Stanislav Urban Der letzte Edelstein- schneider aus der Familie Miseroni Zum Leben und Werk von Ferdinand Eusebio Miseroni Anmerkungen 1-5 Die Arbeit über das Leben und Werk von Ferdinand Eusebio Miseroni stützt sicJl auf das entdeckte und bls letzt unbekannte Ardlivmaterial, das im Staatlichen Zentralarchlv in Prag (weitar nur SZA) aufbewahrt ist, w, allem aus dem Fand der Alten Manipulation (weiterhin: AM), der Neuen Manipulation weiterhinl NM) und der Böhmischen Hof- kammer (BHK I . ' Die Übertragung des Edelsteinschneidegehalts in der Höhe von 15 Gulden monatlich auf Ferdinand Eusebio wurde vom Kaiser am 29. Juni 1653 bewilligt, aber erst ab dem ersten Quartal des Jahres 1657 realisiert (SZA, NM M 14-4). 'Dl:ls Datum des Todes van Dianysio Miseroni schwankte bisher in der Fachliteratur. Nach übereinstimmender Aus- sage der Quellen (z. B. der Berichte des Hauptmanns der Prager Burg über die Versiegelung der Hinterlassenschaft] ist er am 29. Juni 1661 gestorben. "Die Edelsteine stammten aus des Kaisers Eigentum und aus der Hinterlassenschaft des Erzherzogs Leopold Wil- helm. Frantisek Mares, Beiträ e zur Kenntnis der Kunst- bestrebun en des Erzherzog: ieapold Wilhelm, Jahrbudl gerasäunst istorischen Sammlungen. .., Wien 1887, V., ' SZA, NM M 19-2. '„Ver1eichnus derierligen Trinkgesdtür, so Euer kais. und kgl. Mr alleruntertäni ahorsambist überliefert habe." SZA, BHK l, 1670; SM 51-7. Ottavio war der erste aus der Mailänder Fa- milie Miseroni, der sich - ähnlich wie seine Ver- wandten in Spanien - im Jahre 1586 dauernd in Prag niederließ. Es folgten ihm seine Brüder Alessandro, Aurelio und Giovanni Ambrogio. Am Hofe Rudolfs, in den kaiserlichen Hofwerk- stätten auf der Burg, beim Aufbau des kunst- handwerklichen Areals in der Kaisermühle in Prag-Bubenec, bei der Organisierung der mine- ralogischen Erkundung - überall dort finden wir Ottavio Miseroni zusammen mit dem Goldschmied Mates Krätsch aus dem preußischen Königsberg. Zusammen mit ihm dann eine ganze Gruppe namhafter, oftmals eng spezialisierter Edelstein- schneider - David und Jobst de Brusse, Cosimo und Giovanni Castrucci, Wilhelm Celschleger, Johann Christoph Dorsch, Valentin Drausch, Chri- stoph Engelhart, Peter Hübl, Caspar Lehmann, Mates Krötsch, Johann und Christoph Schweiger und zehn andere in den drei Städten Prags. Sie alle waren bevorzugte Künstler während der letzten zwei Jahrzehnte des Lebens Rudolfs ll. Sie bezogen dafür Gehälter, bekamen Geschen- ke, erhielten Adelstitel, oftmals arbeiteten sie auf Barg. Sie überlebten den Tod ihres Mäzens, die Herrschaft seines Nachfolgers und überstanden die verwüstenden Jahre des Dreißigjährigen Krieges. Wahrscheinlich hat sich kein anderes Kunstfach so wie die Edelsteinschneidekunst wöh- rend der Regierungszeit des Kaisers Rudolf I1. in Böhmen auf die Dauer und für immer einge- wöhnt, in einem Lande, welches dank sei- ner Naturreichtümer zwar alles bot, aber mit seinem Schicksal vor einem langen Verbleiben warnte. Die Familie Miseroni ist dessen ein Bei- spiel. Nach dem Westfälischen Frieden, zu Be- ginn der fünfziger Jahre des 17. Jahrhunderts, erlebte in Ottavios Sohn, Dionysia, die Stein- schneidearbeit eine nie dagewesene Interessen- explosion, sie erfüllte ihre Mission. Deshalb ist in der Mitte des prunkvollen Grup- penbildnisses von Karel Skreta aus dem Jahre 1753 dieser der hochgeborene, geehrte Mensch, der sich seiner Stellung, Amtsmacht, seines Ge- nius bewußt ist: Dionysia Miseroni ist Schatz- meister, Bauinspektor der Prager Burg, des Tier- gartens, der Kaisermühle und des Lustschlosses Stern, er ist Kämmerer und des Kaisers Edel- steinschneider. Er verkörperte in sich vieles vom Renaissance-Universalismus, mit seinem Fleiß überragte er alle, die iemals in den Diensten des Kaisers gestanden haben. Schon volle 30 Jahre arbeitet er für die österreichischen Herr- scher. Gerade hat er aus einem riesigen schwei- zerischen Kristallblock seine „Pyramide" been- det, sein größtes Werk, das ihn kurz darauf in- ternational berühmt gemacht hat. Ein krank- haft bleicher Junge, im roten Mantel, mit aus- drucksvollen eingefallenen Lippen und traurigen, fieberhaft großen Augen, berührt mit beiden Händen eben dieses Meisterwerk: Es ist Ferdi- nand Eusebio Miseroni, der zweitgeborene Sohn Dionysios aus der ersten Ehe, der einzige und letzte Nachfolger dieses Geschlechts der Edel- steinschneidekünstler. lm Jahre 1653 wird diese Szene von Karel Skreta absichtlich gewählt: Das Werk von Dionysia, seine kulturell-gesellschaft- liche Stellung erreichen im Prag des 17. Jahrhun- derts ihren Gipfelpunkt. Er wird nicht übertrof- fen werden. Der iunge Ferdinand Eusebio über- nimmt symbolisch das Familienschicksal, mit einer Handbewegung deutet er an, daß er mitbeteiligt war, daß ihm die Schneidemeisterkunst, die von seinem Vater an die eigene Grenze der hand- werksmößigen Möglichkeiten gebracht wurde, nicht fremd ist. In den Augen der Zeitgenossen wird er iedoch im Schatten seines Vaters leben, nach Jahrhunderten wird er vergessen sein. Treu der Familientradition, führt Dionysio indes- sen seinen Sohn in die breitere Öffentlichkeit ein. Ähnlich wie einstmals sein Vater, wendet er sich an den Kaiser mit der Bitte, daß sein Schneidegehalt „ad dies vitae" auf den Sohn überführt werdek Dianysio baut zielbewußt sei- nem Nachfolger eine Position, nichts überläßt er dem Zufall, er kennt die Mißgunst der Beamten der böhmischen Hofkammer. Außerdem ist er nicht gesund, die Kur in Karlsbad hilft nicht. Am 29. Juni 1661 stirbt er vorzeitig unter schweren Schmerzenf. Sein Sohn Ferdinand Eusebio hat in den ersten schweren Wochen nach dem Tode des Vaters viel Geschicklichkeit bei der Verteidigung des Familieneigentums und der -stellung kundgetan. Noch während der Trauerzeremonie ersuchte er eiligst um des Kaisers Zustimmung zur Ernennung zum Schatzmeister. Mit dem Entschluß des Herr- schers vom 12. August 1661 wurde dem Ferdi- nand Eusebio entsprochen, aber die übrigen Funktionen des Vaters erreichte er schon nicht mehr. Inmitten des harten Existenzkampfes wird bislang überdie Edelsleinschneidearbeitgeschwie- gen. Vor allem war es notwendig, die vom Vater hinterlassenen und in Arbeit genommenen Kri- stall-, Achat- und Jaspisobiekte fertigzustellenf. Erst im Jahre 1664 tauchen die ersten Anzeichen darüber auf, daß er in Regensburg dem Kaiser „wertvolle Steine und die an ihnen vollendete Arbeit übergeben hat". Es waren vielleicht die ersten Obiekte aus orientalischen Steinen, an welchen sein Prager Atelier bis zum Jahre 1668 arbeitete. ln der ältest bekannten Spezifikation von Kunstwerken, die er einerseits an die Wiener Schatzkammer geliefert und den Rest ander- seits direkt zu Handen des Herrschers überreicht hat, wird über elf Posten im Betrage von 1945 Reichstalern gesprochen. „Erstlichen ein Trinckgeschür von Maria Mondt in Form einer Gieskann Item ein Geschür von lsada Item ein Geschür von orienta- lischen Jaspis in Form eines Becherls mit dem Dekl Item ein Geschür von orienta- lischen Jaspis ohne Dekl Item ein dergleichen von orienta- lischen Jaspis mit dem Dekl Item ein Schüssel mit dem Dekl von orientalischen Jaspis Item ein Geschür von gelben Zrintzenstein mit dem Dekl Item ein Geschür von rotem böh- mischen Jaspis sambt den Dekl Item ein Geschür von böhmi- schen Diamant Item ein langliches Glasel von Christall Item ein Geschür von orienta- lischen Agat sambt den Dekl in Gold gefast 100 Reichstalers Zusammen mit anderen bis ietzt bekannten Stük- ken sollte also der Kaiser seinem Edelstein- schneider im erwähnten Jahre 1668 an Schneide- lahn und anderen Auslagen 2250 Gulden be- zahlen. Wien und Prag wehren sich gegen diese Auszahlung, es ist viel Geld. Für Ferdinand Eusebio ist es die erste schlechte Erfahrung mit dem Herrscher und seinen Ämtern. Die Sorgen, „damit ich meine Creditoren befriedigen, auch mir und denen Meinigen in etwas helfen möge...", werden ihn schon das ganze Leben hindurch begleiten. Sofort danach bearbeitet oder vermittelt er eine reiche Bestellung von böhmischen Granaten für die kaiserlichen Goldschmiede in Augsburg. An die 10.000 bis 11.000 Stück Granaten schickt er mittels der böhmischen Kammer ins Ausland, 400 Reichstaler 250 Reichstaler 140 Reichstaler 175 Reichstaler 150 Reichstaler 200 Reichstaler 180 Reichstaler 200 Reichstaler 80 Reichstaler 70 Reichstaler