Sammlungen und Schätzen keine „Dalium"-Scha- le in kostbarer Fassung bekannt geworden ist. Die vermeidbare Verwechslung eines „Dolium" mit einem „Nautilus" ist glücklicherweise kein Einzelfall und mögen die Kollegen und Freunde, Frau Dr. Aschengreen-Piocenti und Herr Dr. Kurt Rossacher, sich damit trösten, daß in dieser Rich- tung auch noch andere Kunstgelehrte sich gründ- lich geirrt haben; Im Ungarischen Nationalmu- seum zu Budapest ist ein besonders bizarrer Muschelbecher ausgestellt und in einem kleinen reich illustrierten Katalog in englischer Sprache beschrieben und abgebildet, leider ohne Hinweis auf Meister- und Beschauzeichen. Es wird nur eine generelle Dotierung ins "I7. Jahrhundert vorgeschlagen. Der Abbildung nach zu urteilen ist es wahrscheinlich eine Nürnberger Arbeit aus dem Jamnitzer-Kreis". Es ist kein „Nautilus pompilius" mit seinem glatten, seidig schimmernden Perlmutter, sondern der recht wehrhaft aussehende „Murex romosus" oder auch „M. multiramosus"; rhyhtmisch verteil- te ausgebagene Spitzzacken auf einem klotzi- gen Gehäuse lassen erkennen, daß es sich um einen fleischfressenden Bewohner von untersee- ischen Felsklippen und Korallenbänken handelt. Die Schale ist außen milchweiß, die Mündung innen sowie die Unterseite der Zacken zartrosa. Es gibt auch ausgesprochene Albinos, doch sind diese sehr selten. Auch dieser „Murex"-Becher ist, bis ietzt, ein Unikum. Auf dem bereits erwähnten Gemälde „The Paston Treasure" ist im Hintergrund, noch links, ein anderer, heute nicht mehr nachweisba- rer „Murex"-Becher dargestellt, dieses Mal mit Verarbeitung einer früher von den Sammlern als „Wollknäuel" bezeichneten Art: „Murex ra- dix" oder „M. nigritus", wobei die Grundfarbe des Gehäuses wiederum milchfarben ist, alle Zacken und herausstehenden Spitzen dagegen dunkel- bis schwarz-braun. Nachdem, wie schon gesagt, bisher ein einziger „Murex ram0sus"-Becher erhalten geblieben, der auf dem Gemälde dargestellte verschollen ist, müssen diese Muscheln damals selten gewesen sein. Heute kosten sie 25 bis 30 DM". Auf die „Trochus"-Schnecken, wie Wenzel Jam- nitzer sie an seiner geistvollen Kanne in der Schatzkammer der Residenz in München ver- wendete, habe ich bereits hingewiesen und darauf aufmerksam gemacht, daß die Identifi- zierung im Katalog mit „Perlmutterschnecke" ebenfalls unrichtig ist. Auch bei diesen „Trochus" wurde die Oberhaut abgebeizt und die dünne Perlmutterschicht, nach Entfernen der Prismen- schicht, freigelegt. Diese Schneckenart kommt in allen wärmeren Meeren massenhaft vor und wird tonnenweise nach England für die dort blühende Knopfindustrie exportiert. Sorgfältig von Über- krustungen gereinigte Muscheln zeigen die ver- schiedenartigsten Farben und Zeichnungen - auch sie billige obligate Schaustücke für Sammel- anfönger, da sie zu erschwinglichen Preisen angeboten werden. Auf die Verwendung der eigentlichen Perlmu- schel „Meleagrina" in der Frührenaissance-Ar- chitektur wurde schon hingewiesen. Auf das fein irisierende Flimmern der Perlmuttermuscheln wollten die Goldschmiede, trotz der unvorteil- haften äußeren Erscheinung und ungeeigneten Form der Schalen, nicht verzichten. So zerschnit- ten französische und deutsche Meister die Scha- len nach entsprechend vorher exakt ausgearbei- teten Werkzeichnungen und bekleideten damit die verschiedenartigsten Gefäße, wobei die ein- zelnen Plättchen nachträglich den Rundungen folgend gewölbt geschliffen wurden. Fein poliert, wurden sie dann mit oft sehr kunstvollen Klam- mern auf der Unterlage befestigt - also eine regelrechte Plattierung. Hervorragend schöne Beispiele dieser sehr sel- tenen Kunstfertigkeit befinden sich in verschie- denen Sammlungen. So zwei Gefäße in Wien, wohl zur Ambraser Sammlung gehörend, weite- re im „Grünen Gewölbe" zu Dresden, London, und anderwärts. Bisher hatte die Kunstgeschich- te sich ihrer kaum eingehender angenommen; heute haben sie den ihnen gebührenden Platz. Ein reizvolles Meisterwerk der Perlmutterplattie- rung ist ein Schmuckkasten in Truhenform, heute in Privatbesitz in London. ln den dreißiger Jah- ren des l6. Jahrhunderts wurde er von einem unbekannten Meister mit dem Monogramm ,BH' in Paris angefertigt, der möglicherweise Aufträge des Königshofs erhielt. Alle Einrahmungen zeich- nen sich durch feine Prafilierungen aus, schwere- los ruht er auf vier von Raubvogelkrallen um- faßten Kugeln, während über die Schuppenzeich- nung der Plattierung kleine Reliefmedaillons ver- teilt sind. Es erscheint die Annahme berechtigt, daß diese Plattierungstechnik möglicherweise in Paris er- funden wurde und von dort über Europa sich verbreitete. Neben den zwei eleganten Beispielen in Wien sei hier nur noch eines Jungfernbechers im Muse- um der Eremitage in Leningrad gedacht, mit dem Meisterzeichen des Meinrad Rauch d. Ä. und 12