I Aktuelles Kunstgeschehen l Österreich
Wien
Historisches Museum der Stadt Wien
Georg Ehrlich
Von dem 1897 geborenen Wiener, der 1937 nach
London ging und der politischen Ereignisse wegen
in der Emigration blieb und 1966 starb, wurden
Zeichnungen, Druckgraphiken und vor allem Pla-
stiken gezeigt. 222 Exponate gaben einen reichen
Überblick, wobei festgestellt werden konnte, daß,
was besonders in der Plastik zum Ausdruck kommt,
der Höhepunkt des Schaffens dieses Künstlers in
den späten dreißiger Jahren lag. Sehr stark von
Barlach und Minne herkommend, können wir eine
klassische Periode in Ehrlichs Werk ruhig neben
die besten Arbeiten Georg Kolbes stellen. Sehr
schön waren die Köpfe von antiker Strenge, die
„Mutter mit totem Kind" und iene Tierplastiken,
bei denen der Bildhauer nicht ins Hübsche oder
Liebliche auswich, sondern bei der spannungsvollen
Herbheit der Natur blieb.
(30. 9.-5. 12. 1976) - (Abb. 1)
Albertina
Von lngres bis Cezanne
Die gezeigten Aquarelle und Zeichnungen aus dem
Louvre wurden van dem Leiter der „Albertina"
HR Kaschatzky ausgewählt und sollten eine sehr
umfassende und wesentliche Übersicht von der für
die Moderne sehr entscheidenden Zeit in der
französischen Kunst geben. An den meist einmalig
schönen 67 Beispielen kann man den Wandel der
Stile beobachten. Namen zu nennen (ab es nun
Cezanne, Carot, Courbet, Daumier bis Toulous-
Lautrec ist, alle nennenswerten sind vertreten!) fällt
bei der Vielzahl der in die Kunstgeschichte Ein-
gegangenen schwer. Um so lieber nennt man auch
weniger bekannte, wie etwa Constantin Guys, der
mit einem ganz prachtvollen, wie hingehauchten
Blatt „Zwei elegante Damen in der Kalesche"
vertreten ist, oder Eugene Boudin mit seinen
Strandbildern (1866!) von einer über ein ganzes
Jahrhundert reichenden Modernität. Und noch eines
wurde bei dieser Schau den kritischen Betrachtern
wieder sehr bewußt: Wie sehr über die Güte und
Besonderheit auch einer graphischen Gestaltung,
besonders in iener imaressionistischen Epoche (ein
wesentliches Beispiel ist Degas „Stehende Tänzerin,
Rückenansidrt) erst an Hand des Originals geurteilt
werden kann. Eine sehr wichtige Ausstellung!
(18. 11. 1976-25. 1. 1977) - (Abb. 2)
Akademie der bildenden Künste
C. Permeke
Der 1886 geborene und 1952 gestorbene Belgier
leitete in seiner Heimat schon 1905 mit dem Bild
„Heiliger Abend" den Expressionismus ein. Seine
klobigen Figuren und die Sparsamkeit in den
Farben mancher Bilder erinnern an unseren Egger-
Lienz, auch Van Gagh wird berufen. Andere Bei-
spiele der 64 ausgestellten Arbeiten zeigen uns
die starke Eigenständigkeit des Belgiers. Gut ist,
daß auch frühere Bilder zu sehen sind, so daß
man die Entwicklung verfolgen kann. Freilich ist
ein solches Unterfangen bei der Höngung in der
Akademie etwas schwierig (eine Spezialität der
Ausstellungsgestaltung dieses Hauses, siehe
Boeckl-Ausstellungl, da sie auf chronologische
Folgen keine Rücksichten nimmt).
(19. 11.-21. 12. 1976) - (Abb. 3)
Galerie am Graben
w. + a. viehböck, schmuck l e. choung-
fux, graphik l h. larsen-d. lewis, schmuck
Alle drei Aussteller zeigten außerordentlich sauber
gearbeitete Exponate. Die Graphiken der
Choung-Fux, 22 Farbholzstiche, sind sehr zurück-
haltend, still, das Material wirkt entscheidend mit.
Der Ausschnitt bzw. die ungewohnte Perspektive
besticht. Der Schmuck der Viehböcks aus Silber und
auch kombiniert mit Glas. macht einen sehr
geometrischen Eindruck. Manche Arbeiten sind
auch als Kleinplastiken zu betrachten. ln diese
Richtung weisen zwei durch strenge Patterun-
gen gekennzeichnete Reliefs. Larsens und Lewers
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Schmuckstücke zeichnen sich durchgehend durch
ihre Beweglichkeit aus. Sie legen sich etwa
geschmeidig an die Körperformen an, technische
Einheiten werden bevorzugt.
(27. 9.-17. 10. 1976) - (Abb. 4 a, b, c)
Galerie auf der Stubenbastei
Christine Heuer
Die Künstlerin hat, gegenüber ihrer letzten Schau,
einen großen Schritt vorwärts gemacht. Sowohl
im Aquarell, bei dem sie lockerer geworden ist,
als auch bei der Graphik, wo der Strich, bei
aller spielerischen Handhabung und Verselbstön-
digung einen sehr persönlichen Charakter
bekommen hat. Mehr denn ie versteht die Heuer
mit dem Zwischenraum, der leeren Fläche zu
arbeiten. Ein Familienbild a la 19. Jahrhundert
will uns da besonders geglückt erscheinen.
(7. 9.-2. 10. 1976) - (Abb. 5)
Galerie Würthle
Alfred Karger
Die Landschaft ist das Thema dieser Ausstellung.
Die Aquarelle sind gegenüber den früheren Arbei-
ten des Künstlers sd1werer, aber weniger „geo-
metrisch" geworden. Die Graphiken, die das Haupt-
kontingent der Schau bilden, wollen uns strenger,
vor allem aber dichter scheinen. Am besten sind
wohl die Federzeichnungen, etwa „Bewachsener
Hügel" und „AIte Hütte". Die Strichtolgen ver-
einigen sich zu Bändern, die den Zeichenblättern
eine eigenartige Spannung geben. Die Graphik
wird iählings mehr als nur Abbild einer Land-
schaft, sie gewinnt eine geheimnisvolle Dömonie.
(7. 10.-30. 10. 1976) - (Abb. 6)
Kleine Galerie
Bayod Serafini
Der 1943 geborene Maler aus Barcelona zeigt
sehr beachtenswerte Ölbilder. Meist sind die Bild-
flächen ziemlich monachrom gehalten, man denkt
an eine Mauer, man denkt an Tapies, in dieser
Flüche tut sich dann scheinbar eine Öffnung auf
und aus ihr spritzt in Richtung Betrachter ein
Wasserstrahl. Loch und Wasserstrahl sind Trompe-
L'aeil-haft gemalt. Bei anderen Obiekten sehen wir
gleichsam in dieser Art gemalte Lichteffekte auf
eine Metallplatte eingeschlagen. Immer wieder wird
nur mit wenigen Farbnuancen operiert und die
Spannung durch wenige Lichtwirkunaen erzielt.
(3.-24. 11. 1976) - (Abb. 7)
Theseustempel
PAN Pasiecznyk
Eine Verbrauchswelt, eine Welt ohne Menschen,
eine Welt der vom Menschen ge- und mißbrauchten
Geräte, das sind die Motive, die uns dieser Maler
auf sehr fein gepinselten Bildern - wir setzen die
feinen Spuren der Spitze dieses Werkzeuges -
gegenüberstellt. Zeigen seine früheren Bilder meist
lnnenräume mit bedeutsamen „Begegnungen", wie
iene einer Nähmaschine mit einem Regenschirm,
so wendet sich Pasiecznyk nun Themen wie Auto-
friedhof und Landschaftsverödung zu. Deutlich
war bei diesem Künstler von Anbeginn stärker
eine surreale als eine phantastische Note zu ver-
zeichnen. Gerade die letzteren Arbeiten lassen
eher eine Verdünnung der für ihn typischen
Charakteristik spüren. (30. 9.-5. 11. 1976) - (Abb. 8)
Galerie Modern Art
Maud Morgan
Sie ist Amerikanerin und begann 1930, nicht mehr
ganz iung, zu malen. Angeblich war ihr die Malerei
nach der Natur zu leicht und befriedigte sie nicht,
so wandte sie sich der abstrakten Kunst zu. Wie
dem auch sei, sie schuf auf diesem Gebiet Bilder,
die einfallsreich sind und, was bei der Großflächig-
keit und außerordentlichen Sparsamkeit der Glie-
derung besonders wichtig ist, immer wieder starke
Spannungsmomente haben. Besonders die Graphiken,
bei denen Frau Morgan mit verschiedenen Grau-
tönen arbeitet, zeigen in der genannten Tonigkeit,
aber auch in der Linienführung ein starkes Gefühl
für die Beherrschung der Kraftfelder.
(29. 9.-16. 10. 1976) - (Abb. 9)
Secession
Weihnachtsverkaufsausstellung
Die meisten Mitglieder der Vereinigung, auch iene,
die vor Jahren mit viel Lärm in die Opposition
gingen, stellten einige Arbeiten aus. Es waren
durchschnittlich sehr qualitiitvolle Bilder, Graphi-
ken und Plastiken zu recht niederen Preisen zu
bekommen. (30. 11.-23.12. 1976)
Jorg Hartig
1932 in Wien geboren, Güterslah-Schüler, war
Hurtig viel im Ausland und scheint van den Ameri-
kanern stark beeindruckt zu sein, konnte aber
das Aufgenommene zu Eigenem umsetzen. Die
großen Acrylbilder zeigen fast durchwegs zwei
Motive: Den Verschleiß und die Bewegung. Dem
Verschleiß ist der größere Teil gewidmet. Da gibt
es monumentalen Eisbecherrnüll, zerknautschte
Autos, „Asphaltblüten". Alles sehr kühl und di-
stanziert. Feststellungen, als gingen sie uns nichts
an. Die Bewegungsstudien sind raffinierte Silhouet-
tenüberschneidungen, gute Beobachtungen und
gekonnt, aber auch hier eher spannungslos unter-
kühlte Distanzierung. (1.-23. 12. 1976) - (Abb. 10)
Galerie Spectrum
Fred Nowak
Diese Gedächtnisausstellung vereinigte 45 Exponate,
die, mit Ausnahme dreier älterer Graphiken, alle
aus den letzten Lebensiahren des leider viel zu
früh von uns gegangenen Künstlers stammen. Die
sorgfältig ausgewählten und originell placierten
Bilder sprachen mit ihrer kraftvollen Farbigkeit,
mit den warmen Tönen und den bevorzugten
Blau-Rat-Kontrasten von dem Temperament und
der Vitalität des Malers. Die von Nowak erfundene
Farb-Manotypie verbindet oft Mythisches mit Zeit-
kritischem, gerade das graphische Element, das
wir in allen diesen Blättern besonders betont
finden, bezeugt einen starken Aussagewillen.
(27. 10.-Z. 12. 1976) - (Abb. 11)
Siegfried Strasser
lm großen Parterresaal rund 50 Exponate des
Oberösterreichers. Er ist außerordentlich fleißig
und wie es scheint auch viel heiterer, spielerischer
geworden. Nach wie vor beherrscht die Mechanik
das Bild, nach wie vor gibt es Materialbilder mit
phantasievollen Drahtverspannungen, die an die
verschiedensten Apparate erinnern. Zukunfts-
bilder zeigen monsterartige Maschinen Welten-
schlachten durchführen, und das Ende wird wieder
ein Heidendenkmal sein. Ironie und bittere
Späße in Zeitcalor. (2. 12. 1976-9. 1. 1977) - (Abb. 12)
Galerie am Rabensteig
Franz Luby
Sehr sauber gemalte Ülbilder voll symbolgeladener
Objekte. Nichts ist zufällig da. Man merkt, daß
der Maler sich bei allem etwa gedacht hat und
die Dinge in Beziehung zu setzen versteht. Immer
wieder werden wir bei Luby an die Manieristen
der Renaissance erinnert. Es scheint ein ähnliches
Weltbild zu sein, aus dem der Maler schöpft.
(7.-30. 10. 1976)
Salzburg
Kulturvereinigung im
„Romanischen Keller"
lrma Toledo
Es war ein guter Gedanke, die Eröffnung der
„Salzburger Kulturtage" ieweils mit einer Ausstel-
lung zeitgenössischer Kunst zu markieren. Der aus
zehn Gemälden bestehende Zyklus „Bilder aus
der Genesis" der Salzburger Malerin lrma Rafaela
Toledo war hier auslösendes Moment für eine
selten so geglückte Synthese von ausgestelltem
Werk und Ausstellungsort.
Frau Toledo denkt beim Malen nicht daran, Dinge
der Natur naturalistisch abzubilden. Für sie, für
die Malen kein rationaler Vorgang ist, für sie
stellen die Worte des Schöpfungsberichtes (in der
Übersetzung von Martin Buber) die Bild-Titel dar.