Wiltrud Topic- Mersmann
Die Mitra
„des heiligen Rupertus"
im Salzburger Domschatz
Für Franz Fuhrmann
ln der Zeit vom 26'. März bis zum 5. Juni 1977 fand
im Württembergischen Landesmuseum, Altes Schlaß
Stuttgart, die bedeutsame Ausstellung „Die Zeit der
Staufer - Geschichte, Kunst, Kultur" statt. Unter
den Leihgaben aus Osterreich befand sich die im
nachfolgenden Aufsatz behandelte Mitra das Salz-
burger Dnmschatzes.
Anmerkungen 1, 2 (Anm. 3 s. S. 10)
lßesonderen Dank schulde ich Herrn Prälat Dr. J. Neu-
hardt, der mich immer wieder freundlich unterstützt
und beraten hat. Herrn Dr. Hahnl danke ich für seine
Hilfsbereitsdioft und F. Wagner für die Beschaffung der
Fotografien.
Das Zitat über die Mitren von Sankt Peter nach UKT12,82.
Die Literatur zu unserer Mitra wird in der Reihenfolge
ihrer Entstehung zitiert:
Cananikus Fr. Bock, Geschichte der liturgischen Gewän-
der des Mittelalters, Bd. ll, Bann 1856, 175.
B. weist auf die Verwandtschaft der mit Buchstaben ge-
schmückten Borte mit Teilen der Krönungsinsignien hin.
Er erwähnt die Borte der Schuhe und bestimmt beides
als „Palernio". S. 175, Anm. 1,führt er an, daß die Mitra
auf der Ausstellung von 1862 in Wien zu sehen war.
Karl Lind, Die Mitra, Mitteilun en der k. u. k. Centr.
komm. XII, 1967, 69. Er bildet au Tafel lV die Mitra nach
einem sehr sorgfältig gezeichneten Holzschnitt ab. Vgl.
auui Fig a.
L. beschreibt die M. genau und zitiert die lnschriften
S. 74. Er datiert sie ins 13. Jahrhundert.
Die gleiche Holzschnittvorlage verwendete:
Mariz Dreger, Künstlerisdie Entwicklung der Weberei und
Stickerei, Wien 1904, T. B0.
Hans Tietze und Franz Martin, UKT IX, Die kirchlichen
Denkmale der Stadt Salzburg, Wien 1912, 55, und T. CIV.
M Hartig, Der Domschatz, S. 149 f. in: Der Dom van
Salzburg, 1628-1928. Er datiert (S. 158) ins 13. Jahrhun-
dert und behauptet, daß die lnschriften wiederverwendet
wurden. Die Verbindung mit dem hl. Rupertus erklärt er
damit, daß die M. eine Rupertus-Slatue zierte.
P. J. Braun hat mehrere Werke über die pantifikalen
Gewänder geschrieben, in den späteren wird die Salz-
burger M. erwähnt.
B., die pontifikalen Gewänder des Abendlandes, Frei-
burg 1898, Ergänzurigsheft ZU Stimmen aus Maria Laach.
Drs. Liturgisdies Handlexikon, Regensburg 19241.
Freiburg 1907, 46a.
Drs. Handbuch der Paramentik, Freiburg 1912.
Drs. Lilurgisdies Handlexikon, Regensburg 192V.
Ausstellungskatalog, Der Dom zu Salzburg, 1959, Nr. 107a
1938, Nr. 43, T. 8. Kieslinger behauptet, die M. sei
aus den Resten eines kaiserlichen Krönungsiriantels im
12. Jahrhunderts zusammengestellt. Kaiser Friedrich l.
schenkte sie 1156 auf dem Reichstag von Regensburg. Die
Insdirift (des Mantels] beziehe sich auf den Reichsadlerl
Ausstellurigskotalog, Der Dorn zu Salzburg, 1959 Nr. 107a
(F. Fuhrmann).
Ausstellungskatalog Romanische Kunst in Österreich,
Krems 1964, Nr. 174. Fillitz: „Offenbar Fragmente einer
größeren Borte. Deutsch, 12. Jh. (2. Hälfte?)"
Ausstellungskatalog Salzburgs Alte Sdiatzkommer, 1967,
Nr. 5. Text fast wie in Krems. Fanones: Palermo.
Katalog Dommuseum zu Salzburg, 1974, Nr. 2. Dara
Heinz gibt erstmalig eine genauere Analyse: Stoff By-
zanz(?) 11112. Jahrhundert Borten Palermo, 11. Jahr-
hundert. Sie betont, daß die Borten in sich ab eschlossen
sind, also für eine Mitra bestimmt. „Die exte . . .
nehmen wohl auf die Spitzen (cornua) der Mitra bezug."
Die M. sei nöchstverwaridt mit einer M. aus St. Peter
in der Abegg-Stiftung. Sie sei früher zu datieren als die
M. pretiosa (Nr. n). die sie „Ende 12. Jahrhundert"
datiert.
iDie Goldbarren sind sicher auf das Diadem zurückzu-
führen. Die M. wurde 19a: in Wien restauriert. Der
alle Zustand jst auf der Abbildung in der UKT zu er-
ennen.
im auizuuigei uuiiisuiuiz isi eine uer wenigen
noch vorhandenen Mitren des 12. Jahrhunderts
erholten. Sie gehört zu ienen Gegenständen, die
von der Tradition mit dem heiligen Rupertus
(um 700) in Verbindung gebracht werden. Dazu
gehört das Rupertus-Kreuz aus Bischofshofen,
der Rupertus-Kelch, eine Pilgerflasche, zwei Sto-
len (alles im Salzburger Domschatz) sowie eine
Kasel, die aus Sankt Peter in Salzburg nach
Boston ins Museum gelangte. Keines dieserDenk-
mäler stammt wirklich aus der Zeit des heiligen
Rupertus. Doch verdanken sie der Verehrung
als Reliquien des Heiligen vermutlich ihre Er-
haltung bis zum heutigen Tage. Insbesondere
bei den geistlichen Gewändern sind wohl nur
diejenigen über die Jahrhunderte aufgehoben
worden, nachdem sie verschlissen waren, die
durch die Verbindung mit einem Heiligen be-
sondere Verehrung genossen, denn auch bei
ihnen spielte der Wandel des Geschmacks, die
Mode, eine wichtige Rolle. Dafür zeugt z. B.
eine Stelle im Inventar von 1462 von Sankt
Peter, wo es sich um drei alte Mitren handelt
(die heute noch erhalten sind): „ltem 3 Inful der
Alt Vatter die man iczunder nicht nüzst, propter
nastram superbiam, o nostra culpa".
Die große Bedeutung der Rupertus-Mitra im
Salzburger Domschatz beruht nicht nur auf ihrem
Alter, sondern auf der Tatsache, daß ihre Gold-
borte mit lnschriften geschmückt ist, die sich auf
den Sinn der bischöflichen Mitra beziehen. Hie-
für ist mir kein zweites Denkmal bekannt ge-
wordenl. '
Die Gesamtform der 24,5 cm hohen und 30,5 cm
breiten Mitra entspricht der niedrigen Farm an-
derer früher Beispiele. Später wird die gotische
Mitra immer steiler und immer reicher ge-
schmückt sein. Auf weißer, byzantinischer (7.3),
nur noch in kleinen Teilen erhaltener Seide
(der Seidenstoff ist in sich mit kleinteiligen
Sechsecken gemustert) ist unten, in circulo, eine
7,8 cm breite Goldbarte aufgenäht, die die
Stirne des Trägers - wie ein Diadem - feierlich
erhöhteÄ Beide Hörner, „cornua", sind bis zur
Spitze mit zwei ebenso breiten, senkrechten
Stüdcen Goldborte, in titulo, geziert. Diese sind
oben genau der Form der Spitze angepaßt.
Die Borte ist sehr kunstvoll und sehr kostbar
gearbeitet. Im Gegensatz zu den meisten viel
jüngeren Paramenten leuchtet sie noch von strah-
lendem Gold. Es ist das Verdienst von Dora
Heinz, im Gegensatz zu den älteren Beschrei-
bungen ausdrücklich darauf hingewiesen zu ha-
ben (im Katalogtext des Dommuseumkataloges
1974 [Anm. 1]), daß die Borte von Anfang an
für eine Mitra bestimmt gewesen sein muß. Der
Mittelstreifen der Borte ist nur in circulo mit
einem Rautenmuster, Gold in Gold, verziert. Alle
Teile, die lnschriften oder Bilder haben, d. h.
beide Borten in titulo und die Bänder in cir-
culo, haben kein Rautenmuster, sondern eine
schräge Linienzeichnung im Goldgrund. Alles
dies ist auf dem Holzschnitt des19.Jahrhunderts,
der sich genau an das Original hält, klar zu
erkennen. (MZK und Dreger, Anm. 1.)
In titulo ist der vordere Mittelstreifen mit dem
In titulo vorne:„EXAl.TABuntur CORNUA lUST!"
SCORPIO, geschmückt, dem hinten das Zeichen
des Dezember, DECEMBris CAPRICORnum, ent-
spricht. Die lnschriften und die Trennungslinien
lassen die Spitze frei - ein deutliches Zeichen
dafür, daß die Borte für diesen Platz bestimmt
war. Auch stehen die Buchstaben vorne in bei-
den Zeilen auf der rechten Linie, während hinten
beide Reihen auf der Mittellinie fußen. Beide
lnschriften sind in sich geschlossen.
In circulo beginnt die Inschrift hinten oben in
der Mitte und endet unter ebendort. Auch die
Borte beginnt, wie deutlich zu sehen ist, in der
IYIIIKC TIIFITETI. Ute SCHUHE LUPIIUIE GUS KIUYETI,
gleichmäßig großen Buchstaben wird von den
Keittöden gebildet, die heute bräunlich aussehen,
ursprünglich aber vielleich rot waren.
Die lnschriften lauten in circulo „SUB UMBRA
ALARUM TUARUM SPERABO DONEC
TRANSEAT INIQUITAS". Psalm 56, 2, nach dem
dieser Spruch zusammengezogen ist, heißt voll-
ständig:
Miserere mei, Deus, miserere mei
quia ad te confugit anima mea,
et in umbram alarum tuarum confugio,
donec transeat calamitas.
In titulo vorne: „EXALTABuntu CORNUA IUSTI"
Psalm 74, 11 :
Et omnia cornua impiorum confrigam;
extolleiilur cornua iusti.
In titulo hinten:
DOMINUS CORNU SALUTIS MEaE
Psalm 17, 3:
Deus meus, rupes mea, in quam confugia
clipeus meus, cornu salutis meae,
praesidium meum.
Aus der Gegenüberstellung von Psalmtext und
genau nach dem zur Verfügung stehenden Platz
wurde die Inschrift bestimmt. Aus dem Schrift-
text hat er die Stellen zusammengezogen, die ihm
für die Mitra wichtig erschienen. In titulo ist das
wichtigste Wort „carnua". Zwei Psalmstellen
sind für die Heilsbedeutung der Hörner herange-
zogen. In circulo werden sie mit Flügeln ver-
glichen, in deren Schatten der Träger das Ende
des Bösen herbeihoffen kann. Diese lnschriften
ergeben überhaupt nur im Zusammenhang mit
der Form der Mitra einen Sinn.
Die Bänder der Mitra (Fanones) sind 6,5 crn breit.
Sie haben farbige Kreismedaillons (rot, grün und
violett, wenn auch stark verblaßt) mit allerhand
Fabeltieren und Meeriungfrauen in ihrem als
stilisierte Ranke gebildeten Mittelstreifen. Die
schmalen Ränder der Fanones sind ebenfalls mit
Tierchen und Pflanzenmotiven (Weinstock) ge-
schmückt. Die abschließenden, ehemals roten
Seidenfransen sind überhaupt nur auf einer Seite
etwas besser erhalten. Dieses Band ist sichtlich
für den bestimmten Zweck abgeschnittene
„Meterwore". Der viel mattere Goldglanz und
die Farben (sogar der Trennungslinien) unter-
scheiden es ganz deutlich von der breiteren
Borte der Mitra oben.
Zur Geschichte der Mitra.
Um die Bedeutung der Rupertus-Mitra zu er-
kennen, muß ein Abschnitt über die frühe Ge-
schichte der bischäflichen Kopfbedeckung fol-
genä
Schon bei den älteren Historikern des 17. Jahr-
hunderts waren die Anfänge der Geschichte der
Mitra umstritten. Das muß uns hier weniger küm-
mern als die Erkenntnis der grundsätzlichen
Schwierigkeiten, die solchen Forschungen im
Wege stehen. Je nach Ort und Zeit gab es zu-
nächst zweifellos große Unterschiede. Auch die
verschiedenen Bezeichnungen sind keineswegs in
ihrer Bedeutung klar umrissen. Pileus,
camelaukion, corono, Iamino aurea, mitra phry-
gium: wir wissen nicht, wie sie im einzelnen in
den verschiedenen Epochen und bei den verschie-
denen Schriftstellern vorzustellen sind. (Hierzu
Schramm I, Anm. 3, S. 54 f.)
In der Bibel fanden die Christen zwei sich wider-
sprechende Anweisungen. Im 2. und 3. Buch
Mosis wird die Kleidung Aarons und seiner
Nachfolger im Priesteramt recht genau beschrie-
ben. (Exodus 28,39. 29,6+9. 39,26 Leviticus 8,13.)
Weiter heißt es im Buche Siradi (Eccli 45,14)
„Corana aurea super mitram eius expressa signo
sanctitatis, et gloria honoris". Freilich wissen wir
nicht genau, wie das ausgesehen hat. (Anm. 4.)
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