Wir leben in einer Kultur, die beständig die funda- mentale Endlichkeit und Begrenztheit der menschlichen Existenz verdrängt. Der Tod eines Menschen wird zumeist kompensatorisch durch Grabreden und Versprechungen ausgeglichen, und alsbald stellt sich die Routine des Alltags mit ihrem lähmenden Vergessen wieder ein. in einer Weit, die die vbiologischeii Abschaffung Gottes propagiert und ebenso das npositivistische Ver- botu der Beschäftigung umit den letzten Dingen-i, leben die meisten Menschen bloß von einem Tag zum anderen. Weitere Fragen werden nicht ge- stellt. Die folgenden Bemerkungen zu Leben und Tod des Friedrich Maximilian Welz sollen nicht als "Nachrufe: mißdeutet werden. Es geht nicht dar- um, den Weg vom Lehrling des GIaser- und Rah- menhandwerks im väterlichen Betrieb in der Sig- mund-Haffner-Gasse nachzuzeichnen, bis zum Doyen der österreichischen Kunsthändierschaft, bis zum Stifter und Rektor "der modernen Galerie und graphischen Sammlung Rupertinum"; auch die Aufsummierung seiner Ehrenkreuze, Ver- dienstzeichen und Ehrentitel bringt nicht viel. Man muß die Gefahr der Entstellung und Übertreibung vermeiden, die in zwei Jahrzehnten gesammelten subjektiven Eindrücke und Erlebnisse mit dieser Persönlichkeit hintanstelien. Es geht vielmehr um ein Nachzeichnen der Bemühungen eines willens- starken Menschen, das es zu verstehen gilt. im Zentrum des Wollens von Friedrich Maximilian Welz stand die Kunst, und sein Vermächtnis be- zieht sich vielfältig auf sie. 1. Die Vermittlung von Kunst, zumal bildender, war das Anliegen des Galeristen und Verlegers Welz. ln den Werken der Kunst, im Bild - so nach seiner Überzeugung - werden die unlösbaren Probleme unserer Existenz sichtbar. Das durch und durch Fragende war für Welz das Wesen der Kunst. Vor allen anderen Werten und Funktionen, wie Deko- ration, "ästhetischer-i Genuß, Freude, Geldanlage und so fort, betonte er immer ihren Erkenntnischa- rakter. Die Weltgeltung der österreichischen Klas- siker der Moderne ist mit dem Namen des Galeri- sten und Verlegers Welz aufs engste verbunden: Kokoschka, Klimt, Schiele, Kubin, Wotruba. Durch ihn gelangten in die internationale Kunstszene Hundertwasser, Hrdiicka, Hradil und viele andere. Die bildende Kunst war für Welz vorweg Brücken- schlag zum Neuen, Werbung für Verständnis. We- sentliche internationale Kunstströmungen dan- ken seinen Ausstellungen ihr mittleniveile beacht- liches Ansehen in Österreich, wie der deutsche Expressionismus und die italienischen Meister des 20. Jahrhunderts. Bei all diesen Bemühungen gab sich Welz nie zufrieden, weder mit Erfolgen, wo andere längst eitel und satt befriedigt waren, noch mit Mißerfolgen, wo andere endgültig resi- gniert hätten. 2. Ein weiteres Vermächtnis Weizens ist die winter- nationale Sommerakademie für bildende Kunst-x, die er gemeinsam mit Oskar Kokoschka begrün- det hat. Nach dem Ausscheiden beider hat sich das Wesen dieser Akademie geändert, wurde sie eher ein touristisch-ausbildnerisches Ereignis. Hier gilt es, den fundamentalen Anspruch zu "re- konstruieren", wie er in Kokoschkas "Schule des Sehensit formuliert wurde. Nicht die Ausbildung zu Mini-Künstlern war die programmatische Richt- schnur, sondern die Ausbildung des Auges zu im- mer tiefer begreifendem und schauendem Den- ken. Die Begründer der Akademie sahen im Auge vor allern ein Instrument der Weltverwandiung: es wandelt die bildliche Erscheinung zu unzerstörba- rem Sinngehalt, in vgeistigeu Bilder. Es legt tiefere Dimensionen frei als der Begriff. (Erfahrungsge- mäß sind 80"!" der im Gedächtnis bewahrten Sinn- eindrücke optischer Natur.) Die Begriffe als instru- mente des Verstandes sind nur in einem mühsa- men Nacheinander zu gebrauchen, während das Auge in den von ihm ergriffenen Bildern der Wirk- lichkeit die Fülle der Gegensätze und des Wider- sprüchiichen erfaßt und aus dem Vielgestaitigen die Einheit bildet. Dieser zutiefst humanistische Anspruch sollte für diese Ausbildungsstätte die verpflichtende Grundlage bleiben, will man den Geist ihrer Gründer nicht mißachten. 3. Als weitere Aufgabe trifft die Stadt, die Welz- sche Stiftung der "Modernen Galerie und Graphi- schen Sammlung Rupertinumu zu einem gediege- nen und forschungsintensiven Museum und Kul- turzentrum auszubauen. Ein wesentlicher Be- standteil dieser Stiftung ist das lückenlose Vor- handensein des gesamten druckgraphischen Wer- kes von Oskar Kokoschka. Insofern erscheint die Anregung von Max Kaindl-Hönig, einen For- schungsschwerpunkt besonders auch im Bereich der bibliographischen Sammlung dem Werk von Oskar Kokoschka zu widmen, mehr als einsichtig. Was den Ausbau der Sammlung betrifft, wäre dar- auf Bedacht zu nehmen, den bereits vorhandenen Fundus an klassischer Moderne aufzustocken, und dies so lange, bis die neuesten Tendenzen in Ihrer historisch-genetischen Entwicklung darge- stellt werden können. Zwischen modernen Klassi- kern und Zeitgenössischem klafft in Österreich überhaupt eine enorme Lücke. Auch wäre eine künftige Zusammenarbeit zwischen Rupertinum und dem Kunsthistorischen Institut der Universi- tät Salzburg wünschenswert. Vor allem wird aber ein künftiger Leiter dieses Museums den Welz- schen Antibürokratismus brauchen, seine poltern- de Hartnäckigkeit in Fragen der Dotation und sein Einfühlungsvermögen für das "momentan Not- wendigen. 4. Ein weiteres zentrales Anliegen von Welz war ei- ne wÖsterreichische Akademie der Küfiäiett in Salzburg. Er wollte für einen derartigen Verwen- dungszweck Schloß Eisenheim am Fuße des Ka- puzinerberges stiften. im wunderbaren Park befin- den sich zwei Gebäudekomplexe: das Schioß selbst, das in seiner Grundsubstanz aus dem Jah- re 1429 stammt, und das Kavallershaus, das zwi- schen 1680 und 1690 errichtet wurde. Ein Blick in Österreichs Kulturlandschaft bringt ja die ernüch- ternde und definitive Klarheit darüber, daß in un- serer Republik eine Akademie der Künste nicht be- steht und keine öffentliche Einrichtung, die analo- ge Zwecke erfüllt. Keines unserer Nachbarländer mit einer vergleichbaren kulturellen und politi- schen Tradition hat einen derartigen Mangel zu beklagen. Dieser Zustand ist nicht nur bedauer- lich, sondern zeigt, daß eine solche Akademie so- wohl in traditionellen wie auch in aktuellen Kultur- zusammenhängen längst überfällig ist. Erste Plä- ne zur Ausführung einer solchen Akademie waren bereits gediehen und die Zustimmung der kompe- tenten politischen Instanzen einhellig. Wiener Proselytengeist, engbrüstiger linker Literatenhaß und eine unglückliche Presseaussendung im Na- men Weizens, die er, wie er dem Schreiber dieser Zeilen versicherte, "so niemals wollten, stellten sich diesem Projekt in den Weg. (Bekanntlich er- trug Welz ein schweres Augenleiden durch über 40 Jahre geduldig.) Es kam bis zum Tod von Welz zu keiner Stiftung - so sehr er auch die zuständigen Politiker drängte -. und Eisenheim fiel an die Welz Ges. m. b. H., somit anteilig an den Nachiaß. Je nun, die von Welz angeregte Idee einer "Öster- reichischen Akademie der Künsteii bleibt im Rau- me stehen. Der Sache nach wäre eine solche Aka- demie in der Tat längst überfällig, und Iildßek heißt ja nach dem Philosophen Hegel, nwas zur Wirk- lichkeit drängt-i. 5. Letztlich ist ein verpflichtendes Vermächtnis die Haltung des whomo politicusii Friedrich Maxi- miiian Welz. Er gehörte zu jener raren Sorte von Menschen, die ihre Meinung zu sagen versuchten, solange das Sagen noch die Dinge andern kann, anstatt durch Schweigen im nachhlneln es besser zu wissen und recht zu behalten. Als Nonkonfor- mist orientierte er sich niemals zuerst an der poli- tischen Ideologie, sondern an den Sachfragen und den Lüsungsvorschlägen der Politiker. Partei, der er gehorchte, war einzig und allein seine eigene Überzeugung. Sein Eintreten für das "Fest in Hell- brunnu, seine federführende Tätigkeit bei der Peti- tion für Rolf Liebermann - als Warnung gegen ei- ne einfallslos gewordene Festspielführung ge- dacht -- sind Belege, daß sich Welz niemals nach opportunen Mehrheiten richtete. Mit polterndem Charme und sanfter Gewalt strapazierte Welz Be- amte und Politiker vor allem dort, wo es um die Er- haltung des harmonischen Aitstadtbiides ging. Et- iiches wäre noch zu erwähnen an Aktivitäten, so auch die Stiftung der Plastiken für den Furtwang- ierpark und anderes mehr. Viele Anekdoten ließen sich erzählen über die bärbeißige Liebenswürdig- keit des Mannes, über die einmalige Verbunden- heit der Stadt Salzburg und seiner Person, die nicht immer ohne wechseiseitiges Ärgernis ab- ging. Uber den Sinn des vielfältigen Engagements von Friedrich Maximilian Welz für die Kunst In dieser Stadt wird die Chronik berichten müssen. Sie wird beschreiben, ob sein Vermächtnis und sein Wille auch künftig die notwendige Berücksichtigung ge- funden haben. Den Weg hat auf jeden Fall Leben und Werk von Friedrich Maximilian Welz gewie- sen. Was den Tod selbst anbelangt, seine Unent- rinnbarkeit, hat er für den Menschen, der mit Kunst lebt, wenig Erschreckendes. Als in unvor- denkiichen Zeiten der vanimalischei: Gieichmut gegenüber dem Tod erlosch, wurde da nicht mit dern ersten Grab ein erstes Bildwerk geschaffen? Bei den uns bekannten ältesten Gräbern ist der Kopf der Toten gegen Sonnenaufgang ausgerich- tet, dem aufgehenden und erweckenden Licht ent- gegen... Michael W. Fischer 37