ten „Londoner Gnadenstuhl" (London, National Gallery), zu dem sehr wahrscheinlidi zwei Flü- gel auf Schloß Rastenberg (BH Krems) in Nie- derösterreich gehören. Zum anderen wären die als Leihgabe in der Alten Galerie am Joan- neum hängende „Madonna im Strahlenkranz" und ein Tafelfragment mit Mönchen und Heili- gen in der Stiftsgalerie zu St. Lambrecht zu nen- nen. Bei dem für die Steiermark in Anspruch ge- nommenen Maler haben wir es mit einer Per- sönlichkeit zu tun, die bisher schon als burgun- disch, böhmisch, französisch, kölnisch und eben österreichisch bezeichnet wurde. In welcher Ver- bindung er mit den anderen steirischen Meistern gestanden ist, konnte bis heute nicht recht ge- klärt werden. Einige Autoren haben von einem Lehrer-Schüler-Verhältnis zum „Meister der St. Lambrechter Votivtafel" gesprochen". Wir möch- ten uns hier der Meinung O. Beneschs anschlie- ßen, der deutlicher als alle anderen auf die Eigenständigkeit beider Künstler hingewiesen hat". Ein wertvoller Hinweis kam von O. Wo- nisch, der nachwies, daß die beiden Tafeln der „Madonna im Strahlenkranz" (Farbtafel IV, Abb. 3a) und der „zwei Mönche und zwei Heiligen" (Abb. 3b) zusammengehören und ursprünglich eine Votivtafel gebildet hätten". Das lößt sich an Hand des Spruchbandes beweisen, das von der linken Hand des hl. Johannes emporführt zur Madonna. Von der rechten Seite der ur- sprünglichen Votivtafel haben wir keine Kennt- nis mehr. Die „Madonna im Strahlenkranz" ist ein einzigartiges Beispiel für den melodiösen, lyrischen und lichterfüllten „Weichen Stil" in der Steiermark, der hier seinen Höhepunkt erreichte. Die Madonna thront in einer von Licht und Mu- sik erfüllten Umgebung, die beide auf die Gött- lichkeit und Erhabenheit der Darstellung hinwei- sen. Diese ikonologischen Möglichkeiten sind für das Mittelalter durchaus nicht neu, aber an die- sem Beispiel auf ganz eigene selbständige Art und Weise formuliert. Das von einem hellen Strahlenkranz erleuchtete Bild schließt auch die Vorstellungen des Musikalischen mit ein. Die thronende Madonna schwebt gewissermaßen in dieser überirdischen, himmlischen Sphäre. Vom Stil her läßt sich ohne weiteres sagen, daß nicht nur mehr das Böhmische allein ausschlag- gebend war, sondern daß sich eben etwas „In- ternationales" bemerkbar macht, das Verbindun- gen zur französischen und deutschen Malerei herstellt. Man kann wohl auf kölnische und fran- zösische Tafeln verweisen, die aber keine direk- ten Vorbilder gewesen sind. Der Meister, dessen Wurzeln wohl in der Steiermark anzunehmen sind, war kein Eklektizist, sondern eine markante Persönlichkeit, die mindest ebensoviel vermit- telt haben könnte, wie er selbst aufgenommen und eigenständig verarbeitet hat. Ein Vergleich etwa mit dem sogenannten „Jeren-Epitaph" (Prag, Nationalgalerie) und mit der „Madonna aus Raudnitz" (Prag, Nationalgalerie) zeigt die verwandten Formen". Zweifellos aber wirken die böhmischen Beispiele kompakter in der Falten- gebung, plastischer in der Modellierung und we- niger transparent in der Körperlichkeit. Das stei- rische Werk ist dafür lyrischer und vielleicht aus- drucksvoller, zurückhaltender in der plastischen Modellierung und kontrastreicher in der Farb- gebung. Weniger Parallelen scheint es mit der Tafelmalerei Kölns zu geben. Solche Spitzen- werke, wie es die „Madonna im Strahlenkranz" darstellt, waren selbst in der reichen Kölner Kunstlandschaft eher selten. Die Madonna eines Flügelaltärchens (Kreuzlingen, Sammlung H. Ki- sters), dem „Meister der hl. Veronika" zuge- schrieben", macht die wesentlichen Unterschie- de ia bereits deutlich, die nicht nur in der fe- steren Körpermodellierung, sondern auch in 4 einem weitaus raumhafteren Aufbau der Kam; positian bestehen. Näher steht dem Steirer schon die „Madonna mit der Wickenblüte" (Köln, Wallraf-Richartz-Museum". Gründe, das steirische Tafelgemälde nach Frank- reich oder Burgund zu lokalisieren, bestehen überhaupt nicht, soweit es das noch vorhandene Vergleichsmaterial zuläßt. Der demselben Meister zugeschriebene, aber durchaus immer wieder in Zweifel gezogene „Londoner Gnadenstuhl" (London, National Gal- lery) bildete sehr wahrscheinlich mit den zwei Altarflügeln auf Schlaß Rastenberg in Nieder- Österreich ein Altarretabel. F. Großmann wies überzeugend xdarauf hin". Die Schwierigkeit liegt nun besonders darin, die klaffende Lücke, die zweifellos zwischen der um 1410 entstande- nen „Madonna im Strahlenkranz" und dem un- gefähr ein Jahrzehnt später zu datierenden „Gnadenstuhl" besteht, zu schließen und zu er- klären. Wenn es sich, wie angenommen, um ein und denselben Meister handelt, dann hat er immerhin einen erstaunlichen Sprung von der noch wesentlich durch Flöchenhaftigkeit bestimm- ten „Madonna" zum architektonisch durchdach- ten „Gnadenstuhl" gemacht. Hier nämlich erhebt sich der Thron Gottvaters zu einer monumentalen Bildarchitektur, die wohl ohne die Kenntnis ita- lienischer Malerei nicht denkbar erscheint. Das Raumgefühl und die Körpermodellierung sind auch wesentlich weiter fortgeschritten. Der Li- nienstil entspricht schon der Phase um 1420". Man sieht im Gegensatz zur „Madonna im Strah- lenkranz" bereits leicht knickende Faltenlinien und schärfere Konturen. Die stehende „Madonna mit Kind" (Abb. 4) auf einem der Flügel aus Rastenberg vermittelt uns den Eindruck, daß es sich um denselben Aus- druckstypus handelt. Mit ihr kann die Verwandt- schaft zu der sitzenden „Madonna im Strahlen- kranz" hergestellt werden. Die zärtliche Gestik und Verspieltheit des Christkindes finden dort eine Parallele. Ebenso frappant sind die Über- einstimmungen in den Gesichtszügen. Man kann wohl vorschlagen, die beiden heute aus mehre- ren Teilen bestehenden Tafelwerke einem Mei- ster zuzuschreiben. Weitaus weniger markant erscheint der Meister, dem die Fragmente des sogenannten „Stifter- gruftaltars" (Abb. 5) - (St. Lombrecht, Stifts- galerie), ein Altärchen mit der Ursula-Legende (Wien, Erzbischöfl. Diözesanmuseum) und eine „Kreuzigung Christi" (Wien, Schottenstift), zuge- schrieben wurden. Der Name des Malers leitet sich von dem Altar ab, der sich über der Stifter- gruft der Kirche in St. Lambrecht befand und T416 geweiht wurde". Allerdings ist es nicht ge- sichert, ob gerade dieser genannte Altar mit den beiden Altarfragmenten, die hier zu besprechen sind, identisch ist. Die künstlerische Stellung des Meisters und die stilistische Einordnung der bei- den Tafeln mit der Darstellung aus der Vita der Hll. Andreas und Dianysius bzw. einer „Verkün- digung" sind durchaus umstritten. Vor allem die Beziehung zu den übrigen steirischen Werken müßte noch besser geklärt werden. A. Stange hat die Eigenständigkeit des Malers und seines (Euvres besonders betont". Die Kompositionen der Tafeln sind nach den ebenso strengen Maß- stäben konstruiert, wie sie der Maler des „Ju- denburger Retabels" angewendet hat. Betrach- tet man allein die Szene der „Kreuzigung des hl. Andreas" und vergleicht sie mit dem „Pfingst- fest" des Retabels aus Judenburg, so fällt wohl vor allem auf, daß der Mdler in ähnlichem Maße gewillt war, nach einem strengen Schema zu ar- beiten. Die Symmetrie des Bildaufbaues und das Nebeneinandersetzen der Figuren, die hinten hä- her sitzen bzw. stehen als vorne, sind wichtige Bildprinzipien. Dieselbe Bedeutung, die der ll (Abb. i) Passionsretabel aus dem Stift St. Lambrecht, um 13604370. 99x235cm. Graz, Alte Galerie am Joanneum (Farbtafel ll) Votivtafel aus St. Lambrecht, um 1430. 79 x 167 cm. Graz, Alte Galerie (Leihgabe des Stiftes St. Lambrecht) - (Farbtafel lll) lll (Abb. 9)