Gerhard P. Woeckel Jugendstil-Schmuck, ausgeführt nach Entwürfen von Wilhelm Lucas von Cranach 1 Wilhelm Lucas von Cranach (1861-1918), nicht ausgeführter Entwurf für die Verzierung eines Schmuckstückes in Gestalt von gegenständigen Schlanään. Federzeichnung, monogrammiertWLC (vorl ) W. L. von Cranach, Gürtelschließe (vor 1903). Fresia, Silber, vierfarbig vergoldet W. L. von Cranach, Halsschließe: Wilder Wein (vor 1903). Gold, Email und farbige Perlen W. L. von Cranach Anhän er: Fresia (vor 1903). Gold, ziervergoldet und pitzperlen W. L. van Cranach, Brosche: Gorgoneion (1902). Opal, roter Jaspis, grüner Nephrit, kleine Brillanten und Tropfen erle, 9x13] cm. Berlin, Kunstgewerbemuseum Stiftung Preußischer Kul- turbesitz) 6 W. L. von Cranach, Steckkamm: Orchidee (Vanda) (vor 1903). Schild att. Blütenkelch: vio- lettes Email, Perlen und O ivinen uiaeuvo Anmerkungen 1-10 )Th B Vlll, S. 58159. 'W. L. von Cranach wurde am 17. September 1861 in Stargard (Pommern) geboren. Zuerst ergriff er die Farstkarriere und war eine ZeitlangNFeIdiäger, bis ei iin Jahre 1386 auf die Kunstschule in eimar ging, um sich dort als Maler ausbilden zu lassen. Sein Lehrer war Leopold Graf von Kalckreuth (1555-1928), der, zur Gruppe der deutschen Symbolisten gehörend, von 1355 bis 1390 das Lehramt in Weimar ausübte. 1391 hielt W. L. von Cranadt sich studienhalber in Paris auf. lm Jahre 1893 übersiedelte er für ganz nach Berlin, wo er sich alsbald als Porträt- und Landschaftsmaler einen Namen machte. 1B9B veranstaltete er von sidi eine Sonderausstellung van Gemälden in Berlin. Zeitweise betätigte er sic aud1 als Entwerfer von Möbeln. So entwarf er die histarisierenden lnnenausstattungen der Wartburcgh in Thüringen ferner die der Sdilösser Thann in s lesien und Nieder-He ersdürf in Posen. Von diesen für unser Thema nicht in Betracht kommenden Werken dürfte vermutlich kaum etwas erhalten geblieben sein. - W. L. von Cranach soll angeblich mit dem Titel „Profassor" ausgezeidinet worden sein. Wann dies esdiah, kannte Jedoch nicht eruiert werden. en Hinweis au dieses wichtige Stück verdanke idi der Freundlichkeit van Dr. Ulrike von Haase, München. 'Frdl. Auskunft von Herrn Falk, Schmuckmuseum in Ptorzheim, dem ich auch die Erlaubnis der Veröffent- lichung verdanke. iVon seiner Aufwendigkeit erhält man einen Begriff, wenn man es sich einmal auf das Material hin ansieht, vor allem, wenn man sich dabei vorstellt, daß es im letzten (l) Jahre des ersten Weltkrieges ausgeführt wurde. Das Schmuckstück ist aus Gelbgald angefertigt, gegossen und ziseliert. Das Kernstück esteht aus dem n önger (Perlmuttplatte mit drei angewachsenen Per- len). oei Kopf aei großen Schlange trägt einen Rubinca- bachon. Der zu der kleinen Schlange vermittelnde Ring ist mit Smaragden verziert. Die ineinander verflochtenen Sdtlangenleiber sind mit kleinen Diamanten und Smarag- den besetzt, ihre Köpfe sind mit einem Rubincabochan bestüdd. Einschließlidi der Schlangen und dem (auf der Abbildung nicht zu sehenden] Schoß betrügt die Länge der Kette 50 cm, der Anhänger ist 3,6 cm breit und 4,15 cm hoch, der Ring hat einen Durchmesser von 1,8 cm. Auf der Rückseite der kleinen Schlangenköpfe wie auf dem Ring und auf dem Schlaß ist ieweils die Signatur WLC an ebracht. tVollstän igzr Titel: Werke moderner Galdsdimiede- kunst von . Lucas von Cranachfleipzig 1903. 'W. SrJiaffler, Werke um 1900 z Katala e des Kunst- gewerbemuseums Berlin, Bd. ll, Berlin 966, Nr. 21, 23 mit Abb. 'W. (v.) Bade, Werke moderner Goldschmiedekunst, moderner Galdschmiedekunst, a. a. 0., Tat. VII. 'W. (v. Bade, Werke a. a. ., Taf. xv. -. Ein anderes Ex. (mit Silbernetz) war ehern. in der Sammlung Louis Werner in Berlin. Vgl. M. Rheims, Kunst um 1900, Wien-München 1965, Nr. 491, mit Abb. Ein drittes Ex. ist im Besitz des Stadtmuseums in München (trdl. Hinweis Dr. H. Hof- mann). - Hörltstwahrscheinlidt handelt es sich bei der Schlangenleiberverzierun einer Damentasche aus Leder verziert mit Barackper en und Saphiren (New York Museum af Modern Art) ebenfalls um ein bisher nidit identifiziertes Werk von W. L. von Cranach. M. Rheims, a. a. O., Nr. 490 mit Abb. "'W. (v.) Bode, Werke Goldschmiedakunst, a. a. 0., Tat. XX. 24 moderner In der Gesamtvorstellung über den Schmuck der Jahrhundertwende hat sich inzwischen immer mehr die Erkenntnis durchgesetzt, daß Wilhelm Lucas von Cranach (1B61-191B)' in den deutsch- sprachigen Ländern der einzige ist, dessen Werke mit Arbeiten der berühmten französischen Schmuckkünstler dieser Zeit verglichen werden können. Er gibt ein Beispiel dafür, wie die genau durchdachte Auswahl der für diesen Zweck in Betracht kommenden Werkstoffe und die für die Herstellung von Schmuck erforder- liche Formensprache von einer wirklich schöpfe- rischen Persönlichkeit aufgenommen und auf die Ebene des international gültigen Kunsthand- werks geführt werden konnten. Als einem der ganz wenigen deutschen Schmuckkünstler ge- lang W. L. von Cranach der Durchbruch in die internationale Spitzenklasse des Jugendstils. Da sein Name lange Zeit so gut wie vergessen war, ist es das Ziel des nachfolgenden Bei- trages, durch ihn die Werke von W. L. von Cranach wieder an die Stelle zu rücken, auf die sie ihrem Rang nach eindeutig hingehören. In seinem unruhigen Auf und Ab ist der Le- benslauf des Künstlers typisch für den Werde- gang der in jener Zeit für das Kunsthandwerk tätigen Designerz. Ursprünglich Maler und ge- legentlich sich dann auch als Innenarchitekt be- tätigend, begann er im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts sich ganz auf die sogenannte angewandte Kunst zu spezialisieren. Unter dem unmittelbaren Einfluß des Russen Joullowski ste- hend, der für uns heute eine völlig unbekannte Größe ist, begann W. L. von Cranach damals Entwürfe für Schmuck zu zeichnen (Abb. 1, 2), worunter ganz verschiedenartige Gegenstände bei ihm in dieses Gebiet mit einbezogen wer- den. Dieser Schmuck trägt eindeutig das Stil- gepräge des Jugendstils. Um einem bereits da und dort geäußerten Irrtum zuvorzukommen, ist hier ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß W. L. von Cranach sich niemals selbst als Goldschmied betätigte. Als Vorlage für die Ausführung schuf der Künstler Entwürfe, meist in Feder angelegt und in vielen Fällen farbig aquarelliert. Es han- delt sich dabei um ausgesprochene Werkzeich- nungen (Abb. 5). Ausgeführt wurden die Schmuck- stücke von dem ausgezeichneten Goldschmiede- meister Max Weichmann, der aus der gleichna- migen alten Berliner Golschmiedefamiliestammte. Die Herstellung der Schmuckstücke erfolgte zwei- fellos immer unter der persönlichen Aufsicht von W. L. von Cranach, so daß sie in iedem Fall zu seinem ureigenen künstlerischen Werk gehören. Als solches weist sie auch die Signatur aus,die aus den Initialen WLC besteht,wozu gelegentlich noch eine Jahreszahl hinzugefügt wird. In den Handel gebracht wurden die Schmuckstücke W. L. Cra- nachs durch zwei berühmte Berliner Firmen: Gebr. Friedlaender und Louis Werner. Beide wa- ren kaiserliche Hofiuweliere. Im Werk von W. L. von Cranach spielt ein bis- her unediertes Schmuckstück eine wichtige Rolle (Abb. 7). Es ist von besonderer Eigenart". Erst- mals kann hier über den Auftraggeber berichtet werden '. Der letzte deutsche Kaiser, Wilhelm ll., war als Liebhaber und Sammler von unge- wohnlich geformten Edelsteinen sowie von be- sonderen Perlen bekannt. In seiner Privatsamm- lung, die, soweit wir in Erfahrung bringen konn- ten, niemals in der Öffentlichkeit bekannt wurde, befand sich ein Stück Perlmuschel mit drei na- turgewachsenen Perlen, ein Unikum, das zwei- fellos eine Attraktion ieder Kunst- und Wunder- kammer früherer Zeiten gewesen wäre. Wil- helm ll. beauftragte W. L. von Cranach damit, ein Schmuckstück in Form einer Halskette mit Anhänger zu entwerfen, der als Hauptstück diese ungewöhnliche Perlmuschel tragen sollte. Des- halb werden auf dem Anhänger die drei gewachsenen Perlen als „Schlangeneier zeichnet, umwunden vom Körper der Schlc mutter. Auf Grund eben dieser Darstellung das Schmuckstück sinngemäß dann als „S gennest" bezeichnets. infolge der im gl Jahre ausgebrochenen Revolution war de ser iedoch nicht mehr in der Lage, den vc in Auftrag gegebenen überaus kos Schmuck zu erwerben. Soweit bekannt ist, er niemals von einer Angehörigen des l lichen Hauses getragen. Nach 1918 wurc „Schlangennest" van einem Herrn von i berg erworben, von dessen Sohn es i Schmuckmuseum im Reuchlinhaus in Pfoi vor einigen Jahren gelangte. Bei c Schmuckstück handelt es sich demnach um letzten Ausläufer der Hofkunst, die an der päischen Fürstenhöfen auf eine iahrhur lange Tradition zurückblicken konnte. Fi Gesamtvorstellung des Werkes van W. Cranach ist gerade dieses Stück wichtig, es doch, daß dieser Künstler auch noi Ende des zweiten Jahrzehnts des 20. Ja derts der Stilvarstellung des Jugendstil pflichtet war, zu einem Zeitpunkt, wo er renorts bereits längst passe war. Es s daß das im Jahre 1918 in Auftrag geg Schmuckstück erst nach dem Tode von W. Cranach vollendet wurde. Der Künstler Sll Alter von 57 Jahren am 31. März 1918 in B: Auf der Höhe seines Ruhmes stehend, wa Berliner Schmuckkünstler die große Ehre fahren, daß sein damals vorliegendes durch eine umfangreiche Veröffentlichung bekanntgemacht wurde. Besonderes Gewi hielt sie dadurch, daß die Einleitung von der ersten Kunstkenner der Zeit, dem Ge direktor der Kgl. Preußischen Museen in Wilhelm von Bades, verfaßt wurde. Vo in dem vorliegenden Werk farbig reproi ten Schmuckstücken (Abb. 3, 4), den Brc Colliers, Vorstecknadeln, Halsschmuck-, h und Gürtelschließen, Kopfschmuck, Schii fen, Schuhschnallen, Krawatten- und Hutr Blusen- und Manschettenknäpfen, Ringen dürfte freilich nur ein geringer Bruchteil er geblieben sein. Im ganzen sind über 1G schiedenartige Gegenstände abgebildet. sind immerhin einige der in dem gen Buch enthaltenen Abbildungen mit Werl identifizieren, die sich heute in verschie privaten und öffentlichen Sammlungen den. An ihrer Spitze steht eine signiert 1902 datierte goldene Brosche (9 x 13,7 c der Darstellung des Gorganeion, gesc aus Opal, rotem Jaspis und grünem t (Berlin, KunstgewerbemuseumY. ln der i mensetzung der farbigen Steine sowie technischen Art des Steinschnitts macht s fensichtlich ostasiatischer Einfluß geltend. gleichen Veröffentlichung ist dann ein von Bestimmung her gänzlich anderer Gege abgebildet, der von besonders graziösei ist. Es handelt sich dabei um einen Schuhk (Abb. 15), dessen Griff aus einem Schlang besteht". Ein ähnliches Motiv findet sich l: Bügeln einer Gürteltasche" abgewandelt 10), die im Jahre 1903 ausgeführt wurd originelle Anhänger mit der Darstellur Cranachschen Wappentieres (Abb. 11), c flügelten Schlange, war zum Gebrauch eigenen Familie bestimrntw. Daß bei Schmuckstücken W. L. von Cranachs in neuen Variationen gerade das Schlange so häufig abgewandelt wird, hängt dar sammen, daß der Künstler immer wiedi zuverlässig berichtet wird, das Tier des e Familienwappens, eine geflügelte Schlang