Rudolf Schmidt Kaum jemand, der nicht vom Anblick eines älteren Erd- oder Himmelsglobus fasziniert ist. Man findet diese Ob- jekte in Museen, in Bibliotheken von Klöstern und Schlös- sern - dort oft in ihrem ursprünglichen "Ambiente-i, und gerade dann entstehen bei der Betrachtung gedankliche Verbindungen: an Forschung in der Studierstube, wie auf Bildern holländischer Barockmaler zu sehen, an die Ar- beit von Astronomen und Astrologen, an Attribute von Seefahrern, an die Gemeinschaft der Mönche, deren Auf- gabe es war, Wissen weiterzugeben, wovon die Bibliothe- ken Zeugnis ablegen. Folgt man diesen Assoziationen, so gelangt man bald zu der vornehmsten Zweckbestimmung des Globus, die uns vom Altertum überliefert ist: als Mo- dell der Erde oder des Himmels Unsehbares, nur in der Vorstellung Definiertes sichtbar zu machen und damit der theoretischen Erkenntnis praktische Hilfe zu leisten. Leicht verständlich, daB im alten Griechenland, der Wiege unserer europäischen Geisteskultur, die ersten Globen entstanden sind bzw. entstanden sein sollen. Waren es doch griechische Denker, die, aufbauend auf früheren nahöstlichen Beobachtungen, den Schritt der Erkenntnis taten: gewisse Erscheinungen im sichtbaren Himmel und auf der Erde, Fixsterne und Planeten, Mondphasen, Sonnen- und Mondfinsternisse, Tag- und Nachtiänge und vor allem wechselnde Länge des Schattens eines Stabes zu verschiedenen Stunden und zu Mittag im Laufe des Jahres waren die Beobachtungen - warum es so ist oder so sein konnte, war den Griechen wichtig. Und mit dem Gedanken iiwarumii folgt auch die Reduzierung auf ein Modell - und so existiert auch noch ein Himmelsglobus aus der Antike - Der Farnesische Atlas - mit einer Him- melskugel auf einer Trägerfigur, wobei die Hlmmelskugei viele der heute noch gebräuchlichen Sternbilder - die schon in Babylon und in Ägypten in Gebrauch waren, zeigt, aber auch die Bahn der Sonne während des Jahres durch die Tierkreis-Sternbilder, so wie auf modernen Him- melsgloben, neben dem Himmelsäquator dargestellt. Dachte man damals die Fixsterne in gleicher, wenn auch ungeheuer großer Entfernung von der Erde, aufgereiht auf einer Ari Kristailkugel, so war die Darstellung auf der Ku- geloberfläche durchaus die richtige Methode, wie sie die lebensgroße Skulptur im Nationalmuseum in Neapel zeigt - die Skulptur war im übrigen in der großartigen Geographie-Kartographle-Ausstallung im Sommer 1980 im Gentre Pompidou in Paris zu sehen. - Und heute, da wir wissen, daß die Fixsterne durchaus nicht In auch nur annähernd gleichem Abstand von unserer Sonne stehen. ia daB sie sehr wohl - wenn auch von uns gesehen gerin- ge - Lageveränderungen zeigen, wissen wir kein besse- res Modell zu machen als den heutigen Himmeisglobus. Und damit sind wir zu einer wichtigen Erkenntnis gekom- men: durch Jahrtausende hindurch wird ein Modell des sichtbaren Sternhimmels in mehr oder weniger gleicher Form gebraucht und daher hergestellt. Beim Erdglobus war die Abfolge schon komplizierter: Kra- tes auf Mallos (um 150 v. Chr.) soll einen hergestellt ha- ben, denn auch für ihn wie für alle griechischen Gebilde- ten ab dem 4. Jahrhundert v. Chr. war eindeutig, daB die Erde eine Kugel sei, ja man hatte für verschiedene Orte schon eine Art Koordinaten entworfen, also unser ge- bräuchliches System der Längen- und Breitengrade erfun- den, wenngleich man die geographische Breite (Wien z. B. etwa 48') manchmal als Verhältnis der Länge des Schat- tens, den ein senkrecht stehender Stab zu Fruhlings- oder Herbstanfang am Mittag wirft, zur Länge des Stabes selbst angibt (z. B. für einen Ort auf 45' Breite 1:1). Aber selbst wenn man die Reisen der Handeltreibenden, die Seereisen der berühmten Seevölker der griechischen An- tike einbezieht, waren nur etwa acht Hundertstel der Erd- oberfläche bekannt; hätte man also fl.ir Lagebezeichnun- gen sinnvoll eines Modelles bedurft, warum dann eine ganze Kugel bauen? Vielleicht nur, um die Veränderung des Klimas - gegen Süden zu zunächst wärmer, gegen Norden kälter W zu erklären, dann hätte dieser Globus aber ganz anders ausgesehen als unser heutiger. Und mit dem Untergang abendländischen Wissens und dem star- ken Einfluß schlecht verstandener Bibelübersetzungen und einer gleichschaltenden Denkvorschrift war es durch Jahrhunderte nicht eberi ratsam, von der Kugelgestalt der Erde zu sprechen und von der Möglichkeit, daß es Antlpo- den geben könnte, Und doch, wie unter einer verschwore- nen Gemeinschaft blieb die Vorstellung von der Kugel- gestalt der Erde, besonders bei gebildeten Klerikern, er- halten. Keine Rede davon, daß Columbus nicht gewußt hätte, die Erde sei eine Kugel, aber ob viele seiner mee- resgewohnten, einfachen Matrosen sich darüber Gedan- ken gemacht haben, ist fraglich. - So kommt es, daß greifbare Zeugen fur die Herstellung von Erdgloben erst aus jener Zeit stammen, da die Umschiffung Afrikas ge- lungen war und die Neue weit zur alten hlnzutrat: der Erd- äpfel des Martin Eiehalm (erhalten im Germanischen Mu- seum in Nürnberg) ist der älteste Erdgiobus (1492) und zeigt eine Gestalt der Kontinente, die neues Wissen - al- lerdings ohne Amerika - mit Überliefertem nach Ptole- maeus verbindet. 50 Ältere Erd- und Himmeisgioben 1,2 Erd- und Hlmmelsglobus von W. BiaeuIArnsterdam, nach 1616. D. 23 cm. Die Nordhaibkugei des Erdglo- bus zeigt dledamalsvermu- tete Lage der amerikani- schen Westkusta Osterrei- chlsches Museum für ange- wandte Kunst (Lelhgaben). 3. 4 Ausschnitte aus dem Erdglobus von w. Blaeul Amsterdam, nach 161a. o. 34 cm. Nachrichten aus fer- nen Llindern finden ihren Niederschlag auf dem Kar- tenblld. Hier die legendären Riesen Patagonlens und seltsame Tierarten Zentral- Südamerikas. es Erdglobus von M. Greu- terlStraBburg und Rorn, 1632. D. 5D cm. Die Süd- halbkugel wird von einem riesigen Auslralknntirient beherrscht, den allerdings noch niemand gesehen hat- te und für den ES daher kei- ne städtenamen, Flüsse 8 etc. gab. Die Kartusche wendet sich der Geograph sende in ferne 7 Himrnelsglobi seuiieimiigs: Teile der Giob einen Globus (Im. Die Slreil bis zur Spitze Polen ausgef