I Aktuelles Kunstgeschehen [Wien Secession Malerei und Grafik in Tirol 1900 bis 1940 Die im Rahmen des Bundesländeraustauschpro- gramms der Stadt Wien veranstaltete, von Wilfried Kirschl organisierte Ausstellung diente einem will- kommenen Nachholbedarf. Sie vermittelte in einer größtenteils qualitätsvollen, bei Egger-Lienz sogar erstrangigen Auswahl einen kompakten Einblick von hohem lnformationswert. Neben Egger-Lienz, dem nur zu oft allzu einseitig fixierten Piloten der Tiroler Malerei (in Wien sah man auch sein bereits 1913 gemaltes, kraftvoll großzügiges Bild „Das Meer"), fanden dreißig weitere Tiroler Maler und Zeichner der heute bereits klassischen Moderne Berücksichtigung. Der Bogen reichte dabei von Hugo Atzwanger und Max von Esterle zu Artur Nikodem und Leo Putz, dem skurrilen Paul von Rittinger, dem Zeichner des Simplicissimus, Eduard Thöny, bis zu Alfons Walde und Weber-Tyrol. Eine an Entdeckungen reiche, verdienstvolle Schau, die - nicht nur innerösterreictiisch - dazu angetan war, manche kunstgeschichtliche Korrektur und Ergänzung zu provozieren (13. 6.-15. 7. 1973). PS: Das oben erwähnte, im besten Sinne museumsreife Bild von Egger-Lienz zählt in seiner auf das Wesentliche beschränkten farbigen und formalen Abstraktion zweifellos zu den überzeu- gendsten und konsequentesten Leistungen der europäischen Landschaftsmalerei dieser Zeit. Es sollte fortan zumindest in keiner österreichischen Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts fehlen (Abb. t, 2). Museum des 20. Jahrhunderts Ad Reinhardt Zieht man von dem Bilanz, was die engere Fachwelt und der Künstler selbst über die Malerei des 1913 in New York geborenen Malers Ad Reinhardt gleichsam als Essenz ähnlicher Formulierungen zu sagen wußten, dann war es Reinhardts Absicht, das „reine, absolute und endgültige Bild" zu erreichen. Am konsequentesten - und hier etwa dem weißen Quadrat auf weißem Grund von Malewitsch ver- gleichbar - gelang Reinhardt die bildnerische Umsetzung seiner Philosophie und Haltung in den sogenannten „Schwarzen Bildern". Diese in gleicher Weise angefeindete wie hochgelobte, ia geradezu zum Inbegriff einer extremen Möglichkeit zeitloser Malerei gestempelte Serie reiner Abstraktionen entstand zwischen 1953 und 1967. Die aus der deutschen Bundesrepublik über- nommene, von Karl Ruhrberg organisierte Wander- ausstellung [sie war vor Wien in Düsseldorf, Eind- hoven, Zürich und Paris zu sehen) vermittelte einen sehr anschaulichen Einblick in das Gesamtwerk. Die mittelgroße, sinnvoll arrangierte Exposition stellte Reinhardts radikale schwarze Abstraktionen zentral vor, brachte zugleich aber auch eine chronologische Entwicklung seiner Malerei ab 1938. Der Überblick machte vor allem im Frühwerk Qu i tsschwankungen und Standortprobleme deutlich, obwohl der - auch kunsttheoretisch tätig gewesene - Künstler hier mit Einzelleistungen aufzuwarten wußte, die trotz gewisser Abhängig- keiten (etwa zu Mark Tobey) ihren autonomen Rang behaupten. Unbestrittener Höhepunkt der von einem vor- züglichen Katalog begleiteten, allerdings hohe Anforderungen an das Publikum stellenden Aus- stellung waren Reinhardt: exzellent gemalte Abstraktionen der letzten Jahre; zumeist in Kreuz- form einander zugeordnete Quadrate und Recht- ecke in fast monochramer Palette zwischen Schwarz und Dunkelbraun. Es sind ikonengleiche Bilder von meditativer Strenge, so sachlich und von romantischer Kunstphilosophie unbelastet sie auch ihr Urheber verstanden wissen wollte. Rein- hardt erreichte in ihnen einen Endpunkt von „zeit- enthobener Klassizität" (Karl Ruhrberg). Er selber sagte über sie ein Jahr vor seinem Tode: „lch mache gerade die letzten Bilder, die man irgend machen kann." (Juli-August 1973) - (Abb. 3, 4.) 68 Stadtpark Formen in Metall Eine im allgemeinen zufriedenstellend ausgefallene Gruppenschau, die - wie schon 1972 - auch heuer einem Künstler organisatorisch übertragen wurde. Der Wiener Plastiker Peter Perz vereinte unter dem Ausstellungsmotta „Formen in Metall" Arbeiten von 16 Bildhauern. Qualitativ herausragend: die dynamisch raumgreifende, formal überzeugend ge- löste Stahlplastik „Pflugfeld" von Oskar Häfinger; die große, wuchtige, kräftig von Rost angefressene „Königin" des nach Wien übersiedelfen Steirers Gerhardt Moswitzer und das rhythmisch serielle Obiekt aus Stahlelementen von Helga Philipp. Effektvall gruppierte Josef Seebacher seine „Röh- ren", die „Pflanze" des Burgenländers Rudolf Kedl verstärkte einmal mehr die für ihn markante Tendenz zum Organisch-Vegetativen innerhalb eines symmetrischen Formenkanons. Bemerkens- wert auch die Werke von Katzgraber und Schagerl. Aus der Not (an größeren neuen Arbeiten) eine Tugend hatte man bei Avramidis, Bottoli, Prantl und Erwin Reiter gemacht. Man präsentierte sie mit zumeist kleineren und durchweg auch älteren Werken, die sich freilich - ohne ihre Qualität deswegen leugnen zu wollen - nur bedingt für eine Aufstellung im Freien eigneten. Kein Wunder, daß sie von ihrer natürlichen und künstlerischen Umgebung erdrückt und um ihre Wirkung gebracht wurden. Einen poesievollen Witz hat sich Hermann Klinger einfallen lassen: sein von Rasenziegeln bedeckter, in einen Wiesenabhang eingebauter Volkswagen fungierte als „Parkplatzobiekt für die Donauinsel". Zweifellos eine von Kindern besonders frequentierte Arbeit aus einem Guß, sicherlich aber auch ein Obiekt, das ohne regelmäßiges Gießen an seiner künstlerischen Substanz Schaden leiden würde. Die weiteren Teilnehmer: Peter Howelka, Livia Szadai, Stefan Pral und Peter Perz (Juli-August 1973) - (Abb. 5-7). Künstlerhaus Der Mensch und die Stadt Eine umfassende, durchaus sehenswerte Ausstellung der Ergebnisse eines mit relativ großem Aufwand durchgeführten Wettbewerbes. Daß das Thema zumeist in künstlerisch traditioneller Sicht und Auf- fassung abgehandelt werden würde, war zu er- warten. Erfreulich hingegen: die große Teilnehmer- zahl von 212 Künstlern mit rund 600 Exponaten, darunter einige qualitativ herausstechende, aber auch in ihren strukturellen Ansätzen und Tendenzen interessantere Werke, wie zum Beispiel die leer ausgegangenen Schautafeln von Hermann J. Painitz oder die mit einem der vier 20.000-Schilling-Preise bedachten Bilder von Staudacher. Weitere große Preise gingen an Arnulf Neuwirth, Paul Meissner und den Linzer Ludwig Sdiwarzer, der die - inzwi- schen total verkitschten - Parademaler der Wiener Sohule zusammen mit Korab schon seit Jahren auf Distanz hält. Fred Nowak, Kurt Ammann und Karl Anton Fleck waren die restlichen Ausgezeichne- ten. Schade freilich, daß Österreichs progressive Künstler - aus einsehbaren Gründen - bei diesem Wettbewerb nur durch Abwesenheit glänzten. Denkt man etwa an das „Linz-Bild" von Arnulf Rainer, die Zeichnungen von Max Peintner, die Proiekte Goeschls oder an manches von dem, was unsere experimentellen Architektenteams interna- tional ins Gespräch brachte (Haus-Rucker-Co, Himmelblau, Missing Link), dann ergeben sich sofort andere Dimensionen und Denkweisen von zweifellos entscheidenderer Verbindlichkeit, als es bei dem überwiegenden Gros nachexpressionisti- schen Um- und Beschreibens der Fall war (23. 5.-26. 8. 1973) - (Abb. 8, 9). Modern Art Galerie Johann Fruhmann Mit einer Ausstellung bisher noch nie gezeigter Ulskizzen auf Papier von Johann Fruhmann schaltete sich die vorübergehend stillgelegte Modern Art Galerie wieder in das bundeshai städtische Kunstgeschehen ein. Es gelang ihr sehr geschlossen wirkende Präsentation, die der bisher besten und markantesten Schotter schnitte des 1928 geborenen Künstlers charak vorstellte. Fruhmanns rund zehn Jahre alte straktionen lassen sich rückblickend als Vorsl später eingetretener Formverfestigung bezeii Sie verdeutlichen in spontaner Rhythmik die wie vor faszinierenden Möglichkeiten einer lnformel wurzelnden Malerei, die um den au men Wert des malerischen Vollzugs weiß Ul Vorzüge in den besten ihrer Lösungen auch x auszuspielen verstand. Die Lockerheit und gl zeitige Disziplin einer geübten Handschrift, f Noblesse und ein scheinbar von selbst QBVt nes formales Gerüst verleihen den großformi persönlichen Niederschriften Poesie und leisz Dynamik (Juni 1973). Galerie Passage Plakate der Kunsthalle Bern Erich Katzmann Ein informativer Blick auf das international attraktive Ausstellungsprogramm der von Ca Huber [als Nachfolger des heutigen Documer Chefs, Harald Szeemann) geleiteten Kunsthal Bern. Die gelegentlich als Originalgrafiken gedruckten Plakate erschienen zu den Expc von Bill, Lohse, Antes, ltten, Yves Klein, Jasp Johns, Jim Dine, Bridget Riley, Sol Le Witt, Arakawa und Bruce Naumann (17. 7.-3. 9. 1973) - (Abb. 10). Katzmann, Mitglied der Wiener Künstlerverr „Der Kreis", ist ein vielseitiger Maler und C Seit 1954 stellt er regelmäßig in Usterre Deutschland aus, ohne deswegen im Kunstbe aufzugehen. In zumeist zyklischen Schaffensa schnitten bemüht er sich um stets neue bildne Lösungen, die als konstanter Impuls einer dui eigenständigen und echten Weiterentwicklung anzusehen sind. Der gezeigte Werksquerschn umfaßte Siebdrucke und Gouachen aus 1971 l Katzmann erreicht in diesen Abwandlungen ler Themen eine deutliche Formverfestigung, zur differenzierten Durcharbeitung der Detail reizvollem Kontrast steht. Seine knappen Fort rungen sind oftmals symmetrisch. Sie erinnert gelegentlich an Archaisches, an Symbole des Fraulichen und Fruchtbaren. ln ihrer Tendenz Plastischen vereinen sie eine gewisse Statik n räumlicher Kompaktheit und Dynamik. Dabei bedient sich Katzmann ebenso kräftiger Farb kontraste wie feinster malerischer Nuancen, ( gelegentlich fast monachrom anmuten (7. 9-7. 10. 197a). Galerie Basilisk Grafikboom? Eine zur Diskussion anregende Ausstellung m Druckgrafik von über fünfzig österreichischen Künstlern. Das preiswerte Angebot konnte alt merkantil vernünftige und vielfach auch sehr qualitätsvolle Antwort auf die Druckgrafik- schwemme der Wiener Schule aufgefaßt werc Der deutliche Fingerzeig des Kunsthändlers wäre es wert, die längst überfällige General- diskussion des Themas auf breitester Basis 2 beginnen. Damit käme es auch zu einem St: Grafikbooms bei ienen Modemalern, denen v Massenmedien eine unkritische Plattform vers haben, die nur noch von Kommerz, Werbung den Gesetzmäßigkeiten des geringsten Wider des bestimmt wird (September-Oktober 1973). Petz