I Aktuelles KunstgeschehenlÖsterreich
Wien
Museum des 20. Jahrhunderts
Neue Fotografie aus Japan
Von 22 bekannten japanischen Fotografen wählte
Dr. Otto Brelcha eine sehr abwechslungsreiche und in-
formative Schau aus. Die verschiedensten Temperamen-
te sind hier am Werk. Können wir etwa Eikoh Hosoe mit
Salvator Dali und unseren Phantasien vergleichen - er
montiert und kopiert traumhafte Situationen übereinan-
der -, so arbeitet lkko Narahara, ein poetischer Realist,
mit klarem, scharfem Realismus. Seine Bilder sind be-
reits so scharf, daß sie mit ihren realen Darstellungen
doppelte Dimensionen bekommen. Überhaupt ist eine
poetische, oft auch erzählende Aussage den meisten
dieser Fotografen gegeben. Doch auch hier, im Thema-
fischen, gibt es große Spannweiten. Da ist die er-
schütternde Aussage des Shomei Tomatsu mit dem
Zyklus 11:02 (zwei Minuten nach 11 Uhr explodierte am
9. August 1945 die Atombombe über Nagasaki). Auf sei-
nen Bildern sleht man Verkrüppeite, schwärende Haut
der Überlebenden, eine in der Hitze der Explosion ver-
formte Flasche und, wie symbolisch, eine umgestürzte
Herz-Jesu-Statue, die den Kopf verloren hat. Es gibt
aber auch Fotos, wie jene von Hiroml Tsuchlda, aufde-
nen die bürgerliche Gesellschaft lestgehalten wird, es
gibt Bilder, in denen der Mensch nur durch seine Zeug-
nisse vertreten ist. und solche, die von Menschen wim-
meln, wie jene von Shuji Yomada. Sehr viele dieser Fo-
tografen gestalten erotische Motive, wobei auch hier die
verschiedensten Techniken angewandt werden: der Aus-
schnitt, die storymäßlge Reihung, das nüchterne Serien-
foto, Schattenbilder, Verfremdungen. Ganz hervorragend
ist auch die Farbfotoreihe "Meening of the Houseil von
Kishin Shinoyama. Die Farbflechten eines Hausverput-
zes, die Schlieren einer Holzmaserung, der Rhythmus
eines Zlegeldaches, alles das könnten sich Maler ver-
schiedener Stiirichtungen ausgedacht haben. Es ist
eine Fülle von Problemen, die hier angeschnitten wer-
den, es ist auch elne Fülle von Lösungen, die diese
Ausstellung bietet. Der Katalog mit seinen 335 Seiten
und sehr vielen Fotobeispielen ist als Nr. 7 der Schrif-
ten des Museums eine wichtige Ergänzung und bleiben-
de Dokumentation. (12. 7.- 17. 9. 1978) - (Abb. 1)
Karl Anton Fleck
Der Maler und Graphiker zeigte großformatige Porträt-
zeichnungen. Schon vor einigen Jahren begann Fleck
damit, seine Malerkoiiegen in der Ktlnstiergeselischaft
ivDer Kreis-i mit dem Zeichenstift festzuhalten. Später
waren es dann auch andere Menschen, die im kulturel-
len Leben mehr oder weniger aktiv wirken. Dem Künst-
ler gelingt es jeweils, für die Person sehr bezeichnende
Eigenheiten in den Zeichnungen herauszuheben und da-
bei doch, oder eben gerade dadurch im erhöhten Maße,
die Porträtähnllchkeit zu steigern. Meist ist die Haltung
der Hände oder des Oberkörpers in diese personale Sig-
natur mit aufgenommen. Dieses Spiel der Hände wird
besonders kennzeichnend bei den Graphiken von Hofrat
Dr. Koschatzky, Hofrat Dr. Mrazek, Dr. Otto Breicha,
Prof. Wieternlk (i). Kurt Lingens und Prof. Stockbauer.
Fleck schafft sowohl Plastizität als auch Atmosphäre
meist allein mit einem reinen Liniengefüge. Nur selten
kommen einige wenige Schummerungen dazu. Strichver-
stärkungen, Auslassungen und oft auch Unterbrechun-
gen. manchmal mit dem Radiergummi venivischt, meist
aber einfach ausgespart, sind von Fleck meisterlich ein-
gesetzte Arbeitsmethoden. Ein hervorragendes Beispiel
der letzteren Art ist das Porträt des Dichters Hans Le-
bert und des Malers Hans Staudachers. Was mit Flecke
unkonventioneller Art des Wischens zu erreichen ist,
zeigt etwa das Blatt, das den Bildhauer Mathlas Hletz
darstellt. Hier wird auch mit einer einzigen Linie, die
vorn unteren Blattrand bis zur Biattmitte hochgezogen
ist, Flaum demonstriert.
Ein großformatiger Katalog mit einem Vorwort von Frau
Dr. Maria Buchsbaum und Wiedergaben fast aller aus-
gestellten Arbeiten ergänzte die Schau. (19. 7.- 27. 8.
1978) - (Abb. 2)
Secession
Frühdrucke der Wiener Secession
In der Galerie konnte man 50 Druckgraphiken aus der
frühen Zeit der Vereinigung sehen. Sehr kultiviert. viel
Können und viele Blätter, die in die Kunstgeschichte der
Stadt eingegangen sind. Die Schau dokumentiert aber
auch die Strömungen jener Epoche um die Jahrhundert-
wende. Es waren sehr viele Blätter des Jugendstlls, die
später In vielfältigen Drucken in den Schulen meiner
Generation zum Gangschmuck gehörten, es waren Zeu-
gen des Beginns expressionistlscher Druckgraphik in
Österreich. Neben landschaftlichen Motiven, bekannten
Veduten aus dem Stadtbild von Wien sahen wir sowohl
romantische Illustrationen, aber auch sehr lebensnahe
70
Schilderungen des bäuerlichen Lebens und erstmals
auch eine Erfassung der arbeitenden Menschen in der
Industrie. Viele Blätter waren als Beilage in der Zeit-
schrift i-Ver sacrumu. Es waren so bekannte Namen wie
Ferdinand Andri, Georg Ehrlich, Rudolf Jettmar, Oskar
Laske, Cari Moll, Koio Moser, Robert Orley und Emil
Orlik vertreten. Es kamen aber auch die verschiedensten
Techniken zu Wort. Der Holzschnitt, der Holzstlch, die
Radierung und die Lithographie, die oft auch in Vielfar-
bendrucken beherrscht wurde. Sehr bedauerlich war es,
daß kein entsprechendes Plakat und kein Katalog für
diese sonst sicher viel pubiikumswlrksamere Ausstel-
lung geworben haben. (7. 7.- 13. 8. 1978)
Malerei und Graphik von Künstlern unter 40
in Zusammenarbeit mit dem Kulturamt der Stadt Wien
waren über hundert Exponate zu einer sehr sehenswer-
ten Schau vereinigt, die sowohl über die gute Auswahl
der Einkäufe der Stadt Rechenschaft gab als auch
einen schönen Überblick vom Schaffen jüngerer Künst-
ler in unserem Land. Dabei zeigten Namen wie inge
Dick, Tone Fink, Gerhard Gutruf, Timo Huber, Pater
Kaliwode, Herbert Pasziecznik, Ernst Skricka und Erich
Steininger, daß Werke von Qualität zu sehen waren, daß
aber auch der Bogen der stilistischen Möglichkeiten
sehr weit gespannt war. Das überaus Erfreuliche war
eine große Frische und Unmittelbarkeit der Schau. Es
wäre nur zu wünschen, daß sie auch an anderen Stellen,
etwa in den modernen Galerien der Bundesländer oder
in anderen Städten (Elsenstadt, Krems, St. Pölten etc.),
gezeigt würden, ehe die Bilder wieder für lange Zeit in
den Magazinen des Kulturamtes verschwinden. Leider
gab es keinen Katalog und kein werbewirksames Plakat,
Ausgaben, die schon aus Werbegründen für die Gemein-
de Wien im Stadtbudget einfach "drinnen- sein müßten.
(7. 7. - G. 8. 1978) - (Abb. 4, 5)
Secesslonistinnen 1978
22 weibliche Mitglieder der Vereinigung präsentierten
hier Bilder, Objekte und Graphiken. Gedacht als eine
geistige Gegenüberstellung zu Jener ersten Ausstellung
der Secession, die 1910 unter dem Titel "Die Kunst der
Frau: geradezu ein Wagnis, jedenfalls ein Novum setz-
te, gibt es heute schon viele ähnliche Unternehmungen.
Was diese Ausstellung von jener allerdings unterschei-
det, lst, daß damals nur Gäste eingeladen waren und
diesmal nur hauseigene Künstlerinnen ihre Werke zeig-
ten. Das kann ein Fortschritt sein. kann aber für den
Besucher einer Ausstellung auch eine quaiitätsmäßige
Minderung bedeuten. in dem Vorwort des schonen Kata-
Ioges schneidet die Aussteilungsleiterin Florentina Pa-
kosta die Frage an, ob eine Absonderung der Künstle-
rinnen von ihren männlichen Kollegen nicht geradezu
eine Einschränkung bedeutet, und beantwortet sie mit
dem Hinweis auf den Zug der Zelt, zu zeigen, weiche ge
sellschaftiiche Wandlung die Stellung der Frau durch-
maß. Womit m. E. die Frage allerdings noch nicht beant-
wortet ist. Sollte man nicht gerade bei einem solchen
Institut mit dieser Vergangenheit erwarten, daß es sel-
ner Zelt voraus sei? Und unserer Zeit voraus sein, müß-
te heißen, daß die Künstlerin neben ihrem männlichen
Kollegen steht. Ohne Frage- aber auch ohne Rufzeichen.
Die 13 Secesslonistinnen, die nun Ihre Werke zeigten.
boten sowohl im Formaien als auch im Qualitativen
durchaus keine Einheit. Da gab es kraftvoll-expressive
Arbeiten, wie jene der Hermine Alchenegg, neben einer
feingestrlchelten Konzaptkunst der Meina Schellander,
es gab die kräftigen Aquarelle der Llsl Engels und die
ganz ins Gedankliche zurückgezogenen Blätter der An-
gelika Kaufmann. Die vom Kubismus herkommende Maria
Szeni, kraftvoll, saftig, und die Objektemacherin Renate
Kratschmer-Schwarzenberger, von der man das weniger
behaupten kann, die Lieselotte Beschorner mit phanta-
stlschen Bedrangungen, Fiorentina Pakosta mit aus-
drucksstarken Gesichtsbiidungen und Gertraud Besen-
dorfer mit sehr bewegten Ölbiidern mit wenig Konsi-
stenz. Maria Lassnig war mit ihren hintergründigen Bil-
dern ein Höhepunkt, Grete Yppen mit schweren, zel-
chenhaften Figurationen ein anderer. Erfreulich auch,
wie sich Heliane Wiesauer-Reiterer und Ingeborg G. Plw
har mit Zeitproblemen optisch auseinandersetzten. (5.
bis 17.9. 1978) - (Abb. 6)
Galerie auf der Stubenbastei
Künstlergruppe "Der Kreis-
Unter dem Motto wArbeiten auf Papler- war eine gewis-
se Auswahl gegeben. Trotzdem fehlten gerade einige
sehr bekannte Namen dieser Vereinigung, deren Trager
auf Papier ihre Spitzenleistungen In der Kunst nachwei-
sen können. Wir denken da im besonderen an Ernst
Paar und Walter Muhammad Malii. Trotzdem war die
Schau sehr sehenswert. Louise Autzingers feines Strich-
gefüge ist nach wie vor gekonnt. Von Maria Somogys
Temperablättern sticht besonders -Giudecca-x hervor,
Greta Freist überrascht mit Bleistiitzeichnungen ange
nehm, ebenso Peter Palffy, dessen Gouachen viel aus-
sagekräftiger als seine Ölbilder sind. H. Fischelhammer
ist leider stark literarisch geworden. Arnulf Neuwirth
zeigte drei sehr intensive Aquarelle. Die Stars der Schau
sind aber Hans Hoffmann-Ybbs mit seinen großen
Insekten-Bildern und Karl Anton Fleck mit seinen flotten
Landschaftsaquarellen. (27. S. - 15. 7. 1978)
Galerie Alte Schmiede
Thema Wien
Vielleicht ist diese Ausstellung mit ein Grund der Absti-
nenz mancher Künstler an der vorhergenannten Schau,
denn auch hier stellen nKreis-Mitgliederu gemeinsam
aus, wobei Pallfy als einziger in beiden Galerien vertre-
ten war. Franz Zadrazil beherrscht flächenmäßig, Ernst
Paar qualitätsmäßig das Feld. W. M. Malii zeichnet be-
wegt das Stadtbild mit Fischaugenperspektive, Fl.A. Pe-
chok aufgereihte Peripherien. Elis Stembergers nobel
verhaltene Bilder überzeugen wie H. Stockbauers Kraft.
(14. 6.-15. 7. 197a) - (Abb. 7)
Galerie am Graben
Yatuki Hiramatsu
Schmuckskulpturen einer eigenartigen facettenreichen
Gestaltung. Die bewegten Oberflächen mancher dieser
Kunstwerke erinnerten mit ihren unregelmäßigen Fälle-
lungen an die zerknüllten Pergamentpapiere, die uns
Oberhuber vor Jahren in Bilderrahmen versetzte. Nun
finden wir hier diese Knitierungen in plastischen For-
men und edlen Metallen wieder, und von den der Geo-
metrie entzogenen Strukturen geht ein eigenartiger Reiz
zu einer Verfolgung des Linienspieles aus, von dessen
Zieiiosigkeit man letzten Endes überzeugt ist und der
uns auf diese Weise mehr als jede einsichtige Gerad-
linigkeit auf jenem Weg sein läßt, der unser Ziel ist.
(3. 7. - 15. 7. 1978) - (Abb. 8) Aiois Vogel
Salzburg
Blidungshaus St. Virgil
Johannes und Charlotle Seidl
1947 bzw. 1948 geboren, arbeiten Johannes und Charlot-
te Seidl gemeinsam im eigenen Atelier in Maria Schutz
am Semmering. War der Beginn ihrer keramischen Wer-
ke angeregt durch Arno Lehmann, so zeigten nun die
beiden Künstler unter einem gemeinsamen Signum
"Schreine und andere Stücke-i. Als Begleitprogramm
veranstaltete das Ehepaar im Biidungshaus zwei Semi-
nare: wFormen und Spielen mit Toni- und v-Animation mit
dem Material Ton-i. Johannes und Charlotte Seidl wid-
men sich auch der Schaffung keramischer Musikinstru-
mente, die nicht nur bespielbar sind, sondern auch eine
optische Funktion beanspruchen können. Diese instru-
mente sollten den Aussteiiungsbesucher nicht nur zum
Schlagen, Blasen und Zupfen animieren, sie wurden
auch - etwa durch die Kianggruppe iiKonkreziau von
Dieter Kaufmann 1975 - von professionellen Musikern
in Konzerte eingebaut. (17. 8.- 1. 10. 1978) -
(Abb. 9, 10)
Galerie Academia
Hermann Kremsmayer
Schon vor drei Jahren war die Ausstellung des damals
21jährigen Salzburgers in dieser Galerie eine kleine Sen-
sation. Seither hat er beharrlich weitergearbeitet, hatte
seine technischen Fähigkeiten vervollkommnet. Und sei-
ne neuen Ölbilder, Aquarelle und Lithographien - the-
matisch aus dem Bereich des Alltäglichen, der Stadt-
landschaft genommen - erweisen einen eigenständi-
gen Weg hoher künstlerischer Qualität. (19. 9. - 10. 10.
1978)
Karl Ludwig Mordstein
Auch der 1937 in Füssen geborene und heute in Starn-
berg lebende Künstler galt bei seiner Ausstellung vor
zwei Jahren in der nAcademia-i als ein nGeheimtip unter
Kunstfreundenu. Seine nun gezeigten "Landschaftsm-
stände und Stiiiebem - als Ölbilder. Gouechen oder
Radierungen -, seine morschen, veriallenden, von
Staub bedeckten Archltektursegmente, seine Schach-
teln und Flaschen sind voller Poesie, voller gedampfter,
wenn auch etwas melanchoiischer Harmonie. (12. w.
bis 9. 11. 1978) - (Abb. 11)
Museumspavillon beim Zwerglgarten
Hermann Ober
Das Kulturamt der Stadt Salzburg und das Saizburger
Museum Caroiino Augusteum zeigten neu entstandene