P1 Für den Kunstsammler Wilhelm Mrazek Gläser der Biedermeierzeit In der Biedermeierzeit war die Glaserzeugung einer der wichtigsten und bedeutendsten Industriezweige Oster- reichs. In dem Kronland Böhmen, wo schon seit dem 15. Jahrhundert Glas erzeugt wurde, waren zu Beginn des 19. Jahrhunderts 66 Glasfabriken tätig, die für zwei Millionen Gulden Rohglas im Jahre erzeugten, dessen Wert durch die verschiedenen Veredlungsprozesse auf nahezu elf Millionen Gulden gesteigert wurde. Von die- sen Glaswaren wurden für annähernd fünf Millionen Gulden exportiert. An die 40.000 Menschen fanden in diesem lndustriezweig Beschäftigung. Die Glasfabrika- tion war daher für die habsburgische Monarchie ein "höchst wichtiger und bedeutender einheimischer lndustriezweigu. Nachdem die Glasveredlung gegen Ende des 18. Jahr- hunderts fast zum Erliegen gekommen war, machte sie in den ersten Dezennien des 19. Jahrhunderts schnelle und bedeutende Fortschritte. Vor allem die Hohlglasin- dustrie mit ihren zahlreichen Formen von Serviceh, Trinkgläsern, Flaschen, Vasen, Pokalen, Krügen, Be- chern, Flakons und Dosen bediente sich immer mehr des Schliffes und des Schnittes, um so den Gläsern ein "besseres Aussehen" zu verleihen. An allen Fabrikations- orten, aber besonders in den Zentren Steinschonau und Haida saßen Schleifer und Schneider in großer Zahl. die über ein artistlsches Können verfügten. Diese Glas- künstler vermochten das Rohprodukt durch die Anwen- dung von verschiedenen Schliffarten wie Steindl-, Walzen-, Schälschllff und andere zu prächtig funkelnden Gebilden zu veredeln. Neben dem variationsreichen Schliff schmückte man die Gläser auch noch mit einem exakten Glasschnitt, dessen Themen alle Lebensberei- che widerspiegeln und der im Porträtschnitt einen ein- maligen Höhepunkt erreichte. Die Kombination von Schliff und Schnitt brachte die iiKristalltt-Qualitaten des Glases erst zur vollen Wirkung. Solche mit nie erlah- mender Geduld, größter Exaktheit und völliger Beherr- schung aller technischen und künstlerischen Mittel ver- edelten Glaser begründeten den Fiuhm der böhmischen Glaskünstler und trugen ihn weit Ober die engeren Gren- zen in die ganze Welt hinaus. Der Glasdekor der Biedermeierzeit entwickelte sich aus den Elementen des klassizistischen Dekors, der im er- sten Dezennium des 19. Jahrhunderts verhältnismäßig schlichten Schliff und Schnitt bevorzugte. Zwischen 1810 und 1840 jedoch setzte sich das dickwandige und mit reichern Schliff, Schnitt und Überfang geschmückte Glas durch. Gleichzeitig hiemit beginnen allenthalben farbige Gläser beliebt zu werden und wird die Kunst der Schmelzfarbenmalerei auf Glas vwiedererfundehtt. Die technischen Experimente in den Glashütten des Grafen Longuevall von Bouquoy und im Laboratorium von Fried- rich Egermann(1777-1864) in Blottendorf bei Haida führten einerseits zu den lackartigen schwarzen Hyalith- gläsern, andererseits zu den edelsteinartigen Lithyalin- glasern, die zumeist als bunte Flakons den Toilettetisch der Dame zierten. Schon 1806 hatte Samuel Mohn mit der Verwendung von transluziden Emailfarben auf Gla- sern seine ersten Versuche unternommen. Seln Sohn Gottlob Samuel Mohn (1789-1825), der 1811 von Dres- den nach Wien kam, erlangte hier mit diesem Genre ser- ne ersten Erfolge. Mehr als seine großen Glasmalereien für einige Wiener Kirchen waren seine zylindrischen Be- cher mit den graphisch exakten und malerisch zarten Darstellungen von Wiener Stadtansichten, Blumen, Em- blemen der Freundschaft und Allegorien auf Tugend und Liebe originelle Aussagen seiner Kunst. Gottlob Mohn fand in dem Maler der Wiener Porzellan- manufaktur Anton Kothgasser(1759- 1851) bald nach seiner Ankunft in Wien einen erfolgreichen Konkurren- ten. Mohns neue Kleinkunst entsprach in allem den technischen und künstlerischen Voraussetzungen eines Porzellanmalers. Die ersten Gläser Kothgassers tauch- ten bereits 1812113 auf und verhalfen ihm zu einem ein- traglichen Nebenverdienst. Anton Kothgasser, der im nPorZellanviertel-f auf dem nspartischerl Spltalsberg Nr. 2271- wohnte. verfertigte "alle Arten von Malereyen auf Trinkgläser und Fenstertafelnu. Er verkaufte seine Glaser nicht nur in der Niederlassung der Wiener Porzel- lanfabrik, sondern auch in der wNürnberger Handlung zur goldenen Lampeu des Leopold Schadlbauer auf dem Stephansplatz. 56 , M, ltli_iv_iviitft'lil'lll'