Franz Wagner Die Siegelbilder der Salzburger Erzbischöfe des Spätmittelalters - Wir sind weit davon entlernt", so schrieb Rainer Kehsnitz 1971 ', weine Geschichte der spätgotischen Siegelkunst schreiben zu können - weder allgemein noch lur bestimmte schalten. Es lehlt nichtnur der Überblick tlberdas vorhandene Material, es fehlen weitgehend auch die Methoden und die notwendigen Begriffe, weil es an den allgemeinen Vorerl über Siegel als Kunstwerke mangelt." Leider treffen diese Sätze zur Gänze auf des gesamte spälmittelalterliche und frühneuzeitliche Siegelwesen im Reichsfürstentum und Erzb Salzburg zu. Selbst in den handgeschriebenenz oder gedruckten" Regesten aus den Selzburger Archiven wie in den Repertorien zu den Salzburger Bestanden lll den Staatsarchil Wien und München sind Siegel, Ialls überhaupt, nur als vorhanden oder nicht vorhanden engelührf. Aus diesem Grunde mulite in der Abteilung nGoldschmiedekunstr- der Ausstt von 1976 "Spatgotik in Salzburg - Plastik und Kunslgewerbe-Äeine Präsentation der spätgotischen Siegel entfallen, obwohl die Geschichte der Siegel einen wesentlichen Eesta der Geschichte der Goldschmledekunst einer Stadt oder eines Landes bildet". Im reichen Bestand des glücklicherweise nie Dverlagertenw und immer am selben Ort sorgfältig bewa Archivs der Benediktinererzabtei St. Peter zu Salzburg' haben sich aber in großer Zahl so vorzüglich erhaltene Siegel aufspüren lassen, deß vorerst dieser Studie eine über die! derÄbte dieses Klosters und eine über das spätgotische Bürgerslegel in Salzburg folgen wird. ln den Zunftordnungen des europäischen Gold- schmiedehandwerks von deren Entstehung bis zum Ende der Zünfte im 19. Jahrhundert war unter anderem stets festgelegt. daß ein Goldschmiedge- selle zur Erlangung der Meisterschaft folgende drei Meisterstücke anzufertigen habe: einen Meß- kelch - später in den protestantischen Ländern ei- nen Pokal -, einen mit einem Edelstein ge- schmückten Ring und ein Siegel. genauer ausge- drückt. einen Siegelstempel. Abgesehen davon. daß an diesen drei Stücken die ganze Vielfalt jener Arbeitstechniken aufgezeigt werden kann. die der Goldschmied zu beherrschen hatte". galt das Sie- gelschneiden als besonders schwierig (erst im 17. und 18. Jahrhundert gab es die aus dem Gold- schmiedehandwerk hervorgegangene selbstän- dige Berufsgruppe der -Petschierstecher--). Gute Siegelschneider waren hochgeschätzt. und für ihre Arbeit wurden nicht selten außerordentliche Preise gezahlt: so erhielt etwa der Aachener Gold- schmied Hans von Reutlingen - ß-der römischen kayserlichen Maiestat siglgraber und goltsmitßg - fürdas große Majestätssiegel Maximilians I., daser im September des Jahres 1500 in Innsbruck ablie- ferte. 400 rheinische Gulden. nachdem er ur- sprünglich 600 gefordert hattew. Sicherlich war dies ein skaiserlicherw Spitzenpreis. Wenn man je- doch bedenkt, daß etwa Christoph von Zelking für den von ihm gestifteten. im letzten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts gearbeiteten Hochaltar in Kefer- markt" 592 ungarische Gulden - was 788 rheini- schen Gulden entspricht" - bereitzustellen hatte, dann wird doch durch solchen Vergleich die Wert- schätzung (und auch das Ansehen) der Siegelar- beiten der spätgotischen Goldschmiede deutlich. Die handwerkliche Arbeit des Goldschmiedes be- steht in der Herstellung eines Typars. im Gravieren und "Schneiden- eines Metallstücks. Das Material des Typars ist meistens unedler Natur. vielfach Ei- sen. aber auch Bronze oder Messing. Nur in selte- nen Fällen wurde Silber oder gar Gold verwendet. Da das Typar ja keinen Selbstzweck verfolgt. kommt dem Werkstoff auch keine besondere Be- deutung zu; er muß nur widerstandsfähig genug sein. um eine oftmalige Verwendung des Typars möglich zu machen. Das eigentliche Kunstwerk aber ist der Abdruck des Stempels. Die Vollendung des Siegels ist also vom Künstler unabhängig. denn jeder. derdas Typar. den Stempel. in die Hand bekommt. kann das Werk des Künstlers gleichsam vollenden. indem er den Abdruck herstellt. Für die verschiedene Farbe und Beschaffenheit dieser Abdrücke. der Siegel also. warvon ihrem frühesten Auftreten bis in das 15. Jahrhundert und oft weit darüber hinaus ihr Material maßgebend: verschie- denartiges oder verschiedenartig gereinigtes Bie- nenwachs - zuerst ungefärbt. seit dem 14. Jahr- hundert auch schwarz. grün oder (als Regal) zin- noberrot gefärbt". Der Wert eines Siegels als Kunstwerk besteht also weder im Werkstoff des Stempels noch im Siegel- stoff. sondern im Bildinhalt. in seiner ikonographi- 12 Zu den Abbildungen (Abkürzungen: OU - Originalurkunde. -a.:-archiv. Dm. : Durchmesser) - Mittelstück aus dem in Abbildung 10 näher beschriebe- nen großen Thronsiegel Erzbischofs Sigmund von Vol- kensdorl (1452-1461); rot gefärbtes Wachs. originale Größe des hier gezeigten Bildausschnitte: 54x34 mm. Thronsiegel Erzbischols Ortoll von Weißeneck (l343-1365); an OU Stittsa. St. Peter 1356-05-13 an Per- gamentstreifen hängend. naturfarbenes Wachs. Dm 79 mm: Inschrift: + ORTOLF(us) D(e)l GR(ati)A S(an)C(t)E ECCL(esi)E SALZBVRGENßis) ARCHlEPüs- copu)S AP(0sto)LlCE SED(is) LEGAT(us). Thronsiegel Erzbischots Pilgrim von Puchheim (1365-1396); an OU Stiftse. St. Peter 1366-10-27 an Per- gamentstreifen hängend. rot gefärbtes auf naturlarbe- nem Wachs ohne Mulde. Dm. B0 mm; Inschrift: PIL- GRIMVS DEl GR(ati)A SANOTE SALCZBVHGENßis) ECCL(esi)E AFlCHlEP(lscopu)S AP(osto)LlCE SEDIS LEGATVS. Mittelstück aus dem bei Abbildung 3 beschriebenen Thronsiegel Pilgrlms von Puchheim (1365-1396): rot ge- färbtes auf naturlarbenem Wachs. originale Größe des hier gezeigten Bildeusschnittes 63x34 mm. schen wie künstlerischen Gestaltung. Doch hier nicht nur kunsthistorische Probleme zu ren. Ebenso konnen rechtshistorische Fr (etwa solche der Art der Besiegelung bestim Rechtsgeschäfte) oder diplomatische (zum spiel die Verwendung bestimmter Siegeltype Urkunden bestimmten Inhalts) von besont Wichtigkeit sein". Die Erforschung aller d Aspekte zusammen wird daher erst über das gelwesen einer Stadt. eines Landes zu gen Aufschlüssen verhelfen. Die sprachlichen Zusammenhänge Siegel - lum - signum weisen auf eine enge Verknüp des mittelalterlichen Siegelwesens mit dem ken hin. Das Siegel ist keine Erfindung des eur ischen Mittelalters. auch nicht erst ein "Ziv tionsproduktr- des Römischen Reiches. sonde reicht bis in die ältesten Zeiten altorientalis Überlieferung zurück und ist sogar alter als di findung der Schriftß. Percy Newberry konnt das alte Ägypten bereits dreierlei Siegelgebr feststellen: r-Forsecuring property. for auther ting documents and for transference of aut ty-Js. Und im europäischen Mittelalter - so Theodorllgen seine Forschungen zusammen- das Siegel "ein hochbewertetes Erkennungs- Beglaubigungszeichen. das gegenüber den Lesens und Schreibens Unkundigen eine ei händige Unterschrift ersetzte und im gewi Sinne den Siegelinhaber vertrat-t". im mittelalterlichen Sinne war grundsatzlicr Typus - als Träger kennzeichnender lnsignier Herrschaftszeichen - das Entscheidende. Das im geistlichen Siegel stellt entweder den Heil einer Kirche oder deren Oberhaupt dar". In N ließ Erzbischof Siegfried 1073 an die Urkunde die Schenkung seines Domherrn Wezzil ausdr lich w. . . zum Beweis... sein Bild mit Hilfe Siegelabdruckes als Zeugnis anfügen-r". t gibt es für solche w-Porträtsiegel" keinen Zwi sie sind selbstverständlich kein echtes Ab-Bil ner Person. sondern symbolisieren sie und ihr Gerade durch diese Typisierung erhielten j: Siegel allgemeinverständliche. eindeutige stark wirkende Aussagen. Durch Rechtsbestimmungen des Frankenrei ist bereits für das 9. Jahrhundert die Existen schöflicher Siegel erwiesen". Trotzdem kor riert bis in das 11. Jahrhundert hinein mit de: siegelung vielfach noch die eigenhändige Ul Kreuzung". Was die frühe Entwicklung der ge chen Siegelurkunden in den deutschsprach Diözesen betrifft, so meinte Friederike Zaisbe daß wvon der immer wieder (etwa durch Os Redlich") betonten Entwicklung der Siegi kunde aus einem Pergament. welches kaum r als die Aussage einer inotitia- bietet und quas zur Vermehrung der Glaubwürdigkeit mit ei Siegel versehen wurde. bis hin zu den formula ßigen Ausfertigungen der Siegelurkunden 12. Jahrhunderts keine Rede sein kann. Vielr steht von Anfang an die feierliche. aus der T