Johann Muschik ln_ Kassel: Die qdocumenta der Medien" t 1955 gibt es die Kasseler documenta. eine oßausstellung, die alle vier bis fünf Jahre ttfindet. Träger des Unternehmens ist die :umenta GmbH. Gesellschafter sind das Land ssen und die Stadt Kassel. Der Aufsichtsrat, ' aus Vertretern der Stadt und des Landes, 'unter auch Museumsdirektoren, besteht, nomi- rt den ieweiligen documenta-Rat. Dieser setzt 1 grundsätzlich allein aus Fachleuten, Kunst- lorikern, Kunstkritikern, Ausstellungsmachern, seums- und Kunsthallenleitern(-kustoden) zu- nmen. Künstlerisch verfährt das Unternehmen wechselndem Konzept. Anders als die Bien- e von Venedig, zu der iedes Land nach enem Gutdünken Repräsentanten entsendet, Jeutet die Schau von Kassel auch nicht die IF eines Wettstreites der Nationen; sondern documenta-Rat wählt nach seinem Ge- mack und gemäß der ieweils erkorenen The- tik aus. Nationalität ist kein Kriterium. l erste Veranstaltung des von dem Kasseler ifessor Arnold Bade proiektierten, begründe- und von ihm lange Zeit, wenigstens or- iisatorisch, unmittelbar auch geleiteten Un- iehmens galt den Klassikern der Moderne. em Nachholbedarf war zu entsprechen. Die ztung Europas fürs erste wurde herausgestellt, amerikanische Entwicklung gerade noch an- nerkt. s änderte sich bei der documenta 2 vom re 1959. lhre Devise hieß „Weltkunst". Der istieg New Yorks zur Kunstmetropole neben von Paris hatte sich praktisch schon voll- ien. Auf der Darstellung des in einem hohen ße ia amerikanischen Abstrakten Expres- tismus lag der Hauptakzent. Die Präsentation ßer Surrealisten, wie Paul Delvaux, Rene Ma- te, Max Ernst u. a., bildete den Gegenpol. ' 3. Documenta (1964), iener, die bereits eine ucherzahl von 200.000 erreichte, ging es die Rolle der Persönlichkeit. „Kunst ist das, s bedeutende Künstler machen", hieß es im alogvorwort. Wieder wurde die Aufmerksam- ' auf Amerikaner gelenkt. Haupthelden waren kson Pallack, Sam Francis, David Smith. Der itsche E. W. Noy erhielt eine Würdigung, bei der zweiten Kasseler Großveranstaltung t Landsmann Wols. Eine umfassende und onders schöne Präsentation zeitgenössischer tdzeichnungen kam bei der dritten hinzu. istlerischer Leiter der documenta 1 bis 3 war rner Haftmann. entscheidende Gestalt im Rat der 4. docu- ita (1968) wurde der Holländer Jean Leering. tat alles, um das schon seit geraumer Zeit ksame „Avantgarde"- und „Novitäten"-Prin- auf die Spitze zu treiben. So wollte er trhaupt nur mehr Werke der letzten vier re zulassen. Das bedeutete Entwicklungen seit 1 Durchbruch des amerikanischen Pop auf der tnale van Venedig 1964. Damals und dort er- t Robert Rauschenberg seinen großen Ma- ireis, den gleichen, der einst Henri Matisse Georges Braque zuerkannt worden war. is schien nun endgütlig geschlagen. ler dem neueren künstlerischen Geschehen dem Felde der englischen und amerikani- an Pop-art stellte Leering Op-art zur Schau, a ebenfalls „aktuelle" Entwicklung. Neben am Riesenaufgebot von Rechteckmalerei aus Bauhaus- und Mondrian-Tradition wurden ferner die (wie Pop-art) um und vor 1960 in Opposition zum Abstrakten Expressionismus entstandenen amerikanischen Richtungen Mini- mal-art und Post-Painterly-Abstraction- (oder Colourfield-)Malerei vorgestellt. Insbesondere der zweiten, der monochrom- ungegenständlichen Richtung, schien Leerings Herz zu gehören. in einem eigenen Katalogbei- trag charakterisierte er diese Malerei vornehm- lich aus den sechziger Jahren als eine, der „das- ienige, was sich innerhalb des Bildrahmens voll- zieht, weitaus wichtiger (ist), als was sich jenseits dessen in der Umwelt abspielt... Die bisherige Unterscheidung zwischen Form und lnhalt hat nunmehr ihre Gültigkeit verloren; die Form, in der die Probleme gestellt und gelöst werden, bestimmt den lnhalt, (a ist der lnhalt des Kunst- Werkes" (Leering in: Katalog der 4. documenta, 1968, Band 1, Seite XVll und XIX). Damit ist man ziemlich genau bei iener „Male- rei die sich selber malt", einer „Malerei als The- ma der Malerei" angelangt, iener „analytischen" Alle Aufnahmen zu diesem Essay über die Kasseler documenta 1977 verdankt der Autor dem Kunstkriti- ker E. Melchart, Wien. 1 Ulrike Rosenbach, Herakles (aus der Serie „Die Vorbilder der Mannsbilder"), 1977 2 Hans Hollein vor seinem „Wagen", 1972 3 Don Patts, Das Grund-Fahrgestell, 1970-1972 oder „geplanten", deren Repräsentanten der Kunstkritiker Klaus Honnet, Mitglied des Rats der 6. documenta und einer der Katalogeinbe- gleiter, als die „bedeutendste Gruppe zeitgenös- sischer Maler" - d. i. in seinem Zusammenhang jener der siebziger Jahre - bezeichnet (Honnef im Katalog der 6. documenta, Kassel 1977, Band 1, Seite 45 f.). Auch mit einigen eindrucksvollen Environments ging Leerings 4. documenta ie- nen der 5. und 6. voraus. Von Kunst, die sich selber genügt, wollte der Schweizer Harald Szeemann, Leiter der docu- menta 5, nichts wissen. Im Gegenteil, gerade die Beziehung zwischen Kunst und Wirklichkeit in- teressierte ihn. Er nannte seine Schau „Befra- gung der Realität - Bildwelten heute", wobei er unter Realität „alle uns umgebenden Bilder, künstlerische wie unkünstlerische", verstanden wissen wollte. Infolgedessen präsentierte er pra- grammatisch auch Kitsch, „Trivialkunst", religiöse Volkskunst, Kunst der Geisteskranken, Science fiction, Comic strips, kommerzielle Werbung, po- litische Propaganda u. a. Durchschlogend war der Erfolg des amerikanischen Hyper-, Super- oder Fotorealismus. Durch diese Ausstellung eigentlich ershfand- er seinen Eingang in die Länder Europas. Das verhinderte nicht, daß der Fotorealismus auf der neuesten, der 6. documenta, die ihr dynamischer Leiter Manfred Schneckenburger, einstmals Chef der Kölner Kunsthalle, die „documenta der Medi- en" nennt, nur mehr mit einem einzigen Bild erscheint, einem ganz vorzüglich gemalten Rie- senporträt van der Hand des Amerikaners Chuck Close. Tüchtige malerische Talente sind auch die DDR-Repräsentanten. Ihrem Temperament, ihrem Vortrag nach wären Bernhard Heisig und Willi Sitte etwa zwischen Lovis Corinth und Oskar Kokoschka (oder auch unserem Fritz Martinz) einzustufen. Von der Neuen Sachlich- keit, fest und solid, geht Wolfgang Mattheuer aus, zu dessen Eigenart Ironie und ein Zug ins Paradox-Groteske auch bei Behandlung ernster ideologischer, „sozialistischer" Themen gehören. Werner Tübke, ein virtuoser Manierist, der in vie- len Sötteln gerecht ist, kann an unseren Ernst Fuchs gemahnen, wobei er freilich ohne dessen Vorliebe fürs Mystisch-Religiöse bleibt. Prominen- tester DDR-Bildhauer ist der von seiner Wiener Schaffenszeit her bekannte Fritz Cremer. Seinen „Aufsteigenden" hat er dem Befreiungskampf der Völker gewidmet. Einen ganz unideologisch gemeinten „Ringkampf" zweier nackter Männer in heftiger Bewegung steuert Ja Jastram, der nächste in der Reihenfolge der DDR-Prominenz, bei. Eine ganz eigenartige, teils knieende, teils lie- gende, teils hockende Figurengruppe, grau in grau, in Wachs geformt und in Originalbeklei- dung gesteckt, stammt von dem Engländer John Davies (Abb. 12). Vitalität ist nicht ihr Thema. Mehr an Realistischem oder Figurativem hat diese Ausstellung nicht zu bieten, sieht man von dem allerdings überhaupt besten Bild der documenta ab - dem expressionistisch-surreali- stischen „Triptychon" Francis Bacons, einer Dar- stellung des Schmerzes, der Selbstvivisektion, der Verlorenheit an nicht zu bewältigende trieb- hafte Kräfte; einem malerischen Ensemble, das durch seine Pranke, seine unerhörte Aufrichtig- keit hinreißt. 33