Kriegsknecht aus der Kreuzigungsgruppe der Halleiner Salinenkapelle. Lindenholz. Höhe 117 cm. Salzburg, Augusteum Gliederpuppe, Obstbaumholz, Höhe 24 cm. Ham- burg, Museum für Kunst und Gewerbe Salzburger Museum Carolino Entwicklung des Flügelaltares vom wenig unter- gliederten, durch Seitenflügel verschließbaren Kasten zum Wandelretabel mit mehrfachen Bil- derzyklen und von höchster Logik getragener Architekturgliederung. Nicolaus Gerhaert darf aufgrund der hypothetischen Rekonstruktion sei- nes zerstörten Konstanzer Retabels (vgl. Wolf- gang Deutsch, Die Konstanzer Bildschnitzer der Spätgatik und ihr Verhältnis zu Nicolaus Ger- haert. In: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung 81, 1963, S. 11 ff.) als Protagonist iener Altarbauer gelten, die in der Heiligenfigur reale Personen typisie- rend verallgemeinern, ihre Wirklichkeit durch räumliche Prägnanz bestätigen und damit tat- sächliches Leben, porträthaft im Altarschrein er- höhend, vergegenwärtigen. Es muß als bezeich- nend für die Salzburger künstlerische Entwick- lung und ihre historischen Voraussetzungen hin- genommen werden, daß direkte Einflüsse seiner Kunstauffassung hier fehlen. Ob Bildformen, die seiner Kunst entsprachen, in Salzburg wohl den Grabmälern vorbehalten waren? Erst mit Michael Pachers Hochaltar für die Franziskanerkirche, entstanden zwischen 1484 und 1498, wurde ein Äquivalent geschaffen, zu dem auch die von Gre- gor Erhart beeinflußten Figuren der Hl. Anna Selbdritt und der beiden Johannes in der Pfarr- kirche zu Puch (Kot-Nr. 257-259) gehören. Ebenso wird es nicht dem Zufall zugeschrieben werden dürfen, daß die Figurenauffassung des Veit Stoß erst in den letzten Jahren des 15. Jahrhunderts, 1498 im Nannberger Flügelaltar und anschlie- ßend in der Halleiner Kreuzigung (Kot-Nr. 251 bis 254), Abb. 8), Anklang fand. Die mit diesen Aufträgen betrauten Bildschnitzer hatten sich da- mals bereits iener Stilphase zugeneigt, die für das letzte Entwicklungsstadium des spätgotischen Retabels typisch ist. Anstelle der repräsentativen Einzelfigur verschleift sie die Darstellungen im Mittelschrein zu reliefartig bildhaften Wirkun- gen und durchsetzt sie mit ästhetisierenden Licht- Schatten-Effekten. Mit dem Hinweis auf das renaissancehafte Stre- ben der Kunst iener Jahre nach Autonomie wäre der veränderte Wirkungsbereich dieser ästheti- schen Mittel allzu verkürzt umschrieben. Das Ein- binden der Einzelfigur in einen bildhaften Kom- positianszusammenhang, der sich aufgrund der optischen Wirkung für die Schreinfiguren des Abtenauer Altares (Kot-Nr. 283-285] einstellt, der materiell für die ursprünglich höchstwahr- scheinlich durch einen Reliefgrund verbundenen Kreuzigungsfiguren aus Hallein, die von einer landschaftlichen Darstellung hinterfangen gewe- sen sein dürften, zutrifft, reduziert zwar ihre reale körperliche Präsenz im gleichen Maße, in dem ihre Bildhaftigkeit sich ausweitet, zugleich aber scheinen darin sich auswirkende ästhetisie- rende Tendenzen selbst in einem neuen Sinn be- deutsam geworden zu sein. Das Ästhetische wird aus seiner angestammten Aufgabe der Erkennt- nisvermittlung nicht entlassen, es wird nicht frei- gesetzt, um seitdem als reiner Kunstwert für sich zu stehen, sondern das ästhetische Argument selbst scheint nunmehr ein Stück authentischer Überzeugung geworden zu sein. Je geringer der Symbolcharakter des Bildes wurde, desto mehr galt seine Schönheitfür wahr. Diese Profanierung sakraler Kunst verpflichtete sie zur allerhöchsten Prachtentfaltung; die profane Darstellung, bei- spielsweise anatomischer Realien in der Glieder- puppe (Kot-Nr. 346-350, Abb. 9), durfte umge- kehrt teilhaben an der traditionellen Sakralität der Altarskulptur. Verstärkt konnten Kunstwerke seitdemin ExempelnunterschiedlicherThematikdie ldee der Schönheit verweltlichen und als Samm- lerstücke in Kunstkammern höchste wissenschaft- liche und künstlerische Anerkennung genießen. V1 Anschrift des Autors: Dr. Herbert Beck Leiter des Liebieghauses Schaumainkai 71 D-6000 Frankfurt a. M.