erst Jetzt wieder zum Vorschein gekommene Taber- nakelbekrönungsgruppe überhaupt mit ihnen in Beziehung bringen kann oder ob sie nicht aus einer anderen. bisher unbekannten Kirche stammt. Vor- übergehend im Münchener Kunsthandel (1977). konnte die, wie gleich zu sehen sein wird. eigenhän- dig geschnitzte Straubsche Tabernakelbekrö- nungsgruppe alsbald vom Württembergischen Lan- desmuseum in Stuttgart für die dortige Plastik- sammlung erworben werden (lnv, Nr. 1977-34). Zu dieser höchst erfreulichen Neuerwerbung kann das Museum nur beglückwünscht werden. Bei unserer Gruppe (49x94x3G cm) handelt es sich um die Be- krönung eines (nicht mehr vorhandenen) Taberna- kelgehäuses von eher kleinerem Format. Als Werk- stoff wurde durchweg Lindenholz verwendet, nur das Buch ist aus Tannenholz. Die Fassung besteht aus einer originalen weißen Grundierung sowie aus einer dünnen Weißfassung. Darüber befindet sich laut Aussage des dortigen Restaurators ein licht- grauer Steingrund mit einer oben aufliegenden Licht-Rosa-Fassung in Kasein-Tempera-Technik. Der gleichsam schwebende Farbton entspricht in ganz besonderer Weise der Akzentuierung der Oberfläche im bereits entwickelten Ftokoko. Im Ein- verständnis mit dem Museum zeigt unsere Auf- nahme absichtlich noch den Zustand der Gruppe vor der inzwischen eingeleiteten Restaurierung. Von einigen kleinen Spalten im Körper des liegen- den Lammes abgesehen und trotz derTatsache, daß von den ursprünglich vorhandenen 7 Siegeln am Buch nur mehr5 erhalten blieben. ist der allgemeine Zustand der Tabernakelbekrönungsgruppe als aus- gesprochen gut zu bezeichnen. Über die spezielle Tabernakelikonographie und über den Tabernakel als Gebrauchsgegenstand im liturgischen Sinn wird noch an andererSteIIezu sprechen sein, Bereits hier ist darauf hinzuweisen. daß es sich im vorliegenden Fall um die charakteristische Form eines Bildhau- er-Tabernakels handelt. Geht man vorn dem vielzitierten Friihwerk des Bild- hauers: dem Hochaltartabernakel (1741) in Fürsten- zell aus, läßt sich der hier anzutreffende Typus über ein Menschenalter lang im weitverzweigten Werk J. B. Straubs verfolgen? Daß gattungsmäßig die einmal gefundene Komposition bis in die Spätzeit des Bildhauers sich kaum veränderte, zeigt ein the- mengleiches Werk (1774) in der Ptarrkirche in Allerheiligenkirche am Kreuz in München (ur- sprünglich in der Karmelitenkirche) zu nennen', Aus tormal-ikonographischen Gründen ist es nahe- liegend, die Frage zu stellen. ob man sich nicht auch bei der Stuttgarter Gruppe ein Attribut in Gedanken zu ergänzen hat. Es ist ein mehrere Male im Werk Straubs zu belegender Kreuzstab mit Siegesfahne 2 Johann Baptist Straub, Engelkindergruppe vom Korpus der Kanzel aus der Schwarzspariierkirche in Wien, um 1730 LaxenburglNiederosterreich, Ptarrkirche 3 Johann Baptist Straub, Engelkindergruppe vorn Retabel des Kreuzaltares. um 1739. Dießen a, Ammersee, ehem. Augustiner-Chorherren-Stiftskirche 4 Johann Baptist Straub. Putto mit Rosenblute im Haar, H 36,5 cm. Augsburg, Städtische Kunstsammlungen frömmigkeit geprägt. zeigt sich mehrfach ein bei Straub-Tabernakeln verwendetes Motiv. Es ist aus- gesprochen berninesker Art. Bei diesem Motiv wird die Darstellung des liegenden Lammes von einem großen vergoldeten Strahlenkranz fächerförmig hinterfangen. Markante Beispiele dafür sind die Straubschen Tabernakelbekrönungen in Mün- chen-Berg am Laim (1767) und in Eschenlohe? Deshalb ist mit guten Gründen zu vermuten. daß das gleiche Motiv ebenfalls einst die Stuttgarter Gruppe zierte. Wenn man sich anschließend dem figürlichen Teil des Werks zuwendet. so gibt es offenbar keine feste kanonische Regel über die Anzahl der Engelkinder auf Tabernakelbekrönungen. Erinnern wir uns bei- spielsweise daran, daß es in dem schon genannten Fürstenzell drei solcher themengleicher Darstellun- gen gibt, während bei dem Stuttgarter Tabernakel deren Zahl auf zwei reduziert ist. Als Verkörperung der sogenannten theologischen Tugenden stellen die Engelkinder Glaube. Hoffnung und Liebe dar. Wenn wie bei der eben genannten Gruppe nur zwei dieser Engelputten erscheinen. hat man möglicher- weise bei der fehlenden dritten Darstellung auf die Caritas verzichtet. Entsprechend der Vorstellung der Eucharistie hat man sie sich wohl im Tabernakel anwesend vorzustellen. ln geradezu wörtlicher Übereinstimmung mit der Anordnung der Straub-Tabernakel auf den Hochal- tären in der Allerheiligenkirche am Kreuz in Mün- chen, in Schäftlarn und in Eschenlohe wurde eben- falls bei der Stuttgarter Gruppe das auf dem Buch mit den sieben Siegeln liegende Lamm zum zentra- len Mittelpunkt erkoren? Nach derjüngsten theologischen Exegese' wird die Darstellung so interpretiert. "Die hohe symbolische Bedeutung des Lammes ist in der HI. Schrift zu- grunde gelegt: im Genuß des Passahlamms. in dem durch sein Blut genährten Schutz (Ex. 12, 3; 29, 28 ff.) im Vergleich des hier leidenden Gottes- knechts mit dem Lamm (Hes. 53,7) und in der daran anknüpfenden Bezeichnung Jesu als Lamm Gottes durch Johannes den Täufer (Joh. 1.29.36). Gemäß der eschatologischen Verheißung (Geh, Offen- bar. 5.640) wird das Lamm zum Siegeslamm. wel- ches das Sühnopfer Christi versinnbildlicht-l Nach J. F. von Allioli (1855)' wurde das Buch mit den sie- ben Siegeln versehen, um damit ndie sieben Haupt- 47