I Aktuelles Kunstgeschehen l Österreich Wien lnterkunstlPalais Liechtenstein Internationale Kunstmesse Wienl Künstlerhaus Die eine Messe war medioker, die andere avant- gardistisch. 5a, wenn man den meisten Pressestim- men, die kurz nach der Eröffnung der beiden Messen erschienen, glauben wollte. Eindeutig war die Gunst auf seiten der Aussteller im Künstlerhaus konzen- triert. Wer nun in der österreichischen Kunstszene zu Hause ist und weiß, wer mit wem verheiratet oder befreundet oder aus einer „Galeriefamilie" kommt, wird sich über diese und auch manche andere Beurteilung der heimischen Kunstsituation nicht im geringsten wundern. In der INTERKUNST wurde u. a. von den vertretenen Galerien Attersee, Chagall, Dali, Dix, Frohner, Hrdlicka, A. Rainer, Vostell, Zeppel- Sperl gezeigt. Im Künstlerhaus wurden u. a. Atter- see, Brus, Chaimowicz, Urs Lüthi, Nitsch, Pichler, Rainer, Rühm, Schwarzkogler angeboten. Die Messe im Palais Liechtenstein war eineVerkaufsschau, die im Künstlerhaus eher eine Orientierungsschau. Ist Messe aber eine Ausstellung oder eine Verkaufs- und Ein- kaufsmöglichkeit? Wer sollte auch das „Kunstwerk" Urs Lüthis kaufen, selbst wenn es käuflich wäre? Schon aus dieser Gegenüberstellung sind gewisse schiefe Aspekte ersichtlich, sie ließen sich fortsetzen. Etwa die dominierende Stelle der Galerie Krinzinger im Künstlerhaus und die Nr. 1 im Ausstellungsbeirat Dr. Ursula Krinzinger, bei einem Abdrängen der guten Galerie Hermanns (bei München) und der Galerie Modern Art (Wien) in Nebenröume. Die INTERKUNST gibt dafür ihrem Katalog zwei außer- ordentlich nichtssagende Plaudereien „Kunst im eige- nen Heim" und „lnterkunst aus der Sicht des Galeristen" mit auf den Weg. Auch die, wie es angekündigt wurde, erstmalige Präsentation der iungen Avantgarde aus Osteuropa war mehr als ein Sdnlag ins Wasser. Zusammenfassend muß man feststellen: Wer nichts verkaufen will oder kann, hat als Aussteller auf einer Messe nichts zu suchen. Wer keine neuen Ideen hat, wird auch weiterhin eine langweilige Aneinanderreihung verschiedener Aus- steller bringen. (INTERKUNST, 17.-20. 2. 1977, und Internationale Kunstmesse, Künstlerhaus Wien, 17.-21. 2. 1977) - (Abb. 1-3) Secession - Kunst in der Secession Eine Auswahl einiger Mitglieder. Avramidis brachte neben einer Zeichnung die große Bronze Polis aus den späten sechziger Jahren. Edrert hat die Farbe in seinen Bildern etwas zurückgenommen, die Formen sind technischer geworden. Fruhmann ist nur mit den Bildern beeindruckend, während die Zeichnungen sehr wenig Gewicht haben, das gilt auch und im verstärkten Maße von Mikl. Goeschl war mit einer sehr sauber gearbeiteten farbigen Plastik, bau- steinartigen Setzungen und einigen Entwürfen vertreten. Grete Yppen ist zupackender und in der Farbe bestimmter geworden, sehr erfreulichl Am besten schneidet Messensee ab. ln den außerordent- lich schwungvollen Graphiken kommt er zu eigenen Formen, und das große Ölbild überzeugt. Staudacher ist besonders gut in den großen lockeren Gouachen mit zarten Farben und eindeutigen Schwerpunkten. Die lustige Großkollage mit 16 Retaurbriefen zeigt, daß ihm immer etwas Neues einfällt. (15.-27. 2. 1977) - (Abb. 4) Oskar Putz Im ersten Stadr waren die Arbeiten des 1940 in Salzburg geborenen Konstruktivisten Oskar Putz, der an der Technischen Hochschule in Wien einen Lehrauftrag hat, zu sehen. Es sind reine Flächen- teilungen in verschiedenen, meist sehr blassen „ZuckerI"farben. Wo Putz stärkere Töne auswählt, werden die Muster flimmernd. Vom Ästhetischen betrachtet, spredwen am meisten die kleinen quadratischen Tafeln an. Putz zählt zu den Pionieren des neuen Konstruktivismus und arbeitet in der Gruppe, die in der Galerie „Modern art" in Wien beheimatet ist, mit. (3.-27. 2. 1977) - (Abb. 5) 38 Galerie Würthle Herwig Zens 1943 in Himberg, NU, geboren, stellte er schon über fünfzigmal aus, doch immer nur Graphiken, und als Zeichner, Lithograph und Radierer hat er sich bereits einen Namen gemacht. Nun tritt er erstmals als Maler vor die Öffentlichkeit. 22 Obiekte zählt die Schau, und am meisten reizen natürlich die Acryl- bilder. Wie in seinen Zeichnungen ist Zens auch in den Bildern sehr sparsam, nimmt die Farbe weitgehendst zurück, wird eher monochrom, fast weiß. Oft sind seine Pinselschwünge sehr heftig und ausladend, manchmal, etwa in den Odcertönen, zu unbestimmt. Immer aber gibt Zens mit den wenigen Ansatzpunkten Richtung zu Charakteristischem, das sich iedem bewußt SÜIOUSHCJGH einprägt und damit die Assoziation zu dem Gegenstand herstellt. (10. 3.-2. 4. 1977) - (Abb. 6) Monika Fioreschy Die 1947 geborene Südtirolerin ist eine echte Entdeckung der Galerie. Sie studiert an der Akademie für angewandte Kunst in Wien, wo sie 1976 das Diplom erhielt. Die 29 gezeigten Gouachen sind von einer starken Frische, zeigen ein sehr hohes Farbgefühl und Einfühlungsvermögen. Letzteres geht schon aus den Titeln hervor, handelt es sich doch meist um landschaftliche Motive, die in der Formulierung immer mehr ins Abstrakte, d. h. in eine Komposition von Farbflöchen und Farb- tupfern aufgelöst wird. Die iunge Künstlerin bezeichnet die Bilder als Visionen. Vielleicht daß da und dort noch Paul Klee im Untergrund zu spüren ist, bei vielen Bildern kommt die Fioreschy zu ganz neuen Kombinationen. Die Preise sind durchaus realistisch! (10. 3.-2. 4. 1977) - (Abb. 7) Alte Schmiede Meisterschule Wander Bertoni Die Ausstellung ist das Ergebnis einer Semester- arbeit. Es sollten ieweils ein freies Kunstwerk und eine angewandte Gestaltung geschaffen werden. Was nun die einzelnen Schüler vorlegen, sind sehr beachtliche Zeugnisse ihres Könnens, sowohl in der einen als auch in der anderen Sparte. Die freien Kunstwerke sind sauber gearbeitet, nähern sich zwar oft im Formalen an die Diktion des Lehrers, etwa bei Martin Klobasser und Leila Fogarassy, doch besticht gerade hier wieder die exakte Aus- führung. Es gibt ganz eigene und ausgezeichnete Formungen von Barbara Valenta, Livia Szadia und Margarete Zelenak_ Der Perser Heschmat kommt zu einer intensiven politischen Aussage und der Japaner Fuiii zu exakten Metallteilungen. Auch die Gebrauchsgegenstände weisen gute Wege. Eine erfreuliche Aktion, die für den Meister und seine Schule spricht und unbedingt wiederholt werden sollte. (3. 3-26. 3. 1977) - (Abb. 8) l. K. C. Alfred Balcarek Der 1917 geborene Wiener, C.-L.-Martin-Schüler, ist hauptsächlich als Aquarellist bekannt. Hier legt er 21 Ulbilder vor. Es sind expressionistisch gesehene und gemalte Landschaften, erlebte Stadtansichten und religiöse Ausdeutungen. DaB Balcarek etwas kann, steht außer Frage. Sowohl von der Sicht, also von der Auswahl des Blidrwinkels, wie auch von der technischen Beherrschung ist er ein Könner. Warum nur Iößt er sich überall so sehr von Van Gogh beeinflussen? Am schwächsten sind die Bilder reli- giösen Inhalts. (9.-30. 3. 1977) - (Abb. 9) Galerie Schwarzer Erich Landgrebe Der bekannte Schriftsteller präsentiert hier Aquarelle und Zeichnungen. Die Aquarelle dami- nieren, ihnen gilt Landgrebes Liebe. Es sind brav gemalte Landschaftsstudien, flott und mit Schwung hingesetzt, wobei man ein gutes Farbempfinden be- obachten kann. Trotzdem muß vermerkt werden, daß ihnen die Großzügigkeit, die Flächenintensität, die lockere Farbsetzung, das Fließen, das man bei Aquarellen erwarten darf, fehlt. (15. 2.-19. 3. 1977) - (Abb. 10) Kleine Galerie Katzgraber und Katzgraber Franz Katzgraber, der mit seinen Eisenplastiken zur Spitze der österreichischen Bildhauerei gezählt wird, zeigte neben einer von der Stadt Wien angekauften großen Gruppe eine ganze Anzahl neuer Arbeiten. Die Formen sind geschlossener geworden. Immer wieder sehen wir Elemente, die sich ineinander verzahnen oder verkrallen, ver- schränken. War eine lange Zeit die Verletzung und Verletzbarkeit ein Grundmotiv dieses Künstlers, so scheint es nun das Durchdringen, Vereinigen zu sein. Helene Katzgraber ist die Mutter des Bildhauers, die mit 73 Jahren nach einem Schlaganfall zu malen begonnen hat. Es sind noch echte naive Bilder (nicht geleckte auf Naiv gemachte) voller natürlicher Farbig- und Unbekümmertheit. (8. 2.-1. 3. 1977) - (Abb. 11) Galerie in der Blutgasse Dorota Kabiesz Die Künstlerin ist Polin, hat 1970 ihr Diplom auf der Akademie in Krakau gemacht und arbeitet dort auch hauptsächlich als Plakatentwerferin, womit sie sich schon einen Namen gemacht hat. Hier stellte sie hauptsächlich Frauenakte vor, gezeichnet mit einfachen, sicheren Strichen mit Graphit- und Farb- stiften. In der Thematik und Gestaltung etwas an Hutter erinnernd, betont auch die Kabiesz die Schönheit und Jugend, sich und uns daran erfreuend. (14-26. 2. 1977) - (Abb. 12) Galerie i-m Pferdestall Opernball ein Totentanz Es waren Handzeichnungen, nach denen das Buch Opernboll von Erwin Bracher gemacht wurde, zu sehen. Eine Institution und Formen, die uns aus vergangenen Zeiten überkammen sind, wurden hier mit citzendem Spott überschüttet. Das Gebäude der Wiener Staatsoper mit dem Signet „Kaiser Franz Josephs Abort" versehen, bekannte und unbekannte Größen wurden, wie im Mittelalter schon, im Totentanzreigen aufgenommen. Bracher ist begabt und hat Einfälle, er sieht Gesichter hinter den Gesichtern. Was einem in diesem Zusammen- hang auffällt ist, daß immer getanzt wird und immer das Ballett der Totenschädel dabei ist, am Fürstenhof gestern, im spätbürgerlichen Sozialstaat heute und im volksdemokratischen Paradiesreigen morgen. Ordenssterne, Hofnarren und Kebsweiber da und dort. (17. 2.-11. 3. 1977) - (Abb. 13) Galerie Veronique lsolde Jurina Unter dem Titel „Tausend und ein Märchen" stellte die Künstlerin Gouachen und Aquarelle aus ihrer Kindheit aus. Im Alter von 12 und 13 Jahren illustrierte sie für sich die Märchen der Brüder Grimm. 31 Exponate, wobei manche zu drei oder vier Blättern vereinigt waren, zeigten, wie die Jurina schon früh zur Malerei fand, wie sehr farbig sie von beginn malte und wie dekorativ sie bereits als Kind alle Flächen mit reichem Farb- und Linienspiel zu füllen bemüht war. Die Hdngung war wohl auch für Kinder gedacht, da ziemlich in Bodennähe. (25. 2.-27. 3. 1977) - (Abb. 14) Galerie „Alles, was Flügel hat, fliegt"! Kunst-Kontakte A. R. Hofer Die neue Galerie am Ruprechtsplatz präsentierte den 1945 in Kufstein gebarenen Maler. Die Land- schaft in sonderbar sanften Farben steht im Mittel- punkt dieses Schaffens. Freilich ist es eine Phantasie- landschaft in immer neuen Varianten. Fata Morgana einer Welt, die sich, menschenleer und auch ahne Zeugnis menschlichen Daseins (es sei denn eines Betrachters im Vordergrund), in einem sanften Rausch von Farben in unermeßliche Tiefen erstreckt. (29. 3-16. 4. 1977) - (Abb. 15) Alois Vogel