Olga Wisinger-Florian und Marie Egner lassen sich weniger durch motivische oder technische Äußerlichkeiten als Schindlers Schülerinnen er- kennen; das sie mit ihrem Lehrer verbindende Ele ment liegt in der poetischen Verklärung der Natur, wobei der Stimmung eine bildgestaltende Funk- tion zukommt. Carl Moll (1861 - 1945) war derjüngste von Schind- lers Schülern. Nach einem kurzen Studium an der Wiener Akademie beim Historienmaler Christian Griepenkerl, das er krankheitsbedingt abbrechen mußte, nahm Moll ab 1882 Privatunterricht bei Schindler, dessen 1881 im Künstlerhaus ausge- stelltes Bild "Altwasser der Traun bei Goisernti ihn tief beeindruckt hatte. Das Verhältnis zwischen Schindler und den um eine Generation jüngeren Moll entwickelte sich neben der intensiven künst- lerischen Zusammenarbeit zu einer echten Freundschaft, so daß Moll fast als Familienmit- glied angesehen wurde. Schindlers geselliges, enges Zusammenleben mit seinen Schülern ließ eine Art Künstlerkolonie ent- stehen, deren sommerliche Treffpunkte Goisern, Lundenburg und ab 1885 Plankenberg waren, wo Olga Wisinger-Florian, Marie Egner und Carl Moll gemeinsam mit Schindler vor der Natur, teilweise sogar vor den gleichen Motiven arbeiteten. Erst Schindlers Tod zerstreute die Künslter; vor allem in der Entwicklung Carl Molls fand mit dem Tod seines Lehrers und Freundes eine Zäsur und eine gleichzeitige Wendung zu neuen Zielen statt. Er verließ 1893 Österreich für eine mehrjährige Studienfahrt nach Danzig und Lübeck, wo er sich unter dem Einfluß Gotthard Kuehls (1850-1915) von Schindlers poetisch überhöhter Stimmungs- malerei entfernte und sich auf Städteansichten und vor allem lnterieurs spezialisierte. 8 Kurz nach Molls Rückkehr nach Wien kam die Wiener Kunstszene in Bewegung: Eine Gruppe junger Maler, die mit dem vom Künstlerhaus ver- tretenen traditionsbelasteten, offiziellen (Kunst-) Geschmack nicht mehr konform gingen, beschlos- sen ihren demonstrativen Austritt aus der Künstlerhaus-Vereinigung, um einen eigenen, zeit- gemäßen Weg zu gehen. Carl Moll und die be zeichnenderweise der gleichen Generation ange hörenden Künstler Gustav Klimt(1862-1918),Jo sef Hoffmann (1870-1956) u.a. waren die Grün- dungsmitglieder der Wiener Secession, die sich 1897 nach dem Muster der Münchner konstituier- ten und deren künstlerisches wie finanzielles Schicksal Carl Moll entscheidend mitbestimmteli. Auch auf malerischem Gebiet identifizierte sich Moll mit den Zielen des rrSecessionismusu, der Wiener Variante des internationalen Jugendstils, der Fläche und Linie neue formale Bedeutung zu- zuerkennen. Die ornamentalisierenden, auf das Dekorative gerichteten Tendenzen des r-art nou- veauli fanden ihren Eingang in den Stil der Seces- sionskünstler. Fast alle von ihnen, wie auch Carl Moll, bevorzugten das quadratische oder hoch- rechteckige Bildformat und eine npointillistischerl, eher graphisch wirkende Maltechnik. Diese beson- ders von Moll und Wilhelm Bernatzik verwendete, mosaikartige "Stricheltechnikv löste Lokaltöne, Lichter und Schatten in ein farbiges Nebeneinan- der auf, die Natur wurde - im Sinn des Jugend- stils - ornamentalisiert (Abb. 10). Zwischen 1903 und 1908 malte Carl Moll eine Reihe "Hoff- mann'scher lnterieurs", die das Innere seines Hauses auf der Hohen Warte in Wien wiederge benle und die durch das Stillebenartige den Form- willen des Secessionismus spüren lassen. Das Formproblem war für Moll das wesentlichste Ge staltungselement in Richtung einer hauptsäch dekorativ aufgefaßten Wirklichkeit, die aber, hier liegt die Ambivalenz in Molls Schaffen, n nur linear-ornamental, sondern daneben durch auch rrmalerischit wiedergegeben wurde. Die Stimmungsmalerei der Schindler-Genera und der Jugendstil der Jahrhundertwende fan im Werk Molls und vieler anderer deklarierter cessionisten zu einer der Form und dem lnhall recht werdenden Synthese, die den Endpunkt realistischen Landschaftsmalerei in Österri bedeutete. Deren gleichzeitig schlichte und spruchsvolle Suche nach der "Wahrheit der tUfll war fast hundert Jahre lang der Motor Landschaftsmalerei gewesen, bis der Jugend und mit ihm eine neue Künstlergeneration, die dikale, diametral entgegengesetzte Wendung artifiziell verfremdeten Natur brachten, 12 Emil Jakob Schindler, "Damplschillstation an Donau bei Kaisermühlenit, um 1572. OllLeinw 56x 79 cm, bez. rrJ. Scholz gewidmet E.J. Scl lerii. Osterreichische Galerie, lnv. Nr. 3338 Anmerkungen 15, 16 " Ludwig Hevesi, Österreichische Kunst lm 19 Jahrhundert, L 190a. p. 29a r. " Katalog der 22 Sonderausstellung der Gemaldegalerle de derrlle der bildenden Kunste, Wien 1974. p. I5 L) Anschrift des Autors: Dr. Martina Haja Kunsthistorisches Museum Burgring 5 A-101O Wien