erreicht und sich in mehrfacher Hinsicht geirrt. Die übliche ägyptische Doppelkrone" erscheint reduziert und verwandelt in Nr. 48, 50 und wohl auch 51: Die Krone Unterägyptens ist verstümmelt - die aufragenden Teile fehlen; andrerseits ist ein gezackter Reif neu eingefügt. Daß Schnorr überhaupt die Eigenart und Bedeutung der ägypti- schen Königskrone nicht richtig erkannt hat, be- stätigen Nr. 40 und 41, wo der Pharao nur einen in Ägypten unmöglichen gezackten Reif trägt - ähnlich wie später König David in Nr. 100ff. und 134ff." Außerdem erhält sogar der Aufseher in Nr. 46 (+) eine Kopfbedeckung ähnlich den Kro- nen in 48, 50 und 51, nur daß der Reif fehlt, wäh- rend hier andrerseits die tatsächlich zur Königs- krone gehörende Uräusschiange an der Stirnseite angedeutet ist. (Vgl. auch die Wächter oder Auf- seher in Nr. 40, 43 links und 48 links und oben rechts.) Wenn Schnorr also die Abbildungen der Kronen bei Wilkinson 3, 354 eingesehen hat, war er in diesem Fall nicht sorgfältig genug." Soweit zu den Einzelmotiven. Darüber hinaus hat die Gesamtszene in Nr. 44 "Der lsraeiiten Dienst- barkeit und Drangsale in Egyptenu (nach 2. Mose 1, besonders V. 13.14) in den wesentlichen Teilen eine unmittelbare Vorlage: das Wandbild mit den Arbeiten der Ziegelstreicher im Grab Nr. 100 in Theben, dem Grab Rechmires, des Wesirs unter Thutmosis lll. und Amenophis ii. Mit ziemlicher Sicherheit war auch hier Wilkinson der Vermittler (W. 2, 99). Er bot die am besten zugängliche Veröf- fentlichung; auch erörtert er dazu ausführlich den möglichen Bezug auf das betreffende Schicksal der lsraeiiten." Schnorr hat nach diesem Grabbild gegenüber seinem früheren Entwurf, der noch in der Cottaschen Bibel abgedruckt war, ein weitge- hend neues Bild geschaffen." Nur die Leitgedan- ken blieben bestehen, die meisten Details sind ra- dikal verändert oder hinzugefügt. Der ägyptischen Vorlage entsprechen: die beiden stehenden Männer links im Vordergrund, von de- nen der vordere sich einen Topf mit Ton oder Lehm aufladen läßt: W. Fig. 12 und 10 (vgl. ferner Fig. 2); der zwischen diesen beiden Männern sicht- bare Mann mit der Hacke: Fig. 11 sowie 13; der sit- zende Aufseher vorne links: Fig. 6; der gebückte Mann mit der Ziegelform vorne rechts: Fig. 14 so- wie 8; die Träger mit den Tragjochen und den ge- schichteten Ziegeln: Fig. 4 und 5; der prügelnde Aufseher ganz rechts: Fig. 3 (vgl. auch W. 2, 42); schließlich die - im dargestellten ,ausgespann- ten' Zustand allerdings wohl ungenau wiederge- gebene - Hacke ganz vorne links: W. oberer Strei- fen (vgl. auch W. 3, 248 und W. 4, 44). Nur kurz sei danach auf die Parallelen in den Bil- dern Nr. 46 (+) und 48 (oben links) verwiesen, de- ren Herkunft nun ebenfalls klar wird." Ausführli- cher bleibt noch die Art der Übernahme in Nr. 44 zu betrachten. Mit Geschick hat Schnorr die Vorlage seinen eige- nen Kompositionsprinzipien und ästhetischen Maßstäben angepaßt. So ist aus isoliert nebenein- anderstehenden Gruppen oder Einzeifiguren ein räumlich aufgebautes und dynamisches Gesamt- bild geworden. Wie mehrfach in der Bilderbibel geht die erste Bewegungsrichtung von links vorne zur Bildmitte." Demgemäß ist die Beinstellung der beiden links stehenden Männer geändert: Statt - wie bei dieser Blickrichtung in den ägypti- schen Bildern und Reliefs üblich - des linken steht jeweils das rechte Bein vorn. Auch wurde der sitzende Aufseher überhaupt umgedreht und nach links unten plaziert, um die genannte Perspektive zu unterstreichen, während der hackende Mann zwischen den beiden Stehenden sich abwendet, so daß die Anschauung hier nicht überladen oder orientierungslos wird. Die Personen der rechten Bildhaifte sind der Bewegungsrichtung von rechts vorne zur Mitte hinten eingeordnet. Der Mann mit der Ziegelform vorne konnte - und muBte aus sachlichen Gründen - seine gebückte Stellung beibehalten. Die Stellung der Träger und des prü- geinden Aufsehers ist dagegen völlig geändert. Dabei wirkt neben dem Kompositionsziel wohl auch die Aussageabsicht mit; die Steigerung in der Dramatik und Brutalität konnte die vDrang- saleir der lsraeiiten noch deutlicher vor Augen füh- ren. Daneben ist im ganzen die prinzipielle Wand- iung in der Menschendarsteliung nicht zu verken- nen. Aus schlanken, hochbeinigen Figuren, bei de- nen nur die wichtigsten Umrisse in knappen Stri- chen angegeben sind, wurden mehr gedrungene, fester auftretende Gestalten mit genauer Heraus- modeliierung des Körperbaus. Mit Recht hat man bemerkt, daß Schnorrs vinterpretationenu in der Bilderbibel nin Korperauffassung und Gestik von einem barocken Charakter geprägt sindu." Abschließend bieten sich zwei allgemeinere Über- legungen zu den hier insgesamt registrierten Übernahmen ägyptischer Motive an, sowohl in be- zug auf die Tendenzen der Zeit wie in bezug auf die Persönlichkeit Schnorrs. Schnorr wollte mit seiner Bilderbibel "das Lehren und Predigen" für den christlichen Glauben "unterstützen", so wie er grundsätzlich die Aufgabe der bildenden Künste darin sah, "Antheil zu nehmen an der Erziehung und Bildung des Menschen-i". Das Bemühen um historische Treue im Sinne des neu entstandenen historischen Bewußtseins des 19. Jahrhunderts - mag das hier im einzelnen gelungen sein oder nicht - bewirkt bzw. zeigt, daß die Inhalte des christlichen Glaubens nicht allein als Angelegen- heit des Gefühls oder der existentiellen Einstel- lung, sondern auch der Bildung verstanden wer- den, und zwar auch gerade der Bildung im Sinne von Belehrung oder Wissen." Auf der anderen Sei- te kann darin zugleich etwas von der vielfach be- zeugten schlichten und direkten Frömmigkeit Schnorrs sichtbar werden. Für ihn hat sich alles genauso zugetragen, wie es in der Bibel steht. Dies bleibt für ihn letztlich Maßstab und Impuls seiner Kunst, obwohl er sich theoretisch gegen übertriebene "archäologische Genauigkeitenu wendet (s. oben). Der Rückgriff auf die authenti- schen ägyptischen Motive soll den Wahrheitsge- halt der biblischen Geschichten bestätigen und veranschaulichen. Anmerkungen 19 - 2B w Abbildung der Hauptiormen etwa bei Ch. Strauß, Kwnen (Lexi- kon der Agyptoldgle. hrsg. von W, Hslck - W. Wesiendori. au. a, Wiesbaden 19ao,sp.a11-a1s),sp.a12r. I" Ebenso ist in Nr. 40 und A1 der Voilbari des Königs ganz un- agyptisch, 1' Auch von den ägyptischen Kdnigsthrcnen hatte er nurelne sehr vage Kenntnis: Nr. 40 und 48. Eine entfernte Verwandtschalt zeigt die voiutenartige Windung am oberen Ende der Lehne in Nr. 48; vgl. etwa W. 2, S. 195 und Tlfei XII. Ob mit den Stuten (aus Sie 7) tatsächlich die Form des dgyptischen Thronbuue wiedergegeben werden soll, SIQCYISiHÜ recm unsicher. Vqi. K. F. Kuhlrrianrl, Der Thron irn Alten Aewten. Untersuchungen zu Se- rnantik, ikonographie und Symbolik eines Herrechnitezaichens (Abhandlungen des Deutschen Archäologischen Instituts Kai; ro. Agyptoiogische Reihe 10), Gliicksiadi 1911. mit Tnral m, Abb 5 v w. 2', s". sarr. Vgl. ferner unten Anm. 24. - Weitere tmhe Verdi- ientlichungen des Grabbiides: i, Hosciiini. I Monument! deiPEgitto e della Nubia, 811.2, Pisa 1834 (Nachdruck: Coiiecv 28 u u u 21 u tlon des Ciassiques Egyptoiogiques, Geneve 1977i, Nr. XLIX; Champoliion (wie Anm. 1B) 511.2, Nr. OLXV. Doch waren diese beiden Taielwerke schwerer zugänglich und weniger handlich. Zudem ist das Werk Ghampollions im einzelnen nach den Denke meiern, nicht nach Sachgebieten gegliedert. Federzeichnung vom 30. September 1853. Original: Städtische Galerie im Lenbechhaus München, inv. Nr, G 1875. Vielleicht kann noch eine zusätzliche Beobachtung die Benut- Zilng Wliklnsons bestätigen. Nanh Seinen Ausführungen han- deli es sich bei dem Grabblid sicher nicht um isreeiitsn. Eines seiner Argumente dafür ist (2. S, 100), deß - anders als im Grabbiid und überhaupt bei den Ägyuterh - ih den äqyplischen Darstellungen der Bewohner Syriens und damit auch der israeli- ten die Männer Bärte tragen. in Schnorrs Bildern Nr. 44, 45 und 4B tragen die meisten arbeitenden Männer im Unterschied lu den Auisehern Bärte. Vgl. im vorliegenden Zusammenhang Nr. 39. 40. 43, 48, 49. Märker-Stutimann (wie Anm. 618. 210. __ Schnorriwle Anm. 1) S. Vllie und 2a sowie in den Uberschriilen. Vgl. Singer (wie Anm. 1) S. 106. Vgl. das Ende des Zitats nach Lindner oben Anm. 10.