ist, ich will Front machen gegen die Art, wie im österreichischen Staate, wie im Unterrichtsministerium KunstangeIe- genheiten behandelt und erledigt werden. Es geht bei ieder Gelegenheit gegen die echte Kunst und gegen echte Künstler los. Prote- 24 X I PSMPX XI lWSllilv NVÄI ll x ll'll l l 41' lltV tllll m ii-M ' giert wird immer nur das Schwache, das Falsche... Es soll der Staat nicht sich die Diktatur des Ausstellungswesens und der Künstleraussprachen arragieren dort, wo es seine Pflicht wäre, nur als Vermittler und als kommerzieller Faktor aufzutreten und den Künstlern vollkommen die künstlerische In- itiative zu überlassen. Es soll nicht der Beamte in die Kunstschulen eindringen und die Künst- ler verdrängen, wie es ietzt in der präpa- tentesten Weise geschieht, ohne daß wenig- stens gegen eine solche Kunstpolitik in der schärfsten Weise Stellung genommen wird. Wenn, wie dies in der letzten Budgetaus- schußsitzung geschah, von einem Redner die Secession in der erniedrigendsten, ehrverlet- zendsten Art angegriffen wurde und der Mi- nister sich nicht bewogen fühlte, auch nur ein Wort dagegen zu erwidern, so soll wenigstens ein Künstler sich finden, der durch seine Tat beweist, daß die echte Kunst mit solchen Behörden, mit solchen Faktoren nichts mehr zu schaffen haben will. Der Geist der Ge- meinsamkeit hat dies nicht zuwege ge- bracht... Nun wohl, sa soll es der einzelne tunu." Das Interview wurde von Berta Zuckerkandl in ihren Erinnerungen um einige bisher unbekannte - recht abenteuerlich klingende - Einzelheiten erweitert. Gleich zu Beginn habe ihr Klimt mit- geteilt, daß Hermann Bahr gerade weggegan- gen sei, welcher schwöre, daß der Unterrichts- minister zur Demission gezwungen werden werde. Klimt habe ihr dann einen Brief gezeigt, den er am Vortage an den Unterrichtsminister geschrie- ben habe. Dessen Schluß habe gelautet: „lch, Gustav Klimt, erlege mit heutigem Tage den erhaltenen Vorschuß von sechzigtau- send" Kronen in der Creditbank zu Ihren Händen, Herr Unterrichtsminister. Für einen Auftraggeber, der nicht an mein Werk glaubt, für einen Auftraggeber, der mich beschimp- fen läßt, weigere ich mich, ferner zu arbeiten. Der Auftraggeber ist der österreichische Staat, Sie, Herr Unterrichtsminister, sind dessen Vertreter. Sie hatten die Pflicht gehabt, den schmählichen und lächerlichen Angriff zu- rückzuweisen. Demnach behalte ich die fer- tiggestellten Gemälde, an denen ich keinen Strich ändern werde, als meinen rechtmäßi- gen Besitz und verweigere die Ablieferung. Gustav KIiml." Zuckerkandl berichtet weiter, während ihrer An- wesenheit sei das Antwortschreiben des Mini- sters eingetroffen mit dem Wortlaut: „Sehr geehrter Herr Klimt! Die Rückzahlung des Vorschusses wird vom Unterrichtsministerium abgelehnt. Sie werden verhalten, die drei be- stellten Gemälde, die bereits staatlicher Besitz sind, heute noch abzuliefern, widrigenfalls diese mit Brachialgewalt aus Ihrem Atelier geholt werden." Am nächsten Tag sei dann ein Möbelwagen bei Klimt vorgefahren. Klimt habe hinter der ver- schlossenen Tür gestanden und gedroht, er schieße ieden nieder, der es versuche, bei ihm einzudringen. Nach stundenlangem Warten sei der Wagen abgefahren". Soweit Berta Zucker- kandl, deren Darstellung gewiß mit der nötigen Vorsicht zur Kenntnis genommen werden muß. Wenn sie aber in den Umrissen stimmt, dann dürfte das interne Bekanntwerden von Klimts Verhaltensweise in der Secession die Verstim- mung der Engelhart-Gruppe nur gefördert hci- ben. Der Ausgang der Affäre um die Fakultätsbilder ist bekannt: Minister von Hartel teilte Klimt am 27. April 1905 mit, daß er ihm das Verfügungs- recht überlasse, und Klimt zahlte am 25. Mai