}{ Für den Kunstsammler
Johannes Wieninger
Beispiel einer ikonographischen
vWanderungrr.
Zu einem Majolikateller im
Osterreichischen Museum
für angewandte Kunst
In der reichen Majolikasammlung des Österreichischen
Museums für angewandte Kunst befindet sich auch ein
Teller, Urbino um 1550 zu datieren, mit der Darstellung
des Jakobssegens (Abb. 1.2), in dessen Bemalung man
einen Zweig einer langen Ikonographiegeschichte er-
kennen kann, die zu verfolgen von Interesse ist.
Auf diesem breitrandigen Teller (lnv. Nr. KHM 70)' wird
Isaak auf seinem baldachingekrönten Totenlager lie-
gend und sich seinem vor ihm knienden Sohn Jakob zu-
wendend dargestellt; etwas abseits hinter Jakob steht
dessen Mutter und betrachtet die von ihr mit viel
Schlaue eingeladelte Szene. Im Vordergrund rechts
steht noch ein Tisch mit Speisen und Getränk.
Von dieser Szene getrennt - Patastmauer, Boden und
Tischkante grenzen dieses Feld schart ab - erkennt
man Esau, den betrogenen Bruder, bei derJagd. Es wer-
den also zwei zu gleicher Zelt ablaufende Szenen ne-
beneinander dargestellt.
AutderRückseitediesesTellers(Abb.2)tindetsich noch
folgende Inschrift: wlL CIECHO ISAAC AD ESAI U CO-
MANDA CACCIAR CHE I PRENDER VOL FIEFETIONE l
TRAUSTIRO IACOB INGENIOICHINIPORGIENDO AL
PADRE l DA LUl RICEVA LA BEINEDICIONEJI
Erstmals begegnet uns diese lkonographie in einer hol-
Iändlschen Handschrilt aus der Zeit um 1460 (Berlin,
Staatsbibliothek cod. germ. 2'516, tol 12') (Abb. 3),die
sehr wahrscheinlich dem Kölner Drucker Quentell für
seinen niederdeutschen Bibeldruck 1 479180 als Illustra-
tionsvorlage gedient hat (Abb. 4)2.
In der Druckkunst war Venedig Italiens vorrangiges Tor
zum Norden, weshalb es nicht verwundert, daß ein
Großteil der einzig italienischsprachigen und äußerst
reich illustrierten Malermi-Bibeln, 1490 erstmals von
Lucantonio Giunta verlegta, eben jene Holzschnittillu-
strationen der Quentellbibel paraphrasiert (Abb. 5). Ab-
gesehen davon, daß die Malermi-Bibel noch zahlreiche
Neuauflagen sogar bis ins 16. Jahrhundert hinein erleb-
te. wurde sieauch solorl kopiert; 1493 erstmals in Vene-
dig selbst und die Holzschnitte stammen von keinem ge-
ringeren als Benedetto Bordone(Abb. 6). Diese umfang-
reichen Bilderserien landen auch außerhalb Italiens
sehr rasche Verbreitung und wurden als Vorlagebücher
1. 2 Malolikateller, Urbino, um 1550. Darstellung des vJakobs-
segensir (Vorderseite); erklärende Inschrift (Rückseite)
Wien, Österreichisches Museum für angewandte Kunst, lnv.
Nr. KHM 70
3 Historienbrbel, Holland. um 1460
Berlin, Staatsbibliothek cedgerrn. 2"516fol.12l
' ewmm-l-m. ,
Anmerkungen 1 -4
' Wie der Großteil der Italienischen Malollken wurde auch dieser Teller
aus den Beständen des Kunslhlslorlschen MusaumslSchallkammer
ÜDQIROYTNVIBH.
1 lmGesamikalalog uerwlegenaruckei : sw). 2.Aullage. Stuttgart-New
York lese n. hat nie Quanten-Bibel die Nummern 430mm.
Zu Handschrih und Elbaldiuck siehe: H. Keinzssn. Dla l-lelzserinlcle der
Kölner Bibel von 1419. Straßburg. lass.
I ew 4:417. Zur MaIarmi-Bibel siehe: Johannes Wierllnger, Die Illustratio-
nen der MaIermisBibsln von 1490 und 1492. Ein eeiireg zur veneziani-
sehen Inkurlebelilluellallon. Pnil. Dies. Wlen 198D (unvaröft). Dsls.: Die
Malerml-Blbeln von 1490 bis 1492. Ferschurlgsbeilchl In: as Münster,
1962.Hef(1lpag.
1 Johannes wieningei. pnll. Diss. wie Anm. s, pag. 29511.: Die Illustratio-
nen dev Malerml-Blbel als Vorlagen.
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