H city of hope", die Stadt der Hoffnung - dem Untergang geweiht. Und der geistige Untergang Britanniens ist für Turner, den Pessimisten, eine imminente Realität; der Untergang eines Landes, das über dem wachsenden Wohlstand die Kün- ste und die geistigen Werte vernachlässigt. im Ausstellungskatalog von 1812 versieht Turner dieses Bild zum ersten Male mit einem Zitat aus seinem eigenen Epos: „Fallacies of Hope" (Trug der Hoffnung), ein Gedicht, das van nun an häu- fig zitiert wird, das es aber, soweit wir wissen, nie gegeben hat, außer als Fragment in Form von Zitaten zu seinen Bildern. In „Hannibal" verbinden sich zum ersten Male in aller Deut- lichkeit lnhalt und Form von Turners Sym- bolik. Als Form die „vortex", diese dynamische Spirale, als die einzig mögliche Form für den Kampf der Elemente, der sich nicht in Flächen, sondern in Kraftfeldern ausdrückt; ein ebenso revolutionäres wie bemerkenswertes Konzept, wenn man bedenkt, daß hier intuitiv Gesetze vorausgeahnt werden, die zwanzig Jahre später Faraday entdecken wird, die Gesetze der ln- duktion. Auch noch als Farm Turners Realismus: seine Fähigkeit, das Unmalbare zu malen, oder I0 J. M. W. Turner, Venedig mit Salute, ca. 1340- 1845. Ul auf Leinwand, 61,5 x 92 cm 11 J. M. W. Turner, Die Walten-Brücken, ca. T806. Öl auf Leinwand, 92 x122,5 cm 12 J. M. W. Turner, Venedig: St. Giorgio Maggiore von der Dogana, 1819. Aquarell, 22,4x2 ,7 cm 13 J. M. W. Turner, Rom vom Vatikan. Raffael begleitet von La Fornarina bei der Vorbereitung seiner Bilder zur Ausschmückung der Loggia, 1820. Öl auf Leinwand, 177 x 335,5 cm wie es ein zeitgenössischer Kunstkritiker aus- drückt, „dem Nichts eine substantielle Form ge- ben zu können", beruht auf genauester Beob- achtung der Natur. „Hannibal" liegen Skizzen und Notizen zugrunde, die Turner zwei Jahre früher während eines Gewittersturmes über den Yorkshire-Sümpfen gemacht hat. Und als lnhalt der Kampf zwischen dem Paradiesischen und dem irdischen, der Engpaß, hinter dem das Licht zum Greifen nahe, doch unerreichbar ist: Trug der Hoffnung. Mit „Hannibal" verlassen wir den frühen Tur- ner, und die Zeit, die nun falgt, bis hin in die späten dreißiger Jahre, ist eine Zeit des Kon- solidierens, eine Zeit des Vertiefens und eine Zeit des Krüftesammelns - die Stille vor dem letzten Sturm. „Hannibal" bedeutete den völli- gen Bruch mit der Welt, die Turner umgibt, und mit ihren Werten. Aber Turner selbst ist noch Teil dieser Welt gewesen. Jetzt setzt ein lang- samer Prozeß der Entfremdung ein. Die Stim- men der Kritik gegen ihn werden lauter, Turner gehe zu weit, er sei ein Genie, das sich selbst im Wege stehe. Zyniker geben ihm den Beinamen „Over-Turner", [„to turn over" heißt „kentern").