. Österreichisches Museum für angewandte Kunst Blickpunkte Mit Vollendung seines Direktoren-Dezenniums am 1.1.1978 erreichte w. Hofrat Prof. Dr. Wilhelm Mazek fast die Aitersgrenze. Am 21. Juli 1978 feierte er seinen 65. Ge- burtstag - zum Anlaß wird die i-alte und moderne kunst-r. Zeitschrift des Hauses. das kommende Heft 1601161 widmen - zu dem er alle Angehörigen des Museums zu bescheiden-feierlichen Umtrunk lud. Bei dieser Feier an einem dienstlichen Vormittag markierte ein Direktor knapp aber freimütig sein Leben. Wie er es eigentlich von früh an schon nicht leicht hatte. der Landbub. später Lehrer, Soldat. Kustos und Direktor des Österreichischen Museums für angewandte Kunst. Beschwcr damit noch einmal Zeit und Lebensumstände der ihm näheren Gerie- rationen herauf. Die unruhigen. politisch zerrisssenen. folgenschweren 20er Jahre. deren Tristesse. die durch Arbeitslosigkeit bedingte Ausweglosigkeit. Die opferhei- sehenden 30er Jahre mit Anschluß und Kriegsausbruch. Die harte Kriegszeit. 1945. den Wiederaufbau, die Phasen der allgemeinen Konsolidierung. Der amtierende Direktor war plötzlich, über das Postulat seines Amtes dem Ende seiner Laufbahn zu - einer Dekade voller Aktivitäten a. jedem nähergerückt. Schloß mit Dank und Anerkennung für die Mitarbeit aller und verwies. wie denn nicht anders bei ihm möglich. auf die zukünftigen Aufgaben des Mu- seums. Eine Feierstunde. die noch gar nicht nach Ab- schied aussah.- Allmählich tritt die Herbstsaison in ihre Rechte. Das Stammhaus bereitet dem Programm zufolge weitere Akti- vitäten vor. Erfreulicherweise konnte allen Kulturpessimi- sten zum Trotz im Bereich der Bundesmuseen eine deut- liche Steigerung der Besucherzahlen festgestellt werden. Jetzt. im Spätsommer. bei Gängen durchs Haus ist eine Belebung spürbar. vor allern durch internationale Gäste. Auch in den provinzlichen Reservaten. sprich Außenstel- len. scheint man von der Dichte der allgemeinen kulturel- len Bestrebungen im Umland Wien und Niederösterreich zu partizipieren. Neben den laufenden Ausstellungen i-Fritz Ftiedl Bild- teppiche- und wChinesische Kunst - Sammlung nig Gustav VI. Adolf von Schweden-r. "Herrn Biedermeiers Wunschbillettß. Hugo F. Kirsch -Jugendstil - Glas und Möbel" gab es am 30. Juni 1978 die Schlußfeier der Hochschule für angewandte Kunst für die heuer abge- henden Schüler. in Vertretung S.M. Johannes Spalt. dem amtierenden Rektor. verabschiedete Prof. Fritz Weber die Diplomanden. Novität und Bereicherung. eine musikali- sche Umrahmung. recte Sponsion der Magistri archilec- turae 8. artium. Höhepunkt dieser Weihestunde: die Ver- leihung der Preise der Stadt Wien sowie des Preises des Landes Niederösterreich. Ein verdienter Restaurator des Museums. Fachoberin- spektor Friedrich Steiner. soll hier anläßlich seines Ab- ganges gewürdigt werden. Er diente dem Hause gut und gern ein halbes Menschenalter. entwickelte sich aus ein- fachen Anfängen heraus zum Spezialisten. den man in Sachen Konservierung und Restaurierung von Metallob- jekten stets mit Erfolg konsultieren konnte. Profunde Sach- und Materialkenntnis machten ihn zu einer Stütze des Museums. die auch höherenorts Anerkennung fand und ausgezeichnet wurde. Verschiedentlich wachsen neuerlich "auswärtige-i Aufga- ben des Museums bzw. Ausstellungsbeteiligungen heran. im Rahmen eines neuen Kulturabkommens wird es 197911980 nach der Biedermeier-Ausstellung in London. möglicherweise im Anschluß. die gleiche Ausstellung in Frankreich. Paris geben. -Klimt. Schiele- in Paris. später vermutlich in Den Haag. wFinnischer Konstruktivismus-u aAustralisches Kunstgewerbe-r. i-Design aus Dänemark". -Wiener Porzellan-i. ßKolo Moser- sind einige weitere Projekte und Themen. Für das Museum in Aussicht. ist eine interessante Neu- erwerbung. Ein sehr rares Objekt. Ein Tafelaufsatz von Hahn. Wien 1794. Die an solchen Stücken noch aufnah- mefähige Sammlung des Hauses wäre dadurch berei- chert. l.n. Franka Lechner Bildteppiche + Gouache-Collagen Katalog Neue Folge Nr. 49 Altes Haus, Eitelbergersaal Wien 1. Stubenring 5 10. 13.-30. 4. 1978 (verlängert bis 15. 5. 1978) Franka Lechner, Tochter einer angesehenen. sehr aktiven Forscherin, der Direktorin des Wiener Volkerkundemu- seurns. Dr. Etta Becker-Donner. früh verstorben. ver- brachte ihre Kindheit in Südamerika. Wenn man di8 Künstlerin und ihr Schaffen heute kennt. Stell! man sich unwillkürlich die Frage. wie weit diese erste. frühe Zeit als Kind in exotischer Umgebung. die Vorsteilungswelt und Phantasie beeinfiußte und bleibende Grundein- drücke hinterließ. Gerade im Hinblick auf Textilkunst be- 58 eindrucken solche Produkte aus den-südamerikanischen Zonen voller sinnlicher Farbenfreude den Europäer. Franka Lechners künstlerischer Ausgangspunkt nach ab- solviertem Studium an der Akademie der bildenden Kün- ste bei Professor Sergius Pauser. Klasse für Malerei. war die Collage. Jene moderne künstlerische Technik. deren vielfältige Eigengesetzlichkeiten immer schon bedeu- tende Künstler anzog. Auch Franka Lechner fand fürs er- ste so zum Collagieren. es wurde ihr Vorstufe zur heuti- gen bevorzugt-beliebten künstlerischen Tätigkeit. das Weben von Bildteppichen. Mit sogenannten Web-Colla- gen schuf sie sich Übergang und Brücke dazu. Alsbald erkannte sie den Webstuhl als unausschöpfbares Regi- ster und Instrumentarium. Auch sie packte das Abenteuer aus dem Entwurf in die völlige Freiheit des Endgestaltens im Weben aufzubrechen. Landschaften. Städte. Gärten. Archaisches und Antikes. Mythisches und kaum der Mensch. sind bevorzugte Themata. Eine Zeitlang beschäftigte sich die Kunstlerin. Mutter ei- nes Sohnes. sehr intensiv mit der Kinderzeichnung. Ge- neuer. mit der ihres Sohnes Christoph. Auch sie verlor sich in dieser Unbekümmertheit kindlicher "Künstler"- schaft. die keinerlei Farb- oder Formprobleme kennt. spontan aus kindlicher Phantasie. Erstaunliches zu Pa- pier oder auf die Leinwand bringt. Wer je Kinder bei ma- lerischen -Aktionen- am Werk sah. ist zumeist tief be- eindruckt. Vorn Ernst. der Hingabe. mit denen sie schaf- fen. lnstinktiv erspüren sie alles. von der kühnsten Per- spektive bis zum figuralen Part eines Tieres oder Men- schen. dem Kolorit einer Landschaft. Mit nachtwandleri- scher Sicherheit. Hier lassen sich Grundbezüge zur Kunst -Großer- herstellen. die unausschöpfbar sind. Das erkannte auch Franka Lechner und wollte es als Künstle- rin ven familiek verarbeiten. Die Bildteppiche Franka Lecnners spiegeln ihr Wesen. Nichts ist grell in ihrer Farbskala. nichts agressiv oder dissonant. wenngleich dynamisch. großzügig und durch- gestaltet bis ins feinste Detail. ihr -Morgenii öffnet viele Tore aus den Engen der Urbanitat In ausgewogen har- monischer Chromatik setzt sie hier als Beispiel für ihre anderen Arbeiten ein meisterlicnes Bild. Ihre -Archaische Landschaft- rafft das Wesen einer solchen zu echter lmagination. Daß sie sich dem Chaos. dem Bedrohlichen dieser Welt nicht verschließt. beweist sie in ihrer Collage "Zerstörte Stadt". Doch selbst hier. in dieser wirbeligen Turbulenz des Fallenden. Gestürzten. des Destruktivier- ten schlechthin vermeint man fast. Anti-Harmonie. uge- ordnetes Chaotisches" vor sich zu haben. Dr. Angela Völker. Leiterin der Textilsammlung des Mu- seums. richtete u.a. die Frage an sie. was sie heute am Weben interessiert? - Antwort Franka Lechners einfach: xEs fasziniert mich immer wieder. . .- Sie hat mit der Wahl des Webstuhls als künstlerisches Medium sich sel- ber fürwahr ein zutiefst elementares weibliches Bedürfnis gestillt. Die Urform weiblicher Tätigkeit. das einstige be- sinnliche Sitzen am Spinnrad. so gut wie erloschen. hat eine neue moderne Form. hat frische Ausdrucksmöglich- keiten im kreativen Wirken. hier Weben. erfahren. Franka Lechner philosophiert darüber. bringt Vorgang. Zeitab- lauf. tiefgehende künstlerische Intuition in ihrem Werk überzeugend zum Ausdruck. Ihre Ausstellung im Eitel- bergersaal. 14 Bildteppiche und 8 Graphiken umfassend. zuzüglich einer Kinderzeichnung. erreichte in lockerer Abfolge ausgezeichnete Wirkung und fand guten An- klang. Marianne Maderna Bronze. Glas, Malerei. Grafik. Design Katalog Neue Folge Nr. 50 Altes Haus, Säulenhof Wien 1, Stubenring 5 7. 4.-4. 6. 1978 (verlängert bis 18. 6. 1978) ist Marianne Maderna als Künstlerin eine Ausnahmeer- scheinung? Weil sie aus existentieller Notabilltät her mit dem rMakel- behaftet ist. von ihrer Kunst nicht unbedingt leben zu müssen? Vielleicht ein etwas ungewöhnlicher Standpunkt als Grundsituation. Nicht. daß andere Künst- ler ausschließlich von ihren künstlerischen Produkten le- ben müssen. jedoch in der Mehrzahl sind sie sicher star- ker davon abhängig. Wir schicken dies deshalb voraus. weil Marianne Maderna obiges wie uns scheint. völlig unberechtigt zum Vorwurf gemacht wurde. Kunst als sol- che ist autonom und als solche rein von Erscheinung. Gehalt und Aussage objektiv zu werten und zu wägen. Paradoxerweise gilt für M. Maderna ein -Stay hungryg aber punkto Schaffensdrang. Ambition. gesundem Er- folgshunger. Marianne Madernas Werk liegt sowohl irn freien bildrieri- schen Bereich. wie im Design. also der angewandten Kunst. Eine Grenze zu ziehen vom sachlichen Objekt her ist nur scheinbar möglich. Es ist ein eigener Weg. der hier gegangen wurde und wird. Was an diesem Werk un- gewöhnlich scheint ist in Wahrheit ein doch sehr ernst- haft erarbeiteter Formenkanon. der verständlicher wird. wenn man mehr von dem inneren Menschen Maderna erfassen konnte. Alle jungen Künstler ringen vorerst um ihre eigene bildnerische Sprache. Dieses Werk steht nun sehr stark. konvektiv. unter literarischen Interpretationen. Es exekutiert und involviert Abläufe. Entwicklungen. Zu- stände in metamorphotischer Weise. Und das ist ein kennzeichnendes Kriterium. Multiplexe Wesen. vor allein Plastiken. wollten schnelle Blicke abschätzig als wschwülstigr--manieristisch attestieren. Marianne Ma- derna versucht ihr Werk. und das mit Konsequenz aus einer Richtung her aufzubauen. die nahe Historie scheint. jedoch in eigener Dialektik. epigenetisch zu fun- damentieren. Ob bewußt oder unbewußt. diese Stilaffini- tät lastet irgendwie auf ihr. Die Ausstellung vereinte die Gruppen Bronze. Glas. Male- rei. Grafik. Design. Zum besseren Verständnis einiges aus der Gedankenwelt der Kunstlerin- "Ich suche nicht die verstreuten Überreste und Kadaver einer materiellen Welt. um diese in Konservierungsglaser einzufangen. um diese als Zeitdokument gelten zu lassenß - Schwerpunkt ihres Schaffens die Glasschöpfungen. In der Päte-de-verre-Technik. bereits 3000 v.Chr. von den Agyptern angewandt. Hier schopft sie gekonnt alle bild- nerischen Möglichkeiten aus und versucht mit zum Teil außergewöhnlichen Bildtiteln oder besser davon ausge- hend eigenständige skulpturale Schöpfungen zu machen. Eine Reihe eigenwilliger Plastiken entstand in dieser Technik. indem sie aus dem Gegenständlichen. dem Rea- listischen heraus körperliche Zustände. recte Bedräng- nis. Bedrückung. Meditatives sinnenhaft sichtbar zu ma- chen versucht. Meditatives und Emotionales gleich ge- genständlich. gleich abstraktiv. Der scheinbar jähe Wechsel von Abstraktion zu Naturnahem. Realistischem wird verständlich. wenn man ihn als Zeichen der unun- terbrochenen Befassung der Künstlerin mit allem was sie umgibt. was sie erfährt. bedrückt oder auch beglückt. er- kennt. Elewundernswert die Bewältigung der Aufgabe Großplastiken zu schaffen. die allein eine ungeheure physische Belastung mit sich bringt. Noch dazu für eine Frau. Ihren Großplastiken kann man. wenn man will. Ara- tymsche Nähe ablesen. Ihre Grafiken hat sie in einer akribisch-nervösen Sprache. die zum Objekt führt. ange- legt. In den Formen ihres Design-Opus wird zum Teil die freie Sprache glatter zur Funktion hin. formbindend und gebändigt. abgewandelt. und auch hier erweist sie sich als exzellente Bildnerin. Was immer Marianne Maderna konzipiert. entwirft und ausführt. es dokumentiert den ihr gemäßen Stilausdruck aus einer seelenauslotenden Eudämonie entspringend. macht alle ihre Schöpfungen als Komplex geschlossen. Dali sie vielen oder fast allen ihren Werken Titel und Be- zuge des Orients unterlegt. vor allem solche balinesi- scher Natur. stellt sie bewußt auf eine besondere Seite der Künstlerschaft. die voll exotischer Aura. in einem ei- genen Empyreum eine Bahn zieht. Marianne Maderna wird. nachdem sie sich nach der Aus- stellung im Österreichischen Museum voll auf neue Pro- jekte geworfen hat. im November 1978 noch in der Am- sterdamer iGalerie de prinsenkameri und nächstes Jahr im Corning Glass Museum. New York. ihre Werke zeigen. Zu vermerken wäre noch. daß die Ausstellung Maderna eine gute Publikumsresonanz hinterließ. Das möchten wir als Kontrapost festhalten. weil gewisse Einwände bzw. unfreundliche Kunstkritik zum Werk laut wurden. Was neuerlich bestätigt. daß zwischen diesen beiden un- gleichen Polen ganz beträchtliche Divergenzen auftreten und immer auftreten werden. naturlicherweisei? - Carl Unger Malerei. Grafik. Entwürfe Katalog Neue Folge Nr. 51 Neues Haus. Ausstellungshalle Wien 1, Weiskirchnerstraße 3 28. 4.-18. 6. 1978 in der Reihe der Ausstellungen. die bisher Lehrern der Hochschule für angewandte Kunst gewidmet waren. trat nach Baumer und Haerdtl nun Carl Unger. Leiter einer Meisterklasse für Malerei und Rektor in den Jahren 1971-1975. mit seinem Werk vor die Öffentlichkeit. Der stets hochaktiv Amtierende. dessen Ftektorenzeit von be- sonderer Hingabe und Umsicht an sein verantwortungs- volles Amt getragen war. ließ uns fast übersehen. daß er beherzter. umgänglicher Künstler. profilierter Maler ist. 1915 im nördlichen Niederösterreich zur Weit gekommen und aufgewachsen. begann er früh seinen Weg als Maler. Unterzog sich bereits mit 15 Jahren unter Streicher sei- ner ersten schulischen Ausbildung. die dann über Schu- finsky. Kenner. Martin an der Kunstgewerbeschule bzw. Akademie der bildenden Künste in Wien zu PrOfSSSOr Boecki führte. Und jung noch. erst 32jahrig. war er be- reits Lehrer an der Hochschule für angewandte Kunst. bekam 1950 den Österreichischen Staatspreis für Male-