Wer auf einer Landkarte die Lage der frühen Klostergründungen unseres Raumes verfolgt, wird feststellen müssen, daß sie fast alle im fruchtbaren Alpenvorland liegen, in ienem Ge- biet also, in dem die baierische Landnahme eine bleibende Basis bildete. Pirmin Lindner zählt für die alte Kirchenprovinz Salzburg insgesamt 28 Gründungen auf, die noch alle vor 800 ent- standen sind; wie St. Peter in Salzburg (682-696), Mondsee (748), Mattsee (vor 777), Otting (Midia- elbeuren (757) und schließlich Kremsmünster (777). Einzige Ausnahme bildete lnnichen im Pustertal (769), das in den Alpen liegt. Alle diese heute z. T. säkularisierten oder umgewandelten Stifte waren ursprünglich benediktinisch (auf die Pro- bleme einer „Regula mixta, wie sie DDr. J. An- gerer, Geras, bei der Historikertagung in Krems- münster iüngst aufgezeigt hat, kann hier nicht eingegangen werden). Benediktinisch aber heißt - knapp ausgedrüdrt -, daß die von den früh- christlichen Wüstenvätern und Eremiten so pein- lich gemiedene „Welt" wieder ernst genommen füllen wird Kremsmünster bischöfliches Eigen- kloster von Passauydie diözesane Zugehörig- keit zu Passau (bis 1784, der Schaffung der Diözese Linz) prägt die besondere Stellung, die Kremsmünster einnimmt. 1082 reformiert Bischof Altmann von Passau - in Göttweig begraben - das Kloster im Geiste Clunys. Damals gehörte Kremsmünster zum Herzogtum Steiermark (und nicht zum 1156 um Oberösterreich vergrößerten neuen Herzogtum Österreich). 1192 wird Krems- münster babenbergisch, und seit 1254 gehört es politisch zum Lande ob der Enns. Abt Rudolf läßt ein spütromanisches-frühgotisches Kloster- gebäude errichten (1222 Kanventtrakt, Kreuz- gang und Marienkapelle); Abt Heinrich von Plaien errichtet die unter barockem Kleid noch vorhandene spötromanische Stiftskirche, die Abt Friedrich von Aich (1275-1325) bzw. Abt Ernst Ottsdorf mit dem Westwerk vollendet. Nach Durchführung der Melker Reform (1419) bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts erlebt das Stift eine Blütezeit, die dann durch 50 Jahre abrupt ab- bricht, als Oberösterreich ein Hort des gelisrhen Glaubens wird. Mit eingesetzten J (also nicht gewählten) wird man der Krise Bedeutendster dieser Klosteroberen wird t Wolfradt (1613-1639), der unter Kaiser Ma und Ferdinand II. in Wien Hofkarnmerprä: (Finanzminister), Bischof von Wien und R fürst war. Unter ihm wird die Stiftskirch einer frühbaracken Altarausstattung vers die sich in Resten erhalten hat (Hochalta Grünau im Almtal, OÖ). Aud1 die Prölatur umgestaltet, wovon sich u. a. der Wolfrad erhalten hat; die Kunstkammer verdank" manche kuriose Obiekte. Der große Bc aber ist Abt Erenbert ll. Schreyvogl (1669- Die welschen Stukkateure C. A. Carlone (M kapelle), C. B. Barberini und C. B. Colombt kleideten die mittelalterliche Baugestalt der kirche mit Stuckpilastern, Fruchtschnüren, tuschen und Gehängen; in die Kartuschen n die Brüder Grabenberger Szenen aus dem und Neuen Testament (1680-1682); der Bild wurde. Bekannt ist das „Ora et Labara", die Devise des Benediktinerardens, die auch meint, daß man an der Welt arbeiten solle, was damals keine Selbstverständlichkeit war. Es klingt nach einer Binsenwahrheit - und der geduldige Leser möge es dem Rezensenten verzeihen -, aber die- se Einstellung zur Welt ist die Wurzel iener kulturellen Hochleistung, die uns dieses Stift an seinem 1200. Geburtstag präsentiert. Am 9. November (?) 777 weihten die Bischöfe Virgil von Salzburg, Walderich von Passau und Sintpert von Regensburg die vom Herzog Tassilo III. Agilolfinger gestifteten Kloster und Kirche dem Salvator mundi; erster Abt wird der Hof- kaplan Tassilos, Fater. Der Baiernherzog hatte das Kloster reich ausgestattet; überdies schenkt er seinen Hochzeitskelch. „Tassilo Dux Fortis -t- Livtpirc Virga Regalis" (Tassilo tapferer Herzog - Liutpirc, königlidwer Sproß) steht auf dem ehrwürdigen Gefäß, das seit alters her als Wahl- urne des Abtes und als Meßkelch am Stiftertag dient. Daneben soll Tassila seinen Szepter-nach Pangraz Stollenmayer in Form zweier Leuchter- schäfte - hieher gestiftet haben, was nicht ein- hellig van der Forschung angenommen wird. Nach dem Sturz Tassilos (787) bestätigt Karl der Große dem Kloster Bestand und Besitz. Der letzte Karolinger, Arnulf von Kärnten, schenkt dem Solvatorkloster die Reliquie des hl. Aga- pitus von Praeneste, die von nun an dem Kloster seinen Namen gibt (893). Nach den Ungarnein- 20 3 Stift KrernsmünsterlOberösterreich, Ansicht des Stiftes mit der Sternwarte 4 Stift KremsrnünsterlOberösterreich, Stiftskirche, Ansicht mit den spötromanischen bzw. frühgoti- schen Chor 5 Stift KremsmünsterlOberösterreich, Stiftskirche, lnnenansicht mit Blick auf den Altar und Kanzel. 4 Michael Zürn d. J. schuf nach dem Bernin bild die prachtvollen Engelaltäre im den S schiffen, die mit großartigen Bildern de rockmeister Andreas Wolf (Hochaltar), l Syder (Nebenchoraltäre), J. Carl von Re (Allerseelenaltar), des auch in Salzburg ti Frans de Neve (Annaaltar, Josefsaltar), J: Karl Loth (Petrus-und-Paulus-Altar), F. I. Tc (Ölbergaltar und Karl Remp (Benedikt: ausgestattet sind. Zusammen mit den 171 gekauften Brüsseler Tapisserien von Rej (1551), die die Geschichte des ägyptischen darstellen, prägen die genannten Kunst den Kirchenraum in einer Weise, daß mc Stiftskirche, ohne Abbruch befürchten zu m ieder zeitgleichen hauptstädtischen Schöpfu Seite stellen kann. Die Offenheit der Äbte guten Beziehungen zum kaiserlichen Wiei über die Benediktinerkonföderatian Salz zu süddeutschen Künstlern wird in der Z: 1700 besonders deutlich. Sa ist der größte B1 dichter Österreichs, Simon Rettenbacher, nur ein'Konventuale Kremsmünsters, sonder: ein gebürtiger Salzburg-Aigner, der übe Benediktineruniversität hieher seinen We funden hat. Diese Beziehungen - die selk ständlich oft auch umgekehrt liefen (etwa Stiftung eines Thomas-Schwanthaler-Altal dem Universitötsheiligtum Maria'Plain bei burg durch Kremsmünster mit dem Bener bild, einer Kopie nach Michael Coxcie) -