I Aktuelles KunstgeschehenlÖsterreich Wien Künstlerhaus Franz Probst Der Maler, heuer 77 Jahre alt, war lange Zeit vollkom- men vergessen. Er malte viele Jahre nach dern zweiten Weltkrieg nicht mehr und begann erst wieder in den 60er Jahren in einer ganz anderen Stilrichtung zu arbei- ten. Wilfrid Daim, der auch Otto Rudolf Schatz wieder ins Bewußtsein der kunstinteressierten Menschen brachte, ist es auch zu verdanken, daß Franz Probst der Vergessenheit entrissen wurde. Probst studierte am Weimarer Bauhaus. Franz Cizek und Johannes ltten wa- ren für ihn wichtige Begegnungen seiner Jugend. Otto Kalller stellte schon 1925 zusammen mit Bildern von Faistauer und Schatz in seiner Neuen Galerie Werke von Probst aus. Der Künstler kommt vom Expressionis- mus, auch die Neue Sachlichkeit ist bei manchen seiner Werke zu spüren. Besonders sind seine Graphiken her- vorzuheben. Mit großem Engagement zeichnet er die La- ge der Menschen seiner Zeit. Es ist die Zelt der großen Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit, der harten Aus- einandersetzungen der Parteien. Blätter wie jene von Schattendorf, von dem Leben der Juden in der Leopold- stadt, von den Arbeitslosen und den satten Bankiers, den Proleten und Dirnen, Blätter, auf denen mit wenigen spröden Strichen ganz und gar Charakteristisches fest- gehalten ist, haben sowohl einen hohen künstlerischen als auch kulturhistorischen Wert. (10. 8. -9. 9. 1979) - (Abb. 1) Secession Konzepte '79 Die Ausstellung wurde mit einer sehr persönlichen Stel- lungnahme des jetzigen Präsidenten der Secession Her- mann J. Painitz eingeleitet, die viel Widerspruch und Aggressivität ausgelöst hat. Wie immer gibt es dabei Richtiges und Anfechtbares. In Painitz' Vorwort ist, ab gesehen von unnötigen Schlagworten (wdieses Töchter! aus kapitalistisohem Haus-i oder wdreieckige Platitüden in den Grundfarbenw) leider sehr viel mit Flecht Anfecht- bares. Painitz will mit seinem Text den Titel der Aus- stellung erläutern. Die gezeigten Werke und ihre Schüp fer haben das aber meist gar nicht nötig. Da ist etwa Joannis Avramidls, der mit seinen Arbeiten zur großen Agora ganz deutlich und souverän beweist, daß er ein Konzept hat. Da ist Tassilo Blittersdorf, der mit seiner "Herzserie- einem Begriff nachgeht und bei aller Ernst- haftigkeit auch Humor verrät. Da ist Oskar Höfinger mit seinem Raumkonzept, Gerhardt Moswitzer, der eine ähn- liche Basis wieder ganz anders angeht, Oskar Putz konstruktivistisch-streng, Ingeborg G. Pluhar gelassen- heiter. Und noch in den schon etwas welken Gemüse- beeten von K. u. Sch. ist ein Konzept ersichtlich. Dabei fallen einem freilich wieder die Namen Rudolf v. Alt. Gu- stav Klimt, Josef Hoffmann und Oskar Kokoschka ein, die der Präsident als Mitglieder des Hauses zitierte. im ganzen sind es jedenfalls 15 zeitgenössische Mitglieder der Secession, die an dieser Ausstellung beteiligt wa- ren. Zeitgenossen, die ein Konzept haben. (17. 8. - 15. 9. 1979) - (Abb. 2) Galerie Würthle Karl Stark Es sind 75 Arbeiten, die der Künstler hier ausstellte. Die meisten sind in den letzten Jahren entstanden. Aus al- len, den Zeichnungen, Aquarellen, Gouachen und Ölbil- dem, ist ein klares Konzept des Malers ersichtlich. Stark arbeitet vor allem mit malerischen Mitteln. Stark ist ein Maler! Er beherrscht seine Mittel und es gelingt ihm mit ihnen, Seiendes auszusagen, das von den mel- sten Menschen heute gar nicht mehr wahrgenommen wird, weil sie sich ihren Gesichtskreis mit einer Sekun- därwelt verbauen, vermauern und damit einengen. Starks Beziehung zur Natur und dem ursprünglichen, auch heute noch nicht wegzudlsputierende Erscheinun- gen dieser Erde, sind stark und finden in allen seinen Werken einen Niederschlag. Das ist in den weinfachenn Blumenstilleben zu spüren, in einem weiblichen Akt oder in dem Bild einer Kärntner Landschaft. Haben die Ölbilder, es waren 23 ausgestellt, etwas Schweres, oft Lastendes, so wirkten die Gouachen, in dieser Schau 19, auch dort, wo sie eher düstere Motive zeigen, viel lebendiger. Ebensolches kann man von den Aquarel- len sagen. Was hier mit Farbe, mit ihren Variationen, übergangen, Schlleren erreicht wird, ist wohl auf das engste mit dem Konzept des Malers: der Bewahrheitung des Goethewortes i-zum Schauen bestellt-i zu konkreti- sieren, verbunden. Und, so wlll es mir scheinen, es ge llngt diesem Künstler sehr wohl auch den anderen, den Betrachter seiner Werke, ohne eine lange verbale Er- läuterung das Sehen zu lehren. ich glaube auch, daß gerade die i-anspruchslosenu Blumenstücke und die i-gewbhnlichenc Akte in diesem Zusammenhang ge- nannt werden müssen. (6.- 29. 9. 1979) - (Abb. 3) 68 Galerie auf der Stubenbastei Ewald Walser Der 1947 in Weis geborene Maler zeigte Pastellkreide zeichnungen, meistens größeren Formats. Wir finden in diesen Blättern, die hauptsächlich in sehr gedämpften Farben, ja eher blaß gehalten sind, großflächige Ver- spannungen, in denen fragmentartig menschliche Figu- ren aufgehen oder durchscheinen. Die Dominanz der Li- nie ist eindeutig. Die Farbflächen sind meist hart abge setzt und in sich stark variierend, auch scheinen die ver- schiedenen Tönungen hauptsächlich Emotionsträger zu sein. Die Körperlichkeit des Menschen wird nirgends voll ausgeführt, ist fragmentarisch, ab und zu mit grafi- scher Unterstützung angedeutet, was sicher auch eine gestalterisch bewußt eingesetzte Seite der Darstellung ist. So zeigt Ewald Walser unser Eingespanntsein in ein undeutbares und nicht einmal als Ordnungsgefüge er- kennbares Koordinatensystem. (26. 6.- 14. 7. 1979) w (Abb. 4) Eduard Sauerzopf Der burgenländische Zeichner legte hier 33 Arbeiten vor. Er ist kein Professioneller, doch er ist ein i-Getriebenerlt, wie ihn Alfred Schmeller einmal bezeichnete. Getrieben von seinem Zeichenstift, alles und überall festzuhalten, was er glaubt festhalten zu müssen, und, so fragen sich seine Freunde, gibt es etwas, was für ihn nicht festzu- halten wert wäre? Natürlich gibt es da Qualitätsunter- schiede. Doch bei wem gibt es die nicht? In dieser Aus- stellung ist eine ganze Anzahl guter Porträts vertreten, besonders aber und geradezu eine Konzentration finden wir in den Blättern mit den reihenweise aufgezeichneten Figuren. Ob es sich nun um die Spieler beim Eishockey handelt oder um die Soldaten der Türkenkriege. Das ganze Blatt ist letzten Endes mit hieroglyphenähnlichen oder den chinesischen Schriftzeichen ähnlichen Formen bedeckt, deren Striche, wenn man sie einzeln und näher betrachtet, doch sehr deutlich die Bewegung der Hockeyspieler wiedergeben oder die Adjustierungen der Musketiere von Mogersdorf erkennen lassen. Die Rei- hungen führen oft zu einer Patterung, die an Zeichenset- zungen erinnern, wie sie einst Prelog, allerdings in ganz anderer Voraussetzung, einsetzte. (6.- 29. 9. 1979) - (Abb. 5) Galerie Alte Schmiede Herbert Bednarik und Peter Dressler Beide sind Fotografen. beide fotografieren in der Stadt. Die Stadt heißt Wien. Bednarik nimmt Wiener i-Gretzln- aufs Korn. Er fotografiert jene Winkel, die langsam in dieser Stadt aussterben oder sich in andere Viertel ver- lagern. Die alten Häuserfronten mit abbrbckelndem Mor- tel, alten kriegsbedingten Anschriften, Piakatresten, blinden Fenstern u. ä. Es sind Zeichen einer lebenden Stadt, denn auch der Verfall gehört zum Leben. Gestern waren es noch die Häuser der Gründerzeit, heute sind es die Gemeindebauten in den Stadtrandsiedlungen. Pe- ter Dressler geht einen ganz anderen Weg. Auch er zeigt mit seiner Kamera die Fleichhaltigkeit und Vielfalt unse rer Stadtlandschaft auf. Doch er greift jeweils nach ei- nem bestimmten, eng begrenzten Thema und reicht die Wiedergabe eines in seinen vielfältigen Formen festge- haltenen Gegenstandes dann nebeneinander zu einem Tableau. So hat er etwa eine ganze Serie Türschnallen fotografiert. Wer würde es glauben, daß es in einer von der Norm so geprägten Zeit wie der unseren noch eine solche Vielfalt von Türschnallen gibt? Mit einem Neben- einandersetzen wird oft eine Steigerung, oft, wie bei den Grabsteinen für die wHunderln-i, eine lronisierung er- reicht. (12. 9. -20. 10. 1979) - (Abb. 5) Galerie Basilisk Heinz Gohlke und Sigmund Lasselsberger Beide sind sehr jung und beide zeigen Aquarelle. Gohl- ke (1953) hat sehr kräftige, aber eher in düsteren Farben gehaltene Blätter. Er konzentriert seine sonst spritzig, schmisslg hingesetzten Wischer zu Zentren, die dann sehr ferne Landschaften oder ähnliches assoziieren. Die Bilder haben etwas Bedrückendes, vielleicht sogar et- was Krankhaftes. Anders die Blatter Lasselsbergers (1955). Er setzt großflächig Farbakzente, läßt sie verrin- nen, auswaschen, gibt da und dort einen stärkeren Ton als Akkord und erreicht damit ein iandschaftliches Ge füge von großer Lockerheit, das meist auch in seiner Atmosphäre heiter stimmt. Seine Farben sind frisch und hell. (23. 8.- 12. 9. 1979) Galerie Contact Jorge Castillo Der Maler gilt heute als einer der bedeutendsten Vertre ter der spanischen Malerei der Gegenwart. Castillo ist ein großer Erzähler, er erzählt phantastische Geschich- ten, die er auf einen Hintergrund projiziert, den sein Landsmann Tapie gemalt haben könnte, nur daß er hier schoner, gleichsam blumiger, marchenhafter ist. i-Die Kunst Castillos vermittelt uns die Vision der feierlichen Groteske des Lebens durch ihre Schönheit-i (4.- 22. 9. 1979) - (Abb. 7) Museum des 20. Jahrhunderts Monte Verita - Ascona - Berg der Wahrheit Anarchie. Sozialutopie, Seelenreform, Lebensreform, Geistesreform, Korperreform, Psychologie, Mythologie, Tanz und Musik, Literatur, Kunst, diese Worte strahlt das Licht, das über dem Hügel von Ascona leuchtet, auf dem Plakat der Dokumentation aus. Welche großen Worte! Und wie viele Träger bekannter Namen des euro päischen Geisteslebens sind mit diesem Ort in Berüh- rung gekommen! Und doch, heute: mondaner Kurort! Vieles bei dieser Dokumentation erinnert an die Hippie- Bewegung der jüngsten Vergangenheit. diese Naturmen- schen, Barfußprediger, Freikörperkulturler, sie alle wollten schon damals eine nGegenwelt-i, zumindest aber eine Gegengesellschaft gründen. Manche Ideen gingen von hier aus weiter und gestalteten diese und je- ne v-Bewegung-i. im großen gesehen blieben sie schließ- lich alle esoterisch. Wie viele Vegetarier und Naturapo- stei, die ich in der Jugend zum Geudium der Wiener Gassenbuben mit langem Haar und barfüßig durch die Straßen der Stadt wandern gesehen habe, trugen bereits 1939 die Marschstiefel der Großdeutschen Wehrmacht, wie viele andere machten wie heute noch und wieder mit wda-dau ihr Geschäft, und wie viele glaubten in einem l-Berufenenit ihren Heiland gefunden zu haben. Trotzdem, ein interessanter Überblick. Für jenen freilich, der diese Zeit, und sei es auch nur im Ausklang, erlebt hat, auch ein Rückblick in Trauer und Skepsis. (15. 9. bis 11. 11. 1979) - (Abb. 8) Salzburg Trakl-Haus im Geburtshaus Georg Trakls am Waagplatz fand an- läßlich der heurigen Verleihung des vom Bundesministe- rium für Unterricht und Kunst und vom Bundesland Salz- burg gemeinsam gestifteten Georg-Trakl-Preises für Ly- rik an llse Aichinger die Enthüllung einer von Herbert Post gestalteten und von Josef Zenzmaier in Bronze ge gossenen Schrifttafel mit Trakls iwDie schöne Stadt-i statt. (31. 10. 1979) Galerie im Studentenhaus Gertraud Schönauer Die Farbgraphik der in Innsbruck lebenden Malerin stellt Metamorphosen dar, Ubergange, von Tieren in Menschen, von Menschen in Pflanzen; Ubergänge auch vom Körper zum Flaum, vom Festen zum Verfließenden. (7. 9. - 3. 10. 1979) Galerie Armstorfer Günther Schatzdorfer Neue Öl- und Acrylbilder des Schriftstellers und Malers, beachtenswerte Arbeiten des Autodidakten. (17. 10. bis 4. 11. 1979) Galerie Academia Hans Muhr Mit seinen iKinetischen Brunnenskulpturenu will der 1934 in Graz geborene Bildhauer und Keramiker durch die Einbeziehung des Wassers wirksame Beiträge zu dem Thema Umweltgeetaltung leisten: Die Vltallsierung des scheinbar toten Steins durch das Llber ihn fließende Wasser wird zum Symbol des Lebens, gleichzeitig auch zum Ausdruck überzeugender Persönlichkeit. (20. 9. bis 31. 10. 1979) - (Abb. 9) Valentin Oman Mit Recht meint Peter Baum, daß Oman in seinen neuen Mischtechniken mit hoher Sensibilität und sparsamem Stricheinsatz Landschaft und Mensch zu spannungsge- ladenen Niederschriften verwoben hat. Wie Hans Muhr ist auch Oman ein unverwechselbarer und kompromiß- loser Einzelgänger. (20. 9. '31. 10. 1979) Kunstverein Die im großen Saal des Künstlerhauses gezeigten elf Skulpturen, vornehmlich in Marmor, waren eines der be- sonderen Ereignisse dieses Salzburger Ausstellungs- herbstes. in diesen torsoähnlichen Auseinandersetzun- gen mit dem menschlichen Körper wird tatsächlich wPlastik-i geschaffen - für sensible Betrachter über- trägt sich sofort Floseis Faszination vom Material, vom Stein, von dessen Existenz, Bearbeitbarkeit, Formbar- keit. (28. 8. -23. 9. 1979) Zell am SeelGalerIe Zell am See Margret Litzlbauer Bleistiftzeichnungen der In Salzburg lebenden Künstle- rin, Materialbiider und Objekte; diese sind puppenähn- liche Gebilde, deren Körper öfters mit zarten Geweben umspannen sind; sie dienen dann auch als Motiv und Vorlage zu den kräftigen Zeichnungen. (Oktober 1979)