Grau-Schwarz-Skala reduziert, wieder. Wenn wie bei Makart das Hell-Dunkel in den „Hinter- grund" tritt, kann auch „buntes Grisaille" ent- stehen, d. h. eine Farbe ersetzt das Grau (oder Braun). Der andere Realitätscharakter (Stein, Holz) wird zu einem Effekt, dessen verfremdete Wirkung darin besteht, daß die „Bandbreite" der Helligkeit eingeengt wird, da ia iede Farbe als solche eine bestimmte Helligkeit hat (von Gelb bis Blau abnehmend). Nicht bei ieder Farbe ist eine Veränderung möglich; z. B. Gelb ergibt verdunkelt nicht etwa „dunkles Gelb" oder Ocker, sondern Olivgrün; Rot ergibt ver- dunkelt Braun. Daß Makart in einem Entwurf (Abb. 6F5 Türkis- grün als Grundfarbe eines „Grisailles" verwen- det, ist symptomatisch. Grün nimmt die Mitte zwischen Hell und Dunkel ein, ist gewissermaßen neutral, es entspricht im bunten Farbbereich dem Grau des unbunten Farbbereiches". Das Ver- blüffende daran ist, daß eine Farbe, trotz ihres begrenzten Helligkeitsbereiches, alle Übergänge von Hell bis Dunkel vertreten sollte. Das Bild wirkt, auch dort, wo es Auflichtungen anzeigt, keineswegs in dieser Hinsicht eingeschränkt. Die- ser paradoxe Effekt entsteht dadurch, daß das Grün offenbar gar nicht das „Grisaille" bildet, sondern den Hell-Dunkel-Kontrasten nur filter- haft überlagert ist. Auch hier ist eine Farbe ohne Bezugnahme auf den Grund gesetzt. Da- durch, daß sie lasiert ist, scheint der Grund durch, aber er ist letztlich ein anderes. Hell- Dunkel und Farbe sind optisch gespalten. Aller- dings wird nur an einigen Stellen versucht, auch das lnkarnat in das „Grisaille" einzubeziehen. Die dabei angestrebte „Leuchtkraft" wäre von einem überlagerten Grün erschlagen worden. Die Farben in ihrem Buntheitswert werden selb- ständig, lösen sich von ihrer Bindung an Licht und Finsternis - sie werden, wie oben gezeigt, selbstleuchtend. Dies iedoch nur im Ansatz, noch kommt es in den ausgeführten Werken zu Schat- tenmodellierung und Beleuchtungseffekten". Die Genese der Werke führt iedoch durch dieses Stadium der selbstleuchtenden Buntwerke, das gleichzeitig in verschiedensten „Kunstlandschaf- ten", auf die in Ausstellungen der letzten Zeit neuerlich hingewiesen worden ist, dominant und selbständig wurde - man denke an die „Mac- chiaioli", an die „Szolnoker Malerschule", aber auch an Cezanne, der nur ein Jahr älter als Makart war". Wenn man so weit geht, den Skizzen „echte, anzuerkennende künstlerische Form" zuzubilli- gen", sollte man sie auf der anderen Seite nid1t unterbewerten. Auch wenn sie „nur" spontane Umsetzungen von Bil-d- und Farbideen waren", sind sie es in einer Weise, die früher nicht mög- lich gewesen wäre. In manchen dieser Skizzen fehlen nicht nur Schatten", sondern auch die zeichnerischen Angaben. Das Foto einer brillant gezeichneten Skizze" korrigiert Makart in Grau- tönen derart, daß die Zeichnung verschwindet. Im oberen Teil eines Entwurfes (Abb. 7)" sind drei Stadien im Arbeitsprozeß gut sichtbar. Zu- nächst werden die Putti gezeichnet (ganz rechts), dann werden sie hell-dunkel modelliert. Das Weiß wird innerhalb der Zeichnung angelegt, die noch gut sichtbar bleibt; danach folgt die Modellierungsschattung. Wie aus anderen Skiz- zen ersichtlich ist", kann auch zunächst innerhalb der Zeichnung eine dunkle Folie gemalt werden, auf die die Modellierung in Weiß erfolgt - das Kennzeichen dafür, daß mit der Trennung des Hell-Dunkels von den Farben auch eine Spaltung des Hell-Dunkels selbst einhergeht. Zugleich mit der Modellierung erfolgten räumlich-architekto- nische Angaben. Schließlich (im mittleren Teil) werden die Farben aufgesetzt, womit die Zeich- 6 nung verschwindet. Den plastischen Effekt der Körperlichkeit erreicht Makart nicht in einer kontinuierlichen Auflichtung bzw. Abschottung, sondern durch klar abgegrenzte, in sich homo- gene Farbformen. Diese mögen danach farblich differenziert werden, aber die Dichtheit eines sich zum Ganzen entwickelnden Inkarnats, das alle Farben in sich schließt", ist nicht erreich- bar, aufgesprengt in Farbflecken. Noch bei De- lacroix bildet eine durchgehende farbige Schicht, auf die hellere Farbnuancen aufgesetzt werden, die durch die „flochetage" ein dichtes Farbge- webe ergeben. Für die Lasuren verwendete er wie Makart Asphaltfarben". Erst im Stadium der Ausführung werden Zeich- nung, Hell-Dunkel im Sinne differenzierter Farb- übergänge, Licht bzw. Beleuchtung integriert. Den vorangegangenen Desintegrationsprozeß kann man dann nur mehr schwer feststellen. Daß Makart den Schatfensprazeß in der Weise skizziert, daß zunächst keine Figuren, sondern nur Licht- und Schattenpartien vorgestellt, dann koloristisch angeordnet und erst danach die Figuren hineingepaßt werden", belegt die Spal- tung in verschiedene Schichten. Daß er dabei als erste Schicht die Zeichnung übergeht, ist eher ein künstlerpsychologisches Problem. Die differenzierten Farbübergänge bereichern auch die Palette. Beschränkt man die diesbezüglichen Beobachtungen auf die Skizzen, erstaunt das Ergebnis vor allem in bezug auf die seit (eher gefällten Urteile, die von Farbenorgien sprechen und Makart als den Vollender der Farbenf- wicklung gepriesen haben. Mit welchen Farb- tönen aber erzielt Makart diesen Effekt? FARBSKALA Hevesi" würdigte Makarts Leistung als „den Höhepunkt der koloristischen Evolution unserer Malerei im Sinne der absoluten Farbe"; Haack" nannte „sein Schaffen eine einzige große Far- bensymphonie, um nicht zu sagen, eine einzige Farbenorgie"; an diesem Urteil hat sich im Grunde bis heute wenig geändert". Generell kann gesagt werden, daß der Großteil der Farben gemischt ist und daß reine Bunt- farben selten verwendet werden. Dominant sind Braun, Ocker, Grau, Weiß, Gold und als Bunt- farben Rot und Blau. Auch wenn Abbildungen diese Beobachtung zu widerlegen scheinen, feh- len Gelb und Grün. Gelb als die hellste Farbe wird durch Gold ersetzt oder zu einem Ocker gemischt. Das Grün, das in den ausgeführten Werken ergänzt wird, fehlt fast völlig; bestim- mend für den allgemeinen Eindruck ist es, außer im erwähnten Sonderfall des „Sommernachts- traumes", nie. Die erscheinenden Grüntöne sind, wo sie aufscheinen, oliv oder smaragdverdun- kelt. Olivgrün ist aber Mischfarbe aus Gelb und Schwarz, ist verdunkeltes Gelb, das „rein" nie entscheidend wird. Man erinnere sich, daß auch die „Makort-Bouquets" durch einen Entzug des pflanzlichen Grüns gekennzeichnet sind. Land- schaft gibt es in den Skizzen überhaupt nicht, Vegetation ist lediglich Dekoration der seichten Raumbühne. Wie in der Tiefenschichtung, d. h. von Zeichnung, Hell-Dunkel zu davon weitge- hend unabhängiger Farbschicht darüber, Gegen- sätze wirken, so sind die „Farbensymphonien" in gleicher Weise auf Kontrasten aufgebaut. Dazu einige Hinweise, die die wichtigsten Ak- zente betreffen. Weiß „Weiß als die maximale Farbhelligkeit" beur- teilt Heimendohl phänomenologisch wie folgt: „... im eigentlichen Sinne nichtssogend ist der ästhetische Eindruck des Weiß. Es ist die ,unbe- schriebene', allen Wirkungen offene, ungerich- tete und in keinen Dienst gestellte Farbe, die kein Gesicht zeigt, aber dafür bereit, sich allem hinzugeben und keine Macht zu beanspruchen"? Makart verwendet Weiß als Auflichtung und vor allem als lnkarnatfarbe. Sind Einzelpartien von Körpern und Dingen weiß, so wirken sie wie von einer äußeren Lichtquelle angestrahlt. Da diese Lichtquelle nicht einheitlich verstanden ist, nur partiell starke Aufhellungen stattfinden, könnte man von einem Bühnenlicht sprechen, das den räumlichen Gegebenheiten durchaus ent- spricht; im Bildgeschehen erscheinen „Lichtin- seln" und -splitter. Seine wichtige Rolle erlangt das Weiß als lnkarnatfarbe. Hier werden die Leiber nicht angestrahlt, sondern bilden selbst Lichtinseln, leuchten im Kontrast zu den dunklen Farben des angestrebten „Galerietones" auf, sind aber zugleich „leer". Dadurch, daß sie kei- nen Bezug zu anderen Körpern oder Dingen ha- ben, weil sie zwar offen für Farben wären, aber keine in sich aufnehmen, erstrahlen sie für den Beschauer, geben sich diesem hin. Wie das Gold seinen transzendierenden Charakter verliert, ist auch beim Weiß von der einstigen Symbolik der Reinheit nichts mehr zu ahnen. Die Erfüllung findet dieses Weiß nicht im Bilde, sondern in seinem Bezug zum Betrachter, der diese Leer- stellen als erste wahrnimmt und die dort plazier- ten, herausfordernden Leerformeln mit eigenen „Farben" erfüllen soll. „Makart ließ die aske- tisch erzogene Menge erbeben unter dem wol- lüstigen Schauer weiblicher Frauenleiber"". „Mokarts Aktthemen waren für die unterschwel- lige Sinnlichkeit seiner Zeit ein Anreiz, gerade weil sie in hohem Maße ungeistig sind's", wo- bei man sich jedoch über das „Unlebendige", Fahle, Leichenhafte der Hautfarbe ereiferte" und den sinnlichen Eindruck verdrängte. Es wird wohl weniger die „Verwesungsfarbe der Frauen- leiber" oder deren „krankhaft blasse Hautfarbe" gewesen sein, die man als provozierend emp- fand". Die Spaltung des Hell-Dunkels bringt die Konzentration des Weiß auf Frauenakte mit sich. Dunkles und helles lnkarnat stehen oft über- gangslos nebeneinander. Das helle lnkarnat scheint überwiegend den Frauen zuzugehören, während Männergestalten und Köpfe als dunkle Folie wirken oder einen verschatteten Gegenpol bilden können. Dabei kommt es weniger zu einer Spannung, denn die Helle, das Weiß nimmt keinen Kontakt mit der Bildwelt auf, sondern ist auf den Beschauer gerichtet. Das Dunkle bildet keinen Gegenstand der Aufmerksamkeit". Rot-Blau Bildet das als Farbe verwendete Weiß zusam- men mit den anderen Farben, die bis ins Schwarz reichen, den stärksten Hell-Dunkel-Kontrast, so bildet Rot-Blau die stärkste Buntheitspolarität. „Die Spannung, der ,Konflikt' ist in der Unver- einbarkeit des Gegensatzes zwischen dem akti- ven und warmen Rot und dem kühlen, passiven Blau."" Da Rot auf den Betrachter „zukommt", Blau passiv „zurückbleibt", entsteht in dieser Span- nung ein Farben-„raum". In diesen Kontrasten entfaltet sich die Bildwelt", van ihnen leben die „Wildheit" und das „Orgiostische" der Farben. Grün etwa würde hier ausgleichend wirken, und auch deshalb wird darauf verzichtet. Das be- rühmte Makart-Rot wird auch da eingesetzt, wo er auf Blau verzichtet. „Die Unabhängigkeit von Helle und Dunkel ist bei Rot die größte"? da- her kammt das Rot, neben seiner erwähnten Kontrastrolle zum Blau, der Tendenz zum Eigen- wert der Einzelfarbe in der Loslösung vom Hell- Dunkel entgegen. Grau Die in Skizzen feststellbare Schichtung in Zeich- nung, Hell-Dunkel und Buntfarben ist nicht in dieser Eindimensionalität zu generalisieren, son- dern weist zunächst nur auf eine Trennung. Diese