Wilhelm Mrazek Der Kaiserstil des Wiener Hofes Zu Franz Marsches Werk vDie Kunst im Dienste der Sraarsidee Kaiser Karls VI. n nWiener Schulen der Kunstgeschichte spielte seit ihrem and (1874) in allen Generationen die Erforschung und Dar- ing der Barockkunst des 17. und 1B. Jahrhunderts eine be- ere Rolle. Umgeben von den bedeutendsten Bauwerken donumenten aus allen Disziplinen dieser vor allem in Wien uchtbaren Kunstepoche. ist dies nur zu verständlich. rden noch lebenden Vertretern derWienerSchule ist esvor i Hans Sedlmayr gewesen. der von den zwanziger bis in die iger Jahre am meisten dazu beigetragen hat. die kunsthi- sche Forschung über die bisher übliche fachspezifische iodik hinaus auszuweiten und neue Wege der Barockfor- ng zu inaugurieren. Nicht nur mit den Arbeiten zur Kunst reiden Fischer von Erlach schuf er ein Standardwerk über z bedeutendsten Vertreter der barocken Architektur in rreich. sondern auch mit dem Aufsatz iiDie politische Be- urig des deutschen Barockstr (1938) sowie den kunstge- xhtlichen Studienzumbarooken AlIegorismusü-Architektur bbildende Kunst-r. 1948. und iiAllegorie und Architekturq ) erwies er sich als ungemein fruchtbarer wissenschaftli- Denker und Anreger für jede zukünftige Forschung zur ckkunst. tohne Bezug zuden Zeitereignissen prägte man in den drei- 'Jahren für die Kunst der Barockzeit den Begriff i-Reiohs- um das Phänomen der barocken Stilentwicklung unter den am Leopold l.. Joseph I. und Karl VI. zu charakterisieren. ssedlmayr korrigierte diesen Begriff mit der Fassung iiKel- til-r oder genauer iiKaiserstil mit einer Tendenz zum Reichs- Diese Differenzierung entsprach mehr den Tatsachen der weichischen Verhältnisse und stand mit der Terminologie ioiitischen Geschichte dieser Zeit im Einklang. In diesem immenhang wies nun Hans Sedlmayr mit einer Anmerkung enen Punkt hin. der auch für das vorliegende Buch Franz rohes zum Ausgang für seine Forschungen gewesen ist. lich: iiAlle diese Programme (für die Bauwerke)und Devisen ienten eine eingehende Untersuchung unter politischen ohtspunkten... z Matscheversucht nun in seinem Werk wDiG Kunst im Dien- ler Staatsidee Karls VI. lkonographie. Ikonologie und Pro- imatik des .Kaiserstils'ri auf breitester Basis sorgfältig un- ichter Einzelfälle diesen Begriff zu sichern. Er untersucht -r die Kunstwerke nicht nur In der bisher üblichen fachspezi- en Art der Ikonographie. sonderntendiert weitdaruberhin- indemer auch die seit den vierzigerJahren sich entwickeln- orschungsmethode der Ikonologie (Warburg. Panofsky. rnayr. Mrazek) heranzieht. um die Sprache der Kunst. die autungsstruktur aller jener künstlerischen Unternehmun- inter Karl Vl. auch In Ihrer politischen Relevanz zu erschlie- in Verfolgung dieses Zieles werden für ihn Position und Rol- -s Auftraggebers sowie dessen politische Intentionen. die er mit den Kunstwerken in Verbindung gebracht haben woll- )n allergrößter Bedeutung. Was fürSedImayr 1938 nureine meine Feststellung gewesen ist und was er selber in Verfol- I dieses Gedankens mit seinem Beitrag über die Interpreta- der Schauseite der Karlskirche 1956 darstellte. nämlich erstes und anregendes. aber vereinzelt gebliebenes Bei- für die einzuschlagende Forschungsrichtunga. wird von rohe in seiner Arbeit in der umfassendsten Weise verfolgt, n er die aus der Regierungszeit Karls VI. stammenden rtwerkevor allem naus der Sicht des sie bestimmendenAuf- iebers behandeIMMatsche). DerAutorteiltdieThese Sedi- 's. daß sich i-in dem Auftreten dieses Stiles (Kaiserstil) und er Werke ein politischer Wille äußert, der sich die Möglich- der Kunst zunutze machtir. von diesen Voraussetzungen ausgehende wissenschaftli- Forschungsunternehmen Franz Matsches ist nun der ge- ene Versuch. die mit dem i-Kaiserstil des Wiener Holesir im immenhang stehende politische Problematik nachzuwei- Jfld auszuschöpfen. Er tut dies. indem er nicht nur die für Einzelfall gültigen zeitgenössischen kunsthistorischen ienwerke heranzieht. sondern gleicheniveise auch jene Be- ie hinterfragt, die im weitesten Sinne mit dem übergreifen- iegriff wPolitika abgedeckt werden können: die Quellen litera- ier und wissenschaftlicher Art aus den Bereichen Religion. JIIB. Ökonomie. Ethik. Mythologie. Poesie und Rhetorik. z Matsche gliedert seine Arbeit in drei Hauptteiie. die dem ntertitel angegebenen Schema von ikonographischer. iko- gisoher und programmatischer Behandlung folgen. im er- Abschnitt befaßt er sich mlt der Entstehung der Kunstwer- es wKaiserstiles des Wiener Hofesrr. den hauptsächlichen primären Quellen. die für die Deutung in Frage kommen. e mit den Auftraggebern und mit den Schöpfern der Werke. wird nicht nur die staatspolltlsche Konzeption und deren Ifesiationsfunktlon erläutertsondern aufdenAuftraggeber seine Mitarbeiter. aufdle Bedeutung dersohriftlich fixierten zepte und Deutungshilfen literarischer Art eingegangen. ühriich werden die Biographien des kaiserlichen General- IirektorsGundaokerGrafAlthann sowie der Konzeptvertas- (arl Gustav Heraeus und Konrad Adolph von Albrecht ver- und in ihrer Einflußnahme auf und ihrer Bedeutung für die beiden Hofarchitekten Johann Bernhard und Joseph Fischer von Erlach dargestellt. im anschließenden zweiten Teil unternimmt Matsche den Ver- such. aus den Quellen die staatspolitischen Ideen und ethi- schen Kategorien zu rekonstruieren. die mit den unter Karl Vl. geschaffenen Kunstwerken in Beziehung gebracht werden kön- nen. Hierbei geht es um die Darstellung des nStaats- und Herr- scherideais Karls Vl.. um die für ihn verpflichtenden Herrscher- tugenden und deren Präsentation als Abbild eines wahren Für- stenrr. Ein besonderes Interesse verdient im weiteren die ausführliche Darstellung des habsburgischen Tugendideals und Tugendka- ncns. An die Spitze stellt Matsche die wPletas AUSÜiECGK und de- ren Zusammenhang mit Religion und Politik als das bestimmen- de Fundament des habsburgischen Gottesgnadentums und ih- rerAmtsheiligkeit. Diese Ideen fanden eine künstlerische Mani- festation in den der Dreifaltigkeits- und Christusverehrung ver- pflichtenden Kunstwerken. so z. B. in der Dreifaltigkeitssäule am Graben in Wien. in dem Bundesladen-Denkmal in Györ und dem Kreuzpartikel-Pacifioale Kaiser Karls Vl. Das folgende Kapitel ist der i-Pietas Marianar und dem Kult Ma- riens als Staatspatronin und Generelissima der Habsburger ge- widmeLwieerz. B. in der MariensäuleAm Hof in Wien sich mani- festiert. Matsche verfolgt aber auch die Bedeutung der Marien- heiligtümer. wie Maria Zell. und erweitert seine Darstellung auch um jenen mit dem hl. Haus Mariens in Verbindung stehen- den Loreto-Kult auf habsburgischem Staatsgebiet. Anschließend wird der Heillgenverehrung und dem Kult des Na- menspatrons nachgegangen. wie ersich in der Karl-Borromaus- Kirche. Josephssäule und Nepomukverehrung manifestiert so- wie im Kult der Landesheiiigen. Ein weiteres Kapitel behandelt die Gerechtigkeitunddie DarsteilungderxClementiaAustriaca-r oderder wösterreichischen Milde undSanftmutc. wie siesich vor allem in der nSalus Pubiicac auswirkte. dem Gemeinwohl. das die soziale Intention des habsburgischen Tugendkanons und dessen Zielvorstellung vom Gemeinwohl umfaßt. Ein vergleichsweise ebenso reichhaltiger und umfangreicher Abschnitt behandelt dann das vTypisierende und Typologische des habsburgischen Tugendkanonsir. wie er sich in Karl Vl. als eines habsburgischen Herrsoherideals manifestiert. DaB auf diesem Herrscherschon zu Lebzeiten alle Ideale und Tugenden kumuliert wurden. ist aus der peilt-historischen Situation der vfDomus Austriair nur zu verständlich. Auf dem Höhepunkt der politischen Machtentfaltung und nach den siegreichen Türken- kriegen und der territorialen Machterweiterung lagen national- patriotische Gedankengänge nahe. Matsche verfolgt hier so- wohl die universalgeschichtiiche Herrscher- undTugendtypolo- giesowieallejene Bezüge. die im barockenAllegorismus mit Hil- fe des nsensus allegoricusu möglich gewesen sind und durch Exemplum. Allusion und Allegation slnnvoll-phantasiereich durchgeführt wurden. Diese Typologie wird nicht nur durch die Vorläufer des Namens Karl bestimmt. sondern in erweiterter Weise durch Zusammenhänge mit Personen und Ereignissen aus der Welt der Bibel. aus der römisch-caesarischen Historie und der antiken Heiden- und Gottermythologie. so z. B. Karl Vl. als Herkules. als Apollo und Sol-Sonne. Der dritte und letzte Teil derArbeit Matsches gipfelt in der Dar- stellung der Gesamtkonzeption und übergeordneten Program- metik des in den Kunstwerken zur Anschauung gebrachten Re- gierungsprogramms Kaiser Karls Vl. Matsche zieht für seine In- terpretation nicht nur den Titelentwurf für den Codex Albrecht heran. der die meisten Konzepte der Bauwerke enthält. aber nicht mehr publiziertwerden konnte. sondern auch dieTitelkup- fer der Stlohwerke Pfeffel-Kleiners zur Bautätigkeit in v ter Karl Vl.. die die generelle Problematik in allegorlsche tion darstellen. Matsche kann aber eineweitere kaum br Quelle beibringen. die seine bisherigen Ergebnisse in al stätigt. Es ist dies der Traktat des Wiener Jesuiten Anton nAugustaCarolinaevirtutismonumentaitvomJahre1731 mit zahlreichen Schautafeln versehene Arbeit erfaßt de ten Teil der von Karl VI. veranlaßten oder auf seine Initiz stande gebrachten baulichen Unternehmungen und ste unterprogrammatischen Gesichtspunkten vor. Hollerbi diese Weise eine zeitgenössische. ja offiziöse Deutung samlprogrammatischen Charakters dieser kaiserlicher tigkeit. Unterder programmatischen Formulierung iiDie Iichen Monumente der Carolinisohen Tugend oder die E ke. die von Carl VI. dem größten Kaiser und Vater des V. des. im gesamten Habsburgisch-osterreiohischem Geb allgemeinen Wohl errichtet worden sindir. wird der g Wirkungsbereich der Tugenden Karls Vl.. von den poli Taten bis zu den künstlerischen Unternehmungen gesc und zwar so. daß die letzteren. die i-Monumenteir oder dir ficia-r. als letzte Konsequenz der ersteren erscheinen. Hi zeichnet Karl VI. als wAedilis Augustusw und gruppiert Werke nach folgenden Sachgebieten: 1. iiAedificia sacrair. Bauten für den Kultus bzw. für die i 2. iiAedificla doctair. Bauten für Bildung. Wissensch Kunst S. i-Aedlflcla oeconomicair. Bauten für Wirtschaft. Han Verkehr 4. iiAediflcia civilis oder civica-r. Bauten für Soziales und che Ordnung 5. wAedificia bellica-r. Bauten für militärische Rüstung Friedenssicherung Hollers Schrift ist mitTitelkupfer und Schautafeln illustr sich auf die jeweiligen nAedificia-r beziehen. Matsche g genaue Inhaltsangabe und muß sich durch Höllers Arbi lem. was er bisher über die Kunst im Dienste der Sta Karls VI. ausführte. bestätigt sehen. Holler demonstri grundlegenden und alles beherrschenden Stellenwert d: scheri Bedeutung und Funktion der Bau- und Kunstur mungen Karls VI. vDiese sind prinzipiell von staatspoll Ideen. Intentionen undAmbilionen bestimmtaufdleihre hung. die Auswahl der Objekte, ihre Gestaltung und Deki die Thematik und lkonographie ihrer bildlichen Aus: durch Malerei und Skulptur zurückzuführen sind. Alle Wt terliegen a priori einer politischen Motivation und Prog tik. undzwar in einersystematischen und umfassenden l tion. die die gesamte Reihe dieser Werke als Programi scher Kunst determiniert. wie es in dieser entschiedei schlüssigen Art vorher nirgends zu beobachten ist. Bei wurde die Staatsauffassung des Monarchen statt durc sche Literatur durch die in Funktion und Gestaltung e chend gewählten Bauwerke, Denkmäler und andere l derbildenden Kunst sichtbargemacht. . Die Kunstwei den nicht zur Vermittlung der ideale seiner Politik einges stehen als die Werke und Ergebnisse des verwirklichten Herrschertums und des "guten Regimentesrr Karls Vl.. die Politik selbst. Das Phänomen. das dabei als besont merkenswert . .. wneuartig erscheint, ist der umfasser geradezu instrumentale Einsatz der Kunst im Dienstede des Monarchen als Propaganda und als Tatir. (Matsche. Franz Matsche. der sich mit dieserArbeit in Heidelberg tierte und der heute Professor in Münster ist. breitet se fassenden Untersuchungen und ungemein interessant schungsergebnisse aufeinem Umfang von 590 Buchsei Ein wissenschaftlicher Apparat. bestehend aus 1600 kungen. die mitunterzu kleinen Essays ausgeweitet sini ten Bibliographie und 165 Abbildungen. komplettiert die schungsergebntsse und macht seine Arbeit zu einer Fur für alle an der Kunst der Barcckzeit Interessierten. Alles in allem läßl sich von Franz Matsches Werk sagen dem Autor vollauf gelungen ist. an Hand der Rekonstruk für Karl VI. maßgeblichen Tugendkanons sowie seine ethik im Bezug zu seinen Kunstunternehmungen diesr serstill als ein anschaulich gemachtes Regierungsprc vorzustellen. dasgleichzeitig ein integraler Bestandteili tischen Praxis des Kaisers gewesen ist. Matsches Ar weist sich somit als ein bewunderungswürdigar Beitrag blematik des ivKaiserstils des Wiener Hofes"; sie ist t i-Summet. deren Ergebnisse weit über die fachspezifisr ziplin hinausreichen und daher auch bei den Nachbar nen. bei Theologie. Neue Geschichte und Sozialethlk. Interesse verdienen. Franz Matsche. Die Kunst im Dienste der Staatsidee Kaiser 1. Halbbd-XVlll 1428 Seiten. 2. HalbbdxVlll (429- 590 und 165i gen. Beiträge z. Kunstgeschichte. BD. 16Il + 2 Walter de Gruyter 8. Co 1981. Ganzleinen 7 DM 318.-