Jahrhunderts hin, in dem künstlerisch gestaltete Brunnen keinen Platz mehr haben und den völlig der Natur angeglichenen Teichen und Wasser- läufen weichen müssen. ll. Brunnen in architektonischen Ensembles Ein Brunnen als Mittelpunkt eines Platzes oder Hofes wird immer die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Er übernimmt von der umgebenden Ar- chitektur ihre Kraftlinien, ihren Rhythmus und bildet einen Kulminationspunkt, in dem die Statik des Gebauten in die Dynamik des Wassers übergeht. Die Künstler, die mit dem Brunnenbau beschäftigt waren, haben dieser Bedeutung auch Rechnung getragen; die Integration des Brun- nens in seine Umgebung ist immer ein zentrales Anliegen gewesen. Gleichzeitig ergibt sich die Notwendigkeit, den Brunnen als Einzelkunstwerk zu sehen und ihn auch nach diesen Kriterien zu gestalten. Diese Zweipoligkeit schafft für die Beurteilung von Stadtbrunnen einen anderen Blickwinkel als für Parkbrunnen". Relativ spät tauchen in Wien Brunnen dieser Gattung auf. Aus dem 16. Jahrhundert haben sich Hafbrunnen in der Staltburg, im Nieder- österreichischen Landhaus und im Schweizerhof der Wiener Hofburg erhalten. Sie sind von ihrem Aufbau her reine Nutzbrunnen mit Einfassungs- platten und haubenartigen Überdachungen zur Reinhaltung des Wassers. In der Gestaltung die- ser zweckentsprechenden Ausstattung sind je- doch bereits Künstler am Werk, die den Brunnen- anlagen einen luxuriösen Anstrich verleihen. Ein besonders schönes Exemplar dieser Gattung ist der Brunnen im Niederösterreichischen Landhaus, der erst seit 1950 in seiner jetzigen Form aufge- stellt ist". Die drei Einfassungsplatten - der Brunnen stand immer schon an der Wand - zeigen jede eine andere Musterung. Die ge- schmiedeten Stäbe werden durch getriebene und ziselierte Blätter ergänzt und bilden ein spitzen- artiges Gitterwerk. Ebenso reich ist die von der Wand gelöste, vierteilige Brunnenhaube ver- ziert. Über dem mittleren Gitter befindet sich die Dotierung von 1570. Hier wird zum erstenmal die rein dekorative Ausschmückung, die künst- lerische Verzierung in den Vordergrund gestellt. Erst im Barock werden im Bereich der Brunnen- baukunst wieder neue Maßstäbe gesetzt. Ver- schiedene Komponenten spielen zusammen und schaffen einen neuen Typus. Der Nutzwert der Wasseranlagen tritt in den Hintergrund und macht dem repräsentativ-künstlerischen Aspekt Platz. Die Brunnenbaukunst von Rom mit ihrem Hauptvertreter Bernini regt die Künstler zu einer intensiven Auseinandersetzung mit diesem Thema an und wird - nicht so sehr vom Stil her als viel- mehr durch ihre neue Konzeption - vorbildlich. Entscheidend ist das Programm der Plastik, welches oft in komplizierten Allegorien ausge- drückt wird. So ist es natürlich, daß die plasti- sche Ausgestaltung beim Brunnenbau in den Vordergrund rückt. Ein Beispiel für den Einfluß Berninis ist der Ent- wurf Fischer von Erlachs für den Brunnen auf dem Krautmarkt in Brünn". Die 1690 datierte Zeichnung zeigt einen Felsenaufbau, der von Figurengruppen bevölkert wird. Das Einzelmo- ment wird zur Szenerie erweitert, wobei das Wasser thematisch einbezogen wird. Dadurch gewinnt die Brunnenbaukunst eine neue Dimen- sion. Das unmittelbare Vorbild für diesen Ent- wurf dürfte wohl der Vierflüssebrunnen von Ber- nini in Rom gewesen sein. Der theatralische Effekt, die „Szenerie", ist be- sanders stark bei der Brunnenanlage auf dem Hohen Markt betontß. Ursprünglich stand auf diesem Platze die vom älteren Fischer von Erlach entworfene, in Holz ausgeführte Josephssäule. Diese wurde 1725 wegen Baufälligkeit abgetra- gen, und an ihre Stelle trat der vom jüngeren Fischer entworfene Vermählungsbrunnen. J. Em- manuel Fischer von Erlach löst die Grundform des Tempietto auf und erweitert die Szene zu einem „Prospekt". Dieser Zug wird durch die Einbeziehung der beiden seitlichen Brunnen be- tont. Durch die Verbreiterung der Standflöche gewinnt die Szene an Lebendigkeit und erinnert an Theaterinszenierungen: ein Einzelmonument wird zur Szenerie erweitert. 1737 erhält Georg Raphael Donner den Auftrag für den Brunnen auf dem Mehlmarkt in Wien, dem jetzigen Neuen Markt. Dieses Kunstwerk bedeutet einen Wendepunkt in der Geschichte der Brunnenbaukunst". Während früher Hof und Adel als Auftraggeber fungierten, ist es hier der Magistrat der Stadt Wien. Und in Donner fand man eine Künstlerpersönlichkeit, die imstande war, sowohl formal als auch inhaltlich neue Wege zu gehen. Das steinerne Becken war schon 1737 vorhanden. Die ursprüngliche Planung sah nur die Mittelfigur vor, 1739 wurde der Aufbau um die vier Randfiguren erweitert. Donner ver- wendet ein manieristisches Schema, wie es z. B. der Augustusbrunnen in Augsburg repräsentiert. Um die zentrale Mittelfigur gruppiert er am Beckenrand die radial angeordneten Neben- figuren; durch diese Anordnung vermeidet er die Ausbildung einer Schauseite, wie sie so gerne in den barocken Szenarien verwendet wird. Die Rundansichtigkeit wird auch in jeder einzelnen Plastik betont. Die Zentralfigur der Providentia schraubt sich in manieristischer Drehung in den Raum. Die Randfiguren - es sind dies die Fluß- 11 Providentiabrunnen. Fi ur der Traun. Ge phael Donner, 1739. leiguß. Original Österreichischen Galerie im Unteren Bel Barockmuseum 12 Mosesbrunnen. Johann Martin Fischer, 17 tallguß, Marmarsockel mit Relief. Wien, l ziskanerplatz 13 Josefsbrunnen. Johann Martin Fischer, 1B tallguß, Marmorsockel mit Relief und köpfen. Wien, l., Graben 14 Donauweibchenbrunnen. Architektonischi bau von Heinrich Ferstl, Bronzeplastik Anton Dominik Fernkorn, 1860161. lm lr der ehem. Österreich-Ungarischen Bank. l., Freyung Anmerkungen 22-30 11 Zur atlgerneinen Einführung: A. Rautenberg, Mi liche Brunnen in Deutschland. Diss., Freiburg i. 1965. Bestandsaufnahmen: Wien am Anfang des ' hunderts. Hrsg.. Usterr. lng.- u. Arctiiiekrenw Bd.: Hochbauterl, Architektur und Plastik. Wii G. Kapner- Freiplastik in Wien. Wiener Schriften, Wien-München 1970. Dehio-Handbuch: Die Kunst ler UsterreichsfWien. Wien 1954. Üsterreichischi fapagraphie: Hans TietzelWien. 2 Bde, Wie Alte Ansichten: H. Tietze: Alt-Wien in Wort u Wien 1926. Ders.: Das Vormarzliche Wien in V Bild. Wien 1925. U R. Feuchtmüller: Das niederösterreichische Landh Kunsthistorisches Denkmal. 151371850. Wien 1' naissance in Usterreich. Katalog der Aussteil Schloß Schallaburg 1974, Kat-Nr. 740. O. Österreichische Großgitter. ln: Alte und modern Nr. 49, Wien 1961. _ 1' Vgl. Aurenhammer, Fischer von Erlach, op. cit. 73 Th. Zacharias: Josef Emrnanuel Fischer von Erlar 1960. J. Schmidt Fischer von Erlach der Jüni Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stal Bd.14, Wren1933. 71' K. Blauensteiner: G. R. Donner. Wien 1944. I mayer: G. R. Donner, in: Epochen und Werk 1960. M. Schwarz: G. R. Donner, Kategorien der München 196a iniii Angabe der neueren Liter: Grimschitz: G. R. Donner - Der Brunnen auf der Markt in Wien. Stuttgart 1959. G. Künstler Ü Donner-Brunnen in Wien, in: Alte und modern Jg. 1, W1en195Q, S 99 ff. 7' Lt freundlichem Hinweis von Dr. R. Milesi, K14 gleichzeitig Allegorien der vier Jahreszeiten. 7' M. Poch-Kalous: Johann Martin Fischer. Wien 19 in Geschichte der Stadt Wien, op. cit. 7' M. Poch-Kalous in Geschichte der Stadt Wien, op. 3" F. Otten: Ludwig Michael Schwanthaler, 180271 Bildhauer unter König Ludwigt von Bayern. 1970. K. Eidlinger: Ludwig Michael von Schwi 1802-1548. ln: Die Bildhauerfamilie Schwanthaler. der Ausstellung in Reichersbergllnn, 1974.