targemälde von Carlo Maratta zurück. Nach 1675 ur- sprünglich für S. Giovanni dei Fiorentini in Rom ge- malt, befindet es sich jetzt im Palazzo Pitti in Flo- renz". Daß die Maratta-Komposition. abgesehen von J.B. Straub, auch anderweitig im 19. Jahrhundert zu be- legen ist, zeigt das ausgezeichnete Gemälde. das Giovanni Battista Pittoni um 1725-1727 für S. Maria della Fava in Venedig maltew. Wenn es ein noch unveröffentlichtes Werk gibt, das innerhalb der langen Reihe der bisher bekannten Arbeiten Straubs unverhofft eine Lücke schließt. so ist dies eine meisterlich geschnitzte Plastik (Abb. 6). Sie tauchte erst vor kurzem aus älterem Münchener Privatbesitz auf. Es kann nicht der geringste Zweifel darüber bestehen, daß es sich bei der aus Linden- holz geschnitzten und alt gefaßten Hausmadonna (53,5:36:20 crn) um ein völlig eigenhändig ausge- führtes Werk J.B. Straubs handelt. Wie bei solchen Bildhauerarbeiten üblich, ist ebenfalls wie bei dem themengleichen Hochrelief von Straubs Wohnhaus die Rückseite der hier zu besprechenden Hausma- donna auf der Mondsichel abgeflacht. Über rötli- chem Bolusgrund sind weite Teile der ursprüngli- chen Fassung (Kopftuch hellblau, Kleid erdbeerrot, Mondsichel vergoldet) erhalten geblieben. Das In- karnat war jedoch ursprünglich viel blasser; die la- sierenden Schichten sind nicht erhalten. Ein derdas Marienhaupt einst umgebender Strahlenkranz aus Metall ist sinngemäß zu ergänzen. Ein Detail spricht besonders für die langjährige Erfahrung des Bild- schnitzers. Es besteht darin, daß als unterer Ab- schluß für die Büste die Form der auch in ikonogra- phisoher Hinsicht bedeutsamen Mondsichel ge- wählt wurde. In geradezu mathematisch genauer Berechnung fällt bei der vorliegenden Komposition ein kleiner Gewandbausch auf die imaginäre Mittel- achse. Andererseits ist sie aber auch zugleich der ideelle Ansatz für eine sich zu denkende Vertikale. Sie liegt unverkennbar der Gesamtkomposition zu- grunde, Denkt man einen Augenblick an die schon des öfte- ren genannte früher ausgeführte Hausmadonna Straubs zurück. so ist es keineswegs überraschend, daß der Bildhauer auch diesmal als darzustellenden Typus gleichsam das Porträt einer jungen Frau schuf, die wiederum der bürgerlichen Umwelt ent- nommen zu sein scheint. Das hier erstveröffent- lichte Werk einer Hausmadonna in Büstenform be- legt zugleich eindringlich, daß vor und neben Gün- ther der Hofbildhauer J.B. Straub zu den bedeu- tendsten Meistern Münchens im 18. Jahrhundert gehörte. Ganz besonders aufschlußreich ist die wesentliche Unterscheidung dieses Werkes von einer anderen, etwa ein rundes Jahrhundert früher entstandenen Hausmadonna (München, Bayerisches Nationalmu- seum). Es handelt sich um jenes Werk, das Straubs Meisterschüler Franz lgnaz Günther um 1761-1762 aus Eichenholz für sein Münchener Haus am Ober- anger Nr. 11 schnitzte (Abb. 7). Wie W. de Groff überein von ihm angefertigtes Werk 1737 treffend sagte, ist sie par excellence ein "Chef d'oeuvre pour la ressemblance, Vattitude et le tra- vailn. Im Gegensatz zu den vorgenannten themen- gleichen Werken Straubs verfügt sie erstaunlicher- weise über kein einziges Attribut. Im Vergleich zu ihnen ist diese Darstellung wesentlich abstrakter und zugleich phantasievollen Wie keine zweite Pla- stik dieser Zeit besitzt das Werk Günthers die r-Un- nahbarkeit Tiepolesker Madonnene (A. Feulner). Entgegen der Auffassung Straubs ist sie unver- kennbar von höfischer Kunst inspiriert. Ebenso ist hier darauf hinzuweisen, daß hinter einer solchen Darstellung ein ganzlich anders orientierter reli- gionsgeschichtlicherAspekt steht. Dieser wiederum steht in engstem Zusammenhang mit der barocken t-Schaufrömmigkeitu. Wenn man ß-von der eben genannten Plastik Gün- 20 thers ausgehend, sich anschließend mit dem Typus beschäftigt, welcher der Straubschen Hausma- donna auf der Mondsichel entspricht, dann stellt sich heraus, daß auch sie gleich dem Werk Günthers auf eine r-erlauchtes Ahnenreihe zurückzuführen ist. Hinter beiden Werken steht nach G. Gugitz der ursprünglich byzantinische Typus der r-Agiosoteris- sar- (vermutlich Kopie eines lkons von Fermo). Der abendländischen Kunst wurde der in Rede stehende Typus der "Madonna mit dem leicht zur Seite ge- neigten Haupt-r durch einige bereits im früheren 17. Jahrhundert in Rom geschaffene themengleiche Werke (Bronze und Marmor) vermittelt. Die hier zu nennenden Madonnenbildnisse in Büstenform wur- den von dem italo-flämischen Bildhauer Francois Duquesnoy (1594-1643) ausgeführt". In mehrfacher Hinsicht läßt sich der Gesichtstypus der Straubschen Hausmadonna auf der Mondsichel im Werk des Bildhauers belegen (Abb. 8). Über das Haupt des Hausmadonnenreliefs (München, Bayeri- 12 F.J. Günther, Hausmadonna, Bleiguß (Kopfdetail). Augsburg, Städtische Kunstsammlungen Anmerkungen 18-23 l" H. Voß, Malerei des Barock in Rom, Berlin 1924, s. sss mit Abb s. 33a. "t Dali ebenfalls lgnaz Günther mit dem Typus vertraut war, zeigt ein kompositionsgleicher Entwurf fur ein Andachtsblld. G. Woeckel, Die Handzeichnungen des kurlürstlich bayerischen Hofbildhauers Franz lgnaz Günther, 2. Aufl, Weißenhorn 1975, s. 2231229. z" e. Woeckel, Franz lgnaz Günther, Der große Bildhauer des bayeri- senen Rokoko. Regensburg 1977. s. 44. Als Werk Straubs wurde sie bereits in dem Augsburgischen Kunst- tzlatt, a. Jg., VII. Stück v.31.7. 11124161 (unter Nr. so) bezeugt c. Giedion-Welcker. J.B. Straub, München 1922, s. 29 mit Abb a1. s. a1. -F'. Stainer, op m, s 11D(angahlich -um 1750", hazw. heim Gegenstück 17457) 1' c. Giedton-Welcker, s.a.o.. Abb. 72 (Schäftlarn) und Foto Marburg Nr 202. 137 (München-Berg am Lairn). U G. Woeckel, Franz lgnaz Gunther, a.a.0.. s. 4a r , es mit Abb 57. s. 127. Unzuganglich war mir eine Münchener Magisterarbeil: E. Stark, Hausmadonnen an Münchener Hausfassaden des 17. und 18. Jh. in" Kunslchronik. 31. 1978. S. 333 erw. sches Nationalmuseum) hinweg läßt sich dt rezeptive, doch für die Auffassung Straubs c teristische Kopftypus zunächst auf die wohl: ste weibliche Heiligendarstellung des Bild zurückverfolgen (Abb. 9). Es handelt sich I bisher noch keineswegs richtig beurteilte C Iung einer hl. Agathe in der ehemaligen Ben nerabteikirche in Tegernsee". Mit welcher Konsequenz andererseits Straut einmal in sein Repertoire aufgenommenen später immer wieder neu abwandelte und er chend nuanciene, zeigt der Blick aufthemeng Darstellungen bei einem Relief (1764) und b! annähernd lebensgroßen Standfigur (1768) (l und 11). Es ist dies die Maria einer Verkündii darstellung im Predellenaufsatz des linken S: tars in Schäftlarn und eine Maria als Mater Dt im Chor der Pfarrkirche St. Michael in Mü Berg am Laim". Aus der förmlich zwingend: abfolge der oben genannten. motivisch sich stark ahnelnden Werke Straubs geht mit Sic hervor, daß die von ihm geschnitzte Hausmz auf der Mondsichel unbedingt an das Ende c gezeigten Reihe gehört. Sie zählt demnach z: Werken des Münchener Bildhauers, die erst frühen Siebziger Jahren von ihm ausgefüh den. Um die allgemein stilistischen Beweggründe dieser Datierung führten, wenigstens noch nern anderen Punkt aus zu sehen. ist abschl von einer bisher noch nicht erwähnten Hausmadonna lgnaz Günthers zu spre (Abb. 12). Der reine Zufall will es übrigens, I einst sogar in Straubs unmittelbarer Umg d.h. in der Münchener Hackenstraße, als Hz donna verwendet wurde (Augsburg, Star Kunstsammlung; Röhrersamrnlung). Trotz 1 merkenswerten werkstoffmäßigen Verschiet - bei dem Werk Günthers handelt es sich 1 schenderweise um einen farbig bemalten t (H. 45,2 cm) - ist nicht zu übersehen, daß s beiden Spätwerke der genannten Bildhaui gleichsweise ähneln, wobei zugegeben die gleichheiteine bemerkenswerte Rollespieltl andererseits zugleich auch wieder trennt, wer von der Qualität hier einmal absieht, ergibt Sl einer anderen Konstellation. J.B. Straub als r der bayerischen Rokokoplastik war Primus ir res im Kreis der in München ansässigen Bilc während in gleicher Eigenschaft der um 2( jüngere Meisterschüler Straubs lgnaz Güntl ein nMozartrr unter den deutschen Bildhaut Rokoko inzwischen längst europäischen R: reicht hatte. In summa läßt sich zu den in der Kunstlani München ausgeführten, von uns genannten l sagen, daß sie ein gemeinsamer geistiger eint. Er besteht, vereinfacht gesagt, darin, dal: len zur Sprache gekommenen Beispielen dungsmäßig die römische Kunst des 17. Ja derts stets der gebende und die mehrfach ge bayerisch-münchnerische Komponente der des 18. Jahrhunderts immer der nehmende" Daß jedoch trotz der in allen Fällen bewii Übernahme von fremden Kompositionsmotii den für München so kennzeichnenden H: donnen (E.Q. Asam, J.B. Straub und F.J. G1 die künstlerischeAussage in den genanntent bis zur letztmöglichen Konsequenz gesteigr zugleich inhaltlich vertieft wurde, ist selbst halb der europäischen Kunstlandschaft d Jahrhunderts ein kaum ganz erklärbares I ITIEBH. Ü Anschrift des Autors: Dr. Gerhard P. Woeckel Zentralinstitut für Kunstgeschichte Meiserstraße 10 D-BOOO München 2