3 Stehende Muttergottes mit Kind. Lindenholz, Rückseite stark genbhlt: Höhe 96.6 cm; Krcnenzacken ergänzt: alte, zum Teil übergangene Fassung. Niederösterreich, um 1500, Werkstatt des Zwenler Bernhardi-Altares. spricht, was in unseren Tagen wohl eine große Sel- tenheit am Kunstmarkt ist. in den für seine Sammlung entscheidenden beiden Jahrzehnten vor dem ersten Weltkrieg erwies sich Oertels außerordentlicher Spürsinn für künstleri- sche Qualität auf dem damals noch wenig erforsch- ten Gebiet der spätgotischen Holzplastik. 1907 war er von Göttingen nach München übersiedelt und pflegte bald persönlichen Kontakt mit allen jenen Männern, die den Ruhm des "leuchtendem- Mün- chens begründeten - mit Wilhelm Leibl, Max Sie- vogt, Ludwig Thoma, Thomas Mann, Stefan George, Richard Strauss und vielen anderen. Oertels Sam- meln war gewiß nicht kommerziell-spekulativ be- stimmt, sondern warAusdruck einer großen, leiden- schaftlichen Liebe. Dem entspricht auch der Eifer, mit dem Oertel den (nicht selten absichtlich verne- belten) Quellen in bezug auf die tatsächliche Her- kunft der einzelnen Stücke nachgegangen ist, ein Vorgang, der etwa bei der Figur des thronenden Kö- nigs aus der Gerichtsstube des Zisterzienserstiftes Stams (Abb. 2) von entscheidender Bedeutung ist. wDie Mehrzahl allerauf uns gekommenen gotischen Hoizfiguren stammt aus den spätmitteialterlichen Flügelaltären. Nur eine geringe Anzahl gotischer Biidwerke sind als Einzelfiguren entstanden. Es sind dies im wesentlichen sechs Darstellungen: der Schmerzensmann, das Vesperbild, die Christus- und Johannes-Gruppe. die Schutzmantelmaria, der Triumphbogen-Kruzifixus und Christus im Grabe. Eine besondere Stellung nimmt die Darstellung der Maria mit dem Kinde ein; sie kommt während der Zeit der Gotik als Andachtsbild und auch als Schreinfigur vom So schrieb Hubert Wilm von der gotischen Holzfigur. Aberschon die Darstellung des am Schreibpuit sitzenden Evangelisten Johannes (Abb. 1 ) will nicht recht in dieses Schema passen. Der jugendlich wiedergegebene Heilige sitzt nach rechts gewandt auf einem Stuhl, dessen vordere Seitenwange von einem profilierten Rechteckfeld mit Dreipaßgliederung zwischen verschieden hohen Pfosten gebildetwird. Das im Profil wiedergegebene Pult hat einen höheren Antritt, auf den der linke Fuß gesetzt ist, und eine rundbogige Nische an der Seite. Die linke Hand des Heiligen greift zwischen die Sei- ten des Buches, über einem gegürteten Rock trägt er einen Mantel, der von einer Agraffe geschlossen wird. Oertel hat als Provenienz den kleinen Weiler Durlesbach bei Waldsee in Württemberg genannt, was aber nicht der Ort der ursprünglichen Aufstel- lung dieses Meisterwerks gewesen sein dürfte. Denn auf Grund seiner Maße dürfte es sich bei diesem Hochrelief kaum um einen Teil der Predelia eines Flügelaltares handeln. Wahrscheinlicher, so Schäd- ler, wäre die Aufstellung mit den anderen Evangeli- sten am Corpus einerKanzel, entsprechend den Re- liefs der vier Kirchenväter an Pulten an der Kanzel der Stiftskirche in Tübingen. (Eine ungefähr gleich große Steiniigur des am Schreibpuit sitzenden Evangelisten Matthäus aus der Zeit um 1420 befand sich im ehemaligen Kloster A_sbach in Niederbay- ern.) Demmler und auch Julius Baum haben das Jo- hannes-Relief der wSchuleJörg Syrlins des Älteren-i zugewiesen. Von den meisten Forschern wird je- doch heute eine bildhauerische Tätigkeit Syrlins in Zweifel gezogen. Als führender Bildhauer Ulms ist von 1469-1522 Michel Erhart nachgewiesen, in des- sen -Werkbereich" Schädler das Johannes-Relief einfügt. Tirolischer Provenienz ist die schon er- 3