den, was besonders beim Haus Brodgasse 13 wahrscheinlich ist. Hier legte Franz Wagner die urtümlichen und sicher auch ursprünglichen Fen- ster aus Konglomeratstein frei und verzierte diese wieder in künstlerischer Freiheit mit fein abgestimmten Stuckrahmen, was ein Denkmal- pfleger wohl kaum gutheißen kann, was aber andererseits auch wieder beweist, daß Denkmal- pflege nicht allein nach abstrakten Kriterien, sondern auch mit Einfühlungsvermögen in iedes Obiekt betrieben werden sollte. Auf ieden Fall ist dieses Detail gelungen, was immer das erste und letzte Kriterium sein sollte. Ohne Zweifel ist das 4. Obergeschoß (wohl Mitte des 18. Jahrhunderts) aufgestockt worden. Dies liegt ganz im Rahmen der allgemeinen „Höherzonung", die aus der drei- und vierge- schossigen mittelalterlichen Stadt später eine fünf- bis sechsgeschossige gemacht hat. Wollte man heute diese Aufstockung bei dem gegen- ständlichen Obiekt wieder korrigieren, d. h. die Höhe „zurückstufen", so wäre dies nicht nur anachronistisch, sondern städtebaulich sinnlos. Die Bauanalyse ergab also, daß von den 48 (heute 47) einstigen Fenstern des Baukamplexes 19 die bereits durch Franz Wagner freigelegte reiche spätgotische Ausbildung zeigen. Bei elf Fenstern ist eine ähnliche Gestaltung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzu- nehmen, bei sieben weiteren immerhin ziemlich wahrscheinlich. Elf Fenster haben (wie die sechs Fenster im 1. Stock des Hauses Brodgasse 13) andere oder mit Sicherheit oder Wahrscheinlich- keit nicht mehr bestimmbare Gewände. (Die 16 Fenster des aufgestockten 4. Obergeschosses scheiden bei dieser Untersuchung natürlich aus!) Bei der Bauanalyse kann ein interessantes De- tail nicht ganz unberücksichtigt bleiben: Die zahlreichen Wappenschilde an den freigelegten Fenstern. Daß es sich hier nicht um rein dekora- tives Beiwerk handelt, zeigt die sehr überlegte Anordnung der Schilde. Der Wappenschmuck konzentriert sich auffallend auf die sieben Fen- ster des Vorbaus, unmittelbar gegenüber der da- mals nach bestehenden Hauptfassade der mit- telalterlichen Bischofsresidenz. Von den drei Fen- stern des 1. Stocks dieses Vorbaus trägt nur das mittlere ein Wappen, von den ie zwei Fenstern der darüberliegenden Geschosse iedes Fenster ie zwei Wappen. An der Schmalseite des Vor- baus sind nach zwei weitere Wappen zu finden, insgesamt also ein Grundwappen und 14 weitere Wappen - heraldisch eine interessante Zahl. An den freigelegten Fenstern des Eckhauses sind sonst nur noch zwei Wappen in einer Anordnung zu finden, die natürlich keinen Aufschluß zuläßt, da die meisten gotischen Fenster hier nach unter Putz liegen. Auffallend ist aber wieder die Fest- stellung, daß bei den vier freigelegten Fenstern des Nebenhauses kein einziges Wappen vor- kommt. Da aber gerade hier das dominierende Mittelfenster des 2. Stockes und dazu noch eine ganze Dreierigruppe freigelegt ist, kann man annehmen, doß dieses Haus ursprünglich wohl gar keine Wappenschilde hatte. Leider besitzt nur ein Fenster an der Seitenfront des Vorbaus ein plastisch ausgeführtes (bis heute nicht identi- fiziertes!) Wappen, die übrigen Schilde waren früher wohl nur bemalt. Farbspuren sind nicht vorhanden, was bei der Vorgeschichte auch nicht wundernimmt. PROBLEME DER ERNEUERUNG Während die Geschichte und die Untersuchung der Baustruktur dieses Baukomplexes uns heute keine unlösbaren Probleme mehr aufgeben, ist die Frage der Erneuerung dieses historisch be- deutsamsten und durch seine städtebauliche Funktion besonders stark pointierten Salzburger 48 Bürgerhauses neuerdings in den Widerstreit der Meinungen geraten. Die Kontroverse - teilweise von der Presse in bester Absicht etwas hochge- spielt - gehen in ganz entscheidenden Punkten offensichtlich auf Mißverständnisse zurück. Bei einer Analyse der zahlreichen Bauaufnah- men der Salzburger Altstadthäuser, die das In- stitut für Baukunst und Bauaufnahmen der Tech- nischen Hochschule Wien seit Jahren in enger Zusammenarbeit mit dem Salzburger Magistrat (Senatsrat Exner) durchführt, fiel dem Verfasser dieser Baukomplex wegen seiner absoluten Son- derstellung auf. Bei einer Ausstellung der Be- standsaufnahmen im Salzburger Kongreßhaus (Oktober 1972) zeigte das Institut einen Er- neuerungsvorschlag nebst Bauanalyse. Anläßlich der Ausstellungseröffnung kam es im Beisein von Herrn Vizebürgermeister Dr. Kläring, von Mitgliedern des Stadtsenates, des Gemeindera- tes, der Landesbaudirektion, des Landeskonser- vators und zahlreicher interessierter Architekten und Hausbesitzer zu einer längeren Diskussion über dieses Problem. Die Problematik der Erneuerung dieses Hauses ist nicht neu, klingt sie doch schon bereits 1921 in dem oben erwähnten Artikel von Herrn Dr. Martin auf - dort allerdings in einem völlig anderen Zusammenhang. Am 6. August 1962 wurde das Obiekt durch einen „Spruch" des Bundesdenkmalamtes unter Denkmalschutz gestellt. In dem „Bescheid" steht der entscheidende Satz: „Das öffentliche Inter- esse an der Erhaltung dieses Denkmales ist fol- gendermaßen begründet: Die Erhaltung dieses Hauses als wichtiges Beispiel der spötgotischen Profanarchitektur in Salzburg ist eines der wich- tigsten Anliegen der Salzburger Denkmal- pflege." Als 1967 das Salzburger Altstadterhaltungsge- setz in Kraft trat, erfolgte ein Bescheid der hier- für zuständigen Behörde, in dem es u. a. heißt, daß gerade dieses Haus wegen seiner histori- schen Bausubstanz, die bis ins frühe 16. Jahrhun- dert zurückreiche, „von besonderer Bedeutung" sei". Beide „Bescheide" betonen also einhellig, daß gerade die spätgotische Baustruktur aus dem frühen 16. Jahrhundert van besonderer Be- deutung sei. Nachdem aber die Diskussion über die Erneue- rung der Hausgruppe aufgeflammt war, stellte sich die „Sachverständigenkommission für die Altstadterhaltung in Salzburg" plötzlich ganz unvorhergesehen auf den Standpunkt, eine Auf- deckung der restlichen, heute noch unter Putz liegenden spätgotischen Fenster „hätte zur Folge, daß ein Gestaltungsergebnis erreicht wäre, wel- ches ienem bereits um 1930 erreichten nicht gleichwertig gegenüberstehen würde. Damals wurden die wertvollen gotischen Fensterge- wände freigelegt und so weit in die übrige Fassadengestaltung miteinbezogen, daß die Kompositionsgesetze aus gotischer Zeit zur Wir- kung gelangen konnten. Ein zusätzliches Her- ausarbeiten gotischer Gestaltungstendenzen wür- de also im gegebenen Fall zu einer Störung des verhältnismäßig einheitlichen Bildes des Alten Marktes führen, das eine architektonische Gestal- tung aus der Zeit des 16. und 19. Jahrhunderts repräsentiert. Demnach ist nach Ansicht der Sachverständigenkommission von einer weiteren Regotisierung des Obiektes durch Freilegung weiterer Fenstergewände aus Konglomerat Ab- stand zu nehmen"". Auf eine Bitte des Verfassers an die „Sachver- ständigenkommission", ihm die Publikation von Dr. Kai Mühlmonn über die Restaurierungen des Baumeisters Franz Wagner zugänglich zu ma- chen, übersandte diese auch noch den bereits oben erwähnten Artikel des Herrn Dr. F. Martin im Feuilleton des Salzburger Volksblattes aus dem Jahre 1921, in dem (am Rand dick ange- strichen) der Passus zu finden ist: „So sehr solche Funde auch im Interesse der Erweiterung unserer Kenntnisse vom alten Salzburg erfreulich wären, so steht es doch dahin, ab sie in [wohlge- merkt!) größerer Anzahl für das Stadtbild Salz- burgs förderlich wären. Unsere Stadt ist nun ein- mal, wie sie sich heute darstellt, eine Schöpfung der Barocke, der alles, wenn wir von der Fran- ziskanerkirche absehen, angehört. . ." Nun geht aber aus dem Zusammenhang ganz einwandfrei und klar hervor, daß Martin mit diesem Passus nicht die Freilegung einer „gräße- ren Anzahl" weiterer Fenster des gegenständ- lichen Obiektes, sondern („wohlgemerkt") die Regotisierung einer „größeren Anzahl" weiterer Salzburger Häuser apostrophiert, wobei wir ihm schon deshalb voll beipflichten möchten, da man mit absoluter Sicherheit kein weiteres Objekt in Salzburg (und in ganz Österreich!) mehr findet, bei dem 30 bis 40 hochinteressante spätgotische Fenster „in situ" erhalten geblieben sind. Viel- mehr nannte Dr. F. Martin die Freilegung dieser gotischen Fenster ein „einzigartiges Ereignis" und eine „überraschende Auferstehung". Ein noch weit größeres Mißverständnis scheint aber Herrn Franz Wagner unterlaufen zu sein, wenn er in den Salzburger Nachrichten" „Erhaltung oder Rekonstruktion? Bemerkungen zu Proble- men der Salzburger Altstadtpflege am Beispiel eines Bürgerhauses" schreibt: „Spricht man von ,Rekonstruktion', dann ist folgendes zu bedenken: Ergänzt man alle fehlenden Gewände, dann müßte man auch die des vierten Stockes ,nach- machen'. Wäre dies geschehen, was ,erfindet' man dann als Verputzart und Färbelung, da schon 1921 keine Spuren der spätgotischen mehr vorhanden waren? Hätte man regotisierenden Verputz samt Färbelung ,gebastelt', wie hätten dann ,spätgotisch' das Erdgeschoß samt den nicht mehr vorhandenen Gewölben und die Dachfarm auszusehen? Und hier ist man bereits mitten in des Teufels Küche, hier macht man genau das, was man dem 19. Jahrhundert immer noch vorwirft: seelenloses, unkünstlerisches und durch nichts als persönlichen Ehrgeiz gerecht- fertigtes Kopieren. Endlich: Was würde ge- schehen, wenn der ,Regotisierungsvorschlag' von Koepf für die Salzburger Altstadt konsequent weitergedacht und weitergeführt würde?" Es fällt mir sehr leicht, zu diesen Fragen und Vor- würfen Stellung zu nehmen, da ich meine Ge- danken in Skizzen und Zeichnungen sowohl während der Ausstellung der Salzburger Alt- stadthäuser im Salzburger Kongreßhaus (Okto- ber 1972) und während der 27. Tagung der Koldewey-Gesellschaft in der Salzburger Univer- sität (Ausstellung und Referate 30. Mai bis 3. Juni 1973) öffentlich zur Diskussion gestellt habe und dabei in Fachkreisen einhellige Zustimmung gefun- den habe. Außerdem habe ich in einem mehr- seitigen Artikel im Amtsblatt der Landeshaupt- stadt Salzburg" meine Ansichten dargestellt. Negative Kritik ist mir auch hier nicht bekannt geworden. Lediglich Herr Landesbaudirektor Wirkl. Hofrat Dr. Willomitzer sandte mir eine Stellungnahme, aus der hervorgeht, daß er die Angelegenheit nach der Klarstellung von Herrn Franz Wagner in den Salzburger Nachrichten als erledigt betrachte". Herr Landesbaudirektor Willomitzer und die Mehrheit der Sachverständi- genkommission identifizieren sich also mit dieser Stellungnahme von Herrn Wagner. Dazu wäre zu sagen: 1. Es war niemals davon die Rede, die Fenster des vierten Stockes „nachzumachen". 2. Ich habe niemals vorgeschlagen, einen spät-