Andreas Prater Architektur und Zeit in Michelangelos Capella Medicea' Wolfgang von Steinitz zum Gedenken 1 Michelangelo, Capella Medicea, Altarseite der Alten Sa- krislei. Florenz, Kirche von San Lorenzo 2 Michelangelo. Capella Medicea, Grabmal des Giuliano de' Medici, Neue Sakristei. Florenz. Kirche von San Lo- renzo Anmerkungen Der vorliegende Aufsatz ist als Vßflllg im Malz 1979 an dar Salz- burgar Volkshochschule gehalten worden Er greift 1.1: Überlegun- gen am. die unter anderen Gesichtspunkten dargestellt wurden in: A. P. Michelangelos Medici-Kapelle, -Ordine cumposto- als Ge- staitungsprinzip von Architektur und Ornament (Schriften aus dem Athenaion des Salzburger Archäologischen Institutes, hrsg. von Hans Walter). Waldsassen 1979. 19 Die Kirche von San Lorenzo in Florenz umschließt am südlichen und nördlichen Ende ihres Querhau- ses zwei Sakristeibaulen, die beideals Grabkapellen der Familie der Medici errichtet wurden. Die südli- che, sogenannte Alte Sakristei wurde 1419 von Fi- lippo Brunellesco begonnen. die nördliche, soge- nannte Neue Sakristei genau hundert Jahre später von Michelangelo Buonarroti. Michelangelos Sakri- stei entspricht derjenigen Brunellescos nicht nur in der symmetrischen Anordnung innerhalb der Kir- chenanlage, sondern stimmt bis auf geringe Abwei- chungen auch in dem quadratischen Grundriß und dem angehängten Altarraum mit ihr überein. Beide Bauten sind nach außen hin unauffällig, fast un- scheinbar; nur die Laternen über den Kuppeldä- 1 chern geben ihren Vorrang unter den sakralen Raumeinheiten der Kirchenanlage zu erkennen. Wie Brunellesco hat sich auch Michelangelo ganz auf die architektonische Gliederung im Inneren konzentriert, doch im einzelnen weicht er von sei- nem Vorgänger ab (Abb. 1. 2). Im Autriß der Alten Sakristei ist die von Kolossalpilastern aus dunklem Sandstein gegliederte Wand des ersten Geschosses mit dem Pendentivgeschoß unter der Kuppel durch die konzentrische Arkade verbunden, die von Triumphbogen und Schildbogen gebildet wird. Mi- chelangelo hat hier ein zusätzliches piiastergeglie- dertes Geschoß eingefügt; daher erreicht sein Raum eine wesentlich größere Höhe und wirkt steiler als die Alte Sakristei. Brunellesco zeichnet die alte tige Wand dadurch aus. daß hierdie Kolossalpi ganz zur Erscheinung kommen, während sie a übrigen Wänden auf den Eckpunkten steher nur so viel von ihnen sichtbar ist. wie die Mau chen. von denen sie angeschnitten werden, fi ben; wir sehen sozusagen Restkörper der Pil Michelangelo hingegen überträgt die Pilaste derung der Altarwand der Alten Sakristei an. Wände seiner Kapelle. Diese Abweichung g- über Brunellescos Wandgliederung ist auffa aber es sind doch nur Abweichungen in der G rung und nicht im Grundsätzlichen des System von Pilastern getragenen Gebälks, Bedenkt man, welch ganz andere Register M angeln in einem gleichzeitigen Florentiner I raum. dem Vestibül der Laurenzianischen l thek, gezogen hat, so ist die Übernahmevon B lescos Wandsystem, die man immer als Selbstverständliches hingenommen hat, d: staunlichste in diesem Gefüge aus sehr schiedlichen Architektureinheiten. Seine Üt gung auf alle Wände scheint ausdrücklich l hinzuweisen. daß Michelangelo dieses Zitat c hundert Jahre älteren Architektur seines V1 gers als zentrales Thema seiner eigenen Arch angesehen hat. Was ist mit diesem Zitat ge was macht es als Thema so bedeutsam? Die Antwort darauf ist einfach und läßt sich i Wolfgang von Steinitz zum Gedenken