larsphare. Bedeutend ist dieses Instrument gera- de deshalb, weil es ein Darstellungsobjekt ist und in den Bereich der Lehre, des Unterrichts und der Forschung gehört. Die Erkenntnis des Ablaufes und des Systems der Welt, das Geheimnis Gottes nicht auf theologische Weise, sondern auf mathe- matischer Basis zu erfassen, war das große inter- esse dieser Zeit; nicht nur aber des Gelehrten, der im Dienste des Fürsten stand, sondern auch des Fürsten selbst. Deshalb wurde ein Instrument, das der Naturdarstellung diente, so großartig aus- gearbeitet, als wäre es ein sakrales Gerät. War es doch für die Erfassung des Kosmos erdacht. Die Kunstfertigkeit des Menschen im Dienste der Na- turwissenschaft ist hiebei ebenso vertreten wie das System der Natur selbst, als "künstlerisches-x Werk Gottes. Diese Einheit wollte man mit einem derartigen Demonstrationsobjekt vor Augen füh- ren. Wie der Apparat aber praktisch funktionierte, soll im folgenden dargestellt werden. Generationen von Beobachtern hatten dazu das Grundmaterial geliefert. im alten Orient waren es Priester, für die Naturbeobachtung und Kult nahe einander verwandt waren. im griechischen Kultur- kreis waren es schon mehr Forscher und Lehrer in unserem Sinne, die sich damit befaßten: die erste Erdmessung geht auf einen berühmten Bibliothe- kar von Alexandria zurückß. Theorien entstanden und sollten anschaulich ge- macht werden. Man registrierte bestimmte Vor- gänge, wie etwa Sonnen- und Mondfinsternisse, von deren Voraussage viel abhängen konnte7. Aus der Möglichkeit einer Voraussage schloß man auf ein herrschendes mathematisch-erfaßbares Sy- stem. Zur Veranschaulichung dieses Systems konstru- ierte man Modelle: so einen Himmeisgiobus, wie er aus der Antike nicht nur nach Schilderungen, sondern sogar in einem Exemplar bekannt ist, oder Gerät, mit denen man die Sonnenbahn be- rechnen und damit - von der Erde aus gesehen - die täglichen und jährlichen Phänomene dar- stellen konnte. Ein Kosmos im Kleinen entstand. Eine derartige Darstellung der Himmelsmechanik, soweit sie Sonne Planeten und Erde betrifft, nennt man Armiliarsphäre. in diesem Gerät sind jene Hauptkreise konstruiert, an denen die tägliche und auch jährliche Bewegung von Erde und Sonne zueinander wie auch der von der Erde aus gesehe- ne Lauf der Planeten ablesbar ist. Diese Geräte wurden zur Demonstration verwendet. Islamische Gelehrte übernahmen sie von den Griechen, im Mittelalter wurde diese Kenntnis über Spanien und Sizilien an abendländische Gelehrte weiterge- geben. Übersetzungen und Transkriptionen der griechischen Philosophen wurden dadurch tra- diert. Manchmal trat allerdings diese mathemati- sche Anschauung des Kosmos in Gegensatz zu den Anschauungen der Kirche. Mit dem Beginn der Rückbesinnung auf die Antike im Zeitalter der Renaissance feierte die Armiliarsphäre Triumphe: sie wurde unentbehrlich zur Darstellung der Him- meismechanik und findet sich auf Abbildungen und in Büchern des 14. und 15. Jh.s., so im Chor- gestühl des Jörg Sürlin (1465-1471) in Ulm, ei- nem Bild von Carpaccio, ja sogar schon wesent- lich früher auf einem Tafeibild des Giovanni dai Ponte (1376 - 143718. Ursprünglich war die Armiliarsphäre ein einfa- ches, nur aus ein paar Blechspangen zusammen- gebogenes Modell, in dem die wesentlichen den Himmel darstellenden Kreise vorhanden waren. Das Wichtigste dabei ist der sichtbare Horizont, in den man das komplizierte System einlegen konnte9. Denn in diesen Horizont wird ein System 30 dian des Beobachters, der von einer Achse ge- schnitten wird. im Mittelpunkt dieser Achse befin- det sich eine kleine kugelförmige Darstellung der gedachten Erde. Wird nun die Erdachse so schief gestellt, daß sie In ihrer Verlängerung zum Polar- stern zeigt, dann ist die erste Stufe der Einstel- lung einer Armiliarsphäre, bezogen auf den Punkt des Beobachters, erreicht. An jener Erdachse nun und innerhalb des Merl- dians des Beobachters ist das System von Fiingen angebracht, die einander schneiden und nur we- nig kleiner sind als der Meridian, um sich inner- halb dessen drehen zu können. Wenn sie sich dre- hen, so dreht sich die kleine Erdkugel im Zentrum auch mit. Die Ringe haben aber noch eine Koordinatenfunk- 4 Detailansicht der Armiliarsphäre von Volpaia (Abb. 1) mit wappenahnlichem Schild in Rollwerkkartuschen in transluzidem Email mit der Devise wlmitaminiu. Außer- dem sichtbar das Sternbild der Fische als Gravierung und künstlerischer Schmuck des "Tierkreisetr-Rlnges. Anmerkungen G - 12 ' Ley, Willy, Die Himmelskunde, Econ-Veriag, Düsseldorf-Wien, 1. Auflage 1955, S. 49 i-Eralosttienes maß als erster die Grüße der Efdäu. ' Kritzlnger, H.H., Die Errungenschaften der Astronomie, Verlag Gustav Kieperiheuer, Weimar 1912, S. 2, S. 451. ' Eggar, GerhariiSchmidt, Rudolf, Eine Wiener Armiliarsphaere von Christoph C. Schindler, Alte und moderne Kunst, Jahrgang 1969 Heil 103, S 27128. ' Brewster, David, M., Fergusonss Leciures on select subiects, Edinburgh 1506, e Second Edition, S. 366 H. und Bildband Fla- tes Illustrative Di Fergusorlss Lectures, Tafel XX; BlOn, Uusage des GlObeS Celeste et Terrestre et des Spheres sulvanl les dille rents Systemes du Monde Paris 112a. Titelblatt (nach Eiriion- rung); den}, Martin, The description and Use oi bolh the Globes, the Armlllary Schere und Orrery, London 1773, Titelblatt und s. 1eii., Joseph Moxon, A Tutor to Astronomy a. Geography or The U56 O1 ttle Copernlcan Spheres, London 1665, S. 161i. 1" Blori, 13.0., S. 277 " Bion, a. a. 0.. S. B 11 Bernleithner, e, Kartographie und Geographie an der Wiener Universität im 15. und 16. Jahrhundert, Der Globuslreund Nr. 25 bis 27, S. 127 auf der Erdachse stehend, ein neuer Kreis, oe Erdäquator simuliert, hinzu. Dieser Kreis wiri zwei Meridlanen gehalten, die an der Erdachs festigt sind und zueinander in einem Winke 90 Grad stehen. Damit ist aber ein zweites Be system hergestellt: das System des Erdäqu zu Nord-und Südpol. Dazu kommt noch ein drittes Bezugssystem, die Erde beschreibt ja tatsächlich ihre Bah die Sonne. Diese Bahnebene wird durch einer teren Ring dargestellt, der gegen den Äquatc 23,5 Grad geneigt ist. Er ist in unserem Exer etwas breiter ausgeführt und trägt die Gravi gen der Tierkreiszeichen. Er ist so befestigt einer der beiden Meridiane ihn dort trifft, i den Ring des Äquators schneidet, der ande Grad davon entfernt. Diese zum Äquator st geneigte Hingbahn nennt man Ekiiptik. An d Ring können noch die beiden Wendekreise auch die Polarkreise befestigt werden. Mit so einem Instrument können viele Aufg der Astronomie, soweit sie Erde, Sonne und F ten betreffen, gelöst werden"). Darüber hi kann man mit diesem Instrument die Berech von Tag- und Nachtiänge für jeden Beobachti punkt durchführen. Sonnenhöchststand, je Stand der Sonne an jedem Tag des Jahres zu Zeit über und unter dem Horizont kann darr mittelt werden. Man kann an Hand einer soi Armiliarsphäre demonstrieren, wie die Äquat sonnenuhr funktioniert, und sie daraus wickeln. Auch die Bahnen der Planeten kann man t darstellen. Nur eines kann man nicht: mit Hii rier derartigen Armiliarsphäre erklären, we: einzelne Planeten im Laufe der Zeit ihre E gung von der Erde aus gesehen ändern, ja m: mal sogar zurücklaufenll. Dazu hätte man d millarsphäre viel komplizierter bauen müssei die sogenannten Epizykien zu berücksichtigt Erst die durchbrechenden Erkenntnisse de: pernikus und seiner Nachfolger, daß nicht d de der Mittelpunkt sei, sondern die Sonne Llfii die Planeten, wozu auch die Erde gehört, nit Kreisen, sondern in Ellipsen mit verschiei Winkelgeschwindigkeit sich um den Zentralk bewegen, konnte ein klares Modell hervorbrii Deshalb tritt im 17. und 18. Jh. oft in Abbildu eine geozentrische und eine heliozentrisch miliarsphäre auf, also eine mit der Erde und mit der Sonne als Mittelpunkt. Letztere siei ders aus, kann leicht mit einem mechanische trieb versehen werden, so daß dann um eii Modell als vergoldete Kugel gebildete Sonn Planeten wie auch die Erde in den annähei Umlaufzeiten kreisen. Für den Betrachter bringt aber die heliozentr Armiliarsphäre ein neues Bild: er sieht im M Dinge nicht mehr von seinem Standpunkt sondern als stünde er als Beobachter auße des Sonnensystems. Daraus ergibt sich, daß die Armiliarsphäre d ten Form mit der Erde in der Mitte aber doch ausgedient hat. Würde heute im systematis Unterricht eine Lehre über das Aussehen de: versums und der Mechanik des Sonnensys erfolgen, könnte man viele Dinge mit einer ge frischen Armiliarsphäre einfacher demonstri Solch eine Ausbildung war im früheren llLehY vorgesehenli: An der Wiener Universität wurr dem 14. und 15. Jahrhundert für alle Hörer, c nun Theologie, Philosophie oder Naturwi schaften oder sonst etwas studierten, Pflichtvorlesung über den Aufbau des Kosmr halten und sicherlich mit einer derartigen Am sphäre demonstriert.