Dazu kommt das in der Secession allgemein herr- schende Interesse für das Experimentieren mit ver- schiedenen Schrifttypen, das vor allem durch die seit 1900 erscheinenden Publikationen von Rudolf von La- risch angeregt wurde. Dennoch kann man bei eingehender Betrachtung der Losung des Problems beträchtlich näher kommen. Was zunächst die im Text angebrachten viereckigen Initialen mit ihren quadratischen Binnenrnustern be- trifft, so kann mit großer Wahrscheinlichkeit ange- nommen werden, daß sie von Kolo Moser stammen. Vergleicht man den Hintergrund des uDer (Abb. 36) mit einem gleichzeitig gestalteten Motiv aus dem Einband der Segantini-Monographie (Abb. 38), dann fällt die Ähnlichkeit in der Ornamentik sofort ins Auge. Auch die Anwendung des Schachbrettmusters (wie im wir, Abb. 37) war in dieser frühen Phase der Popularität des Quadrats bei keinem Künstler so ausgeprägt wie bei Kolo Moser, der dieses Muster, wie erwähnt. Sep- tember 1901 in die Wiener Flächenkunst eingeführt hatte. Es sei hier unter anderem auf den von Kolo Mo- ser gestalteten, ganz aus einem Schachbrettmuster bestehenden Umschlag des Kataloges für die unmit- telbar an die wBeethovenausstellungu vorangehende 13. Ausstellung (FebruarlMärz 1902) hingewiesen. Aus den 21 Künstiermonogrammen, die am Schluß des Kataloges der nBeethovenausstellungr in alpha- betischer Reihenfolge noch einmal gemeinsam auf- scheinen, lassen sich zwei Gruppen herausbilden, die deutliche stilistische Zusammengehorigkeiten aufwei- sen. Eine sehr kohärente Gruppe bilden die weitge- hend geometrisierten Moncgramme von Moser, Lenz, Luksch-Makowsky, Myrbach, Stohr und Schimkowitz (Abb. 45-50). Auffallend dabei ist, daß gerade diese Künstler - von Moser abgesehen - keine ausge- sprochenen Verfechter geometrisierender Stiiideale waren. Schon die deutliche Verwandtschaft des Moser-Monogramms mit den übrigen fünf ist ein Hin- weis für die in diesem Fall so gut wie sichere Urheber- schaft Kolo Mosers. Durch Ähnlichkeiten mit den in der rBeethovenausstellungw angebrachten vabstrak- tenii Reliefs Josef Hoffmanns könnte man auch eine Zuschreibung an diesen in Erwägung ziehen. Ver- gleicht man aber die in dem so wichtigen Zeitraum 1901-02 im Bereich der Flächenkunst entstandenen Werke Josef Hoffmanns mit denen Mosers, dann stel- len sich wesentliche Unterschiede heraus. So war in den graphischen Arbeiten Hoffmanns das reine Qua- drat damals nicht so dominierend wie bei Moser; sei- ne Vierecksformen zeigen, auch In ihrer Funktion als wtypographischer Schmucku, meistens eine sparsame Blnnenzeichnung und haben nicht den sachlichen, straffen Charakter der Quadrate von Moser." Wah- rend in den Flächenkompositionen Mosers die dunk- len und hellen Massen gleichmäßig verteilt sind - siehe vor allem das Monogramm für Ernst Stohr (Abb. 49) -, sind bei Hoffmann viel häufiger offene Partien festzustellen, zum Beispiel in seinem eigenen, schon vom Ende 1900 stammenden Monogramm (Abb. 28). Der eher filigrane und zugleich architektoni- sche Charakter der Kompositionen Hoffmanns zeigt sich besonders, wenn man dessen Entwurf für den 1901 erschienenen Band nStudien und Kritikenw von Richard Muther (Abb. 11) dem von Moser gestalteten Einband der Segantini-Monographie gegenüberstellt. in dem ein dichtes Gewebe von gleichmäßig verteilten Mustern die ganze Fläche teppichartig bedeckt. Die vom Ende des Jahres 1901 stammenden quadrati- schen Vignetten Josef Hoffmanns - stenographische Abkürzungen früher entstandener lnterieur- und Mö- belskizzen - stehen den genannten Monogrammen bis zu einem gewissen Grad nahe, zeigen jedoch in der Flächeneinteilung ein ganz anderes Gefühl für Spannungsverhäitnisse (Abb. 52-54)" Für die Zu- schreibung der sechs Moncgramme an Moser spricht ferner die damals für diesen Künstler typische Anwen- dung des Quadrats: die Anordnung der schwarzen viereckigen Akzente (Abb. 45-48); das schwarze Qua- drat mit dem viereckigen Ausschnitt in der Mitte (Abb. 50) - als Wiederholung des im Einband der Segantini- Monographie so wichtigen Motivs (Abb. 38. 51) - und die schachbrettartige Gruppierung von fünf Quadra- ten (Abb. 50), die auch in dem erwähnten Plakat für die 13. Secessionsausstellung anzutreffen ist. Eine zweite Gruppe bilden jene Moncgramme, in de- nen gekurvte und geradlinige Elemente in einem dy- namischen Spannungsverhältnis zueinander stehen (Abb. 39-44); im übrigen zeigen sie durch die gleiche Liniendicke wie auch durch ihre betonte Blockhaftig- keit Verwandtschaft mit der ersten Gruppe. Das Qua- drat rechts oben bei Leopold Stolba (Abb. 42) sowie das rAu von Andri (Abb. 44), das der Initiale nAu im Text durchaus ähnlich ist (Abb. 35), verstärken die Vermutung, daß diese Moncgramme ebenfalls von Moser stammen, der übrigens auch ein viereckiges Segantini-Monogramm gestaltet hatte (Abb. 51). Für die Moncgramme von ausgesprochenen i-Stili- stenl. wie Böhm, Klimt, Bauer und Auchentaller, ha- ben wie bei Hoffmann (Abb. 2B) möglicherweise eige- ne Entwürfe als Grundlage gedient (Abb. 26, 27, 29, 30). Auch das japanisch anmutende Monogramm Emil Orliks (Abb. 34) stammt vermutlich vom Künstler selbst. Roller nimmt auf ein Motiv aus dem von ihm ge- stalteten Plakat Bezug (Abb. 31), während die Mono- gramme von List und Luksch durch ihre Gegenstands- bezogenheit völlig aus der Reihe fallen (Abb. 32, 33). im Schwanenmotiv wurde List offenbar durch eine Vignette aus wLe Morte D'Arthurw von Beardsley ange- regt", während er für das eckig stilisierte nWu (in Ver- bindung mit dem wLl) vermutlich eine Quelle herange- zogen hat, die bisher unbeachtet geblieben ist: die 1900 aus dem Englischen übersetzte Publikation von Lewis F. Day wAlte und Neue Alphabetew, in der neben einer großen Auswahl an historischen Schriftbeispie- len neue, vom Autor entworfene Schrifttypen auf- scheinen, wie das wrechtwinkelig geschnittene-r Al- phabet (Abb. 55); das auch Kolo Moser bei seinen Mo- nogrammen inspiriert haben könnte." Es wäre nicht ganz verfehlt, in der hier gewonnenen Erkenntnis, daß Kolo Moser die Initialen und einen we- sentlichen Teil der Moncgramme entworfen hat, einen Schritt weiter zu gehen und anzunehmen. daß dieser auch für das Gesamtbild des Kataloges verantwortlich gewesen sei. Es wäre durchaus denkbar. daß der or- ganisatorisch sehr ausgelastete Josef Hoffmann - er war mit der Gesamtleitung der wBeethovenausstel- lungu betraut - diesen Teil der Verantwortung Moser als Kollegen übertrug, dessen vielseitige Begabung im Bereich der Flächenkunst er bekanntlich sehr schätz- te." Dieser Gedanke liegt nahe, weil man die spezifi- schen Gestaitungsmittel Mosers - seine kompakte Blockhaftigkeit in Verbindung mit struktureller Klarheit - auch im Gesamtkonzept des Kataloges wiederfin- det. Anmerkungen 40-44 ß Siene den von i-ienmenn gezeichneten seiienerqiinzenaen Schmuck - eine eiwee unreeeimeßige quaareriecne Forrn mit einem kleinen Slrich unien in der Mine 7 in dem ven inrn verveßren und gmpfiisch Qesiallaten Aulseiz und dem zugenorigen Bildlell in -Das inierieur ii- (1901) S. 193 11., sowie die diagonal unieneilren, an Knospen lrlrir gernden Quadrate in seiner Uedumrahmung ln ver Sucrum lV [1 sor]. . 411 " Das lnierleui II (1901). S. 91, B8, B7. " Ls Mode D'Arihur von Slr Thomas Malory. J. M. Deni 81 Co. mii Buchschmuck und lllusiraiionen von Aubrey Eeardsley. ab Junl 1893 BIS Serie, Book lll. K89. 3. u,- ß Die 1900 In Leipzig erschlauana aeureerre Ausgabe beland slcn schon iruh in aer K. K. Kunslqswerbeschulblbllolhsk. M In einem unter dem Trrei wieine Arbeiu geneiienen venree (1911) saqio i-ieirrnenn: rrNsben Olbrlch uireme (als senuier eer Akademie) Meier Meeer nur, der dank seiner iiiueirenven Teriqkeii menr wie Mr eiie von aen xuneivergangen im Ausland wuBle. Er gewann fortan den größten Einiiuis über uns. seine Bagabung inr die Fllchenkunsl und lade An kuristgewevbllchev Erllndurig erschien uns lebalhafr. Er verstand es, überall zu fördern und anzuregen. Er zelchneie sich nicni nur durch seine große Phantasie, sondern auch durch seine praktischen. alles ordnenden Fähigkeiten aus: (Wiener Allgemeine Zeliung, 13. Mai 1511. Freundliche Mitteilung von D1. Allee Sirobl.)