Elisabeth Telsnig-Langer E.T.A. Hoffmanns anti- napoleonische Karikaturen Elisabeth Telsnig-Langer E.T.A. Hoffmanns anti- napoieonische Karikaturen Anmerkungen 1 - 10 Der vorliegende Aufsatz bildet eine Zusammenfassung des gleich- namlgen Kapitels der Grazer Dissertation r-E.T.A. Hoffmann als Zeichner und Malern von Elisabeth Telsnig-Langer, die voraussicht- llch 1551 veröffentlicht wird. l Friedrich Schnepp: E.T.A. Hoffmanns Briefwechsel. Bd. 1. München: Wlnkler 1967, S. 456i. 1 Friedrich Schnapp: E.T. A. Hoffmann. Tagebücher. München: Wlnkler 1971, S. 248W. ' ebde, S. 252 ' Carl Georg von Meessen: E.T.A. Hoffmann. Samtiiche Werke. Bd. B. München und Berlin: Georg Müller und Propyläen-Verlag 1925, Äbb. vor S. 147 und S. 452 ' Friedrich Schuize: Die deutsche Napoleon-Karlkatur. Eine Aus- wahl und Würdigung der bezeichnendsten Blätter. Weimar: Ge- sellschaft der Bibilophllen 1916, S. IVX ' Leopold Hirschberg: Die Zeichnungen Ernst Theodor Amadeus Hoffmanns. Zum ersten Mai gesammelt und mit Erläuterungen gelasgezten von Leopold Hirschberg. Potsdam: Klepenheuer 1921, ' J.s. Erech und J.G. Grober: Allgemeine Encykiopedie der Wis- senscherten und Künste. 1. Section, 22. Teil. Leipzig: Brock- hau: lest, s. 10a I Draper Mill: Mr. Giiiray. The Carlcaturist, London: Phaidon Press 1965, Abb. 107 und s. 114 ' Friedrich SchrlSDDI E.T.A. Hoffmanns Briefwechsel. Bd. 1. a. a. O., S. 166 "' Otto Schmitt: Fleallexikon zur deutschen Kunstgeschichte. Hrsg. von Ernst Gall und L.H. Heydenreich. Bd. ll. Stuttgart- Waldsee: Druckenmüiiel 1948, S. 545-548 18 Die Unstetigkeit der äußeren Lebensverhältnisse E.T. A. Hoffmanns (24.1.1776-25.6.1822) spie- gelt die gleichzeitigen politischen, wirtschaftli- chen und vor allem geistigen Wirren und Umwal- zungen seiner Zeit nur allzu deutlich wider. Am 25. April 1813 war Hoffmann aus Bamberg kommend in Dresden eingetroffen, um die Steile eines Musikdirektors bei der abwechselnd in Dres- den und Leipzig spielenden Operntruppe Joseph Secondas zu übernehmen. Er kam in der Folge in unmittelbare Berührung mit dem Kriegsgesche- hen und erlebte als Augenzeuge am 26.127. August 1813 den Sieg Napoleons bei Dresden über Schwarzenberg, dem bald die Vernichtung der "Großen Armeen in der Völkerschlacht bei Leipzig vom 16. bis 19. Oktober desselben Jahres folgen sollte. Die Operntruppe Secondas schlug sich während dieser Kriegswirren mehr schlecht als recht durch. Proben im ungeheizten Theater verursachten im Winter 1813114 eine schwere rheumatische Er- krankung Hoffmanns. Dieser Umstand und hinzu- kommende Differenzen zwischen Hoffmann und Seconda führten am 26. Februar 1814 zur Kündi- gung des Musikdirektors. Hoffmanns finanzielle Situation verschlimmerte sich dadurch sehr, und dieser Notlage verdankt man die Entstehung eini- ger antinapoieonischer Karikaturblätter. Der Künstler hoffte, sie für ein gutes Honorar verkau- fen zu können, was ihm auch gelang. So berichte- te er seinem Bamberger Verleger Kunz am 24. März 1814: wich erhielt für das Ding (eine anti- napoieonische Karikatur) ein artiges Honorar und es geht reißend. - Meine Garrikaturen sollen nach England! - ,Practica est multipiexä-H Der Aspekt, daB Hoffmann mit diesen Zeichnun- gen in erster Linie Geld verdienen wollte, muß bei ihrer Beurteilung unbedingt berücksichtigt wer- den! Die Tagebücher Hoffmanns berichten von vier antinapoleonischen Karikaturen; drei davon sind identifizierbar? 1. vDie Exorcisten. - Der Teufel, welcher die Dame Gallia lange besessen, wird durch verbün- dete Kraft endlich ausgetrieben, und fahrt in die Gergesener Heerdenm Zwischen dem 5. und 7. März 1814 entstanden. 2. nDie Dame Gallia bezahlt, nachdem sie gene- sen, ihren Ärzten die Rechnungß Zwischen dem 14. und 16. März 1814 entstanden. 3. äiFeierliche Leichenbestattung der Universal- monarchie I The Exequies of the Universal Monar- chy.u Zwischen dem 19. und 27. März 1814 ent- standen. Das vierte Karikaturenbiatt, weiches am 14. April 1814 gezeichnet wurdet, sowie ein weiteres, wei- ches sich aus Hoffmanns Brief an Kunz vom 24. März 1814 ergibtl, sind nicht mit Eindeutigkeit zu bezeichnen. Möglich wäre es, daß es sich dabei einerseits um das von Maassen 1925 im 8. Band seiner Hoffmann-Ausgabe publizierte Aquarell handelt, in weichem r-Napoleon von den Soldaten der verbündeten Nationen an der Leine nach Paris gebracht wird-t! Die bühnenhafte Konzeption die- ses Blattes, welche einerseits durch den tief ange- setzten Horizont, andererseits durch die links und rechts vorne und rechts im Hintergrund geschickt draplerten Büsche und Bäume hervorgerufen wird, würde für Hoffmanns Autorenschaft spre- chen. Er war in Bamberg u.a. auch als Bühnen- dekorateur und Theaterarchitekt tätig gewesen und hat sich auch in den drei oben erwähnten, ihm mit Bestimmtheit zuzuschreibenden Karikaturen an dieses Bildschema gehalten. Eine Zuordnung an Hoffmann ist nicht mit Gewlß- heit möglich. Die Karikaturen dieser Zeit in Deutschland gleichen sich in vielen Punkten im- mer wieder. Ihre Stereotypie wird noch zu erwah- nen sein. Ein weiteres, eventuell von Hoffmann stammen- des Blatt publizierte Friedrich Schutze 1916 in ei- ner Relhe von deutschen Napoieon-Karikaturenä Es handelt sich dabei um die Darstellung des "Na- poieon als NuBknackeru. Der Autor nennt keinen Erfinder und reiht den kolorierten Kupferstich ei- ner Gruppe von Darstellungen zu, die in den Mona- ten um die Völkerschlacht bei Leipzig entstanden sind. Das Original befindet sich heute im Museum für Geschichte der Stadt Leipzig. Wird das ge- schulte Auge in der Strichführung und der Art der Darstellung Ähnlichkeiten mit Hoffmanns Zeich- nungen auch nicht verwerfen, so bleibt die Zu- schreibung an den Künstler doch nur fiktiv. Hoffmanns Autorenschaft ist demnach nur für die drei eingangs erwähnten Blätter gesichert. Sie sind in zeitlich kurzen Abständen - innerhalb el- nes Monats (März 1814) - entstanden und tragen dadurch fast zyklusartlgen Charakter. Die Origina- ie aller drei Blätter, in Bleisitft und Pinsel ausge- führt, befanden sich noch 1921 im Besitz des Stadtgeschichtiichen Museums zu Leipzigf Sie erschienen als kolorierte Kupferstiche anonym bei Baumgartner in Leipzig. Die politischen Kari- katuren in Deutschland trugen zu dieser Zeit für gewöhnlich keine Signierung. Vor dem Zusam- menbruch der Napoleonischen Herrschaft 1813 wäre dies auf Grund der staatlichen Zensur wahr- scheinlich auch gar nicht möglich gewesen. Ein weiterer Aspekt lag in der Natur der Sache selbst: wie der Künstler unerkannt blieb, so arbeitete erja auch für Unbekannt. Daraus ergab sich einerseits eine größere Möglichkeit der Darstellungsfreiheit, andererseits mußten sich die Künstler dadurch zwangsläufig so mitteilen, daß dem Beschauer auch kianuerden konnte, worum es sich bei der je- weils gezeigten Szene handeite. Man bediente sich aus diesem Grund typisierender Elemente, wie des Napoleon-Hutes oder des russischen Bä- ren etc., die dem Volk bereits geläufig waren. Man setzte aber andererseits auch erklärende Worte oder Unterschriften in bzw. unter das Bild. Mitun- ter, um zu einem noch weiteren Verständnis beizu- tragen, legte man den Darstellungen ganze erklä- rende Blätter bei, wie das bei Hoffmanns Karika- tur wDie feierliche Leichenbestattung der Univer- saimonarchieu geschehen ist. Auf dem ersten Blatt, "Die Exorcistenu (Abb. 1), ist die Dame Gallia dargestellt, etwas nach links aus der Bildmitte verschoben. Mit ihrem Atem ist so- eben der Teufel, in der Uniform eines französi- schen Offiziers und mit dem charakteristischen Napoieon-Hut auf dem Kopf, ausgefahren. Dem Hut sind Hörner aufgesetzt. Der Teufel trägt Flü- gel auf seinem Rücken und schwebt gegen dunkle Wolken hin davon. Gallia sinkt entkräftet in ihren Stuhl; der mit drei Bourbonenlilien verzierte Schild gleitet ihr aus der Hand, das Zepter liegt bereits zerbrochen am Boden. Gallia, die en face zu sehen ist, trägt eine Krone auf ihrem Haupt, von dem das Haar in dunklen Locken herabfäilt. ihr weißes Kleid entspricht der damaligen Mode. Von ihrem Rücken fallt ein roter Mantel mit Her- mellnbesatz in weiten Falten herab. Umgeben wird Gallia von sechs Soldaten, die den gegen die Franzosen verbündeten Nationen angehören. Ver- suchen der PreuBe, Österreicher und Schwede mit ihren Gewehren den in die Luft entfliehenden Teu- fel abzuschießen, so glaubt der Russe, er könne ihn wohl noch mit seiner kurzen Peitsche, der Na- gaika, erwischen. Lediglich der Engländer, ein echter vGentlemantr, kümmert sich um die ohn- mächtige Dame, indem er ihren Puls fühlt. Die einzelnen Personen tragen keine individuellen oder gar karikierten Gesichtszüge. Ihre Beklei- dung allein weist sie der entsprechenden Nation zu; nur der russische Soldat trägt zudem sein obli- gatorisches Bärenfell auf dem Rücken ("der russi- sche Bark). Auch wird er durch sein unsinniges