ßmtät lfntiquitdt
Siteää
Steinzeugkrüge,
17. Jahrhundert.
Kreussen, Annaberg.
Holländischer Vminenschrank, 2. Hälfte 18. Jahrhundert.
Edelhölzer auf Eiche furniert und imarsiert.
Kurfürstenteller.
Zinn.
17. Jahrhundert.
REINHOLD HOFSTÄTTER
Kunst und Kunstgevverbe
XAIICN
1.
KUNSTHAUS LEMPERTZ
Gegründet 1845
FRÜHJAHR 1976
550. LEMPERTZ-AUKTION
MODERNE KUNST
21 Mai 1976
Gemälde Aquarelle
Graphik Plastik
551. LEMPERTZ-AUKTION
OSTASIATISCHE KUNST
24. und 25. Mai 1976
China Japan
Südostasicn
552. LEMPERTZ-AUKTION
ALTE KUNST
14. bis 16. Juni 1976
Gemälde Skulpturen
Kunstgewcrbc
Ständige
Vertretung
ierhard Marck
in der Galerie
Lempertz
Contemporn
Gerhard Marcks,
Zwei Mädchen", 1954,
Bronze, Höhe 47 cm
B. C. Kockkock, Flußlandschaft mit Ruinen.
Bez. unten links B. C. Koekkoek f. 1851.
Öl auf Holz, Höhe 47 cm, Breite 58,5 cm
Reich bebilderte Kataloge erscheinen jeweils etwa vier Wochen vor den Auktionsterminen;
Bestellungen schon jetzt erbeten
D-5 KÖLN Neumarkt Telefon O6O221 210251
Aus der
Lempertz-
Auktion 552
Alte Kunst
14.-16.
Juni 1976
145 kunsf
clfe und moderne Kunst 21. Jahrgang 1976lHeH 145
Kuri Gutkcs
Die niederösierreichische Jubilöumsaussfeilung
TOOOJQhre Bobenberger in Österreich"
Gesfcilfung und Gliederung einer kuifurhisforischen Exposition
Franz Wagner
Zwei spötgotische Goldschmiedeurbeiien
im LungculSulzburg ..
Hans von Beriele
Gebändigte Zeit Zeiterfassung und Uhren
12
Mechtild Wierer
Sonicl Delouncly Jongleur der Farbe
20
Gerd-Dieter Siein
Egon Friedell und die Judustrcgödie
26
Friedrich Langer
Endlich ein Österreichisches Theclfermuseum insfifufionalisierf
31
Wiener Kunst- und Anfiquifäfenmesse 1976
34
Künstlerprofile
XXXVII. Biennale Venedig
Rudolf Hoflehner, Rudolf Kedl, Reimo S. Wukounig,
Wolfgang Walkensteiner van Dr. Lee Springschitz ..
Aktuelles Kunstgeschehen ..
Für den Kunstsammler P4 ..
Oscar Dietrich ein Wiener Gold- und
Silberschmied der Jahrhundertwende von Waltraud Neuwirth
Österreichisches Museum für angewandte Kunst ..
Bildnachweis ..
ääää
56
58
51
Titelbild Initiale aus der Geschichle der Bcbenberger" von
L. Sunlhoym, 1491. Aus Slifl KlosferneuburglNiederöslerreich, in der
Aussfellung lOOO Jahre Babenberger in ÖslerreichWSliH Lilienfeld.
Sonio Delounuy, Jongleur der Farbe, im selbsfenfworfenen Kostüm.
Herausgeber Kurt Rossacher Eigentümer und Verleger AMK-Verlag,
A-5024 Salzburg, lmbergstraße Postfad1 12, Telefon 06222 73731.
Redaktion Wilhelm Mrazek Chefredakteur, verantwortlich für den lnhalt;
Franz Windisch-Graetz Kunstgeschichte, Peter Baum Wiener Kunstkritik,
Alois Vogel Bundeslönderberichte, Leopold Netopil Berichte, Umbruch,
lmprimatur; alle Österreichisches Museum für angewandte Kunst,
A-1010 Wien, Stubenring Telefon 02 22 72 56 96 und O2 22 72 56 97.
Zweigreclaktion Salzburg Kurt Rossacher Gesamtgestoltung, Franz Wagner
Salzburger Kunstkritik, alle A-5024 Salzburg, lmbergstraße Postfach 12.
Herstellung Wagnefsche Unim-Buchdruckerei Buchroithner 8. Co., Innsbruck.
Für unverlangte Einsendung von Manuskripten oder Fotos wird nicht gehaftet.
Preis ab 1976 inkl. Porto Jahresabonnement, Nummern davon ein Doppel-
heft, öS 545.- inkl. Mehrwertsteuer, DM 78.-, sfr 82.-, Lit. 21.000.-. Einzelheft
öS 95.- inkl. Mehrwertsteuer, DM14.-, sfr15.-, Lit.3500.-.
Rates 1976, secand class mail included subscriptian issues numbers per
anno, f. 14.-, US 3B 30.- by air US 50.-; single issue 2.50, US 6.-
by air US 59 8.-.
Vertrieb WUB, A-6010 Innsbruck, Erlerstraße 5-7, Postfach 211. Bank Credit-
anstalt, Filiale Innsbruck, Konta Alte und moderne Kunst", Nr. 89-53291.
Anzeigen AMK-Verlag. Erscheinungsort Innsbruck.
Alte und moderne Kunst auf Mikrofilm beziehbar
Sämtliche Jahrgänge der Zeitschrift seit ihrer Gründung 1956 sind nunmel
auf Mikrofilm beziehbar. Alle sechs Spulen kosten zusammen 180 Dolla
Einzelspulen ie 30 Dollar.
Übersicht;
Spule 1956-1960
Spule 1961-1963 Spule 1970-1972
Spule 1964-1966 Spule 1973-1975
Lieterfirma Chadwyck-Healey Ltd., 21 Batemon Street, CAMBRIDGE
1NB, England.
Spule 1967-1969
Karl Gutkas
Diepjederösterreichische
Jubllaumsausstellung
1QOO Jahre Babenberger
in Qsterreich"
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Gestaltung und Gliederung einer
kulturhistorischen Exposition
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liäafÄQlÄ-ßßm 1.11
Das Grundkonzept der Ausstellung
Die großen Ausstellungen, die in Niederöster-
reich seit 1959 veranstaltet werden, lassen sich
in zwei Gruppen einteilen, in eine kunsthistori-
sche und in eine kulturgeschichtliche. Zu ersterer
gehörten die Ausstellungen in Krems, etwa auch
Romanische Kunst in Österreich", 1964, oder
die letzte Großausstellung des Landes Nieder-
österreich im Voriahr mit dem Titel Groteskes
Barock" im Stift Altenburg. Die erste Großaus-
stellung der zweiten, der kulturgeschichtlichen
Gruppe, war die 1966 gestaltete Exposition
Friedrich lll. Kaiserresidenz Wiener Neu-
stadt". Diese wurde 1973 vom Land Niederöster-
reich fartgesetzt mit Die Römer an der Donau"
in Petronell-Carnuntum und erreichte 1974 mit
dem Thema Renaissance in Österreich" auf der
Schallaburg eine weitere Ausprägung.
Die Ausstellung 1000 Jahre Babenberger in
Österreich" gehört ebenfalls in die kulturge-
schichtliche zweite Gruppe und besitzt darüber
hinaus noch besondere historische Akzente, weil
sie viel stärker als bisherige Themen auf ein
historisches Datum bezogen ist; Vor tausend
Jahren, im Juli 976, wurde das bayerische Gra-
fengeschlecht, das später die Babenberger ge-
nannt wurde, mit der Mark an der Donau be-
lehnt. Diese Mark,996 erstmals unkundlichOstar-
richi" genannt, wurde 1156 in ein Herzogtum
umgewandelt und zu einem Territorium ausge-
staltet. Dieses Land Österreich war Ausgang
Älteste erhaltene Abschrift des Privilegium
minus". Stift Klosterneuburg, Niederösterreich
Romanischer Löwe aus dem Schottenkloster
Wien. Germanische Nationalmuseum, Nürnberg
Ostarrichi-Urkunde", 996. Bayerisches Haupt-
staatsarchiv, München
aller Herrschaftsfarmen, die diesen Narnen im
Lauf der Geschichte führten, und es wird auch
heute noch als Kernland der Republik bezeich-
net. Die Periode der babenbergischen Herrschaft,
die 270 Jahre, von 976 bis 1246, dauerte, war
die entscheidende Phase im Werden des Landes.
Dies auf verschiedenen Gebieten darzustellen,
ist Aufgabe der Ausstellung.
Österreich war zur Zeit der Babenberger nicht
auf das heutige Niederösterreich und Wien be-
schränkt, die babenbergische Herrschaft umfaßte
im 13. Jahrhundert auch die Steiermark, einen
Großteil Oberösterreichs, Gebiete von Slowe-
nien und griff sogar bis nach Friaul aus. Daher
mußte in der Ausstellung versucht werden, auch
das Werden des Landes Steiermark in die Dar-
stellung aufzunehmen und Obiekte, die aus die-
sem Kulturkreis stammen, in die einzelnen Ab-
teilungen einzubauen. Ebenso wird Oberöster-
reich, besonders in seinen östlichen, einst baben-
bergischen Teilen, mit Exponaten dokumentiert.
Es werden aber auch Obiekte und Dokumenta-
tionen miteinbezogen, welche die babenbergi-
sche Ausstrahlung auch in andere Länder zei-
gen, etwa in der Baukunst noch Slowenien oder
in der politischen Geschichte durch die Person
des Bischofs Hartmann von Brixen nach Südtirol.
Als Ort der Ausstellung 1000 Jahre Babenber-
ger in Österreich" wurde von der NO Landes-
regierung das Stift Lilienfeld ausgewählt. Es hat
dies seinen guten Grund. Zwar können auch
IXIUäICI U33 LUIIUCS, CTWU IVIEIK, Heiligen-
Klosterneuburg oder Göttweig darauf
sen, daß sie als frühe Stätten österreichi-
ultur alle Voraussetzungen für eine der-
Landesausstellung aufzuweisen hätten und
tige historische Tradition mitbrächten. Li-
zeichnet aber eines besonders aus Es
ht nur die letzte große Babenberger-
Jng, sondern hat außerdem aus der Ba-
ger-Zeit auch so viel Bausubstanz be-
können, daß erhebliche Teile der für die
ringung der Ausstellung verwendeten Räu-
ast Ausstellungsobiekte sind. Darüber hin-
nn der Abschnitt, der sich mit der Doku-
ion der Epoche der Babenberger beschäf-
mittelalterliche Räume eingebaut werden.
ir eigenen umfangreichen Abteilung wird
ersucht, das Nachleben dieser historischen
bis in die Gegenwart im Bewußtsein
sterreicher zu dokumentieren. Selbstver-
sind Werke der bildenden Kunst da-
sonders geeignet, aber auch die Volks-
die Literaturgeschichte und das Kunst-
ie können dafür viele Zeugnisse beistel-
Babenberger-Zeit, in erster Linie na-
die Person Leopolds des Heiligen,
allen Zeiten Künstler oder Dichter ange-
zn, ein Zeichen, wie populär der Landes-
durch alle Zeiten war und ist und wie
im Bewußtsein der Österreicher veran-
mzept der Ausstellung sieht also sowohl
mfassende Dokumentation der Entwick-
es babenbergischen Herrschaftsbereiches
tischer, wirtschaftlicher, sozialer und kul-
Hinsicht, als auch kulturgeschichtliche
die sich über die späteren Jahrhunderte
zen, vor. Das bedeutet, daß versucht
mußte, eine Zusammenfassung und Syn-
er Forschungsarbeiten verschiedener wis-
iftlicher Disziplinen zu erreichen. Darüber
war es aber auch notwendig, bisher kaum
zte Bereiche neu untersuchen zu lassen.
en also die Arbeiten mehrerer Forschungs-
tionen verschiedener historischer Diszipli-
der Öffentlichkeit wenig bekannt sind,
Diplomatik, Landeskunde, Sozial- und
aftsgeschichte, der Anthropologie und
lagie neben denen der Kunsthistoriker,
sik- und Literaturwissenschaftlern, als Ar-
rerlage verwendet.
zlen aber auch relativ neue Disziplinen,
Schulgeschichtsforschung oder die Wis-
ftsgeschichte, vorgestellt werden können.
hinaus war es selbstverständlich not-
das Spezialwissen von Archivaren, Mu-
samten und Bibliothekaren in Anspruch
nen. Denn die Ausstellung soll auf den
Erkenntnissen aller dieser Wissenschaf-
uhen. Um dieses Ziel zu erreichen, war
arbeit vieler Fachkollegen der verschie-
Sparten nötig. So kann diese Ausstel-
einer Dokumentation der Zusammenar-
.-r österreichischen historischen Wissen-
werden. Mehr als fünfzig Kollegen
sich bereit, an der Gestaltung, an der
und Beschreibung der Obiekte mitzuar-
Sie wird also ein echtes Teamwork sein.
'seits ist es aber auch notwendig, daß
usstellung mit großer Breitenwirkung
Bildungsstand des Durchschnittsbesu-
ücksicht nimmt und allgemein verstünd-
Denn sie kann und darf nicht nur eine
tration der verschiedenen Disziplinen der
hen Wissenschaften Österreichs sein,
hat auch große volksbildnerische Ziel-
an zu erfüllen.
muß ausdrücklich festgestellt werden,
-sonders die frühen Jahrhunderte, das
Heinrich der Zönker, Regelbuch Stift Nieder-
münster, Staatsbibliothek Bamberg
Tragaltarchen der Markgräfin Swanhilde, "I1.
Jahrhundert. Stift MelklNiederösterreich
10., 11. und 12. Jahrhundert, bei Berücksichti-
gung dieser Zielsetzungen nicht nur mit erhal-
tenen Obiekten der frühen Babenberger-Zeit al-
lein dokumentiert werden können. Hier sind
Hilfskonstruktionen wie Fotomantagen, Diapo-
sitive und Moulagen einzusetzen gewesen. Wenn
davon reichlich Gebrauch gemacht wird, unter-
scheidet sich die Babenberger-Ausstellung da-
durch deutlich von der anderen großen histori-
schen Gedächtnisausstellung dieses Jahres mit
dem Thema Wien im Mittelalter".
Bei der Erstellung des Konzepts war uns klar,
daß die einzelnen Zeitperioden mit Originalen
unterschiedlich dokumentiert werden können.
Während die vorhandenen Obiekte und Rea-
lien aus der Frühzeit, der Periode der Mark,
spärlich sind, werden sie etwa seit dem Beginn
des 12. Jahrhunderts reichlicher und sind im
13. Jahrhundert schon in großer Zahl und Dich-
te vorhanden.
Bei der Erstellung des Konzepts wurde natürlich
auch auf die räumlichen Voraussetzungen Rück-
sicht genommen. Während die Abwicklung des
historischen Geschehens im Kreuzgong möglich
ist, können im Kapitelsaal und im Laienbrüder-
dormitorium durch die Konzentrierung wertvoller
Obiekte Höhepunkte geschaffen und auch den
erhöhten Sicherheitsbedingungen für einzelne
Obiektgruppen voll entsprochen werden. Gleich-
zeitig ergibt sich automatisch die Bildung von
Schwerpunkten. Dies ist äußerst wichtig, weil
dadurch das Publikumsinteresse beim Rundgang
immer wieder neu belebt werden kann. Es wur-
de nämlich auch darauf Rücksicht genommen,
daß die Ausstellung durchschwingt", das heißt,
daß Passagen, die mehr den Fachmann anspre-
chen, mit solchen wechseln, die allgemeines In-
teresse erwecken sollen und werden. Dabei
spielten auch Überlegungen eine Rolle, wie bei
starkem Besuch Stauungen vermieden und in den
Rundgang Ruhepunkte eingebaut werden kön-
nen. Wir hoffen, manche Erfahrungen früherer
Großausstellungen berücksichtigt zu haben, ob-
wohl ieder neue Ausstellungsort seine besonde-
ren Probleme bietet.
Die Disposition der Ausstellung
Aus den Erfahrungen früherer Londesausstel-
lungen, besonders der ähnlich gelagerten auf
der Schallaburg, wurde etwa übernommen, daß
eine allgemeine Übersicht notwendig ist, um
ein Verständnis für den dargebotenen Zeitraum
zu erzielen. Aus diesem Grund wird einleitend
eine ausgeprägte Gegenüberstellung der Reichs-
geschichte und der gleichzeitigen österreichi-
schen Entwicklung, besonders auf die einzelnen
Babenberger bezogen, angeboten. Ganz be-
wußt werden hier, mit Hilfe von Fotomantagen
und Kopien gestaltet, die Perioden der einzelnen
Kaiserdynastien der Ottonen, Salier und Stau-
fer mitden Herrschaftsdaten der babenbergi-
schen Markgrafen und Herzöge konfrontiert.
Auch den Beziehungen der Bayern zu den Un-
garn wurde ein einleitender Abschnitt gewidmet,
denn aus der Konfrontation dieser beiden Völ-
ker ist Österreich entstanden. Die Frühzeit von
976 bis 1095, die man als die Periode der Mark"
bezeichnen kännte, ist neben Hinweisen auf die
Siedlungsgeschichte im ersten Teil vorwiegend
mit archäologischen Funden gestaltet worden.
Diese sind in den letzten Jahrzehnten bei neuen
Ausgrabungen in größerer Zahl erschlossen
worden, etwa in Gaiselberg oder Gars-Thunau.
Daneben gibt es die schon lange bekannten
Fundstätten der Köttlacher Kultur" oder Gra-
bungsergebnisse im Raum von Tulln, bei St. Pöl-
ten oder im Marchfeld. Manche dieser Funde
ergänzen das bisher aus Urkunden oder Anna-
len bekannte Geschehen des frühen 11. Jahr-
hunderts.
10
11
12
Bischof Otto von Freising, Glasgemälde. Scheibe
aus dem Brunnenhaus Stift Heiligenkreuz, 14.
Jahrhundert
Markgräfin Agnes, Glasgemälde. Scheibe aus
dem Brunnenhaus Stift Heiligkreuz, 14. Jahr-
hundert
Falkensteiner Codex, Titelblatt, 1166-1196. Baye-
risches Hauatstaatsorchiv, München
Falkensteiner Codex, Burg Hernstein fol. 14,
1186-1196
Kruzifix aus der Ruprechtskirche, um 1170. Stift
MelkNiederösterreich
Sogenanntes Schreibzeug des hl. Leopold, 12.
JahLhundert. Stift KlosterneuburglNiederöster-
reic
Siculo-arabisches Pastorale, 2. Hälfte 12. Jahr-
hundert. Stift AItenburglNiederösterreich
Auch anthropologische Arbeiten, besonders die
Untersuchung der Babenberger-Gräber im Stift
Melk, brachten ebenfalls beachtliche Ergebnisse
für die Frühzeit des Babenberger-Geschlechts.
Was schon 1936 bei Leopold lll. versucht wurde,
ist nun auf breiterer Basis fortgeführt worden.
Auch Urkundenfarschung, Siedlungskunde und
Ortsnamenforschung spielen für diese Periode
eine große Rolle, und es ist verständlich, daß
wir versuchen, das allmähliche Werden des Lan-
des anhand einer großen Übersichtskarte zu zei-
gen. Wenn die Arbeiten des im vergangenen
Jahr verstorbenen Univ.-Prof. Dr. Karl Lechner,
ergänzt und fortgeführt durch iüngere Mitar-
beiter, die Grundlagen für diese Karte lieferten,
so ist damit das Ergebnis eines Forscherlebens
in einem einzigen Ausstellungsobiekt niederge-
legt.
Die Urkunden zur frühen österreichischen Ge-
schichte sind nur zum geringen Teil in österrei-
chischen Archiven erhalten, im Haus-, Hof- und
Staatsarchiv oder im Stiftsarchiv Klosterneuburg.
Überwiegend befinden sie sich im Bayerischen
Hauptstaatsarchiv, wo nach der Säkularisation
des Jahres 1803 die Archivalien der Hochstifte
konzentriert wurden. Die ältesten Urkunden, die
Österreich und die Babenberger betreffen, stam-
men nämlich aus den Hochstiftsarchiven Passau,
Freising oder Regensburg, so ist auch die so-
genannte Ostarrichi-Urkunde" von 996 eine
Schenkungsurkunde für Freising, während die
Urkunde, in der zum erstenmal am 21. Juli 976
ein Babenberger als Markgraf genannt wird, für
Metten, einem Benediktinerkloster bei Deggen-
dorf, bestimmt war. In diese frühe Periode gehärt
aber auch die Entstehungsgeschichte der ältesten
Klöster des Landes, wie Melk, Göttweig oder Her-
zogenburg. Aus deren Besitz stammen auch die
ersten wertvollen Realien, etwa der berühmte
Annalenkodex van Melk, von dem fast iede
Seite ein historisches Dokument ist, oder das
Tragaltärchen der Markgräfin Swanhilde als
ältestes erhaltenes Denkmal, das von einem Ba-
benberger überkommen ist. Aus diesen Aufzäh-
lungen ergeben sich bereits deutlich die Zuord-
nungsprinzipien dieser kulturhistorischen Aus-
stellung. Anders als bei einer kunsthistorischen
Dokumentation wird hier das Obiekt zur Person
und zum Zeitraum eingeordnet und soll in die-
sem Zusammenhang wirken.
Das gilt in viel größerem Maße auch für die
nächste Abteilung, die Leopold dem Heiligen
und seiner Familie gewidmet ist und die man
als die Zeit des Prinzipates" bezeichnen könn-
te. Aus dieser Periode sind die zeitgenössi-
schen Realien schon häufiger, etwa das Schreib-
zeug Leopolds des Heiligen", die Krümmen aus
Göttweig, Altenburg oder St. Florian, es müs-
sen aber auch Gegenstände herangezogen wer-
den, die erst im 14. und 15. Jahrhundert entstan-
den sind. Dazu zählen die Glasfenster mit den
Babenbergern, die in Heiligenkreuz und Klo-
sterneuburg erhalten blieben. Sie wurden als
älteste bildliche Darstellungen der Babenberger
bewußt schon in diesen Teil der Ausstellung ein-
bezogen. Die Gründung weiterer Klöster, von
Klosterneuburg und Heiligenkreuz über Zwettl,
Altenburg, Seitenstetten und den Schotten in
Wien, aber auch die Umgestaltung von St. Flo-
rian, letzthin auch das Werden Wiens" fallen
in diese Periode und bieten die Möglichkeit,
nicht nur Urkunden, sondern auch bedeutende
Handschriften, wie das Stiftungsbuch von Zwettl,
die sogenannte Bärenhaut", oder kostbare Reo-
lien vorzustellen.
Den Abschluß dieser Periode bildet der Kom-
plex des Privilegium minus", iener Urkunde, mit
der Österreich im Jahre 1156 in ein Herzogtum
umgewandelt und von Bayern getrennt wurde.
Es werden hier bewußt auch zwei Urkunden
ausgestellt, die Rudolf IV. 1359 fälschen ließ,
um Österreichs und seiner Landesfürsten Stellung
zu verbessern, das Privilegium maius" und das
Henricianum", eine Urkunde König Heinrichs IV.,
in die angebliche Privilegien Julius Cäsars und
Kaiser Neros inseriert sind. Damit soll diese für
die österreichische Geschichte so wichtige Pra-
blematik einer breiteren Öffentlichkeit anhand
der Originalurkunden vorgestellt werden.
Die Unterbrechung des Kreuzganges durch den
Zugang zum Roten Saal" und dem eigentlichen
Kloster wurde benützt, um die Entwicklung der
Steiermark anzudeuten. Hier sind neben Boden-
funden und Urkunden, als bedeutendste sei die
Georgenberger Handfeste", der Übergabever-
trag des Landes an die Babenberger, erwähnt,
auch Obiekte aus der Frühzeit von Wiener
Neustadt konzentriert. Denn aus dieser auf
steirischem Boden von den Babenbergern ge-
gründeten Stadt hat sich eine Reihe interessan-
ter Objekte erhalten. Auch das Stift Lilienfeld
kann im Roten Saal und im anschließenden Hof
dokumentiert werden, wobei mit dem Blick auf
die Apsis der Kirche ein bedeutendes aus der Ba-
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benberger-Zeit stammendes Ausstellungsobiekt
aus bisher kaum bekannter Sicht gezeigt wird.
Ein weiteres Kapitel bildet die Entwicklung des
Herzogtums" Österreich von H56 bis 1250.
Ganz bewußt ist die Dokumentation im Südteil
des Kreuzganges auf einige besondere Abschnit-
te konzentriert Entwicklung der dörflichen und
städtischen Siedlungen, Probleme der Wirtschafts-
und Gesellschaftsstruktur, die Beteiligung der
Babenberger an den Kreuzzügen und das all-
mähliche Verlöschen des Geschlechtes. Dafür
können schon in verstärktem Maße Realien her-
angezogen werden, etwa für die Dokumenta-
tion der männlichen Mtglieder der Familie ihre
Grabsteine, für die Frauen ihre Portrötsiegel. Die
besonderen Exponate dieses Abschnittes befin-
den sich aber ebenso in den folgenden Spezial-
kopiteln wie die wichtigsten Beispiele der kultu-
rellen Entwicklung der Steiermark Gässer Or-
nat, Gaaler Kreuz, Kruzifixus aus Aflenz, be-
deutende Werke der Literatur und Buchmalerei.
Die erste Spezialabteilung ist den Wappen und
Siegeln, dem Kriegswesen und den Münzen
gewidmet und in der Alten Pforte" unterge-
bracht. Hier kann besonders auf bedeutende
lleänu um Dulgkupdllv ullunanslllllileuer-
österreich, 3. Viertel 12. Jahrhundert
14 Initiale aus der Geschichte der Buben-
berger" von L. Sunthuym, 1491. Stift Klosler-
neuburglNiederösrerreich
15 Barockes Leopolds-Reliquien Siift St. PaullLu-
vanlmllKärnfen
i. IIUEKU lll uei DUlgKupEIIC uiieusieimiwxeuer-
österreich, 3. Viertel 12. Jahrhundert .,','-.5'
14 Initiale aus der Geschichte der Baben- 7.
berger" von L. Sunthaym, 1491. Stift Kloster-
neuburglNiederösterreich
15 Barockes LeopoIds-Reliquiar. Stift St. FaullLa-
vanttallKärnten
Leihgaben des Ungarischen Nationalmuseums
in Budapest verwiesen werden. Die nächste Spe-
zialabteilung behandelt Architektur, Bauplastik
und Fresken und wird im sogenannten Cello-
rium", einem aus dem 13. Jahrhundert stammen-
den und lange als Keller verwendeten Saal, ge-
zeigt. Beginnend mit einer Dokumentation der
ersten Holzkirchen über die bedeutende Ent-
wicklung während des 12. Jahrhunderts und dem
neuen Höhepunkt in der ersten Hälfte des 13.
Jahrhunderts wird, eingebunden in eine Gegen-
überstellung mit der internationalen Entwick-
lung, der jeweilige Stand der österreichischen
Baukunst zu zeigen versucht, wobei zu den
Moulogen, Modellen und Fotomontagen auch
Realien in möglichst großer Zahl hereingenom-
men wurden, um die Dokumentation abwechs-
lungsreicher zu gestalten. Es war eine echte
Überraschung, daß sich in Museen und Lapida-
rien verschiedener Stifte und Kirchen so viele
Obiekte aus der babenbergischen Spätzeit fan-
den, daß eine strenge Auswahl getroffen wer-
den konnte. Besonderer Wert wird darauf ge-
legt, bisher in Österreich wenig bekannte Objek-
te auszustellen. So kommt aus dem Germani-
schen Nationalmuseum in Nürnberg der aus der
romanischen Schottenkirche in Wien stammende
Löwe, ein vor kurzer Zeit in Göttweig gefunde-
ner Löwentorso ist ebenfalls noch niemals ge-
zeigt worden, eine Neuentdeckung sind auch die
Fresken der Schloßkapelle von Ottenstein. Auch 14
i".
in oder gleichartige Obiektgruppen zu-
nzustellen. Daß die Kirche von Lilienfeld
leutendstes spätbabenbergisches Bauwerk
sonders Ausstellungsobiekt darstellt, ist
;enwert. Aus diesem Grund wird auch
ch Beschriftung der interessantesten Teile
ieAusstellung einbezogen und gleichzeitig
Jahre 1974 anläßlich einer Grabung ge-
ten Erkenntnisse dokumentiert. Den kunst-
chen Schwerpunkt der Ausstellung bildet
iienbriiderdormitorium. Dieses ist übri-
iit dem einzigen erhaltenen mittelalterli-
iegelfußboden Österreichs ausgestattet.
nd lateinische Literatur und Wissenschaft
isnahme Ottos von Freising, die deutsche
lf, die Musik und die Buchmalerei mit
eren Handschriften dokumentiert. Als sel-
Obiekt sei der Falkensteiner Codex"
inchen genannt, der für die Wirtschafts-
zialgeschichte besonders interessante lllu-
ien enthält und bisher nur in einer aus
rigen Jahrhundert stammenden Publika-
kannt ist. Auch die Plastik ist durch wert-
Dbiekte vertreten, etwa die Freistädter
na aus Stuttgart oder das Kruzifix aus der
"iofkapelle in Wien. Die Einbeziehung
okumentation über Bischof Hartmann von
der durch sieben Jahre als Propst von
weuburg die Umwandlung des Kanoni-
es in ein Augustinercharherrenkloster
hrte, mag ebenfalls interessant erschei-
uch das Kunstgewerbe ist mit einigen
tücken vertreten, etwa dem Scheibenkreuz
amsmünster. Daß der Verduner Altar als
zndstes Kunstwerk der Periode nicht im
I1, sondern nur als Diapositiv ausgestellt
kann, ist wohl allgemein verständlich.
em Saal befinden sich auch die ersten
gruppen, die sich mit dem Nachleben
ibenberger" beschäftigen. Es sind dies
tätmittelalterlichen Darstellungen, die in
ieuburg anläßlich der Heiligsprechung
fs lll. entstanden sind. Vor allem wäre
benberger-Stammbaum zu nennen. Von
durch die Publikation von Floridus Räh-
rorigen Jahr besonders bekannt geworde-
anumentalen Werk können die beiden
ügel, die weniger bekannt und auf denen
uen des babenbergischen Hauses darge-
wd, im Original gezeigt werden. Der Mit-
iingegen wird durch eine Fatomontage
inalgröße dokumentiert, so daß der Be-
einen Gesamteindruck des gewaltigen
erhält, Ergänzt werden diese Objekte
.wei Tafeln des Frueauf-Zyklus aus Klo-
aurg und durch den großen Fuchsmagen-
aus Heiligenkreuz.
eser Abteilung deutlich getrennt auch
len andersgearteten Eindruck der Räum-
en sind die späteren Abteilungen der
ung, die sich mit dem Nachleben der
erger seit der Frühbarockzeit beschäfti-
en Schwerpunkt bildet der Prälatursaal,
hochbarocken Obiekte konzentriert wur-
voller Absicht wird nicht die Per-
ipolds des Heiligen in den Vordergrund
sondern durch Leihgaben aus Melk,
Seitenstetten, Heiligenkreuz oder Wiener
Jt die ieweiligen Traditionsströme der
an Klöster oder Städte dokumentiert. Daß
in der Barockzeit kostbare Denkmäler
xmmenhang mit den Babenbergern ent-
möge das Reliquiar aus St. Paul in
andeuten. Das Bild wandelt sich sehr
16 Scheibenkreuz, 1170-1180. Stift Kremsmünsterl
Oberösterreich
17 Franz Luby, Leopold lll., 1976
ren an der Leitha seien nur als Beispiele her-
angezogen. Diese Werke, teils als Gemälde,
teils als Fresken ausgeführt, die hier in Ent-
würfen gezeigt werden, sind lange Zeit eher
gering geachtet worden. Sie sollen nun aber
erstmals der Öffentlichkeit wirklich näherge-
bracht werden. Ein zweiter Raum der Galerie"
ist dem Fortleben des Nibelungenliedes gewid-
met, weil damit das bedeutendste Literaturdenk-
mal, das im 19. Jahrhundert besonders hervor-
gehoben wurde und im österreichischen Raum
entstanden ist, gewürdigt wird. Wenn kurz auch
auf das Fortleben in der österreichischen Wissen-
schaft, in der Literatur und im Schulunterricht
eingegangen wird, so deshalb, weil diese Zwei-
ge interessante Ergebnisse liefern können.
Daß die Babenberger auch in geistiger Hin-
sicht bedeutsame Leistungen hervorbrachten,
wird durch das Herausstellen der Person
Ottos von Freising besonders gewürdigt. Die-
sem Babenberger ist das Areal der barocken
Stiftsbibliothek gewidmet, die auch ein ba-
rockes Deckenfresko seiner Person aufweist.
Hier konnten die bedeutendsten Obiekte seines
Wirkens zusammengetragen werden, etwa Hand-
schriften seiner Werke, die älteste Handschrift
seiner Chronik, die in der Universitätsbibliothek
Jena liegt und in 14 Tafeln eine Illustration des
historischen Geschehens enthält. Von diesen ll-
lustrationen ist besonders bemerkenswert, daß
sie als erster Goethe im Jahre 1820 beschrieben
hat. Auch die früheste Darstellung Ottos im
Kopialbuch des Hochstiftes Freising kann aus-
gestellt werden. Den Ausklang der Ausstellung
bilden Darstellungen der Babenberger in der
Volkskultur und der Volkskunde, aber auch in
der Kunst des 20. Jahrhunderts. Denn auch in
unserer Zeit beschäftigen sich nach Künstler mit
historischen Darstellungen, nicht nur in einer Art
neuen Heimatkunst an Schulgebäuden, Sparkas-
sen und öffentlichen Bauten, sondern auch in Ge-
mälden, die Anspruch erheben können, als Kunst-
werk beachtet zu werden.
Im Rahmen der Ausstellung wird auch versucht,
als Abschluß und Zusammenfassung eine kurze,
etwa 15 Minuten dauernde Multidiaschau zu
bieten und dort die wichtigsten Objekte noch-
mals vorzuführen.
So soll diese niederästerreichische Landesaus-
stellung ein Versuch sein, die Erfahrungen frühe-
rer gleichartiger Veranstaltungen mit den spe-
ziellen Erfordernissen dieses historischen The-
mas zu vereinen. Die vorhandenen Objekte wer-
den vorwiegend nach kulturhistorischen Krite-
rien zugeordnet, durch Einbeziehung der Nach-
barwissenschaften wird ein Gesamtbild einer
wesentlichen Epoche der österreichischen Ge-
schichte zu bieten versucht. Es ist nicht nur ein
wissenschaftlich interessantes Vorhaben, Diszi-
plinen, die sich in zunehmendem Maße neben-
einander entfalten, zu einem Gesamtbild zu
vereinen, sondern auch eine selten gebotene
Aufgabe für eine Generation von Wissenschaft-
lern, sich und ihre Arbeit einer breiten Öffent-
lichkeit vorzustellen.
Unser Autor
Univ.-Prof. Dr. Karl Gutkas,
Stadtarchiv- und Kulturamtsleiter
der Stadt St. Pälten,
Prandtauerstraße
3100 St. PöltenlNÖ
wro
Silbemliörchen, MuriupfurrlLungau,
deransichf bei geöffneten Flügeln. 65
dito Vorderunsichf bei geschlossene!
dito Rückunsichi
Franz Wagner
Zwei spätgotische
Goldschmiedearbeiten
im LungaulSalzburg
Die herrlichen Zeugnisse des Salzburger Gold-
schmiedehandwerks aus dem hohen und späten
Mittelalter vermitteln selbst freilich nur ein ge-
ringer Bruchteil des einstigen Bestandes ein
recht anschauliches Bild von der künstlerischen
Höhe und Bedeutung dieser meisterlichen Kunst
in der mächtigen Bischofsstadt. Wichtige Werke
sind in den für den Bereich des Bundeslandes
Salzburg glücklicherweise vollständig erarbeite-
ten Bänden der Österreichischen Kunsttapagra-
phie' verzeichnet. Kurt Rossacher kannte 1962 in
dieser Zeitschrift" eine Rekonstruktion des Schat-
zes der landesfürstlichen Erzbischöfe vornehmen
und durch seine Forschungen in den Florentiner
Sammlungen einen wesentlichen Teil der um das
Jahr 1800 nach vorhandenen Einzelstücke dieses
Schatzes zeigen? Johann Michael Fritz hat nicht
nur in seiner Arbeit über Gravierungen auf deut-
schen Goldsdtmiedearbeiten der Spätgotik 1969
auf die erstaunlich große Zahl qualitätvallster
Werke mit ausgezeichneten Gravierungen hin-
gewiesen und vermerkt, daß dadurch Salzburg
unter allen Städten und Landschaften eine wich-
tige und glanzvolle Rolle spielt". Fritz wird auch
in naher Zukunft im Auftrag der Deutschen For-
schungsgemeinschaft eine umfassende Untersu-
chung über die Goldschmiedekunst der Gotik
vorlegen und dabeis die unbeweisbaren Zu-
schreibungen von Kahlhaussent, die Stücke des
Salzburger Schatzes in Florenz betreffen, wieder
rückgängig machen".
Soll nun van zwei bedeutenden Meisterwerken
der spätmittelalterlichen Goldschmiedekunst der
Stadt Salzburg, die sich in Kirchen des Lungaus
erhalten haben, die Rede sein, so handelt es
sich dabei keineswegs um aufregende Neuent-
deckungen. Das Silberaltörchen van Mariapfarr
und die Monstranz der Wallfahrtskirche St. Leon-
hard bei Tamsweg sind seit mehr als einem Jahr-
hundert der kunstgeschichtlichen Forschung be-
kannt. Schon lgnaz von Kürsinger hatte 18521
in seiner Beschreibung einer jener Gegenden
unseres schönen Vaterlandes, welche wie der
Lungau bis ietzt eine Terra incognita noch
nie eine selbständige Bearbeitung gefunden ha-
ben", das von Pfarrer Peter Grillinger gestiftete
Klappaltärchen eingehend beschrieben und ver-
merkt, daß das Altärchen im Pfarrhofe im so-
genannten Archivkasten, in saubere Leinwand
eingehüllt, das ganze Jahr hindurch unter Schloß
und Riegel verwahrt wird und nur am Fron-
leichnamstag an einem der vier Feldaltäre der
Prozession dem an der Straßenwand des Pfarr-
hafes den Augen des Volkes gezeigt wird".
Karl Lind hat es dann 1873 in seinem Bericht
über Die österreichische kunsthistorische Abthei-
lung auf der Wiener Weltausstellung" erwähnt,
Anmerkungen 1-10
lßezüglidt des Lungnues Die Kunsldenkmale
sdten Bezirks Tamsweg, UKT, Bd. 22, 1929.
Kurt Rossacher, Der verschollene Schatz der
von Salzburg, Neue Entdeckun en in den
des Palazza Pitti, in Alte un Moderne Kt
1962, Heft 58159, S. 2-10, Heft 62l63, S. 22-1
64l65, S. 21-26.
"Kurt Rossadter, Der Schatz des Erzstiftes
Jahrtausend deutscher Galdsdtmiedekunst, Sa
'lahann Michael Fritz, Gestachene Bilder,
gatädeutsdten Goldschmiedearbeiten der Spä
Brieflidte Mitteilung vom 7. Jünner1976.
fHeinrich Kahlhaussen in seinem Buch Nürnl
Schmiedekunst", Berlin 1963, Kat. Nr, 229 um
Ytattal van Kürsinger, Lungau, historisch, etl
und statistisch dargestellt, Salzburg, 195
der Beschreibung des Altärchens auf S. 537-54
'Karl Lind, DIE österreichische kunsthislaris
lung auf der Wiener Weltausstellung, in
der k. Central-Commissian 13. Jg., 1371
'HHSIA Wien, Hs.-Nr. 149 Band der
Kammerbücher", Eintragung Nr. 92.
Zur dtronalagisclten Reihe der Pfarrer von Ma
Josef Schitter, Heimat Mariapfarr, 1975 im
des Verfassers Ä-5571 Mariapfarr Nr. 117,
anz Martin in dem von ihm bearbeiteten Kunst-
pographieband über die Kunstdenkmäler des
ulitischen Bezirkes Tamsweg eingehend bear-
iitet. Es darf aber erlaubt sein, wieder einmal
if dieses Meisterwerk hinzuweisen.
9. Oktober, am Tag des hl. Dionysius, des
hres 1444 beurkundeteq Peter Grillinger, Pfar-
zu Mariapfarrl" im Lungau, Chorherr des
Jgustinerchorherrenstiftes St. Barthalomöus in
iesach und Kammermeister Finanzminister
zs Erzbistums Salzburg Da ich betracht han,
is das czeitlich und czergenckleich leben hir
lt erdreich gegen dem ewigen leben nichts zu
heczen ist und da ainem yeden menschen nach
inem tad nicht meer hailwertikaitt seiner seele
ichvolgt dann guete werch, die er hye auf
dreich valbracht hat", so übergibt er aus sei-
rm Eigentum in das der Pfarrkirche Maria-
arr neben einigen in der Urkunde genau be-
ichneten Bauerngütern und genannten Büchern
lCl'I folgende klaynacl und arnet". Von erst
silbreine tafel, vergaldt mit edeln gestain,
irinn sind hundert und acht stuck heiltum,
esteet bey fünfhundert gulden. ltem ain kor-
ppen von ainem guldein tuch auf ainem roten
zden mit ainem silbrein heftlein. vernnlt mit
Die obere abgeschrögte gerade Fläche des pre-
dellenartigen, mit vorgeblendetem tensterartigem
Maßwerk geschmückten Sockels trägt in schwar-
zen Emailminuskeln eine Widmungsinschrift
Mille quadringentaque quadrageno quoque
tertio Grillinger pfarre plebanus presbyter
dedit hoc me". Der flache Schrein schließt oben
mit zwei nebeneinandergestellten Kielbogen, die
in Fialen auslaufen; zwischen ihnen in der Mitte
ein Aufsatz mit der vollplastischen Figur des
Schmerzensmannes, von einem Baldachinge-
sprenge mit abgebrochenen Fialen bekrönt. Der
Rand der dadurch verkleinerten Nische des
Schreines wird durch eine Reihe abwechselnd
mit rechteckigen Reliquienpöckchen gefaßter
Steine, um die sich jeweils kleine Perlen grup-
pieren, gebildet. Links unten unter dem Wim-
perg die vollrund gearbeitete Figur des Stifters,
dargestellt als kniender Priester mit der Pelz-
mozetta der Augustinerchorherren; das ihm zu-
gehörige Schriftband Sum tibi causa crucis
vitam tribue michi lucis" steht bereits steil an
der Wand der eigentlichen Schreinnische. In die-
ser eine Kreuzigungsgruppe von vorzüglicher
Qualität mit den vollgearbeiteten Figuren des
Krnvifiyuc rinr 1m Hauen Fftßnn lastet-vier- Manz
1.! nlnz-lllü
man!
nur-n
10!"
cas desine pro me", rechts Spina crux clavi
vvlnus mars que toleraui ostendant quam
miserorum crimina lavi Mors tua mors
XChristi fraus mundi gloria celi Et dolor
inferni Sunt meditanda tibi"; unter Maria
Christurn non istum sed deum cole per
ipsum Non de pictura sed de re sit tibi cura",
unter Johannes Aue caro Christi quod
pro me passa fuisti Me reum munda Moriar ne
morte secunda".
Die Innenseiten der kielbogigen, in einen Stein
mit angesetzten Krabben endigende Flügel sind
in jeweils zwei Felder geteilt; iedes derselben
ist durch einen naturalistischen Ast mit Blättern
und gefaßten Stein gerahmt und enthält ein
gegassenes Relief. Links oben Maria Geburt
Wochenstube, Bett vor Vorhang, davor eine am
Boden kniende Magd, die das Kind eben in eine
Wanne legt, darunter in roter Emailschrift Na-
tivitas marie", dann in schwarzer Quando nata
es virgo safcratissima tunc illmantus statt illu-
minatus est mundus". Links unten Maria Reini-
gung links drei Frauen, rechts der Hohepriester
mit dem Kind, in roter Emailschrift Purificacio
marie", in schwarzer dvlerunt iesum in iervsa-
ln... ..o .-,im.-.-.i m"... rlßrvuinrwl, 0-4.4.. l-ukfilh
in schwarzer Ave gracia plena dominus telcum
benedicta tui in mumlieribus et benedictus
fructus". Rechts unten Tod Mariens kniende ster-
bende Maria, die von einem Apostel gestützt
wird, links kniender, daneben und hinten ste-
hende Apostel; darüber in Wolken Gott-Vater,
Maria auf dem rechten Arm haltend mit ln-
schrift Assumpta es malria in celurn exaltata
super choros angelorum". Bei iedem Relief sind
im oberen Viertel gefaßte Steine und Perlen
appliziert.
Auf der Rückseite des Mittelteiles fällt die wie
eine Urkunde aussehende Inschrift auf vollstän-
dig gedruckt bei Kürsinger, S. 541, in der in vier-
undzwanzig Zeilen die im Altörchen verwahr-
ten Reliquien, der Name des Stifters und die
Jahreszahl 1443 in tief gestochenen Buchstaben,
wie wir sie von Siegelstempeln kennen, verzeich-
net sind ln presenti tabula per dominum
petrum Grillinger plebanum huius ecclesie pfarr
Anno domini M"CCCC"XLIII comparata et ad
eandem parrochialem ecclesiam dato conti-
nentur Reliquie infrascripte; de ligno s. cru-
cis... Agne dei miserere mei. s. Nicolai
episcopi." Darunter in drei kreisrunden Me-
daillons, von spötgotischem Blattwerk umrahmt,
sieht man in gravierten Darstellungen das Lamm
Gottes und die Symbole der Evangelisten Mar-
kus und Lukas. Diesen beiden Symbolen ent-
sprechen oberhalb der Kielbogen, wo sich die
Medaillonrahmen mit der spätgotischen Rah-
mung verbinden, die des Adlers und des Engels.
Dazwischen befindet sich noch ein kleines, nach
oben dreieckig auslaufendes Feld, das einen
Engel mit dem Schweißtuch der Veronika zeigt.
Auf den Außenseiten der im Gesamtaufbau glei-
chen Flügeln scheint eine zweigeschossige Archi-
tektur gezeichnet zu sein, beziehungsweise ist sie
tief eingraviert Im unteren Teil öffnet sich das
Geböude" in einer von zwei Rundbogen über-
fangenen breiten Türe"; darüber folgt ein Ge-
sims, ein mit Maßwerk versehenes Zwischenge-
schoß und wiederum eine große Öffnung, deren
oberen Abschluß nun zwei Spitzbogen bilden,
die von einem Kielbogen zusammengefaßt wer-
den. Vor diesem Gebäude" beziehungsweise
vor den Öffnungen stehen ieweils zwei Heilige
oben Petrus und Paulus beziehungsweise Johan-
nes der Täufer und Johannes der Evangelist,
unten Katharina und Barbara und zwei heilige
Bischöfe, die durch keine individuellen Attribute
näher identifizierbar sind, in denen man aber
wohl die Salzburger Diözesanheiligen Rupert und
Virgil erkennen darf.
Abgesehen von allen anderen künstlerischen Ei-
genschaften des Mariapfarrer Altörchens, abge-
sehen von der vorzüglichen Qualität der Kreu-
zigungsgruppe im Schrein, abgesehen von allen
ikonographischen und ikonologischen Überle-
gungen dieses Flügelretabels wie Walter
Paatz" mit Recht solche Werke bezeichnet wis-
sen wollte und worüber einmal an anderer
Stelle ausführlich zu sprechen sein wird sind
es gerade die gravierten, also mit dem Grab-
stichel gestochenen" Darstellungen der Rück-
seite und der Flügelaußenseiten, die, wie Johann
Michael Fritz" nachgewiesen hat, die besondere
Bedeutung dieses Hauptwerkes der Salzburger
Goldschmiedekunst bedingen. Denn deren vor-
zügliche handwerkliche und künstlerische Durch-
bildung unterscheidet sich nicht nur grundlegend
von früheren derartigen Arbeiten im salzburgi-
schen Bereich, etwa vom Ziborium der Bürger-
spitalkirche von 1411.
Sie sind mit einer Sorgfalt, Genauigkeit und einer
Überlegung gestochen, die auch international
gesehen ihresgleichen sucht. Bedenkt man, so
meinte Fritz, daß die Gravierungen drei Jahre
vor dem ersten datierten Kupferstich vgl. Ein-
10
leitung entstanden sind, so muß man fest
daß dieser Stecher der zugleich de
führende Goldschmied war im Vollbesit
technischen Möglichkeiten der Gravier
Stechkunst des 15. Jahrhunderts war
manchem alle Stecher vor Schongauer,
den Meister in den Schatten stellt. Doc
nur dies; neben dieser einzigartigen techi
Vollkommenheit offenbart sich in diesen
rungen ein erstrangiger Zeichner und
Seine Figuren sind zwar noch in manche
weichen Stil" der Zeit des ersten Jahrh
viertels verpflichtet, der in Salzburg lang
wirkt. Doch kündigt sich in den breiten, kr
Gestalten, in dem mächtigen eckigen
Falten, der Herbheit der Gesichter und
nig eleganten Bewegung schon der Stil
in der Malerei und Bildhauerei etwa
ster des Albrechtaltares und Jakob Ka
vertreten.
Damit sei selbstverständlich nicht gesag
der namentlich leider noch immer unbe
Meister der Mariapfarrer Silberretabel de
ferstich erfunden" hat. Doch steht wo
daß er nicht nur im Kreis der zu dieser
der Stadt Salzburg namentlich nachgew
Goldschmiede zu suchen ist. Sicher ist,
seiner Hand auch die silbernen und ve
ten Meßbuchbeschläge an iener groß
prunkvollen Bibelhandschrift",5 stammen
wie uns das Verbrüderungsverzeichnis der
tusbruderschaft an der Salzburger Kat
kirche",f mitteilt Peter Grillinger dies
derschaft im zeitgenössischen Wert vt
Pfund Pfennigenl zum Geschenk machte.
Auch ist zu bedenken, daß nur an den
der großen Handelszentren wie gerad
burg im 15. Jahrhundert eines war der
schmieden iene Edelsteine zur Verfügun
den, wie wir sie am Mariapfarrer Altärcl
wundern können. Neben Smaragden,
sten, Almadinen und einem Topas lenkt
ders ein durchbohrter Saphir das Augenm
sich. Nora von Watteck" hat die Frage
worfen, ob diese Durchbohrung die
den Saphiren der spätgotischen Prunkmi
Rupert Keutzl, des Benediktinerabtes von
ter in Salzburg, aber an keinen ander
spätgotisch gefaßten Edelsteine an diese
ken vorkommt noch im Heimatland
phire, in Indien, oder erst in Europa
Jedenfalls scheint der Hinweis wichtig,
Saphir im Spötmittelalter der bevorzugt
hoher Geistlicher war, da er seiner
bläue wegen als Sinnbild von Andacht
und himmlischer Liebe angesehen wurd
Beispiel tragen alle mittelalterlichen Rin
man in namentlich bekannten und daher
zu datierenden Bischofsgräbern der grof
thedralen Englands gefunden hat", durcl
Saphire.
War die Pfarrkirche zu Mariapfarr der
Ur- und Mutterpfarre des Lungaus, so
nahe Tamsweg im dritten Jahrzehnt des
hunderts ein neues kirchliches Zentrum
gaus. Wie die Legende berichtet, hatte
fällige Verschwinden eines Leonhardsbili
ziehungsweise dessen wiederholtes Wie
finden im Jahre 1421 auf einem Bühel o1
von Tamsweg jenen prachtvollen Kirchenl
Steinmetz-Architekten Peter Harperger zu
der am 20. September am Sonntag nacl'
erhöhung des Jahres 1433 durch Jc
Ebser, Bischof von Chiemsee und Suffrag
Salzburger Metropoliten, geweiht wurc
rasche und mächtige Aufblühen der Leo
Wallfahrt war nicht nur Grund zu einer
zwischen Pfarrer Peter Grillinger und
Johann Gschürr von Tamsweg edel
ern konnte bereits 1441 eine große Mon-
angeschafft werden, die wie das Maria-
ar Altärchen zu den Hauptwerken der Salz-
ir Goldschmiedekunst gehört.
einem vierpaßförmigen gestuften Fuß mit
ringenden Ecken erhebt sich über glatten
ischen Flächen ein nodusartiger Griff, der
wen flachen Knäufen durch ein achteckiges
makelähnliches Architekturstück gebildet
Der Griff verbreitert sich nach oben zu
breitrechteckigen Sockelplatte, über der
ler ungewöhnlich straffe und klare zwei-
Monstranzaufbau erhebt. Darin ist in the-
einzigartiger Weise der eucharistische
nke mit der Verehrung des Kirchen- und
ahrtspatrons verbunden der hl. Leonhard,
eschützer der Gefangenen wie des Viehs,
dem gerade im 15. Jahrhundert immer
von Kriegen heimgesuchten Bergbauern-
von hacl-iaktueller" Bedeutung. Im unteren
einer Ädikula mit seitlichen Baldachinen,
.n der Mitte unter einem mit Krabben und
alumen besetzten Kielbagen die im Ver-
zu den anderen Skulpturen übergroße,
hohe, vollrund gearbeitete Figur des hl.
ard im Benediktinerhabit, in den Händen
ein Buch, rechts sein individuelles Attribut,
Befangenenkette", vorweisend; außen un-
seitlichen Baldachinen die beiden ge-
ien und vergoldeten Silberfigürchen der
wdigung, des Engels und der Jungfrau.
fand über dem Kielbogen und den Fialen
Jldachine ist als durchbrochenes Maßwerk
tet und verbreitert sich nach oben zur Ba-
eigentlichen monstranzartigen Teiles, der
nem rechteckigen verglasten Schrein und
ien, oben durch einen Dreipaß und eine
ikrane mit dem Schrein verbundenen Zi-
besteht. lm Schrein zwei kniende Engel
hobenen Flügeln, die Lunula tragend; un-
iZiborienbaldachinen auf Postamenten die
1en der Heiligen Laurentius und Jacabus
was einerseits wahl auf den Namens-
des Auftraggebers und andererseits wohl
an Patron der Wallfahrer hinweist. Als
er Teil der Monstranz sind auf dem Lunula-
se drei direkt nebeneinanderstehende
ien aufgesetzt, deren Fenster" aus drei-
em Maßwerk mit blauem und braunem
bestehen und deren Giebel mit Krabben
alen besetzt sind. Während die anderen
mit vierseitigen spitzen Pyramiden be-
sind die jeweils in einer Kreuzblume
ist auf dem mittleren Turm noch ein
im aufgesetzt, in dem die Figur des
rzensmannes steht; darüber ebenso eine
tige Pyramide. Auf den seitlichen Zibarien-
hinen sind übereck gestellte Türme mit
teiltem, mit Email ausgefülltem Maßwerk
etzt.
er die Adikula mit dem hl. Leonhard tra-
Sockelplatte ist an deren vorderer
folgende zweizeilige silberne Minuskel-
auf Niello angebracht Lawrencz Maut-
"ger zu Temssweg zechmeister sand Lien-
auz menigerlay chlainaten dew der chir-
xnd Lienharcz geopfert sind anno domini
IÜXIL" iar" was wohl, wie auch Martin
meint, 1441 und nicht 1439 zu lesen
Mautter war einer der angesehenen
eger Bürger dieser Zeit und ist in den im
dito hl. Petrus und hl. Paulus. Oberer Teil der
einen Flügelaußenseite
dito hl. Johannes der Täufer und hl. Johannes
der Evangelist. Oberer Teil der anderen Flügel-
außenseite
Monstranz, Tamswe lSt. LeonhardlLungau, 1441.
Silber, vergoldet, B6 cm
Goldschmied herrührte, ist eine durch nichts be-
gründete Hypothese. Und wenn Martin" schreibt,
daß als Goldschmiede die Meister Michel oder
Wolfgang von Salzburg in Betracht kommen, da
sie im Bruderschaftsbuch" als Mitglieder einge-
tragen sind, so ist dies irrige Vermutung. Denn
der von 1465-1471 und nicht ahne Jahres-
zahl, d. h. vor 1450" als Mitglied unter den
Einwohnern der Stadt Salzburg eingetragene
Michel goldsmid" ist identisch mit dem aus
Bamberg gebürtigen Goldschmied Michael Hof-
mann, der am 7. Juli 1453 das Salzburger Bür-
gerrecht erhielt und wohl knapp nach 1471 ver-
starben ist; und der 1465-1476 eingetragene
Wolfgang Faust ist erst 1457 bis zu seinem Tode
1491 in Salzburg nachweisbar. Außerdem ste-
hen für das zweite Viertel des 15. Jahrhunderts
genügend Namen vgl. Salzb, Meisterliste be-
deutender Salzburger Goldschmiede zu Verfü-
gung. Zum Beispiel ist auch der Umstand unbe-
achtet geblieben, daß der Salzburger Gold-
schmied Vinzenz Plab der 1441 sogar Bürger-
meister der Stadt ist und dessen Werkstatt nach
seinem Tode 1455 dann Wolfgang Faust über-
nimmt als Siegler von zwei Rechtsgeschäften
auftritt, mit denen Ulrich Panichner, Pfleger zu
Golling, der Leonhardskirche und ihren Zech-
leuten Lorenz Mautter und Christian Fülsschäf-
fel 1438" bzw. 1439" ie ein Gut in der Ramsau
im Landgericht Wolkenstein verkauft. Trotzdem
wäre es unverantwortlich, einzig daraus zu
schließen, daß Vinzenz Plab der Meister der
Leonhardsmonstranz sei.
Hans Ramisch hat" darauf aufmerksam ge-
macht, daß zwar zwei der sechs Statuetten an
der Monstranz, die Maria der Verkündigung und
der hl. Jacobus maiar, noch stark vom weichen
Stil geprägt sind, daß aber die drei anderen
kleinen Figürchen wie auch die bedeutend grö-
ßere Hauptfigur des hl. Leonhard stilistisch mit
dem in der Inschrift angegebenen Datum über-
einstimmen. Es scheint daher durchaus möglich,
daß die beiden altertümlich" wirkenden Figür-
chen nach älteren, noch in der Goldschmiede-
Werkstatt vorrätigen Modellen gegossen wurden,
was wiederum auf ein Bestehen dieser Werkstatt
im weichen Stil hinweisen könnte. Ramisch zeigte
auch an der Figur des Schmerzensmannes aus
dem bekrönten Zibarium wie besonders aus der
so qualitätvollen Meisterleistung im hl. Leon-
hard, daß an ihnen nicht nur alle Merkmale des
verhärteten Stils" um 1440 abzulesen sind, son-
dern daß auch etwa an dem Eindrücken"
der Falten des Mönchshabits Ansätze zu wei-
terer Entwicklung im Stil der Salzburger Plastik
spürbar sind.
Unser Autor
Franz Wagner,
Postfach 11,
5163 Mattsee
Anmerkungen 11-26
"Walter Paatz, Süddeutsche Schnitzaltäre der Spätgotik,
Heidelberg 1963, S. 12 und Anm. 1.
Fritz, Gestoctiene Bilder, vgl. Anm. S. 226-230.
Bayerische Staatsbibliothek München, Hs. clm. 15.701.
Ediert Man. Gerrn. NekroL, Bd. llll, 1890-1904, S. B9.
Nora Watteck, Zwei Bodenfunde, in Mitt. Ges, f. Salzb.
Landeskunde, 106. Jg., 1966, S. 247-252.
lt C. C. Oman, English Mediaeval Gem-Rings, in The
Connoisseur, Augustheft1930.
DEIIU Fmnl Martin, Salzbulger Archivberichte 1111948,
Nr zum.
"Zum individuellen Leanhardsattribut vgl.
Gustav Gugill.
Festschrift für
OKT 22,1929,S.232 mit Abbn. 280 und 281.
Regesien dazu in Salzburger Archivberichte, ll, 1948.
Karl Lind, Die Manstranze in der Kirdie St. Leonhard im
Pangau sicll, in Mitteilungen der k. k. Central-Commis-
sion 15, 1870, S. XXVl-XXVIII.
OKT 22, 1929, S. 232, und Kunstgeschichte von Salzburg,
Wien, 1925, S. 71.
Landesarchiv Salzburg; Band t. 144.
Salzburger Archivberichte, ll, 1948, Regest Nr. 63.
15 Ebenda, Regest Nr. 66.
Hans K. Ramisch, Zur Salrburger Holxplastik im zweiten
Drittel des 15. Jahrhunderts, in Mitt. Gcs. f. Salzb.
Landeskundc, 104. Jg., 1964, S. 1-87, hier S. 26-27.
11
Hans von Bertele
Gebändigte Zeit
Zeiterfassung und Uhren
Hans von Bertele
Gebändigte Zeit
Zeiterfassung und Uhren
Unter diesem Motto hat im Oktober 1975 die
Creditanstalt Wien in ihrem Hauptgebäude eine
Ausstellung lür ihre Freunde und Kunden aufge-
baut, wie sie jedes Jahr sich bemüht, einen Ein-
blick in ein interessantes Wissensgebiet zu
geben. Das Material insgesamt rund 100 Ob-
iekte, teils historisch bedeutende und kennzeich-
nende Stücke aus den Wiener Museen und
österreichischen Privatsammlungen, teils moder-
ne Zeitmesser für den Alltag und für Spezial-
autgaben Sport etc. aus dem Handel, teils
den Herstellungsgang und das Service betref-
fende Hilfsmittel waren durchwegs Leihgaben
und besonders eindrucksvoll in schöner Beleuch-
tung disponiert, die dem Besucher die enge Ver-
bundenheit der Zeiterfassung, das heißt des
Ringens um die Böndigung derselben durch die
Jahrtausende der menschlichen Geschichte, nü-
herbrachte.
Für die Presserepräsentation am "I3. Oktober
1975 hat der Berichterstatter in einem Einfüh-
rungsreferat versucht, die Hauptphasen dieser
weitausholenden Bestrebungen der Men
mit Bezugnahme auf die zahlreichen
lungsobiekte zu umreißen. Diesen durch
5000 Jahre sich hinziehenden Bestrebungei
nur einigermaßen eine gerecht werdendz
stellung zu geben, füllte Bände und ist
lich gerade in den letzten Jahrzehnten
liegen der Geschichte geworden, wie dii
ernd anwachsende Literatur und Amat
sellschaften zeigen.
Trotzdem mag es gerade wegen dieser
Die Furbubbildungen 2a und 13 slehen aus technischem
Grund auf den Seiien 18 und 19.
12
Stonehenge, Langzeit-, Sonnen- und Mond-
heutiger Stand T963, außen der Sarsen-
is, innen der Rest des Trilithonenkreises. Re-
istruktion des für 1300 v. Chr. anzunehmen-
Ausbaustandes. Nach den Ergebnissen der
itigen Archäologie entstand Stonehenge in
Etappen ca. 2400, 2000 und 1600 v. Chr..
ner bessere Resultate für die Feststellung der
iresfestlegung durch Sommer- und Winter-
inenwende und Äquinoktien sowie des Mand-
enders gebend. Das Faszinierende ist dabei
Vorstellung, wie die Grundlagen dafür
'ch Lan zeitbetrochtungen über viele Jahr-
iderte zweifelsohne in schriftlicher Form
gebaut worden sind. Wie stark mußdie Tra-
an gewesen sein, solche Chroniken über die
tlöufe hinweg zu betreuen? Jüngste Forschung
die Reste mehrerer hundert solcher prähisto-
.her Langzeib, Sonnen- und Monduhrsysteme
England gefunden, die zeitlich parallel mit
ichgerichteten Bestrebungen in Ägypten, dem
eistromland und China zu datieren sind Fehl-
isung ungefähr ein TaglJahr. Alle diese Sy-
'ne beruhen auf der Gleichmäßigkeit der
nmelskörpererscheinungen.
Stonehenge decoded; G. S. Hawkins Sou-
iir Press, London 1966. Stonehenge and
ebury; R. J. C. Atkinson, Her Maesty's
tionery Office 1959.
Sonnenuhren 20, s. S. 18.
"ragbare Taschen-l Sonnenuhr, in Buchform,
znbein, signiert Paul Reinman, Nürnberg 1599.
gbare Sonnenuhren gibt es in den verschie-
isten Ausführungen seit der Römerzeit. Augs-
hot etwa zwei Jahrhunderte hindurch darin
blühende Produktion besessen.
Altaugsburger Cnmpaßmacher, Max Bo-
ger, Hans-Rösler-Verlag, Augsburg 1966.
nesische Wasseruhr, l090 n. Chr. Himmels-
schine des Su Sung. Rekonstruktion von John
istiansen. Der gleichmäßige Fluß von Was-
wurde etwa 2000 v. Chr. zuerst in Ur,
aylon, sowie Ägypten und bald dann China
Ablesung des Ablaufs der Stunden an den
zelnen Tagen verwendet. Griechen, Römer
die mittelalterlichen Klöster folgten in der
ichen Weise.
iduhren tauchen erst im 14. Jahrhundert auf,
die Glosmacherei die dazu nötigen durch-
itigen Behälter bieten konnte. Die Himmels-
schine des Su Sung ist gegenüber den frühe-
stetig arbeitenden Auslaufuhren ein epo-
ler Fortschritt, da zum ersten noch durch ein
herwerk ein absotzweises Drehen und somit
Zerhacken des stetigen Zeitflusses erscheint.
lweisung ca. Stunde pro Tag.
On the Origin af clackwark, perpetual
ices and the compass; Derek J. de Solla
in Contributions from the Museum of
tory an Technology. Smithanian Institution,
shington, D. C. 1959.
zwei astronomischen Observationsuhren mit
lern, Durchmesser cubit altrömisch, cubit
44,4 cm. Von Tycho Brahe in dem dänischen
loß Oranienburg ca. 1587 auf der lnsel
an. Rechts unten in der Mitte Tycho Brohe
ein Beobachter am großen Mauerquadran-
Tycho Brahes Observotionsuhren haben ihm
ch ihre Unverläßlichkeit noch viele Sorgen
eitet, aber von hier geht die Entwicklung
immer genaueren Präzisionsuhren, die mit
schreitender Genauigkeit ieweils die großen
ireckungen der einzelnen Epochen möglich
ten.
Tycho Brahe Astronomia instauratae Me-
nico .. Wandesburgi 1598.
der Geschichte der Zeitmessung und Uhren, die
aber nur eine winzige Facette in der Geschichte
der Wissenschafts- und Kunstgeschichte der
Menschheit ist, nicht fehl am Platze sein, dieses
auf ein Minimum zusammengedröngte Bild der
Bändigung der Zeit schriftlich wiederzugeben und
die Hauptphasen derselben durch einige cha-
rakteristische Darstellungen der Mittel dazu, wie
sie sich nach außen in Form und künstlerischer
Ausführung dargeboten haben, darzustellen; ie-
des einzelne Bild ist nur ein Beispiel für Gruppen
und Familien mit hundert- und tausendfältigen
Abwandlungen, wie sie die menschliche Phanta-
sie und der Wunsch nach Abwechslung und
Fortschritt ausgedacht hat.
Das eigentliche Referat
Das Problem der Bändigung der Zeit ist ein
Menschheitsanliegen, seit es Menschen gibt.
Wohl schon in der Vorzeit, sobald dem Men-
schen das Bewußtsein seines Seins gekommen,
hat er erkannt, daß Tag und Nacht einen ent-
scheidenden Takt in sein Leben bringen und
daß die Sonne dafür verantwortlich ist. Dafür
haben wir keine Dokumente. Ob es 50.000 oder
10.000 Jahre vor uns waren, wissen wir nicht.
Es war aber sicherlich verbunden mit dem
ersten Zeiterlebnis des gleichmäßig, ni
kehrbar, vorrückenden Lebens.
Verständnismößig wesentlich anspruchsvo
aber das Erkennen, daß ein viel ausges
rer Rhythmus durch das Jahr gebilde
Auch dafür ist die Sonne der Zeiger. Wir
Erfahrungen, Erinnerungen und Aufzeich
nötig waren, um diesen Rhythmus klar zi
und dann dafür seine Länge zu bestimmt
sen wir auch nicht. Notwendig waren da
genaue Himmelsbetrachtungen und deren
zeitdokumentation. Die Zikkurats im Zwi
land oder Anlagen wie Stonehenge Abt
lonumentaluhren mit Räderwerk. Miniatur
der Mitte des 15. Jahrhunderts zeigt zwei
erne Räderuhrwerke, gewichtgetrieben, links
Tagesunterteilun in 24 gleichlange Stunden,
hts für ein Gloc enspiel corillon mit fünf
xcken.
Heinrich Seuse, Horologium Sopientiae, F0.
königl. Bibliothek, Brüssel.
lonumentaluhr im Dom zu Lund lSchweden,
prünglich gebaut 1350; im ersten Viertel des
Jahrhunderts noch alten Unterlagen und mit
vorhandenen Resten neu aufgebaut; oben
Stunden-Blatt mit Sonnenstandsongobe im
'kreis, in der Mitte Automatenfiguren, unten
Ber Jahreskalender. Im späten Mittelalter
arten alle größeren Dome und Kirchen, aber
Lh Rathäuser, eine schöne Monumentaluhr zu
itzen.
Les Horologes Astronomiques et Monu-
wtales Les Plus Remarquables; A. Ungerer,
zßburg, im Selbstverlag 1931.
iaissanceprunkuhr Türmchenuhr mit recht-
igem Grundriß, Bronze, feuervergoldetes
1äuse, kalendarische Angaben wie auf den
ieren Monumentaluhren; Federzugwerk; an-
ertigt und signiert von Hans Sebald Beham,
an 1568.
tropolitan Museum, New York.
in das erste Viertel des 1B. Jahrhunderts
den komplizierte Kunstuhren vor allem
Deutschland noch als Meisterstücke an-
artigt. Ihre praktische Verwendbarkeit war
hervorragender handwerklicher Ausführung
beschränkt. Die vielfachen Räderüberset-
gen verschmutzten leicht, waren schwierig
ond zu halten, und die vielen Indikationen
en nur für besonders Vargebildete verständ-
iöngerSack-uhr. Französisch, signiert F. Pa-
F. 1575. Gehäuse Messing vergoldet, gra-
durchbrachener Deckel über Zifferblatt.
iwerk und Wecker; Dimensionen ca. 62l42l
nm.
en am Körper zu tra en wurde durch die
wdung des Faderantrie möglich. Um 1480
en es zuerst Spielereien an den oberitalie-
hen Höfen; bald nach 1500 entwickelte Peter
lein in Nürnberg daraus einen Gebrauchs-
enstand, der rasch große Verbreitung fand.
in das 17. Jahrhundert hinein übertraf die
bare Ausführung des Gehäuses weit die
äßlichkeit der Werke.
Watches, G. H. Baillie. Methuen 81 C0.,
don 1929,
erne englische Sackuhr, signiert Peter Garon
ion ca. 1690-1695 mit reich graviertem
durchbrochenem Ubergehäuse. Die eigent-
Uhr weist stark fortschrittliche Züge gegen-
10
11
über Abb. auf Großes Zifferblatt mit Stunden-
und Minutenangabe die um 1680 erfundene Un-
ruhe mit Spiralfeder erbrachte erhöhte Genauig-
keilsstei erung für tragbare Uhren, den Glas-
deckel er dem Zifferblatt und anderes mehr.
Von ca. 1660 bis 1750 führt England hinsichtlich
der Präzision der Zeitbändigun
Lit. Walches, C. Clutton 8. Daniels, B. T.
Batsfard Ltd., London 1965.
Goldene, sehr flache Schweizer Taschenuhr,
signiert Bautte et Moynier, Genf, ca. 1820;
schwarzes Email im Deckel eingelegt, Zylinder-
gang. Im 19. Jahrhundert entwickelt sich die
chweizer Uhrmacherei zur international führen-
den lndustrie dadurch, daß die Schweizer sich
die Möglichkeiten der modernen Werkzeug-
maschinenlechnik sehr früh zunutze machten, so
daß die englische Handwerksanfertigung auf
die Dauer nicht dieser Konkurrenz standhalten
konnte. Die Bauform für die Taschenuhr bleibt
lange ungeändert, lediglich der Schmuck der
Gehäuse und Zifferblätter variiert.
Das Aufkommen eines verlößlichen Selbstauf-
zuges Ralexentwicklung hilft nach 1925 der
raschen Verbreitung der Armbanduhren mit an-
deren Uhrköraerformen und Armbändern, Ten-
denzen, die ietzt von den neuesten elektroni-
schen Entwicklungen übernommen werden. Fata
Camerer CuslLondon
Lit. La Manlre Suisse. E. Jaquet und A.
Chapuis Edition Urs Graf, Bäle et Olten 1945.
Ewiger Kalender. Solnhofener Stein, 44x 29 cm,
sign. und datiert l. K. 1580 wohl Jörg Kiening.
Ein frühes Beispiel für Jahreskalender. Leider
sind alle Kalender außerordentlich selten und
immer rarer, ie weiter sie zurückliegen.
Die Handhabung war so, daß für das Tages-
datum ein Stift ieden Tag, für den Monat ein
anderer Stift immer am Beginn des neuen Ma-
nats umgesteckt wurde. Pfälzischer Privalbesitz.
Bürgerliche Hausuhr; spätgotische eiserne Wand-
oder Konsoluhr, mit Gewichtsantrieb. Der struk-
turelle Zusammenhang mil den frühen Monu-
mentaluhren Abb. ist offensichtlich.
Grundsätzlich hat sich diese Bauform für Haus-
uhren vom 14. bis 18. Jahrhundert gehalten,
Zifferblatt und architektonische Einzelheiten ha-
ben aber mit den verschiedenen Epochen Schritt
genommen. In den Alpenländern sind die neueren
Stilformen immer sehr verspätet angenommen
worden; die in Abb. gezeigte Uhr stammt aus
der sehr bedeutenden Winterlhurer Schule; si-
gniert Gerhard Liechti 1587. Sammlung Schenk,
Winterthur.
Lit. Die Uhrmacher von Winterthur und ihre
Werke. A. Schenk; 290. Neuiahrsblatt der Stadt-
bibliothek Winterthur 1959.
16
12
14
15
17
18
15
Französische Louis-XV-Prunkpendule mit Kon-
sole. Gehäuse carne verte und Goldbronze,
Werk signiert MontioyelParis ca. 1750. Im 18.
Jahrhundert wird in Frankreich der Gehäuse-
ausbildung der Uhren besonderes Interesse zu-
ewendet; die Uhren werden zu wesentlichen
estandteilen der Innenarchitektur. Bauformen
und neue kostbare Handwerkstechniken entste-
hen dort; die Pendule, wofür dieses Bild typisch
ist, dominiert in der 1. Hälfte des Jahrhunderts,
sie findet interessante Varianten auch noch im
Viertel, doch ist die ganze zweite Hälfte des
18. Jahrhunderts gekennzeichnet durch eine blü-
hende Phantasie in bezug auf andere Lösungen.
Lit. 10 La Pendule Francaise. M. Lengelle-
Tordy, Paris 1957.
Wiener Laterndeluhr Johresregulator, sign.
Sterl, Mauer b. Wien", 145 cm. Diese in
Wien etwas vor 1800 aufgekommene Bauweise
hat sich mit leichten modischen Variationen des
Gehäuses durch ein Jahrhundert im Raum der
alten Donaumonarchie größter Beliebtheit er-
freut und hat auch einen beträchtlichen Export
erfahren. Foto-, Uhren-Museum der Stadt Wien.
Die Bauhöhen variieren von Minioturtypen von
ca. 30 cm bis zu Bodenstandformen mit 175 cm
und mehr. Die Werke sind teils einfache, aber
genaue Gehwerke, teils Schlagwerke und nicht
selten schwierige Äquations- oder Kalender-
systeme. lm allgemeinen sind die Werke be-
merkenswert gut gebaut und bieten auch für
heutige Ansprüche befriedigende Gangleistun-
gen. Die Wiener Laterndeluhren mit ihrer zar-
ten Holzumrahmung der Fenster und der so ge-
schaffenen Einsicht in den Pendel- und Ge-
wichtsablauf stellen ein interessantes Schmuck-
element auch für moderne lnterieurs dar.
Der erste wirkliche Seechronometer Harrison
der 1759 die 1708 vom englischen Parlament
aufgestellten Forderungen erfüllte Lösung des
Longitudinalproblems und damit die Grundlage
für die Vormachtstellung Englands zur See in
den folgenden 150 Jahren schuf. Modern anmu-
tendes Äußeres in Form einer Taschenuhr Durch-
messer 13 cm. National Maritime Museum,
Greenwich.
Lit. 172 John Harrison, The Man who found
Longitude; Humphrey Quill. John Baker, Pu-
blishers Ltd., London 1966.
Quarzkontrolliertes elektronisches Chronometer
Antrieb mit drei Taschenlampenbatterien für
ein Jahr, Fehlweisung i1,5 sec pro Monat, bei
Außentemperatur von 23 Grad. Patek-Philippe,
Genf 1974.
Lichtelektrische Tischuhr mit Cloisonne-Gehöuse.
ln der nach dem Lichteinfall drehbaren Kuppel
ist eine fotovoltaische Zelle eingebaut, die die
elektronische Aufzugsenergie für das Federwerk
der Uhr liefert vier Stunden Belichtung pro Tag
reichen für einen ununterbrochenen Gang aus,
Fehlweisung ca. sec pro Tag. Patek-Philippe,
Genf 1974.
Moderne Atomuhr Caesium-Standard. Die
äußere Form hat alle künstlerischen Attribute
verloren; es ist ein elektronisches kastenförrni-
ges Gerät, wie alle anderen elektronischen
Geräte der modernen Technik sich als neutrale
Laborform darbielend ein lackierter quader-
färmiger Block mit Knebeln, Knöpfen, Skalen
und Lampen.
Die Genauigkeit ist i7x10", was einer Fehl-
weisung von sec in 4000 Jahren entspricht,
allerdings muß die Atomzelle alliöhrlich regene-
riert werden. Diese Atomuhren werden seit 1964
als fliegende Uhren flying clocks verwendet,
um auf der ganzen Welt die Observatorien und
den Flugdienst auf höchster Präzision zu halten.
Hewlett-Packard 1975.
Lit. 13 Flying Clock" Comparison extended to
East Europa, Africa and Australia Hewlett-
Packard Journal; Dec. 1967, 1914, Cesium Beam
Frequency, Standard" Model 50 61 Technical
data 1. Jänner 1975.
16
in England waren die Observatarien dazu in
Zeiten, die etwa 6000 bis 2000 Jahre v. Chr.
liegen. So erweist sich die Chronologie, das
heißt die Geschichte der Zeitfestlegung, als er-
ste Konsequenz der Zeitböndigung und die ge-
nannten Observatorien als die entscheidenden
Hilfsmittel dazu. Van dieser Basis sind in die
nächsten Jahrtausende die sich immer verfei-
nernden Zeitmeßgeröte entstanden Sonnenuh-
ren Abb. 2a, Gnomone, Astrolabien, Sa-
phen u. a. m.
Die Folge dieser schon verfeinerten Taktiken in
der Zeitbändigung ist die Einführung der Stun-
den, Minuten und, zuerst nur gedanklich, auch
der Sekunden. Auch heute noch bekommen wir
im täglichen Leben unsere Zeitorientierung aus
den Observatorien der Astranomen, auch wenn
wir nicht daran denken, wenn wir unsere Arm-
banduhr nach dem Teletonsignol richten.
17
Ein ganz neues, viel universelleres Hilfsmittel
zur Zeitbändigung als die Sonnenuhren ist um
1300 in unsere Kultur eingetreten Die Röderuhr,
die auch in der Nacht und bei bewölktem Him-
mel Zeiterkennen möglich macht. Ihre Anfänge
liegen im Dunkel der Geschichte. In China wur-
den aus uralten Wasseraustlußuhren um 1000
v. Chr. wassergetriebene Röderuhren entwickelt,
deren Wirkungsweise den europäischen Räder-
uhren verwandt ist Himmelsmaschine Abb. 3.
Ob die europäische Entwicklung der Räder-
uhren von China beeintlußt worden ist, wissen
wir nicht. Um 1300 erscheint in Europa die erste
gewichtsgetriebene Raderuhr. Mit dem Besitz
des Röderuhrprinzips beginnt eine ungleich in-
tensivere Aktivität hinsichtlich der Technik der
Zeitböndigung und deren Genauigkeit es be-
ginnt die Zeit der Monumentaluhren Abb. 5a, b.
Um 1450 haben die Röderuhren etwa eine durch-
schnittliche tägliche Fehlweisung von 110 Mi-
nuten. Um 1580 schreibt der Landgrat Wilhelm IV.
von Hessen, ein sehr bedeutender Astronom, an
Tycho Brahe nun hätte er dank eines neuen
Echapments seines Meisters Jost Bürgi Beobach-
tungsuhren mit einer Genauigkeit von Minute
pro Tag." Damit waren nun die Beobachtungen
möglich geworden, aufgrund deren Kepler seine
berühmten drei Gesetze erstellen konnte. Die
zweite große Auswirkung der Zeitbündigung ist
somit die Astronomie Abb. 4. Die Röderwerke,
die diese Resultate ermöglichten, wurden in
kostbare Gehäuse eingebaut, und die Snobs
der damaligen Zeit, Fürsten, Prölaten und Kaut-
leute, wollten da nicht zurückstehen und eben-
solche Stücke besitzen. Daher die große Zahl
der Prunkuhren in kostbaren Goldschmiedear-
beiten, die heute die letzte Sehnsucht der Samm-
ler vorstellen und die Spitzenrekorde von
0.000 Fr. und mehr bei den internationalen
lktionen bringen Abb. 6. Innerlich allerdings
1d die meisten nach dem gleichen Schema für
trolab und Kalendersystem gebaut, und für
in praktischen Gebrauch waren sie auch zu
'en Zeiten nutzlos gewesen, weil sie sehr stö-
ngsanföllig und ungenau warten.
Verwendung von Federn als Antriebsmotor
xtt der Gewichte macht die Uhren erst orts-
eweglich und in weiterer Konsequenz zur am
Srper zu tragenden Uhr Abb. 9.
Verstärkung des Zeitgefühls beim einzelnen
durch Sternhöhenbeobachtung unschwer zu ge-
winnen. 1500 soll ein gewisser Santa Cruz erst-
malig vorgeschlagen haben, eine vom Seegang
ungestörte, genau gehende Röderuhr mit der
Zeit des Ausgangshafens an Bord mitzuführen.
Was dies mechanisch an Schwierigkeiten be-
deutete, wird sich ieder Laie vorstellen, der ein-
mal hohe See richtig erlebt hat. Als Preis für so
eine Uhr sind schon früh hohe Summen ausge-
setzt worden. Der erste in dieser Richtung war
um 1600 Philipp lll. van Spanien; ihm folgten
als nächste die holländischen Generalstaaten,
tägliche Leben gekennzeichnet. Diese Prc
tik erfüllt das 19. und den Anfang des 21
hunderts. Das ist die Zeit, wo gute Tast
ren und dann Armbanduhren, bald au
chanisch mit Selbstaufzug und schließlic
tranisch, die höchsten Forderungen erfü
cher im letzten Moment die Eisenbahn o1
Flugzeug zu erreichen. Solche hochwert
schenuhren, Chronometer und die dies
ausgegangenen Regulatoren sind das heu
etwas leichter erreichbare Ziel der Samr
die vorher angedeuteten Renaissanceuhre
iKnemiraßsm
nuäyki?
idividuum erhöht den Bedarf nach größerem
berblick bei zeitlichen Dispositionen; Kalender
Xbb. 10 werden häufiger. In gleicher Weise
ringt die Verstärkung des Zeitgefühles auch den
edarf nach mehr Uhren in der Umgebung des
inzelnen Individuums, nach den verschiedenen
lausuhren Abb. 11, 12, 13, 14, die vielfach zu
richtigen Elementen der lnterieurs werden.
lie dritte Einflußsphäre der Zeitbändigung ist
ie Gewinnung und Erhaltung politischer Macht
uf unserer Erde. Macht war hier bis in die
Engste Zeit engst mit der Macht zur See ver-
unden, und diese beruhte weitgehend auf
rößter Sicherheit in der Navigation. Dabei
rar es das Longitudinalproblem, das die größ-
an Schwierigkeiten bereitete die Länge zur See
finden die Breite war seit dem Altertum
dann Ludwig XIV. und 1714 das englische Par-
lament mit 20.000 für eine genaue Langen-
bestimmung zur See. Allen war klar wer als
erster ein Seechronometer zustande bringt, wird
die überragende Seemacht.
Der große Holländer Huygens arbeitete die
zweite Hälfte seines Lebens daran erfolglos.
1762 geling der große Wurf dern Engländer
John Harrison Abb. 15 nach über 30öhrigen
Anstrengungen. Nach der ganzen Bltägigen Rei-
se von Portsmouth nach Jamaika hat sein Chro-
nometer nur eine Fehlweisung von 5,1 sec; ein
großartiger Erfolg, der aber erst nach elf Jah-
ren bürokratischer Auseinandersetzungen zur
Auszahlung seines vollen Lohnes führt.
Die vierte Phase der Zeitböndigung ist durch
das Eindringen der Sekundengenauigkeit in das
Zum Schluß ist der fünfte Aspekt der Zs
gung ins Auge zu fassen Die genaue
sung als Grundlage für die modernen
schuften, vorzugsweise die Physik und
mie. Um 1930 erscheint die elektronische
uhr mit einer Fehlweisung von wen
secl3O Jahren zuerst als wissensch
Instrument Abb. 16, neuerdings auch
richtungsgerät Abb. 17, und 1956 der
standard Abb. 18 mit einer Fehlweisi
etwa sec in 4000 Jahren. Abs
nur höchst wissenschaftliche Feststellung
etwa feinste Veränderungen in der Er
hungsgeschwindigkeit waren mit letzter
lich, sondern auch die heutige Beherrsct
Luftraumes mit Hilfe der fliegenden Atc
Ein kurzer Bericht wie dieser kann
2a Große Sannenuhr im Klosterhof von Ossi-
ach, aus 1614, restauriert 1817. Der Sch
ten des Knoafes am Schattenzeiger dient
zur gleichzeitigen Angabe der griechisch-baby-
lonischen Stunden Kriechisch Stunnd", die
Sonnenaufgang die 24 Stunden des Tages
len schwarze Striche der italienisch-böhm
schen Stunden Wellch Stunnd", die die 24
Stundenzöhlung bei Sonnenuntergang beginnen
rate Striche und gleichzeitig durch seinen
Abstand von den Sannenwendegrenzen oben
Sommer, unten Winter zur ungefähren Datums-
anzeige, und schließlich der bürgerlichen auch
deutschen oder gallischen Stunden horae
communes laut Calibrierung des oberen und
unteren Bandes dienen; die Uhr zeigt dort
11.15 Uhr.
Solche kombiniert bürgerlich-griechisch-italie
sche Sonnenuhren sind sehr selten z. B. auf den
Domen von Basel oder Straßburg. Sie sind den
Betrachtern ganz unverständlich, die nach eini-
gen vergeblichen Orientierungsversuchen meist
mit unbefriedi tem Kopfschütteln weitergehen
Foto Prim. Dngichler, Villach.
Lit. Le Cadrans Solaires; Rene R. l. Rohr;
Gauthier-Villars Editeurs 1965.
Sonnenuhren auf Geböudewönden und eigenen
Baukörpern waren früher sehr häufig als eine
grundsätzliche Zeitinformation geboten, solange
es weder Telefon noch Rundfunk gab; heute
verfallen die meisten davon.
Die Kayserliche Vorstellungsuhr" ein Geschenk
von Landgrat Ludwig Vlll. von Boden an Ma-
ria Theresia zur zehniöhrigen Thronbesleigung
1750, angefertigt von Ludwig Knaus in Darm-
stadt zusammen mit seinem Bruder Friedrich,
die beide später nach Wien kommen und dort
1787 bzw. 1789 sterben.
Die Vorstellungsuhr, übermannshoch, Schildkrott
plattiert, mit silbernem Figurenwerk reich ge-
schmückt, hat vorne eine große bühnenartige
Öffnung, wo in neun aufeinanderfolgenden Sze-
nen eine große Huldigung von Maria Theresia
und Franz Stephan, begleitet durch großes
Glockenspielwerk, abläuft.
Lit. 11 Ludwig Knaus und Friedrich von Knaus
Zwei Meister der Kunstmechanik am Hole Kai-
serin Maria Theresias, E. Kurzel-Runtscheiner,
Blätter für Geschichte der Technik, 5. Band,
I. Springer, Wien 1938.
Der gleichmäßige, rhythmische Ablauf eines Uhr-
werks machte schon früh seine Verwendung
zum Betrieb von Automatenfiguren und Spiel-
werken möglich; die sich so entwickelnden
Kenntnisse waren die Voraussetzung für die
zahlreichen Automaten der Renaissance und
Barockzeit, Sie sind die Zeugen dafür, wie aus
spielerischen Anfängen die Grundlagen für die
moderne Regeltechnik entstanden sind.
Weise den mühsamen Fortschritt von einer Etap-
pe zur nächsten in der Böndigung der Zeit mit
allen den vielen, mit großen Erwartungen be-
gonnenen, aber später sich als unbrauchbar her-
ausstellenden Aufbrüchen beschreiben.
Es ist auch nicht möglich, darin der Vielfalt der
Farmen und künstlerischen Gestaltung der Uh-
ren gerecht zu werden. Die geniale Verquickung
aber von Indikationen zur ardnenden Einteilung
des Zeitablaufes, von Mechanismen zur Durch-
führung dieser Zeiteinteilung mit immer gerin-
geren Fehlweisungen und schließlich die Umrah-
mung dieser Bestrebungen in würdigen künstle-
rischen Rahmen muß bemerkt werden. Die Wahl
der Bilder aber mit den ausführlichen Unter-
schriftstexten wird aber doch die Weite des
Feldes andeuten, in dem sich die Böndigung der
Zeit bisher abgespielt hat; die Bildwahl ist be-
wußt dahin gerichtet gewesen, zu zeigen, wie
über die Jahrhunderte hinweg die verschiedenen
Völker alle Beiträge zum gleichen Endziel ge-
liefert haben, wobei nicht unbemerkt bleiben
soll, daß auch Österreich mehrmals in der
Geschichte sich mit namhaften Meistern und
ganzen Schulen seinen bleibenden Anteil an
der Geschichte der Böndigung der Zeit genom-
men hat.
Unser Autor
ern. o. Prof.,Dipl.-lng.Dr.techmHans von Bertele,
Franziskanerplatz
1010 Wien
19
hat seine tust zwölfwöchigen Geburtstags-
lichkeiten zu Ehren der neunzig Jahre alt
ardenen Sonia Delaunay am 26. Jönner 1976
tdet. Das Centre National d'Art et de Cul-
huldigte ihr im Musee d'Art Moderne mit
Ausstellung van 85 ihrer Werke. Die Gale-
haberinnen D. Rene zeigten sowohl in St.
nain wie in der Rue de la Boetie Ausstellun-
der Künstlerin. Television, Radio, unzählige
itfentlichungen in der Presse und am Kunst-
würdigten die Jubilarin. Fast ein dreivier-
ahrhundert basiert der Dreiklang der Aus-
akraft von Sonia Delaunay auf der zeitlosen
ens ihres abstrakten Stils, der plakativen
iie ihrer primären Farbkonstruktionen, ihrer
wndenheit zu Typographie und dichterischen
tspielen. lhr Werk wird im eigentlichen Sinn
Leben lang durch stark graphische Impulse
Aspekte emporgetragen.
Delaunay wurde am 14. November 1885
er Ukraine geboren. Sie wird 1890 von ihrem
el Henri Terk adaptiert und in Petersburg er-
an. 1903 kommt sie zu einem zweiiährigen
ium nach Karlsruhe und nimmt Zeichenunter-
bei Schmidt-Reutte an der Akademie. lhre
rmte Kunstschulzeit wird noch etwa zwei
an der Pariser Academie de la Palette
gesetzt. Allerdings findet sie hier Kameraden
Ozentant, Dunoyer de Segonzac, Baussin-
lt und andere. lhre großen Vorbilder in den
'en des Studiums waren van Gogh und
tguin. Von frühester Jugend an prägten
Mechtild Wierer
Sonia Delaunay
Jongleur der Farbe
starke Vitalität, Fähigkeit zu geistiger
dichterische Empfindsamkeit und tiefe
freude ihren Charakter. lhre künstlerische
salswende erfuhr sie aber erst durch ih
bindung mit einem genialen Maler zu
dieses Jahrhunderts, dem gleichaltrigen
Delaunay.
Zum Zeitpunkt ihrer Begegnung mit R.
die iunge Künstlerin in einer Phase der
heit. Sie war 1905 nach Paris gekomme
stellte sie bei Wilhelm Uhde ihre von va.
und Gauguin stark beeinflußten Arbeite
trätstudien Philamene, des Finlandais
Jaune etc., aus. Sie heiratete vorüber
W. Uhde 1909 in London. Sie interessie
bereits für Farben, Harmonien und K0
lhre Konzeption edoch war unentschloss
entbehrte der eigentlichen Richtung.
Man kann erahnen, claß die iunge Russ
Wirbelwind der damaligen künstlerischer
nisse in Paris, zum Zeitpunkt ihrer Ankunf
überrollt wurde. Im Salon des lndependc
det 1905 die erste Ausstellung der Kiinstlei
Les Fauves" statt. Picasso befindet sich
in seiner Periode rose. Robert Delouna
bereits 1907 in Uhdes Galerie seine nec
sionistischen Werke wie u. a. Le Fiacre,
morte aux gants, aus. Lumiere erfand di
fotografie. Braque, Derain, Vlaminck be
ten die zeitgenössische Kunst. R. D. entder
Douanier Rousseau. Die Welt wurde sc
Bleriat überquert den Ärmelkanal, das
sich geistig gerade mit den Farbthesen
ysikers Chevreuil auseinander. Er näherte
imer mehr seinen bahnbrechenden Erfin-
den Gesetzen der reinen Farben Con-
imultane. Er kommt damit zum Primat der
in der Malerei. In dieser Zwischenphase
er 1910 die inzwischen geschiedene So-
irk-Uhde. Er gibt ihr nicht nur seinen
sondern er befreit sie mit seinen Neu-
rungen aus ihrer künstlerischen Verworren-
bietet ihr die einmalige Sternstunde zu
sich künstlerisch klärenden langen Weg.
tlGUHGYS wohnten in der Rue de Grands
in und empfingen 1912 von November bis
ber ihren Freund Apollinaire. Robert De-
Forschungsergebnis war ausgereift, und
hter taufte es. Er gab ihm den Namen
1isme" nach einem Gedicht über Orpheus,
aearbeitet hatte. Zu diesem kunstgeschicht-
Ereignis sagte Fernand Leger
Jbert Delaunay haben wir den Kampf un-
zwischen 1912f13 nach andere Buchdeckel für
die Maler der kubistischen Tendenz R. und S. D.
beteiligten sich nicht aktiv am Kubismus, für
Canudo Les Transplantes", Pierre Jourdan
Dieudonne Täte", A. Marcereau Contes des
Tenebres", Jules Romain Puissance de Paris",
H. Walden Der Sturm", Apollinaire L'Aretin"
und L'Heresiarque et Cie" etc.
Während R. D. seine Formes Circulaires Soleil",
Equipe de Carditf", Arc en Ciel", Manege de
cochon" schafft, entwirft S. D. ihre ersten Can-
trastes simultanes", eine Serie Collagen, die sie
Zenith nennt. Im Jahr 1914 stellte sie im Salon
des lndependants die berühmten Prismes Elec-
triques" aus. Das Gemälde ist dem Geheimnis
der Elektrizität, der neuen Weltvision der Moder-
nen und einer neuen Dynamik" gewidmet. Die
Realisation übersetzt den Denkprozeß der vorn
Begrifflichen losgelösten Wahrnehmungen von
Farbe, Licht und Aktion in virtuoser Konstruktion
durch sich zusammensetzende, teils seklionierte,
nen. Mit ihm haben wir gearbeitet, um
ae zu befreien. Vor uns war das Grün ein
las Blau war der Himmel... Nach uns ist
be ein selbständiger Gegenstand gewor-
kenntnis Robert Delaunays konzentriert
eigenen Ausspruch;
zinzig und allein die Farbe, die durch ihre
fenheit, Dimension .. und Wechselbezie-
Rhythmen der Form bestimmt."
elaunay erfaßte den Orphisme mit der
schen Kettenreaktion
ehen vom reinen Farbelement aus und
Pläne, Formen, Tiefen und Perspektiven
nit diesem Element."
er neuen Farbkonstruktionsmöglichkeiten,
S. D. 1912 erschlossen R. D. wie seine
1d Gleize hatten verstanden, daß das
el der Kunst des Jahrhunderts das Ver-
einer neuen Ordnung der optischen
ahmung gewesen war, entstanden nun
Jnd Lichtstudien in einer Pastell- und
chnikserie, die sie Boulevard St. Michel"
R. D. schuf im gleichen Jahr; Paysage
Fenetres simultanees", Disques",
inture inobiective". S. D. beginnt mit meh-
tudien das Projekt des berühmten Bal
und vollendet ihn 1913. Sie setzt ihre
zgonnenen abstrakten Stoffapplikationen
td entwirft Rabe und Gilet simultane.
gegnungen in der literarischen Welt zie-
ner größere Kreise. Sie trifft Blaise Cen-
Sonia Delounay posiert im eigenen Kostüm auf
Iegligm Fest des Vorkriegsparis, dem Bal Bullier,
Sonia und Robert Delaunay
Sania Delaunay, Tango", 1914. Wachskreidel
Papier, 80 67 cm, Sign. und dat. unten rechts
Sania Delounay, Etude pour le Bol Bullier",
1913. UllLeinwand, 50x203 cm. Sign. und dat.
unten rechts. Call. Leclercque, Paris
Sonia Delaunay, Hommage Stravinsky",
1971. Nr. 1289. Gouache, 77x72 cm
rotierende Forbkreise in gleichzeitig kontrastie-
renden wie disharmonischen Nuancen.
In diesen wertvollen Aufbauiahren in der Ent-
wicklung des Orphisme fundierten sich im eigent-
lichen Sinne auch die konstruktiven Basisele-
mente der Delaunayschen Kunstdorstellung. In
S. D.s Werken sind sie im Mittelpunkt des ihr
charakteristischen abstrakten Stils ein Leben lang
lebendig geblieben. Mit einer Naivität, die ihres-
gleichen sucht, verschrieb sie sich neben Quadrat,
Rechteck, Dreieck, Raute, Punkt der Kreis-
scheibe. Einem gefällten Baumstamm ähnlich, der
stolz seine Lebensringe sichtbar werden lüßt. Der
von ihr angewandte Rundstrich ist demnach eine
natürliche Folge. Dazu gesellen sich der gerade
Strich, der Eckstrich, der aggressive Zick-Zack-
Strich, die ihr typische Schlangenlinie oder eine
fache S-Kurve und die mehrfache Spiralenlinie.
Gleichzeitig mit dem Auftrag der Farbe ihr Fa-
vorit ist Blau entsteht die Form. Alle Pinselkon-
turen bleiben vibrierend und lebendig. Die Linie
wird porös wie die Haut. Die Formen und Linien
sind reine Hilfsmittel, um die Farbe zu verkör-
pern". Die Verkörperung dient zur Kreation der
Farbselbstverstöndlichung und die Aufgliederung
der Forbfarmen der Konstruktion eines Ord-
nungsprinzips der Lichtquellen. Diese ermög-
lichen dann den enormen Balanceakt zwischen
Spannung und Bewegung kontrastierender
Leucht- und Farbkörper.
lm gleichen Zeitabschnitt ist S. D. von einer Art
Tatendrang befallen. Sie attackiert nicht nur die
21
Malerei, Collagen, Buchbinderei, Illustrationen,
Modell- und Kostümgestaltung, dekorative Ge-
genstände wie Lampenschirme, Vorhänge, Kis-
sen, Stickereiteppiche, Stoffapplikationen, Woll-
perücken etc sie beginnt auch mit Projekten für
die Werbung. Für Pirelli, Chocolat, Dubonnet
recherchiert sie Plakatentwürfe.
Jede Art von Monotonie ist ihr fremd. Mit siche-
rem geschmacklichem lnstinkt variiert sie ihre
Intuitionen und bleibt dabei stets treue Vertre-
terin des genialen Orphisme ihres Mannes. Ihre
Persönlichkeit in jenen Jahren wird von Damase
als Personage la Winston Churchill" be-
schriebenmdemütig und erschreckend selbstsicher
zugleich ein ewig junges russisches Mädchen,
das alles beherrschte, was es umgab."
Durch den Ausbruch des ersten Weltkrieges, der
die Delaunays während der Ferien in Spanien
überraschte, verlängerte sich der Auslandsauf-
enthalt bis 1920. Sie installierten sich erst in Ma-
drid. Jean Jaures wurde ermordet, Charlie
Chaplin brachte seinen ersten Film heraus, die
Ballets Russes feierten ihre sechste Saison. 1915
zogen sie nach Portugal um und befinden sich
in der Gesellschaft von Souza Cardozzo, Vianna
und Sam Halphert. Das Ehepaar malt jeder für
sich eine Serie portugiesischer Variationen. S. D.
kreiert ihren Marche au Minha". Sie stellt in
Stockholm und Oslo aus. 1917 entsteht ihre Serie
des Danseuses". Durch die russische Revolution
verliert sie alle ihre Einkünfte und muß künftig
für den Unterhalt mitsorgen. Die Familie kehrt
nach Madrid zurück und begegnet S. Diaghilev.
Sie beginnt mit Theaterkostümen und Innendeko-
ration im Petit Casino von Madrid. 1918 gibt
Diaghilev bei den Delaunays die Dekar- und
Kostümkreationen für das Ballett Cleopötre in
Auftrag. Sie lernen Stravinsky und Manuel de
Falla kennen. Sonia beginnt mit Kleiderkreatio-
nen. In Zürich finden Dada-Publikationen statt.
1920 kehren sie nach Paris zurück. Sie wohnen
am Boulevard Malesherbes und richten sich mit
Simultane-Mobiliar ein. Sie haben Kontakte zu
Dichtern und Schriftstellern der Surrealisten-
Gruppe; Breton, Aragon, Soupault, Tzara, Cre-
vel, Desnos, Baron, Huidobro. Sonia stellt in
Berlin im Sturm ihre portugiesischen Werke aus.
Mondrian veröffentlicht seine Theorien über den
Neo-Plasticisme,
lm kommenden Jahrzehnt liegen bei Sonia De-
launay die Schwerpunkte auf Stoff-, Mode- und
Kostümgestaltung. 1922 entstehen ihre ersten Si-
multane-Schals, 1923 werden in Lyon die ersten
Simultane-Stoffe produziert. Sie gestaltet Ko-
stüme für Tzaras Theaterstück Le Coeur gaz".
Greta Garbo wird entdeckt. Chagall kehrt von
Rußland nach Paris zurück. 1924 entschließt sich
S. D., ihre Stoffdruckkreationen und die Mantel-
modelle aus Wollstickerei im eigenen Atelier
herzustellen. Ihre Simultane-Kleider inspirieren
durch ihren Einklang von Schnitt-Farbe-Funktion
in den zwanziger Jahren Fachleute der Mode,
van Bühne, Film und Innendekoration. Sonia D.
wird als die eigentliche Erfinderin in Zusammen-
arbeit mit dem'.Pariser Couturier Jacques Heim
des Prät-a-Porter bezeichnet. 1925 beteiligt sie
sich mit Jacques Heim an der Exposition des Arts
Decaratifs und richtet mit ihm eine Boutique Si-
multane" auf der Alexander-llL-Brücke ein. lm
gleichen Jahr nimmt sie mit ihren Simultane-
Stoffen am Salon d'Automne und an einer Aus-
stellung L'Art d'Aujaurd'hui teil. Der Verlag
Chretien gibt ein ihrem Werk gewidmetes Album
heraus; Sonia Delaunay, ihre Malerei, ihre Ob-
jekte, ihre Simultane-Stoffe, ihre Mode". Für
einen Journalisten kreiert sie ihre erste Autobe-
malung. Hindenburg wird Präsident der deut-
schen Republik, Chinas Revolution hat begonnen,
die erste Ausstellung der Surrealisten findet statt,
Bernard Show erhält den Nobelpreis. 1926 reali-
aniu Delauna Chameurs da Flamenco", 1915.
Kleister, ochskreidelLeinwund, 174x144
n. II Collezionisfu d'Arfe Ccnfemporaneu, Rom
ania Deluunu Zwei Bucheinbände, Paris, 1912!
713. Kleister! apier, von redwis nach links
läälfgL Sfuvm", 1911112; Nr. 650, Slurm",
Sonia Delaunuy, Tupisserie Gobelins", 1969.
Nr. 1712 1551. 280x410 cm. Sign. und dui.
unten rechts
Sonia Delaunuy, Ryihme Couleur", 1969. Nr.
1633. UllLeinwcnd, 130x97 cm. Colledion des
Präsidenten, Washington
10 Sonia Delaunay, Ryihme Couleur", 1970. Nr.
1648. GouachelPapier, 65 50 cm
siert Robert Delaunay welcher bisher eine statt-
liche Reihe von Porträts von Soupault, Breton,
Aragon, Tzara, Chagall, Cocteau, Seuphor, Ba-
roia, Maiakowsky, Madame Heim etc. wie die
Serie des Coureurs", La femme et la Tour",
die zweite Serie Les Tours Eiffel" und die Serie
des Helices" geschaffen hat mit Sonia das
Dekor und die Kostüme des Somptier-Filmes
P'tit Parigot". S. D. entwarf außerdem für den
Film von Marcel L'Herbier Vertige" die Deko-
rationsstoffe und einige Kostüme. Sie stellt auf
der Großen Berliner Kunstausstellung und in
Paris Trente ans d'Art lndependant 1884-1914"
im Grund Palais aus. Die Delaunays sind mit
allen großen deutschen Architekten des Bauhau-
ses Grapius, Breuer, Mendelssohn, in Verbin-
dung. Preissturz des Froncs. Entdeckung der Jose-
phine Boker. Am 27. Jänner 1927 hält Sonia De-
launay einen Vortrag auf der Sorbonne Der
Einfluß der Malerei auf die Bekleidungskunst".
Infolge der Wirtschaftskrise schränkt sie ihr Un-
ternehmen ein und konzentriert sich zunehmend
auf Stoffentwürfe. Sie stellt in der Mannheimer
Städtischen Kunsthalle aus. Wege und Richtun-
gen der abstrakten Malerei in Europa". 1928 führt
Robert Delaunay seine Projekte für das Ballett-
dekor Le Triomphe de Paris" aus. Sonia D.
zeichnete 1929 Straßenkleidung für die Damen
Gloria Swanson, Stokovsky und Nancy Cunard.
Szenenkleidung gestaltete sie für Gabrielle Dor-
ziat, L. Bogaert, Paulette Pax etc. Wieder nimmt
sie an zahlreichen Ausstellungen teil, u. a. am
18. Solon der Dekorationskünstler von Paris. Ihr
Mann malt Les Amoureux de Paris", Le Baiser".
Thomas Mann erhält den Nobelpreis, Dali stellt
das erstemal in Paris aus. 1930 kommt im Verlag
Moreau ein Album heraus; Composition, Cou-
leurs, ldees par S. D. Sie beteiligt sich an der
ersten Ausstellung L'Union des Artistes Moder-
nes". Robert führt Les Coureurs", Joie de vivre"
aus und beginnt mit seinen Reliefs. Doesburg lan-
ciert Art Concret".
Nach 1930 konzentrierte sich S. D. wieder fast
ausschließlich auf die abstrakte Malerei und die
Veröffentlichung einiger kleinerer Schriften. Ro-
bert D. hingegen beschäftigt sich mit der Bear-
beitung seiner Reliefs in den verschiedensten
Materialien Kork, Gips, Zement etc. In den Jah-
ren 1932 schließt das Bauhaus, und 1935 regiert
der Surrealismus mit Dali und Max Ernst. Zwi-
schen 1936137 erhalten R. und S. D. den Auftrag
zur Gestaltung von 2500 Quadratmeter Wand-
fläche für den Luftfahrts- und Eisenbahnpavillon
der Pariser Weltausstellung. Die gesamte künst-
11
13
Sonia Delaunay im eigenen Ballkostüm
Sonia Delaunay mit zwei Freundinnen in von
ihr entworfenen Stoffen drapiert, in ihrem Ate-
lier in der Rue des Grands-Augustins. Im Hinter-
grund zwei Bilder von Robert Delaunay; links
Helice", rechts Hommage Bleriot"
Kleider und Mäntel, kreiert von Sonia Delaunay,
auch das Auto selbst bemalt von der Künstlerin
lerische Konzeption für die Darstellung von Luft,
Eisen, Wasser und rotem Stilleben stammt von
Robert Delaunay. Sonia übernimmt neben ihrer
administrativen Tätigkeit die Gestaltung von
300 Quadratmetern. Sie malt Les Voyages loin-
tains", Portugal, und erhält die Goldmedaille. In-
dessen entstehen andernorts die Foundation Gug-
genheim und die Zeichenschule des Moholy-Nagy
in Chikago. Zwischen 1938f39 schuf Sonia den
Eingang der Ausstellung Art Mural"; eine Mo-
numentalpforte aus farbigem Zement. Die Delau-
nays organisieren ihre Donnerstagempfönge, wo
der bereits schwer erkrankte Robert seine Ge-
danken zur Kunst an iunge Künstler weitergibt.
Das Ehepaar organisiert auch die erste Ausstel-
lung der Realites Nouvelles" in der Galerie
Charpentier mit Arp, Chauvin, R. D., S. D., Du-
champ, Gleizes, Herbin, Valmier, Villon. R.
führt seine Rhythmen und aus. Die Inter-
nationale Surrealisten-Ausstellung findet statt.
1940 erkrankt Robert Delaunay so schwer, dafi
er operiert werden muß. Am 25. Dezember 1941
erlischt sein genialer Geist iedoch viel zu früh
Sonia verbringt die anschließenden Jahre be
Arp und Sophie Taeuber in Grasse, wo sich aucl
Magnelli befindet. Sie leitet ihre lange, berühmte
Periode der Gouaches Rythme Colore" in Klein
format ein. Zusammen mit Arp und Magnell
arbeitet sie an Lithographien. 1945 kehrt sie nacl
Paris zurück und stellt im Juni mit der Group Ar
Concret aus. Mit Louis Carre organisiert sie 1944
die erste große Retrospektive ihres Mannes. Die
berühmte Galerie Denise Rene stellt sie 1947 da
erste Mal mit Arp, Bill, Calder, Dewasne, Dey
rolle, Gilioli, Hartung, Herbin, Kandinsky,Kupka
Lardero, Lohse, Magnelli, Mondrian, Mortensen
Pevsner, R. D., Poliakoff, Taeuber-Arp, Vasareli,
aus. In den folgenden Jahren reihen sich für S.
Ausstellung an Ausstellung und immer wiede
Gedenkausstellungen zu Ehren ihres Mannes R0
bert Delaunay. 1950 erscheint das erste Buch übe
ihn von Gilles de la Tourette. Aber Sonia über
nimmt auch noch andere Aktivitäten im Geden
ken an andere. Sie arbeitet an der Rekonstruk
tion des Brancusi-Ateliers für das Musee Natio
nal d'Art Moderne mit.1954 realisiert sie Mosaike
1955 Vorhänge und Einrichtung für das Tunesien
Haus in der Pariser Cite Universitaire. In Nev
York findet ihre erste Einzelausstellung in de
Rose Fried Gallery statt. Der große Preis voi
Lissone, ltolien, wird ihr verliehen. Das Guggen
heim-Museum in New York hat eine Retrospek
tive für Robert Delaunay organisiert. Fernant
Leger stirbt.
Immer mehr Publikationen beinhalten Berichte
über Robert und Sonia Dalaunay. Unter dem Ti-
tel Vom Kubismus zur Abstrakten Kunst" er-
scheinen die Cahiers lnedits von Pierre Francastel,
1957. Das Städtische Kunsthaus Bielefeld ver-
anstaltet 1958 eine große S-D-Ausstellung. Sie
erhält den Orden Chevalier des Arts et des
Lettres" und veröffentlicht in einer Spezialnum-
mer von Polieri Die tanzende Farbe fünfzig
Jahre Forschung. 1959 organisiert das Museum
von Lyon eine große Ausstellung von R. und
S. Delaunay.
1964 schenkt Sonia dem französischen Staat dem
Musee National d'Art Moderne von ihrem Mann
uncl sich 117 Werke. lhr erstes Buch mit elf Pa-
chairs aus den Serien Rythmes-Couleurs erscheint
1965 mit Gedichten von Damase. Ihre Stoffe
feiern ihr Comeback in der großen Retrospektive
Les Annees 25" im Musee des Arts Decoratifs.
Im darouffolgenden Jahr kreiert sie wieder ein
Mosaik, diesmal für das Freiluttmuseum Pagani
bei Mailand, Die Manufaclure des Gobelins
webt zwei große Teppiche von D. Einer davon,
2,80 mal 4,10 Meter in grauen und schwarzen
Rautenmustern in reiner Wolle, ist für das Mobi-
lier National bestimmt. Nach dreißigiöhriger
Ruhepause gestaltet sie wieder handgemachte
Teppiche in der Alpuiarra-Technik. Im gleichen
Jahr 1967 organisiert das Musee National d'Art
Moderne eine große Retrospektive der Werke
Sonia Delounays mit 200 Exemplaren. Dasselbe
Museum veranstaltet von der Stadt Paris aus
1972 eine Retrospektive ihrer Teppiche. lm Jahre
1967 nimmt sie noch mit Agam, Arman, Cruz-
Diez, Vasarely an einer Kampagne zugunsten
der französischen Medizinforschung aktiv teil.
1968 wirft sie sich noch einmal auf die Graphik
und veröffentlicht auf der Baukunst in Köln Litho-
graphien. Vierzig Jahre nach ihren letzten Bal-
lett-Proiekten gestaltet sie für das Theater
Amiens die Kostüme für Les Danses Concer-
tantes. 1969 wird sie mit dem großen Preis De
l'Art Feminin geehrt. 1971 organisiert das Stoff-
museum van Mulhouse unter Leitung von M.
Tuchscherer mit 70 Delaunay-Stoffen und 100
ihrer Projekte die Ausstellung Etotfes imprimees
des annees tolles".
lm Jönner 1976, als ich Sonia Delaunay in ihrem
Atelier besuchte, empfing sie mich mit der Würde
und Grandezza einer großen Konzernchefin. Das
Telefon läutete alle zehn bis zwanzig Minuten.
Vor mir verließ ein Besuch das Atelier, und bevor
ich es nach dreißig Minuten Audienz verließ,
wartete bereits der nächste Besucher, und nach
14 Sonia Delaunay, Prismes electriques", 1914.
KleisteriLeinwand, 250x250 cm. Sign. und dat.
unten links. Musee d'Art Moderne, Paris
15 Kostüme von Sonia Delaunay für La Mode
qui vient". Spectacle de Joseph Delteil"
16 Sonia Delaunay, Etude de lumiere", 1912113
Bal St. Michel. FarbstiftlPapier, 165x203 cm
ihm waren noch drei angemeldet. Ich hatte bei
Gott nicht den Eindruck, bei einer Neunzigiöh-
rigen gewesen zu sein, und es hat fast den An-
schein, als würde Paris in zehn Jahren mindestens
ein halbes Jahr den Centenaire der bemerkens-
werten Managerin in Sachen Delaunay zu feiern
wissen.
Unser Autor
Mechtild Wierer
München 40, Schleißheimer Straße 152a
Gerd- Dieter Stein
Egon Friedell
und die Judastragödie"
Nur ein ganz degenerierter Affe kann auf die
ldee gekommen sein, aufrecht zu schreiten und
nicht mehr bequem auf allen vieren zu gehen..."
74. Schon aus diesem Zitat geht hervor, wie
außergewöhnlich subjektiv Friedell aber das in
voller Absicht seinen riesigen Essay über die
Kulturgeschichte der Neuzeit geschrieben hat.
Bis um 1910 reichen die Vorarbeiten Ecce
poeta", 1912 zurück. Und daraus erklärt sich
auch der auffallend impressionistisch-aphoristi-
sche Tenor des gesamten Werkes. Erst ab 1927
erschien bei C. H. Beck in München die drei-
bändige Kulturgeschichte der Neuzeit", die zu
einem großen Bucherfolg wurde noch 1960 war
eine Dünndruckousgabe laut Seller-Teller" in
der Wochenschrift Die Zeit" über Monate hin-
weg das Sachbuch Nr. und mittlerweile weit
mehr als dreißig Auflagen erreicht hat. Deshalb
ist es auch verwunderlich, daß eine wissenschaft-
liche Auseinandersetzung mit Friedells Werk im
deutschsprachigen Bereich bislang fehlt. Vielleicht
liegt es auch daran, daß sich die Meinungen
über Friedell in zwei Lager teilen Die einen
bewundern ihn enthusiastisch, die anderen leh-
nen ihn radikal ab. Aber die Diskussion über
ihn, die Philosophen, Historiker, Kunstgeschicht-
ler und Germanisten' gleicherweise miteinan-
der führen könnten, unterbleibt hartnäckig. Man
muß aphoristisch denken, um Friedell lesen und
verstehen zu können. Paintiert werden bei ihm
die Fakten willkürlich zu Schwerpunkten ver-
dichtet. Es ist nichts spürbar von der Rankeschen
Akribie des minuziösen Zusammentragens, um
zu zeigen, wie es gewesen". Friedell war kein
Positivist. Er war Optimist im weitesten Sinn
des Wortes. Er glaubte zwar, daß sich die Ge-
schichte der Natur stets wiederholt; die Ge-
schichte der Menschheit hingegen wiederholt sich
seiner Ansicht nach nie. Deshalb suchte er in ihr
auch nicht nach Gesetzmäßigkeiten. Die histo-
rische Kausalität hielt er für restlos unentwirrbar;
zumal seiner Meinung nach ein erheblicher
Teil der historischen Wirkungen auch noch un-
terirdisch verläuft. Die Geschichte pflanzt sich
somit nur als Legende" über die endlose Kette
der Generationen fort. Diese Überlegung traf
sich mit seinem Wunsch, als Philosoph und
Künstler die Geschichte nachzudichten, sie aber
nicht als reiner Historiker in Spiritus zu konser-
vieren.
Friedell sah im großen Menschen" denjenigen,
der Kultur schafft, der geschichtlich wirkt. Im
Genie sah er den Extrakt, das Kompendium,
das klare Destillat, die starke Essenz, sozusagen
das Diagramm edes Zeitalters". Durch das Be-
tonen, das Hervorheben des überragenden Gei-
stes, des genialen Menschen gewinnt Friedells
Geschichtsschreibung anekdotischen Charakter.
Was ich zu erzählen versuche, ist unsere Anek-
dote, unsere Legende von der Neuzeit oder,
wenn man will, ihre Chronique scandaleuse.
Man könnte einwenden, daß für die Lösung
der vorliegenden Aufgabe ein einzelner
Mensch nicht ausreicht, daß niemand auf al-
len Gebieten kompetent sein kann. Da dies
zweifellos richtig ist, andererseits eine derar-
26
ln Reinhardts Deutschem Theater, Berlin Friedell
in der Uraufführung von G. B. Shows Andraklus
und der Löwe"
tige Arbeit fast unerlößlich ist, so bleik
übrig, als daß sie von einem inkomp
Menschen in Angriff genommen wird?
Man müßte Gewalt anwenden, wollte
dell in eine bestimmte philosophische
einordnen. Er gehörte keiner Schule" im
lichen Sinne an und begründete auch kt
besaß kein System. Man könnte ...sag
der Philosoph erst dort anfängt, wo der
damit aufhört, sich und das Leben se
nehmen f".
Leidenschaftlich ergriff er Partei für da
deutete und Unvollständige, für den
Willen zum Fragment und Ausschnitt
Alles Ganze, Vollendete ist eben vc
fertig und daher abgetan gewesen; da
ist entwicklungsföhig, fortschreitend, im
der Suche nach seinem Komplement.
menheit ist steril?
Seine Ablehnung gegenüber sturer Schu
schaft war geradezu radikal. Er sah nui
künstlerischen Aussage das organische
des Zeitalters, in dem es geschaffen
Er glaubte, daß die geistige Geschic
Menschheit in einer fortwährenden Umi
tierung der Vergangenheit" besteht,
Leben beginnt, hört die Wissenschaft
wo die Wissenschaft beginnt, hört da
auf" 1,14 und 15t.
Und so ist Geschichtsschreibung für Fried
losophie des Geschehenen" 3.
Egon Friedell eigentlich Friedmann wu
21. Jänner 1878 in Wien geboren. Die
verlief ruhig und unauffällig. Nach dem
des Gymnasiums er brauchte mehren
wechsel von Frankfurt bis Wien und
läufe, um endlich das Zeugnis der Reifr
halten und einem kurzen Studium in
und Heidelberg schrieb er seine Dokt
Novalis als Philosoph" 1904. In Wien
er dann als Kabarettdirektor und Privatgt
der ähnlich wie Kraus öffentlich Lt
veranstaltete. Das Vermögen, das er V01
geerbt hatte, ermöglichte ihm, als Schri
Kulturhistoriker und Philosoph zu lebt
Zusammenbruch des Habsburger-Reiches
ihn, nach 1918 als Journalist zu arbeit
seine Kulturgeschichten der Neuzeit
Altertums befreiten ihn aus seiner fina
Notlage.
Friedell, der in Wien alle Persönlichke
Zeit kannte, war in seiner Heimatstadt at
durch seine schriftstellerische Betätigung
lär geworden. Das hatte er vor aller
seine zahllosen Auftritte als Schauspi
reicht auch unter Reinhardt in Wien
lin.
Mit Peter Altenberg und Adolf Laos war
eng befreundet. Alle, die ihn kannten,
den gütigen und humorvollen korpulente
der so unnachahmlich geistreich und int
zu reden verstand. Diese Methode bes
er, um sein eigentliches Anliegen verw
zu können; Er wollte seine Mitmenscl
seine Umwelt zu kritischem und eigensti
Denken verleiten".
ngen 1-4
es etwa in seinem Apiierisinus gegen die
sten" Die Germanistik ist ungebildet in der
wdsten Bedeutung des Wortes" Iirl Wozu das
Essays, Satiren, Humaresken. Hrsg. v. Peter
München 1965, S. 1941.
IedeIl, Das Altertum war nicht antik und andere
ngen, hrsg. v. Walther Schneider, Wien 1950,
und weiter heißt es Man kann aber auch
irt sagen, daß die Zeit keine Autgabe hat als
Genie zum Ausdruck zu bringen. Sie liebt,
eht, steht, sitzt, denkt, handelt nach seinen
t. Sie ist völlig imprägniert von ihm, im Größten
Kleinsten, in Kunst und Naturgetühl, in Inter-
Und Erotik, in Haartracht und Religiosität in
Unter diesem Gesichtspunkt wird die Kultur-
zu einer Purträtgalerie der repräsentativen
n...
149.
st klassisch!" hrsg. v. Egon
Nestroy-Worte,
Wien 1921, S. 12-13.
w..- oiiveia-iaeii,
gung der drei Worte Von Anton Kuh", im
Querschnitt" veröffentlicht haben. Es ehrt
mich selbstverständlich, daß Ihre Wahl auf
meine kleine Iaunige Geschichte gefallen ist,
da Ihnen doch die gesamte Weltliteratur seit
uul
rimzuru-
Homer zur Verfügung gestanden hat. Ich hätte
mich deshalb auch gern revanchiert, aber nach
Durchsichtlhres ganzen Iuvres fand ich nichts,
worunter ich meinen Namen setzen möchte.
Egon FriedeIV
Kriegerischem und dem Wert von Wattensiegen
stand er sehr zurückhaltend gegenüber. Die
Prinzipien der reinen Gewalt enthalten seiner
Meinung nach meist keinerlei Ideen eines Fort-
schritts. Friedell haßte den Zwang in ieder
Form, den Zwangsfortschritt und den Zwangs-
rückschritt.
Für Friedell ist Geschichte zunächst Kulturge-
schichte; Kriege, Friedensschlüsse, mili ische
und diplomatische Karrieren bilden den obsku-
ren und ominösen Hintergrund. Leere Phrasen
und haßertüllte Parolen waren ihm wesens-
fremd. Er lehnte sie unnachgiebig ab. Als dann
doch die verhetzte Masse und die brutale Ge-
walt die Oberhand gewannen, als die deut-
schen Truppen 1938 auch in Wien einzogen, und
als Männer mit Hakenkreuzarmbinden den Jud
FriedeII" abholen wollten, sprang er aus dem
Fenster seiner Wohnung. Vor diesem letzten
Schritt hatte er durch Zurufe die Passanten var
etwaigen Verletzungen durch seinen Sturz ge-
warnt.
Noch im Jänner 1938 hatte Friedell folgende ge-
druckte Danksagung an die ihm bekannten Per-
sönlichkeiten geschickt
An alle Gratulanten.
Tieterschüttert, daß Sie meinen bescheidenen
60. Geburtstag nicht vergessen haben, danke
ich Ihnen von Herzen für Ihre mich so groß-
mütig überschätzenden Zeilen. Von allen
Glückwünschen hat mich der Ihrige am meisten
gefreut".
Anmerkungen 5-8
ÄEgan Friedell, Steinbruch. Vermischte Meinungen und
Sprüche, Wien 1921, S. 13,
tHler seien einige ener Gedanken angeführt, die sich
Friedell über HQFO Menschen", über das Genie ge-
macht hat. Provazierend schreibt er beispielsweise Über
Luther .. er ist der größte Publizist, den das deut-
sche Volk hervorgebracht hat, Und die tüntundneunzig
Lhezsär; sind die erste Extraausgabe der Weltgeschichte"
Oder Faust be innt als Mystiker und endet als Real-
palitiker" 257. Man kann Schiller nicht nachahmen
oder vielmehr wenn man ihn nadiahmt, wird er uner-
trägIiCh" II, 338.
Das ,Musikdrama' ist der hinreißende Trauermarsch, die
Rom Öse Leichenteier am Grabe des neunzehnten Jahr-
un erts, ia der ganzen Neuzeit" III, 373. So bedenkt
er Wa ner.
Egan riedell, Aphorismen und Briefe, hrsg. v. Walther
Schneider, München 1961 List-Bücher 192, S. 193.
Ebd., 192.
27
Lina Laos. Friedell drohte mit Selbstmord für
den Fall, daß sie seinen Heiratsantrag ablehnte.
Sie lehnte ab
Memoirenschreiberin Lina Loos, 1950 Er hat
leider nicht geheiratet, dieser Feigling"
Anmerkungen 9-13
'Die Judastragödie, in vier Bühnenbildern und einem
Epilog, WienlPragfLeipzig 1920. Umschlagzeichnung, Fi-
gurinen und Dekarationsskizzen von Julius ZimpeLl
Die Uraufführun füllt tn die Direktianszeit von Max
Paulsen 1. 3. 19 bis 31. 7. 1923; vor Paulsen lag die
Direktion bei Anton Wildgans 1. 2. 1921 bis 31. 7. 1922
nach ihm bei Franz Herterich l. 8. 1923 bis 30. 6. 1930.
"Haage Peter Haage, Der Partylöwe, der nur Bücher
fraß. Egon Friedell und sein Kreis, Hamburg und Düssel-
dorf 1971, S. 74 spricht in diesem Zusammenhang von
einem Bühnenessav" und fährt dann fort Ein Christus-
darsteller hätte das Schauspiel vermutlich hart an den
Rand der Oberammergauer Passionsspiele gebracht. Frie-
dells Prablemstück aber sollte von einem Helden leben,
der nicht auftritt, und sich an einem Konflikt entzünden,
der ebenfalls nicht auftritt, sondern in einer einsamen
Seele seine Lösung findet das mußte Theaterleuten no-
türltch fast unlösbare Probleme aufgeben"
"Friedell persönlich interpretierte die Auferstehung an-
ders. Für ihn stand fest, daß das Genie auch über den
Tod hinaus nichts van seiner Ausstrahlungskraft, Schöp-
fergabe und Fruchtbarkeit tür die Allgemeinheit verliert,
Haages Kritik a. a. O., S. 75 Fazit der Freunde
Blasse Hauptfiguren, Gedankenträger, aber keine Men-
schen, zuvtel Episoden und Randfiguren, die Hand-
lung in Gesprüchsfetzen zersplittern. Einige fanden, das
sei schon fast Kino.
Egon Friedell, Das Jesusproblem. Mit einem Vorwart von
Hermann Bohr, WienlBerlinlLeipziglMünchen 1921, S. 14.
Reichte ein iurtger Schiller oder Goethe von heute dieses
aus Gymnasialentwürfen, germanistischen und philosophi-
schert Universitäts-Seminarstudien, Faust-, Buddhm, Chri-
stus- und Judas-Dramenfragmenten iedes begabten Zög-
lings deutscher Bildung sowie aus Gedankensplittern rei-
ferer Jahre kaleidoskopisch-ktnematographisch zusammen-
geklitterte Sammelsurium von Szenen aus der Bibllschen
Geschichte dem Burgtheater ein, der zweite oder dritte
Dramaturg zum ersten oder gar zum Direktor käme eine
Judastragödie" gar nicht! klappte das Werk bei der
zehnten Seite, wenn seine Geduld überhaupt so weit
vordrdnge, energisch zu und ließe es an den Absender
zurückgehen!" Kritik in der Deutsch-Usterreichischen
Tageszeitung"; in Friedell-Brevier. Aus Schriften und
Nachlaß ausgewählt von Walther Schneider, Wien 1947,
s. 414-415.
28
gessen.
Nur dieses eine Drama hat Friedell geschrieben.
Es fehlen auch Hinweise oder Äußerungen, die
darauf hindeuten könnten, er habe weitere dra-
matische Entwürfe geplant. Kurz nach Kriegs-
ausbruch hatte er mit der Arbeit an seiner
Judastragödie" begonnen, die er übrigens Lina
Laos widmete. Erst 1920 ist dieses Theaterstück
endgültig abgeschlossen worden.
Zu iener Zeit also, da die allgemeine Kriegsbe-
geisterung große Teile Europas in einen Taumel-
zustand riß, beschäftigte sich Friedell mit dem
Problem, daß vielfach gerade dieienigen, die
sich Realisten nennen, mit Scheuklappen ausge-
stattet sind, daß sie sich hemmungslos von Emo-
tionen treiben lassen und blind ins Chaos laufen.
Eben diese Problematik wollte er in dramati-
scher Form auf die Bühne bringen. Er wählte
keinen geringeren als Jesus für die Hauptperson
des Stückes. Allerdings tritt dieser Hauptheld
nicht persönlich auf. Er spiegelt sich aber in allen
anderen Akteuren, ob sie ihn nun lieben oder
verdammen.
Friedell legte ein Sprechstückm vor, das nicht
straff aufgebaut ist, das auch streckenweise un-
theatralisch wirkt. Selbst die Figur des Judas
erscheint einseitig und vielleicht auch zu unge-
lenk. Friedells Judas ist nicht ein charakterloser
Verbrecher und Verräter im platt-herkömmlichen
Sinn. Er hat vielmehr eine so große Verante
wortung zu tragen, doß er ihrer Schwere unter-
liegen muß. Judas tritt als Realpolitiker auf. Er
fühlt sich als Führer des iüdischen Nationalismus;
deshalb kann er in dem schon so lange prophe-
zeiten Messias nur eine Persönlichkeit verstehen,
die zum Aufstand gegen die römische Besat-
zungsmacht aufruft. Mit der Waffe in der Hand
muß der Messias die Massen gegen die Okku-
patoren führen die Vaterfigur als Freiheitsheld.
Es darf da keinen Verzicht auf Terror aus dem
Untergrund geben, keine Skrupel vor allgemei-
ner Verunsicherung. Aus diesem Grund muß
Judas auch eingreifen, als er die Parolen des
angeblichen Messias hört; Mein Reich ist nicht
von dieser Welt." Ein solcher Schwöchling, der
das drückende römische Joch erduldet und pre-
digt, auch alle anderen sollen es ertragen, ist
gefährlich, da er nicht auf dem Baden der Tat-
sachen bleibt, die Massen im Stich lößt und in
die lrre führt. Das ist kein Freiheitskampf; das ist
schon fast ein Kollaborateur, den Judas der Be-
satzungsmacht ausliefern muß, da ihm keine
andere Wahl mehr bleibt. Und als der Druck des
Egon Friedell, der Erfolgsautor Mont
weite Gamaschen
Anmerkungen 14-19
lt Ebd., S. 413 lChemnitzer Tagesbote"l Ein
in der Geschichte des Theaters bedeutete dii
Uraufführung... Das Publikum falgte den
den Geschehnissen auf der Bühne mit atemlc
nung und in tiefer Ergritrenheit. Es war ein
des Wiener Burgtheoters."
Ebd., S. 403-413.
Ebd., 5. 401i. Er ist Logiker und muß eine
abscheuen, die, Arme im Geiste selig sprechen
Letzten die Ersten werden lassend, alle Kuusc
sprengen droht, mit denen die Erde an dan tt
schmiedet tst. Judas ist Materialist."
17 Ebd., 5.409.
"Dem varherbestimmten, unabcinderlichen tragi
schick kann man nicht ausweichen man kann
falls erkennen und annehmen.
Keiner unter den Christglüubi en konnte
sein als Egon Friedell, solche Be reiung der
aus dem Schmachbezirk, in den die Legende stt
vorzunehmen. Friedell ist ein Beiaher Jesu, al
sozusagen ständiger Mitarbeiter am Neuen
Wer nun Friedells Oblektlvität, Weitblick,
Nachsicht kennt, den überrascht es nicht,
Schriftsteller, bei aller Parteinahme für Jesus,
Tendenz hat, sich auch mit Judas zu verhalte
ist des Segnens froh, aber der große Fonds
und Witz, der ihm eigen, zwingt ihn doch in
des karnbattanten Durchschauers. Er ist ein Skep
der große Fonds an Menschenlieber der
zwingt thn, doch rundheturn zu beiahen. Ats
solchen Krättepaares ergibt sish die eigenttiml
fertige Fechterposition, die er in seinen Sch
nimmt. An der Spitze der scharfen Klingt
schlagt, wimpelt weiß die Fahne, mit de
Gegner sich ergibt, und auch sein bösartiges
ist mit herzlichem Ja gefüttert." Patgar ll
Brevier, S. 409-410.
In der Judastragödie" sieht Patgctr viel
Besseres als ein Drama, mlich eine uusl
Unterhaltung über gewichtige oegenstande,
statfliche, van Geist und Laune glitzernd geäd
halturtg, voll guter weltlicher Anekdoten mit
Pointe. Hohe Intelligenz, der der Segen et
Warte ertttraufelt, bietet hier retctttichert Ersatz
Polgar spricht von Friedells evangelischen
S. 410-4131. Friedells Scharfsinn ist für den
Mythos nicht zerstdrertde Sdure, sondern
ihn schmackhaft macht. Friedell ariginr
geschichtlich überlieferten Figuren.
oraa stem. Jetzt anni er seinen groben
Es ist möglich, daß er doch den wahren
ans Messer geliefert hat. Als einziger
in dieser Lage so scheint es ihm
ur das Sicherhängen".
der philosophisch und diplomatisch be-
zschulte Repräsentant der Weltmacht, ist
indeln genötigt werden. Er kannte sich
irch die Rolle eines Cunctators" aus der
nehmen Lage befreien. ihm bleibt ledig-
Philosophieren über das Wesen der
eit.
ch die tiefe und ernste Gläubigkeit Frie-
vergegenwärtigen, kann man wohl kaum
im halbwegs hinlänglichen Verständnis
dastragödie" gelangen. Er war wie
lunstschaffende" im Wien der Jahrhun-
de Jude, ist aber zum Protestantismus
ert. Beides trug ihm viele Anfeindungen
gängige Schimpfwort Jud" blieb ihm
ese tiefe und echte Gläubigkeit Friedells
ber das Fundament und den Ausgangs-
ir seine Weltanschauung, für seinen Hu-
wenn man so will, für sein Lachen. 1m
als Kabarettier und auch in seiner
"agödie" sind seine offenen, lausbübi-
md seine tiefgründigen, hachgeistigen
stets erfüllt von seinen sittlich-ethischen
nen geistig-moralischen Anschauungen.
spezifische Witz" im weitesten Sinne
ehen Friedells brauchte natürlich Reso-
riedell erwartete Echo und Antwort. Das
er von seinem Gegenüber. An der Ober-
var er Komödiant; alles andere in ihm
len Philosophen dar. So wird auch die
tung Hermann Bahrs verständlicher, der
einen iaculator Dei" nannte".
Judastragödie" wurde teilweise ein epi-
kanstruiertes, unschäpferisch-erdachtes
idrama" gesehen. Und die große Mühe,
steiler von Gewicht daran gewendet ha-
enso wie der wieder einmal nutz- und
vertane Aufwand von Zeit und Geld"
herzlich" beklagt". Teilweise hieß es
ch Diese grandiose biblische Dichtung
über das Schrifttum unserer Zeit hin-
Derartige Kritiken verfehlen aber ihr
treffen vielleicht manches, nicht aber
tntlich beabsichtigt Friedells Judastra-
Alfred Polgars Kritik" dringt hingegen
ch tiefer vor. Es wird darauf hingewie-
der Judas dieser Tragödie in Jesus
errat an den Freiheitsbestrebungen des
Volkes sieht. Judas will Erdenglück für
ttamm"". In dem Messias, den er erwar-
rebt ihm ein Krieger vor Augen, der zum
aufwühlt, nicht aber ein alles verge-
Wanderprediger, dem sich Frauen und
in der Hoffnung auf Friede, Liebe und
lnis zuwenden. Die Versprechungen, daß
rnel ein ewiges Leben schenkt, daß Gott
trgibt, müssen einem auf irdischen Frei-
ipf drängenden Fanatiker gefährlich vor-
So ist der Verrat des Judas zu ver-
iriedell läßt in seiner Tragödie offen, ob
wenigstens zeitweise glaubt, er selbst
Messias. im Epilog weist aber Friedell
hin, daß Judas durch das leere Grab,
Auferstehung Christi, den Glauben an
gene Sendung verliert. Polgars Interpre-
es Judas und die der ganzen Tragödie
pt ist interessant, kann aber nur für
Friedell-Freund Alfred Polgar Wurde Friedell
ermordet?
Anmerkungen 20-30
Vgl. Franz Ugg, Das Geheimnis des Judas. In Egon
Friedell, Die Judastragödie, 2. Aufl., Wien 1963, S. 5-8.
Judastragödie, S. 93-107.
Ebd., S. 95.
Ebd., S. 95 Friedell erkannte sehr früh die Bedeutung
des Films.
Ebd., S. 95.
Ebd., S. 95.
ff Ebd., S. 95.
"Ebd., S. 95 f.i Eutipides, der reiche müde Erbe einer
Kultur, die in Philosophie, Seelenkunde, Ausdruckstechrtik,
Kunst des Sehens und Hörens nahezu bis an die letzten
Grenzen gelangt war, sah sich genötigt, seine psycholo-
gischen Differentialkalküle mit äußeren Mitteln zur Dar-
stellun zu bringen, die für einen lndianertanz oder
einen Dorfzirkus gerade noch fein genug gewesen wären.
Shakespeare mußte seine Phantasiewelt, die alles ent-
hielt, was es gibt, und daneben noch so ziemlich
alles, was es nicht gibt, in einer bretternen Matrosen-
schenke realisieren, und dieser erotischste aller Drama-
tiker hatte ein Ensemble ohne Weiber! Molieres Zerrissen-
heit, Unruhe und opalisierende Laune wurde in einen
langweiligen ver oldeten Salon gesperrt, unter Menschen,
deren höchster Ehrgeiz es war, das Aussehen und das
Gefühlsleben einer Drahtpuppe zu erlangen. Bloß lbsen
war es vergönnt, die Form vorzufinden, die ihm voll-
kommen gemäß war, das Theater mit verdunkeltem
Zuschauerraum, scharf isolierter, grellbeleuchteter Bühne,
drei festen Zimmerwänden und massiven verstellbaren
Möbeln die Bühnenform, wie sie die soeben zur Welt-
herrschaft gelangte Bourgeaisie sich geschaffen holte"
Ebd., S. 96.
Ebd., S. 96. Der Kinemataqraph ist durchaus nichts
Zufälliges. Kein anderes Zeitalter hätte ihn erfinden
können. Es gibt überhaupt keine zufälligen Erfindungen.
DaB ein Gemälde oder ein lyrisches Gedicht das organi-
sche Produkt des Zeitalters tst, in dem es geschaffen
wurde, wissen heutzutage sogar schon die Universitäts-
professoren; aber mit den Erfindungen und Entdeckungen
ist es auch nicht anders sie sind ebenfalls einfache
Fal eerscheinungen der ieweiligen seelischen Gesamt-
ver assung der Menschheit."
Etwas weniger polemisch fährt er fort Es ist nicht wahr,
daß das ausgehende neurizehnte Jahrhundert dem Tele-
phan, dem Telegraphen, den Blitzzügen und dergleichen
Dingen ein neues Gefühl von Zeit und Raum, ein unend-
lich beschleunigtes Lebenstempo verdankt, sondern dieses
neue Tempo war das Primäre, dieses neue Zeit- und
Raumgefühl wurde mit der Generation, die den Magnetis-
mus, die Elektrizität und die Dampfkraft nutzbar machte,
bereits geboren, es mußte diese Lebensformen schaffen.
Immer ist der Geist das Primäre, beim einzelnen wie bei
der Gesamtheit.
Versähnen wir uns also mit dem Kinematagraphen! Er ist
ein Ausdruck unserer Zeit, und ein sehr prägnanter.
Zunächst er ist kurz, rapid, gleichsam chiffriert. Das
paßt sehr gut zu unserem Zeitalter, das ein Zeitalter der
Extrakte ist. Sodann er hat etwas Skizzenhaftes, Abruptes,
Lückenhaftes, Fragmentarisches. Das ist im Sinne des
modernen Geschmacks ein eminenter künstlerischer Var-
teil. Die Erkenntnis der Schönheit des Fragments beginnt
sich allmählich in allen Künsten Bahn zu brechen;
schließlich ist ia aber alle Kunst nichts anderes als ein
geschicktes und bisweilen geniales Auslassen van Zwi-
schengliedern. Ferner ist der Kinematagraph etwas höchst
Dilettantisches. Ein eminenter, noch lange nicht genug
geschätzter künstlerischer Vorteil! Denn was ist ein
,Dilettant'? Ein Künstler, der Temperament, Universalität,
Verachtung für Einzelheiten und eine neue Technik hat.
Richard Wagner war ein musikalischer Dilettant, er wufite
nicht, wie man eine Fuge schrei Mitterwurzer kannte
weder eine Rede gliedern noch seinen Körper ebenmäßig
bewegen; Nietzsche war nicht imstande, systematisch zu
denken und Monet konnte nicht zeichnen. Und ein
ähnlicher Dilettont ist der Kinematograph."
Ebd., S. 97.
ränen Blitz des dramatischen Dichters zerschmet-
tert"".
In iedem bedeutenderen Kunstwerk bleibt ir-
gend etwas offen, unerärtert". Als Judas seinen
tragischen" lrrtum erkennt, wählt er den einzig
noch gangbaren Weg, den Selbstmord. Erkennt-
nis durch Offenbarung, Vergebung und Gnade
sind Grundpfeiler des christlichen Glaubens; der
souveräne Blitz des dramatischen Dichters" hin-
gegen ist das fragwürdige Ergebnis eines Jour-
nalisten, dem die klingende Phrase lieber ist als
die Suche nach dem ihm vielleicht verloren-
gegangenen Glauben, das Ergebnis eines Li-
teraten, der sich nicht recht hat lösen können von
der Zeit, da er erfolgreich Einakter für Kaba-
retts schrieb.
Es wurde nie ernsthaft behauptet, daß Friedell
mit seiner Judastragödie" eines iener epocha-
len Dramen vorgelegt hat, die für die Literatur
Brisanz- oder Wendepunktcharakter bedeuten.
Daß es sich aber nur um eine glitzernd geäder-
te Unterhaltungm" handeln soll, wird auch nicht
haltbar sein. Friedell selbst" hat in seinem
Nachwort zur Judastragödiew ausführlich Stel-
lung bezogen zu seinem Drama. Er legte, seiner
Art gemäß, einen kulturgeschichtlichen Essay
vor". Sein eigenes Theaterstück betreffend, ging
er besonders auf iene Punkte ein, bei denen er
fühlte, daß sie allgemein nicht verstanden und
deshalb abgelehnt wurden. Das waren die Tech-
nik, die in gewissen Partien an den Film er-
innert""; die Zeit, in der das Stück spielt, näm-
lich im Altertum während doch heutzutage das
Historische auf der Bühne für deplaziert gilt"";
außerdem wird das antike Milieu nicht klassisch,
sondern naturalistisch behandelt dennoch ge-
schehen Wunder; schließlich schildert es Judas
als den Messias und Jesus als das Gegenteil
davon"?
Friedell vertritt ganz entschieden die Meinung,
daß der Dramatiker keine neuen Formen schaf-
fen kann. Diese Ansicht versucht er mit folgen-
dem Gedankengang zu begründen, daß die
Dramatiker immer ihre Hauptaufgabe darin er-
blickt hätten, das Theater ihrer Zeit ,mit kühnem
Griff' zu revolutionieren, in eine neue Form um-
zugießen"". Die Weltliteratur hingegen zeige,
daß das genaue Gegenteil der Fall war. Die
Dramatiker haben an der Theaterform, die sie
vorfanden, niemals das geringste zu ändern ver-
macht, sie haben sich ihr immer anpassen müs-
sen, ob es ihnen bequem war oder nicht. Mei-
stens war es ihnen natürlich sehr unbequem"?
Friedell schließt seine Überlegung mit einem auch
heute noch interessanten Gedankengang
Nun verändert das Theater ia aber doch im
Laufe der Geschichte seine Form. Wer also
verändert diese, wenn es die Dichter nicht tun?
Nun ganz einfach der Zeitgeist. Er ist es, der
alle Institutionen schafft, der eder Genera-
tion ihr bestimmtes Mienenspiel vorschreibt,
der die neuen Formen hervorbringt; in der
Religiosität so gut wie in der Interpunktion,
im Naturgeführ so gut wie in der Haartracht".
Für Friedell stellt der Kinematograph" diese
neue Theaterform, die der Geist der Gegen-
wart geschaffen hat"", dar. Dieser Kinemato-
graph gewährleistet so Friedell für die Welt
der Tiere und Pflanzen, der Häuser und Maschi-
nen, des ganzen Naturpanoramas eine künstle-
rische Bedeutung, die sie in dramatischen Dar-
stellungen bisher noch nicht gehabt hat"". Die
29
dominierend werden und somit die Menschen in
die Rolle bloßer Staffage drängen". Friedell
sah für den Dramatiker der Zukunft den Weg
ins Halbe, Unausgeführte, Abgerissene vorge-
zeichnet. Ferner wird auch die Pantomime an
Einfluß bedeutend gewinnen", weniger weil sie
dem Naturalismus" verhaftet ist, sondern weil
die stumme Handlung sehr oft die vielsagen-
dere Handlung ist"".
Friedell befaßt sich in diesem Zusammenhang
auch mit der Poesie der Historie". Er geht dabei
von dem Erfahrungswert aus, daß häufig Träume
wesentlich stärker auf den Menschen wirken als
wirkliche Erlebnisse. Seiner Ansicht nach hat das
Erlebnis eine geringere Realität" als die Phan-
tasie. Die überlieferten Geschehnisse der Histo-
rie haben für uns Charaktereigenschaften des
Traumes, sie stehen im Bereich der Phantasie.
Die zeitgeschichtlichen Entwicklungen, an denen
wir teilhaben, denen wir zusehen, sind blaß
wirklich"? Die Fülle verschiedenster alltäglicher
Details nimmt der Angelegenheit, die sich ereig-
net, viel der tieferen Wirkung. Den Zeitgenos-
sen fehlt für das Zeitgeschichtliche die Distanz,
da die Nähe und das Körperliche zu aufdring-
Egon Friedell in der Rolle des Gottes Merkur
aus seiner Bearbeitung von Offenbachs Schö-
ner Helena" für Reinhardts Berliner Kurfürsten-
dammfheater
WIFÖ, geht rrledell GUSTUHTIICH Eln'".
bedeutet ein Wunder" eine Naturersch
die wir mit unserer Wissenschaft noch
gründen können. Hier unterscheidet er
der DUfCltSCltUÜilSWlSSEDSChCIlWJG und der
Wissenschaft". Je tiefer eine Wissens
die Sphäre des Wunderbaren einzudring
mag, desto wissenschaftlinher ist sie.
Kultur einer Zeit lößt sich an der Zahl de
der messen, die sie exakt nachzuweisen
hat. Ein Zeitalter ist um so aufgeklärter,
Rätsel es entdecktw.
Abschließend stellt Friedell die Frage
sagt Gott dazu?" Gemäß seiner tiefen
keit fällt die Antwort aus. Er glaubt,
mand diese Frage so rein, tief und in
stellt" hat wie Jesus, und niemand hat
vollkommen beantwortet, für alle Din
Himmels und der Erde, die größten
kleinsten für Denken und Handeln, Liek
Hassen, Essen und Trinken, Gebüren ur
ben. Und darum wird, solange Wesen
serer Art und Anlage leben werden, mit
Recht er und nur er der wahre Sohn
genannt werden"?
Anmerkun en 31-42
Ebd., S. Kurz die kinematographisdie Tedinik auf
das Theater zu übertragen, wäre eine der Aufgaben des
Dramatikers der Zukunft."
Ebd., S. 9B.
13 Ebd., S. 98.
"Ebdv S. 98, In diesem Zusammenhang heißt es weiter
Denn man darf nie vergessen der wahre Dichter iedes
Dramas kann immer nur das Publikum sein. Die innere
Phantasie des nüchternsten und beschränktesten Men-
schen ist immer noch hundertmal packender und geheim-
nisvoller als alle gesprochenen Worte der Welt. Wie
wäre es denn möglich, daß alle Mensdien die Natur so
wunderbar sahön finden, wenn nicht alle Menschen
stumme Dichter wären? Wie könnte denn irgendein
Mensch etwas Zusammanhängendes denken oder etwas
Leidenschaftliches empfinden, wenn er nicht ein Dichter
wäre? Und welcher Dramatiker vermag auch nur an-
nähernd S0 originell, dnsdidniidi und ergreifend ge-
stalten wie der nächtliche Traum eines gewöhnlichen
Handwerkers oder eines kleinen Kindes? Die schönsten
und tiefsten Verse können nidit annähernd das aus-
drücken, was der einfachste Galeriebesudier unartikuliert
am findet. Wie töricht ist es daher, wenn der Theater-
dic ter seinem stärksten, hegabtesten und hilfsbereitesten
Bundes enossen der Publikumsphantasie, nicht den wei-
testen pielraum läßtl"
Anschließend versucht Friedell an Shakespeare und Schil-
ler nachzuweisen, daß das Mitspielenlassen der Szene-
rie" nicht unbedingt neu ist.
Unter Naturalismus versteht Friedell nicht iene Stilrichtung
innerhalb der Kunst- und Literaturgeschidite, deren
Schwerpunkt gewöhnlich in den einschlä igen Fachwerken
in die Zeit der sogenannten Gründeria ra verlegt d.
Der Friedellsdie Naturalismus greift viel weiter aus; er
sieht in ieder Epache eine naturalistische Piidse.
Wenn die stummen, selbst die taten Dinge auf diese
Weise in den Dienst des Dramatikers gestellt werden, so
ist das eigentlich der äußerste Naturalismus; und wenn
man will, isi es so dr der roheste, platteste und kunst-
loseste, der sich enken läßt. Aber von der anderen
Seite gesehen, ist es höchster Stil, Stil das ist etwas
möglichst Festes, Starres, Manumentales. Daher hat die
Baukunst die größte stilbildende Kraft, sie ist die
,stilvallste' Kunst. Ebendarum hat die Skulptur stets mehr
den Charakter des Stilisierten als die Malerei. Die Natur
hat immer Stil. Auf diese Weise lößt sich also und
gAerade auf dem We über den Naturalismus wieder
anumenlalilüt auf er Bühne erreichen. Um es in eine
kurze Farmel zu fassen der Weg der Entwicklung geht
vom naturalistischen Stil zum naturalistischen Stil." S. 99.
"Ebdi. S. 99 Die Französische Revolution hat auf alle
späteren einen tieferen Eindruck ernadit als auf die
Sensibelsten unter den Zeitgenossen.
Ebd., S. 100. Die Dinge sind nur groß, wenn man die
Möglidikeit hat, sie von oben zu sehen. Je ferner
wir einer Sache stehen, desto tiefer wirkt sie auf uns,
desto poetischer erscheint sie uns. Die Natur hat immer
etwas Poetisches, weil sie uns so fremd ist, weil wir so
gßr nichts van iiir wissen, Das, wds war, wirkt DUf
uns allemal tiefer als das, was ist."
"Ebd" S. 100. "Schon Aristophanes und Menander haben
sich um die Historie ebenso wenig gekümmert wie
Moli ra und Nestra Der größte deutsche Tragiker,
Heinrich von Kleist, hat nur ein einliges Stück esdirie-
ben, das in der Gegenwart spielt die Komä ie ,Der
zerbrochene Krug'. Und der größte Kamödiendichter
aller Zeiten, Henrik lbsen, hat GUCll eine der größten
Tra üdien geschrieben die ,Kranprätendenten', die aber
im reizehnten Jahrhundert spielen."
ln Das Altertum war nicht antik" S. 100-101 macht
Friedell darauf aufmerksam, daß wir uns sehr lange ein
völlig verzerrtes und falsches Bild von der sogenannten
30
Unser Autor
Dr. Gerd-Dieter Stein
Assistent am Institut für deutsche Sprache und
Literatur der Universität Salzburg
A-5020 Salzburg, Schleinlackenstraße 26
Antike, von den Griechen und Römern gemacht
bedurfte ganzer Generationen, bis die Altertum
verlernt hatte, ihr Forschungsgebiet mit ihren
und Wünschen zu sehen". Den Griechen mit
nenauge und den Römer mit der Erzstirn kar
gegeben haben. "Ein Volk wie die Griechei
ervarstediendste Eigenschaft in der lebhafte
weglichsten Fähigkeit des Aufnehmens, in ein
traphisch entwickelten Gabe des Sehens bestand,
wie die Römer, dem die ganze Welt gehö
dem kältesten Naturalismus ieder Nation ihi
esetz ablausrhte, um sie dadurch um so si
eherrschen neu entdeckt und ,verstanden'
Menschengruppe, die überhaupt nach nicht gew
von ihren Augen Gebrauch zu machen, die il
Weltbild aus Büchern, Exzerpten und Urte
Urteile anderer holtel"
Abschließend beschäftigt sich Friedell mit der
ständnissen, die aus ienem früheren Bild, das
van der Antike gemacht hatte, resultieren. Er
Schiller, Goethe und Cornelius hin .. sie
sie die vielen anderen übernahmen ohneweiters
sizistische Pensum; und Napoleon hatte als
nichts Eiligeres zu tun, als den leeren lackierte
stil zu schaffen."
ln dem Abschnitt Jesus der Antichrist" S.
behandelt Friedell kritisch die Lebensbesch
Christi" von Renan und D. F. Strauß. Anschliet
faßt er sich mit der Frage nach der Messian
und versucht, für das Judentum typische
aufzudecken.
Das Wunder als eine Farm der physikalisc
gie" ebd., S. 105 f..
Die echte Wissenschaft, die schöpferische
lich fortschreitende, hat nämlich zu allen Zeiten
der einen ihrer Fundamentalbegriffe gesehen;
in die Tiefe gehende Erklärung einer empiris
sache ist nichts anderes als die Feststellung ei
ders. Der Philolo beschäftigt sich mit der!
der Sprache, der otaniker mit dem Wunder
zenlebens, der Historiker mit dem Wunder des
und so weiter; lauter Geheimnisse, die noch ke
zu entziffern vermacht hat. Ja selbst der
wenn er nämlich enial ist stößt fortwül
Wunder." Eh S. 05.
Ebd., S. 106; esen Abschnitt beschließt er
wenig erfreulichen Feststellung Es geschet
keine Wunder mehr, aber nicht weil wir in
fortgeschrittenen und erleuchteten, sondern
einer sa heruntergekommenen und gattverlass
leben."
Was sagt Gott dazu?" ebd., S. 106-107
tensität, mit der diese Frage gestellt wird, ist
das, was iedem Zeitalter und iedem lndividui
Rang anweist. Die Frage selbst lebt in iedem
denn der Glaube an das Göttliche hat ganz
den Charakter eines lnstinkts. .. Dieselbe Kra
Pflanzenwurzel Phosphor wählen lößt, treibt
sehen zum Gattglauben und allem, was damit
hängt. Wir können die Existenz Gattes mit
Stringenz beweisen, mit der wir die Existen
weiß beweisen können", vielleicht mit keiner
aber sicher mit keiner geringeren.
Inhalt und Zweck aller schöpferischen Tätig!
steht in nichts anderem als in dem Nachweis
Gute, der Sinn, kurz Gott in der Welt
handen ist. Diese höchste, in einzige Realität
da, aber meist unsichtbar. Der Genius macht
bar dies ist seine Funktion. Man nennt ihn
Vorliebe gotterfüllt. Dieses Wiedererkenn
in der Welt ist die eigentümliche Fähigkeit und
iedes großen Mensdien."
Friedrich Langer
Endlich
Ein Osterreichisches
Theatermuseum
institutionalisiert
Das Theclterlund Österreich, die Theclterstadt
Wien, bekamen erst vor kurzem, präzise um
23. Juni 1975, ihr Theutermuseum, eine unglaub-
liche Tatsache, wenn man die traditionsreiche, in
aller Welt gepriesene Geschichte des Theater-
londes Österreich kennt, heute ic noch Spitze mit
seinen Festspielen, heute noch lebend vom Ruhm
der Wiener Staatsoper, des heuer 200iährigen
Burgtheaters, seiner vielen, vielen Schauspieler
und Sänger, die in aller Welt bekannt sind!
Nun, die Bestrebungen für ein echtes Theater-
museum gehen ia schon weit zurück noch die
kaiserliche Hofbibliothek sammelte und ver-
wahrte Prachtstücke und Zeugnisse großer Büh-
nenleistungen, man kaufte etwa den reichen
Nachlaß des Schriftstellers Franz lgnaz Castelli,
man dachte dann 1922 allen Ernstes an eine
große Gründung, man kam auch später immer
Ixuuhil; um; lmw
IIQ hmnlwn aus mm-
WIIYÜOIIÜWW
Fgurinen, Durslellungen und Porträts zur Ge-
ichfe der Operette.
Remigius Geylmg, Flgurinen"
die Experten könnte dies alles so richtig gezeigt
und ausgebreitet werden, wäre es das erste,
reichste, bedeutendste Museum seiner Art! Vor-
erst aber muß die Bleibe in der Nationalbiblio-
thek erhalten bleiben, müssen die meisten Schätze
nach, wie bei einem Eisberg, unter der Wasser-
linie schlummern; in Opernnöhe, in der Hanusch-
gasse, wurden vorerst zehn Ausstellungsräume
und ein paar Arbeitszimmer adaptiert und neu
bezogen, aber damit doch urbi et orbi der An-
fang gesetzt und überallhin verkündet; der Fuß
steckt in der Türe, der Anfang ist gemacht, ein
weiterer Ausbau, eine angestrebte Vergrößerung
wird die Aufgabe für die nächsten Jahre und
Jahrzehnte sein!
Inzwischen sprach und mußte man halt immer
von der Theatersammlung der Nationalbibliothek
sprechen, die mit kleinen Ausstellungen zwischen-
durch von sich reden machte, so waren z. B. zu-
letzt in den Bundestheatern zu sehen Bertold
Viertel und Wien" Burgtheater, Bühnenbilder
des Akademietheaters" und 75 Jahre Volks-
oper". Folgende Gedenkröume in der National-
beim burgtheater-einstigen Ranacher gelungen,
dann halfen aber die Heinzelmännchen der Bun-
destheater mit und plötzlich hatte man, klein,
aber fein und mein, die Hanuschgasse und grün-
dete
Also, zunächst in den zehn Zimmern die erste
der geplanten Wechselausstellung, eine Art Zu-
sammenschau Theater in Wien vom Barock
zur Gegenwart", eine Auslese gleichsam hervor-
ragender, signifikanter Objekte, ein Wieder-
oder Endlich-Sehen bekannter Bilder, Texte, Pla-
stiken, Plakate, Drucke, ein Schnellkursus beweg-
ter Theatergeschichte. ln etwa halbiöhrigen Ab-
ständen sollen dann weitere Wechselausstellun-
gen folgen, übers Burgtheateriubilöum natürlich,
die Kellerbühnen, die Festspiele; vielleicht kann
man auch später daran denken, sich auch außer-
halb Österreichs die Themen zu suchenl?
Zuletzt ein paar Zahlen, um die Notwendigkeit
und die künftige totale Aufstellung und Schau zu
erklären und zu dokumentieren. Neben dem kai-
serlichen Besitzstand kamen etwa die ergiebigen
Sammlungen von Hugo Thimig hinzu Schauspie-
Ferdinand Raimund
Erinnerungen an Charlotte Wolter und an den
Ringtheaterbrand
bibliothek laden zum Besuche ein die Räume für
Hermann Bohr, für Anna Bahr-Mildenburg, Josef
Kainz, Emmerich Kälman, Caspor Neher, Max
Reinhardt, Hugo Thimig und Carl Michael Zieh-
rer und diese Gedenkräume könnten leicht nach
um neue vermehrt werdenl. Viermal wöchentlich
ist der Lesesaal der Theatersammlung geöffnet
und nicht sonderlich, weil so im Verborgenen
blühend, frequentiert.
Aber das soll und wird ietzt anders werden Nach
den Versuchen der Jahre 1922 und 1929 setzte
es massiv wieder seit 197i ein, als das Bundes-
ministerium für Wissenschaft und Forschung ge-
gründet war und die Wiener Dramaturgie" eine
Vereinigung von Theaterdirektoren, Dramatur-
gen, Kritikern, Managern die endliche Gründung
eines Usterreichischen Theatermuseums postu-
lierte und bei der energischen Frau Minister Dr.
Firnberg auf Verständnis und Hilfe stieß. Prof.
Kindermann, weltweit geschätzter Theatenrvissen-
schaftsordinarius, Hofrat Mayerhöfer von der
Theatersommlung und Hofrat Prof. Langer vom
Ministerium bildeten den vordersten Stoßtrupp,
viele bekannte Künstler schlossen sich an, die
Presse half bei ieder Gelegenheit überzeugend
mit. Man suchte zunächst vergeblich einen reprä-
sentativen Bau fürs neue Museum beinahe wäre
es bei den traditionsreichen Redoutensölen oder
ler war er und Eurgtheaterdirektor, Ahnherr der
berühmten Dynastie, dann vieles von Hubert Mo-
rischka einer der Operettenkönige Wiens, von
Stefan Zweig mit einer Fülle von Dichterhand-
schritten, dann von Albin Skoda mit peinlich
genau gesammelten Privatissima und vieles auch
etwa noch von Max Reinhardt, und so fort. Und
so stapeln sich jetzt in der Nationalbibliothek
und harren künftiger Exposition über 5000 Thea-
terhandschriften, über 64.000 Autographien, über
250.000 Einblattdrucke, nahezu 400.000 Zeitungs-
ausschnitte, 88.000 Handzeichnungen, über 10.000
Graphiken, nahezu 300.000 Fotos, dazu Filme,
Mikrofilme, Schallplatten, Theatermodelle 851,
Diopositive 1970, dann Porzellan, Porträts, Sta-
tuetten, Olgemälde, Büsten
Es wird viel, viel Arbeit geben, dies alles neu
fürs große, endgültige Museum zu ordnen, auf-
zustellen, zu präsentieren. Nicht nur zum Ruhme
des österreichischen Theaters und des Wissen-
schattsministeriums zu Wien...
Unser Autor
Wirkl. Hofrat Prof. Dr. Friedrich Langer
Bundesministerium für Wissenschaft und
Forschung
Minoritenplatz
1010 Wien
33
Für den Kunstsammler 51
Wiener Kunst- und Antiquitätenmesse 1976
8. bis 13. Mai mit Sonderschau Christliche
Kunst"
Den gehobenen Erwartungen der diesiährigen
Leistungsschau des Wiener Kunst- und Antiquitäten-
handels wird zweifellos wieder voll Rechnung
getragen. Ein Überblick ergibt die Bestätigung, daß
sich Wien bezüglich internationaler Obiekte und
internationalen Niveaus weiter in das Blickfeld
des gesamteuropäischen Marktes schiebt. Da sich nun
auch Innsbruck und Salzburg mit einer sehenswerten,
absolut nicht sterilen, aber mehr dem lokalen
Bereich Rechnung tragenden Ausstellung dem
allgemeinen Trend erfolgreich anschlossen, wird
sich Wien mit seiner Anzahl prominenter Fach-
händler noch mehr als bisher dem internationalen
Käuferpublikum zuwenden. So zeigt eine
renommierte Firma eine ganze Sammlung bedeuten-
der niederländischer Gemälde des 19. Jahrhunderts,
andere haben sich heuer mehr dem französischen
Kunstbereich oder Italien zugewandt. Das Haupt-
angebot stammt selbstverständlich aus dem
deutschsprachigen Raum, wo besonders die Malerei
und das Mobiliar Siid- und Mitteldeutschlands ins
Auge fallen werden. Österreich ist mit Spitzen-
stücken aus allen Kunstsparten vertreten und kann
bei so manchem Obiekt höchste internationale
Ansprüche erfüllen.
Um die besondere Aufmerksamkeit der Massen-
medien zu erwecken und die traditionelle Reihe der
Bildungskoien fortzusetzen, hat die Antiquitäten-
messe heuer eine eigene Ausstellung Christliche
Kunst" angeschlossen. Die Sonderschau wird nur
von Ausstellern mit käuflichen Obiekten beschickt,
niveaumößig aber ausschließlich auf Meisterwerke
beschränkt sein. Sowohl der Wissenschaftler als
auch der Sammler kann hier wirklich museale Kunst
aus dem kirchlichen Kunstbereich erwarten, die
sich von der Tafelmalerei, der Skulptur und dem
Meßkleid des Mittelalters bis zum Kultgerät des
Rokoko hin erstreckt. W. H.
Antiker Pferdekopf. Frührömische Kaiserzeit,
1. Jh. n. Chr. 58 cm, 46 cm
Reinhold Hofstätter, Kunst und Kunstgewerbe
Wien Dorotheergasse 15 und Bräunerstraße 12
Schneckennuppenglas, Rheinisch, um 1400.
lrisierend gezackter Fußrand, 12,5 cm
Hofgalerie Dr. Wolfgang Hofstätter
Wien Spiegelgasse 14
St. Georg und St. Florian Attribute fehlen.
Frankreich, um 1500. Originalfassung, 44 cm
Friedrich Kratschmann, Antiquitäten
Wien Spiegelgasse 15
Gotischer Tarlöwe, Narddeutsch, 15. Jh.,
Sandstein, 37 cm
Hofgalerie Dr. Wolfgang Hafstötter
Wien Spiegelgasse 14
Madonna mit Kind, Kärnten, um 1520.
Linde geschnitzt, polyverchromt, 105 cm
Wolfgang A. Siedler, Skulpturen und Kleinkunst
Wien Spiegelgasse
Barent Vermeer Haarlem 1659 vor 1702,
Stilleben, ÖllLeinwond, 81 66 cm
Kunstgalerie Tomasz Metlewicz
Wien Seilergasse 14
Emailmodell für die AR-Medaille von
J. v. M. Brunner Nürnberg 1659-1725.
Sog. Stomrnbaummedaille von der römischen
Königskrönung um 1690 in Augsburg
Auktionserlös Nov. 1974 48.000.-
Wolfgang A. Siedler, Skulpturen und Kleinkunst
Wien Spiegelgasse
Alessandro Mazzola-Bedali Parma, um 1500 bis
1569, Bildnis eines iungen Mannes. Holz,
27 21 cm.
Josef Winkler, Galerie Alter Meister
Wien Seilergasse 14
Teekannen, Meißen, '1'730-1735. Mit bunten
Kauffahrteiszenen in goldenem Kartuschen-
rahmen auf Lüsterfond
Czeslaw Bednarczyk, Kunst und Antiquitäten
Wien Dorotheergasse 12
Pulverflasche Georg Herzog in Sachsen zu
Lüneburg und Braunschweig. Elfenbein,
silbermontiert, dat. 1657. 11 cm, cm
Ehemals Sammlung im Zwinger, Dresden
Reinhold Hofstätter, Kunst und Kunstgewerbe
Wien Dorotheergasse 15 und Bräunerstraße 12
11 Barockspiegel, Österreich, um 1730.
Einer von vier gleichen Holzspiegeln.
Auf silbergrün lasiertem Grund original-
vergoldete Schnitzereien. ca. 80 cm
Herbert Asenbaum, Antiquitäten
Wien Kärntnerstraße 28
10
12 Zwei Kursächsische Dragoner, Meißen, um 1755,
Modelle von J. J. Kändler. 22 und 22,2 cm
Czeslaw Bednarczyk, Kunst und Antiquitäten
Wien Darotheergasse 12
13 Spiegel, Louis XV., Frankreich, orig. Fassung, ge-
schnitzter u. vergoldeter Dekor, 67 cm, B38 cm
Galerie am Michaelerplatz, Georg Adler
Wien Kohlmarkt 18
14 Grotesken, Niederlande, 17. Jh.
Elfenbein, Hochrelief, 100 70 mm
Ernst Mehringer, Kunst und Antiquitäten
3620 SpitzlDonau, Marktstroße 13
15 Lit d'Angle, Louis XV., Paris, Mitte 18. Jh. Nuß-
holz geschnitzt, unsign. 182 cm, 91 cm, 99 cm
Friedrich Kratschmann, Antiquitäten
Wien Spiegelgasse 15
16 Josef Hoffmann Wien 1870-1956, Kaffeekanne
und Teekanne, Messing getrieben, versilbert, ver-
goldet, mit Holzgriffengalle Marken 1928 datiert
Galerie Krugerstraße 12
Wien Krugerstraße 12
Aus der im Rahmen der Wiener Kunst- und
Antiquitätenmesse 1976 veranstalteten Sonderschau
Christliche Kunst" zeigen wir nebenstehend;
Madonna auf der Mondsichel,
Fränkisch, um 1500. Lindenholz ohne Fassung,
beidseitig geschnitzt, Höhe 38 crn.
Bildfolge 1-16
"I6
Zeitgenössische Kunst
Münster
Das Westfälische Landesmuseum für Kunst und
Kulturgeschichte Münster konnte kürzlich die
78 Skizzenbücher erwerben, die August Macke in
den Jahren 1904 bis 1914 zur ersten Niederschrift
seiner künstlerischen Konzeptionen mit einer Unzahl
von Zeichnungen gefüllt hat. Die über 5000 Skizzen,
Notizen und Entwürfe zu Gemälden, Hand-
zeichnungen und Druckgraphik, zu Stickerei, Keramik
und Plastik bilden daher ein Dokumentations-
material ersten Ranges und wohl auch die Grund-
lage für die bisher noch ausstehende wissen-
schaftliche Bearbeitung des künstlerischen Gesamt-
werkes von Macke.
Im Zusammenhang mit dem Verkauf der Skizzen-
bücher hat die Familie Macke drei hachberühmte
Olgemälde des Malers dem Westfälischen
Landesmuseum als Dauerleihgabe zur Verfügung
gestellt das Selbstbildnis" von 1906, den
Sonnigen Weg" von 1913 und das ModegeschäfW
von 1913. Aus Anlaß dieser Erwerbung wurden
die Skizzenbücher mit anderen Zeichnungen und
den berühmten Tunis-Aquarellen aus dem Besitz des
Museums in einer Ausstellung gezeigt Abb. 1-3.
Oberfläche, wo die flüssige Farbe vertikal in die
unkontrollierbaren querlaufenden Faltungen floß,
um kurvenlinige Zeichen einzuschreiben. Eine
Inschrift, welche so in die Malerei eingraviert
wurde, ließ Farbe und Leinwand durchscheinen
Sexprime hommage JP Brisset. Nach 1960 Iäßt
er das Leinwandgitter fallen und geht dazu über,
die Leinwand mit einer erst schwarzen dann
weißen Flüssigkeit vorzupräparieren und faltet und
knittert diese. Die Farbe wird platt aufgetragen.
Dadurch erzielt er gemalte und nichtgemolte Falten,
welche die Oberfläche zersplittern Abb. 5.
Jean Degoffex
charakterisiert die Schrift durch die lntegrierung
mittels einer einmaligen Bewegung, die er weder
zusammenstellt noch ergänzt, und die er danach
auch nicht mehr berührt. Für ihn zeichnet das
Zeichen den Raum.
Claude Viallat
lebt in Nizza. Bei der Fragestellung des doppelt
ausgedehnten Raumes durch Weglassen des
Leinwandgitters stellt die Malerei von Viallat
Beweisgrund durch ihre Zerlegung Arbeit mit
Basel
Kunsthöndler sind nicht nur Mittler zwischen
Künstlern und Käufern, sondern oft auch Sammler
von Rang. Ein hervorragendes Resultat einer
solchen, noch dem Maßstab höchster Qualität
getroffenen Auswahl hat das Kunstmuseum Basel bis
zum 25. Jänner 1976 gezeigt. In sieben Räumen
waren Meisterwerke der Graphik des 19. und 20.
Jahrhunderts aus dem Besitz von Eberhard Kornfeld,
dem Chef des Berner Auktionshauses, zu sehen.
Die Auswahl mit 338 Nummern reichte von Goya
bis zur iüngsten Gegenwart und wurde von einem
vorzüglich gedruckten, wichtigen Katalog begleitet.
Neben bedeutenden Probedrucken, Frühdrucken,
neben Zustands- und Farbvarianten enthält die
Sammlung auch mativische Raritäten, so Robert
Delaunays Farblitho des Chorumganges von Saint
Severin von 1907 oder die einzige Radierung,
die Vincent van Gogh geschaffen hatte den
Mann mit der Pfeife", das Bildnis seines Freundes
Paul Gachet. Dazu kostbare Mappenwerke
Bonnards Daphnis und Chloe", die Jahresmappe
der Brücke", die Merz-Mappe von Schwitters;
das Schönste vom Schönen war versammelt Abb. 4.
Paris
Künstler aus dem Depot
Die FNAC Fonds national d'art contemporain
organisiert mit dem Musee National d'Art Moderne
eine Nonstop-Accrochage mit Künstlerwerken aus
der Reserve. Sie stammen aus Käufen des Museums
und großzügigen Schenkungen. Dem Publikum
wird damit die Möglichkeit geboten, einen neuen
Überblick über Vollständigkeit und Fehlerhaftigkeit
des zeitgenössischen französischen Kunstbesitzes
36
wie über die Vorbereitungen für das Centre
Beaubourg zu gewinnen.
Nach 1947 mit Ausstellungen von Hartung und
Schneider hat sich die Strömung der lyrischen
Abstraktion der geometrischen Abstraktion des
Bauhauses, des Stiil und des Konstruktivismus
entgegengestellt. Die Beweissetzung der informellen
Elemente wird durch Arbeiten der Materialmalerei,
der Schnelligkeitsprinzipien und iener ohne
Vormeditation verwirklicht. Die Arbeiten der drei
folgenden Künstler stimmen mit den Auseinander-
setzungen dieser Strömung überein.
Simon HantoT
ist Ungar und lebt seit 1922 in Frankreich. Er stand
anfänglich unter dem Einfluß des Surrealismus.
Hantai forschte durch die verschiedensten Techniken
nach Materialeffekten Prägung, Schichtung und
frottieren des Farbauftrages, Collagen, Faltungen,
Integrierungen fremdartiger Materialien, wie
Bindfaden, Knochen, Federn etc. Nach 1954 beendet
Hantai diese Versuche, die Breton etres fabuleux"
nannte, und wendet das Verfahren der Schrift-
outomatik an vom Surrealismus erarbeitet und vorn
Action Painting entwickelt. Er begann mit
Gegenständen ein Wecker auf der vertikalen
Seilwerk, Netzen, Knoten, Splissungen, Wieder-
holung von einer gefärbten Form, welche die
Leinwand rhvthmisiert und die Form, zum Vorteil
der Farbausdehnung, neutralisiert.
Mechtild Wierer
Großarl
Das Ergebnis einer mutigen Idee des Salzburgers
Erich Cevela ist nun schon zu einer Großarler
Tradition geworden Vom 24. bis zum 30. Jänner 197i
fand in Großarl zum achten Male das alliährliche
Treffen europäischer Alt-Pfadfinder statt iener
sich durch das ganze Leben verbunden fühlenden
Menschen, denen Vergangenheit, Gegenwart und
Zukunft eine Einheit ist. Zeichen für solche Haltung
war neben den vielen anderen Aktivitäten dieser
Tage unter dem Leitwort Der Menschlichkeit eine
Chance" eine Ausstellung mit Werken zeit-
genössischer Plastik inmitten der Großarler Pfarr-
kirche. Ein unkonventioneller Weg, bildende Kunst
auf dem Lande" zu pflegen, gewiß, aber wohl
ein sinnvoller; besonders hierzulande, wo volks-
verbundene Kunst leider nur zu oft mit dem
G'würzbüscherl" anfängt und beim Hinterglasbild
aufhört. Die Bronzeplastik Befriedeter Vietnamese
von Erich Sauer vgl. Seite 40 in der katholischen
Kirche des Gebirgsdorfes war viel mehr als manche
der üblichen Krieger-Denkmale"; dieser Torso
mit aufgerissenem Brustkasten und zerfetzten
Beinen war wohl für alle glaubwürdiges Zeugnis
nicht nur aller menschlichen Erniedrigung, allen
Elends und aller Verzweiflung, sondern auch
ununterbrochene Anklage an den Willen zur
Macht", iener uralten Totschlägermentalität, die
heute wie ie Haß, Neid und Unmenschlichkeit
auszuspucken imstande ist.
Franz Wagner
Interkunst 1976
Noch zwei Jahre vorher, 1974, konnten de facto
ganze drei Galeristen zur Teilnahme an der
proiektierten Interkunst überredet" werden. Nach
der Ausschreibung 1975 waren es an die 50!
Ausgebucht in wenigen Tagen das leider etwas
anorganische Exhibitionskanglamerat. Man mußte
Kaien verkleinern. Was bewirkte dieses urplötzlidte
Anziehen des Interesses der Galeristen? Gab es
doch vorher Schlagabtäusche, vom Quer-Treiben
bis -Stellen, ia bis -Legen die übliche dissonante
Ouvertüre. Dagegen iedoch verstärkte Akkordanz
und Ohrensteifhalten der Veranstalter. Galerist
Gras, der eigentliche Urheber" der Interkunst
hätte Wien mehrere von seiner Distinktion der
die Interkunst als Experiment startete, und das
Team der Offerta", das ein Ubersoll an werblichen
und administrativen Pensen am Hals hatte. Das
organisierte, entrierte, vermittelte und das erste
Großunternehmen für die Kunst des 20. Jahrhunderts
in Wien auf die Beine stellte. Teamleiter Jirasko
verkniff es sich nicht, höflichst allerdings, diesen
Unternehmensauftrag an Berufenere" zurück-
zuadressieren. Aber wie immer, was vorerst in
irgendeinem Galerie-Winkel dieser kulturträchtigen
Stadt als ideelles Feuerchen schwelle, entwickelte
sich alsbald zum beachteten" Brand! Rauchzeichen
einer neuen Ära am Wiener Himmel in Sachen
moderner Kunst?
Eingeweihte errechneten sich kein Wunder. Keine
Schlangen Kunstinteressierte vor dem Liechtenstein-
Palais. insgeheim erwartete man sich einiges".
Doch dann gab es einen zu Hoffnung berechtigenden
Anfang. Ja man registrierte mit Genugtuung das
Aufkommen eines so stark hinzugewünschten
neuen" Publikumskreises. Man sprach davon, doß
diese erste Wiener Kunstmesse der zeitgenössischen
Kunst in erster Linie lnformationswert haben sollte.
Als Fundament des Ganzen trugen naturgemäß
die Galerien, unsubventioniert, und nicht die
präsentierten Künstler die Aufwandslast. Galerien
aber haben eben enorme Aufwände und Regien.
Das bedeutet, daß die Ware, das Kunstobiekt,
auch entsprechend verkauft werden muß, um deren
Existenz sicherzustellen. Das heißt aber auch, daß
ein halbidealistisches Unternehmen wie die Inter-
kunst späterhin doch kommerziell stimmen muß.
Verpflichtung für die Folgeveranstaltungen, die
einigen Arbeitsschweiß kosten werden, weil der
gewisse Erfolgszwong im Nacken sitzt. Nun,
gerade im Bereich der Kunst, vor allem der
modernen Kunst, wird nichts geschenkt". Sehen
wir als Primäres aber doch die Chance des
Weitermachens durch den gemachten Anfang.
Wien sollte endlich einmal stark bleiben, so
leicht das auch gesagt sein mag. Düsseldorf,
Basel, ia warum nicht auch Wien? Wir stellen uns
ganz hart gegen die Meinung, daß die Ausweitung
und weitere Veranstaltung von Kunstmessen
Selbstmord auf Raten" sei. Letzten Endes muß
etwas, das man kaum oder gar nicht kennt, und
das sich nur partiell in stammkundenverpfropften
Galerien zur Schau stellt, erst recht zum Selbstmord
verurteilt sein, weil naturgemäß erweiterndes,
lebenserholtendes Interesse fehlen muß. Darin
liegt ein krasser Widerspruch. Wer nur einiger-
maßen die Meinungen periphärer Kreise und die
von noch weniger oder gar nicht damit befaßter
und interessierter Menschen zu hören versteht,
weiß, daß gegenüber der zeitgenössischen Kunst,
zu ihrem Selbstverständnis, eher Ablehnung besteht.
Nützen wir also Möglichkeiten mit echter Hilfe
der Massenmedien ein wirkliches Verständnis
für die Kunst, für den Künstler der Gegenwart zu
erreichen. Bringen wir die moderne Kunst sich selbst
konfrontierend ins Bild, reden wir über sie, damit
sie ein Bestandteil des Lebens wird für viele und
nidtt nur für elitäre Wenige. Zeigen wir sie,
erklären wir, daß sie kein unnützer Ausstattungs-
oder Statusluxus sei, verscheuchen wir die
Sdiwellenangst vor Kunstgalerien, versuchen wir,
wertgerechter anzupreisen. Sa kann dieses Messe-
ereignis, der Interkunst in Wien, das eigentlich
allerseits priori positive Aufnahme fand, als
wenn um
Au ust Macke, Straßenszene, Frühiahr 1914. Aus Skiz-
zen uch Nr. 63 Reise nach Tunis
August Macke, Sonniger Weg, 1913
Au ust Macke, Straßenszene, Frühiahr 1914. Aus Skiz-
zen uch Nr. 63 Reise nach Tunis
Ernst Ludwig Kirdmer, Kopf Ludwi Sdiames, 1913.
HolzschnittlWZV Dube 330111. Der rankturter Kunst-
händler wurde von Kirchner im Früh'ahr 1918 im Rahmen
der in Kreuzlingen entstandenen ildniskäpfe porträ-
tiert. Handdruck, signiert
Hantai, Lexe prima, 1971
Horst Antes auf der Interkunst 1976, Wien
Brancusi, Visage de temme. A. M. 2536
eine der wenigen wirklichen Möglichkeiten gelten,
hier entscheidende Taten zu setzen. Für den Künstler,
den Kunstinteressierten und den Galeristen, der
für alle das Risiko trägt. Eine Kunstmesse ist wie
alle Messen dem uralten Gesetz von Angebot und
Nachfrage unterworfen. Aber im Gegensatz zur
narmalen" Handelsware ist zum Leben Kunst
nicht unbedingt nötig, muß nicht gekauft werden,
noch weniger wenn sie nicht gefällt. Solche
international beschickte Messen können hier einiges
zu wirklicher Aufklärung beitragen. Wir wollen
absolut keine utopischen Gedanken suggerieren,
aber fast mahnend meinen alle kommeri llen
Erwägungen sollten in einer Weise modifi ert
werden, daß auch noch Hand in Hand die
Bereitsdiaft gehen kann, auch das Objekt Kunst"
in ein innigeres" Verhältnis zum Interessierten
spridi Erwerbenden, sprich Käufer zu bringen.
Man sollte sich gründlich und umsichtig vorbereiten
auf die nächste Interkunst aus diesen Erwägungen
heraus. Lasse man sich nicht abschrecken, daß
anderswo sich fest etabliert der Messemittelpunkt
der WeIt" für moderne Kunst befinden soll. Auch
dort hat man einmal angefangen. Wien hinkt
sowieso in vielem hinterher.
leopald netopil
11
Brancusi
Das Musee National d'Art Moderne von Paris
erbte 1957 unter der Bedingung, das Atelier
Brancusis im Museum zu rekonstruieren, die gesamte
Hinterlassenschaft des größten Bildhauers dieses
Jahrhunderts. Das Erbe beinhaltet außerdem 34
Zeichnungen, die im Atelier Brancusi aus
Konservierungsgründen nicht ständig ausgestellt
werden können. Aus diesen Gründen wurden von
Dezember 1975 bis Februar 1976 25 Zeichnungen
dem Publikum zur Besichtigung zugänglich gemacht.
Sein Autoporträt Brancusi wurde am 16. Februar
1876 in Rumänien geboren und stammte aus einer
Bauerntamihe. Er besuchte die Kunstakademien von
Craiovie und Bukarest und ging 1903 zu Fuß nach
Paris, neben Frauenporträts, männlichen und
weiblichen Akten, die Protilstudie für den Ersten
Schritt", Zeichnungen über das Thema Sokrates,
Le Coq", Baiser" und vor allem das Symbole
de Joyce" sind zu sehen.
Brancusi, der fast in göttlicher Einsamkeit lebte und
schuf, war ein Schöpfer in allen Phasen seines
Seins. Er pirschte sich an seine leuchtenden Ideen
heran wie der Jäger ans Wild. Um seine Visionen
oder die Realität erstmalig festzuhalten, nahm er
seinen Zeichenstift oder seine Kamera. Dann suchte
er die Form in Aquarell- und Gouacheserien.
Erst wenn er sich der Sphäre des Wesentlichen
nähergekammen glaubte, begann er mit dem
Studium des geeigneten Materials Holz, Bronze,
Marmor, Stein etc., um die Vision Gestalt werden
zu lassen.
Er hat in seiner Skulptur die Realität bis zur feinsten
Form, bis zur klarsten allumfassenden reinen Linie,
bis zum Symbol abstrahiert. Seine Arbeitsweise
glich einem göttlichen Kult, den er ieder Kreation
zuteil werden ließ. Er schmolz wie die Kiinstler
vor Tausenden Jahren die Bronze in seinem Ofen.
Er sägte die Eichen selbst, aus denen er seine
unendlichen Säulen schuf. Er behaute seinen
Marmor, aus welchem er seine ersten und letzten
Vögel entstehen ließ. Alle diese Techniken vollzog
er immer mit den gleichen Werkzeugen, und er
behauptete, mit dem reinsten Vergnügen.
Er war mit seinem inneren mikroskopischen Auge
der Meister des Wesentlichen. Sein berühmtes
Porträt von Jayce erhielt die abstrakteste Version,
die er kreierte. Eine Spirale und drei vertikale
Linien bilden das Symbole de Joyce". Die Spirale
ist zwar ein ziemlich bekanntes Motiv der zwanziger
Jahre, aber die Spirale symbolisiert zum einen die
irlöndische Kunst und zum anderen die Brille
das Auge des Joyce. Die vertikalen Linien
korrespondieren mit Nase, Mund und den übrigen
Konturen des Gesichtes.
Brancusi erklärte damit das Wesentliche.
Abb. Mechtild Wierer
37
Künstlerprofile 37. Biennale Venedig
dem Generalthema ambiente fisico", für welches die Übersetzungen Umwelt", Milieu" sowie Environment" angeboten werden, einigte sich die
male von Venedig nach mehreren dramatischen Auseinandersetzungen mit den internationalen Vertretern im Juni 1975 fur die Durchführung der traditio.
Stellungen in den Pavillons der Nationen und mit einigen Sonderprogrammen in zusätzlichen Ausstellungshäusern. Neu sollte die Eiennale durch eir
stisches neues Statut sein, das zunächst für ein vierjährige permanentes Programm im Jahr 1973 vom italienischen Parlament verabschiedet worde
den neuen Präsidenten Carlo Ripa di Meana zunächst vor eine schier unlösbare Aufgabe stellte Italien wollte keineswegs nur ein Thema, sondern
Künstler der einzelnen Länder für deren Präsentation in den Pavillons auswählen. später lediglich mitbestimmen, bis man sich zuletzt doch einigte, den Lät
ehe ihre Ausstellungen und die Erhaltung der Pavillons finanzieren, auch die Wahl ihrer Programme zuzugestehen. Mit dem sazio-äkologischen
vbiente flsico" war man demnach von dort wo man 1972 mit dem Thema Verhalten" behave nicht eben weitergekommen. Die echte Erneuerur
vnale kann, wie man sieht, nur schrittweise erfolgen.
37. internationale Kunstbiennale von Venedig wird am 73, Juni 1976 eröffnet.
Dern österreichischen Biennalekommissör ist es
herkömmlicherweise freigestellt, die Auswahl der
Künstler zu treffen, er allein trägt für sein Konzept
die Verantwortung. Die Kommissärin für die heurige
Biennole und Verfasserin dieses Beitrags ging von
dem Gedanken aus, in Bildwerken visualisierbare
Reflexionen zur aktuellen Umwelt zum Programm
einer Ausstellung zu machen. Die Umwelt fordert
zur Korrektur heraus, sie nötigt zur Anpassung,
sie bietet zeitlos gültige Erkenntnisse an. Der
Künstler, der in der Lage und willens ist, über
die egozentrische Selbstinterpretation hinaus in
seinem Werk kritisch dazu Stellung zu beziehen
und diese in einer adäquaten Sehform zu realisieren,
wirkt strukturverändernd. Eine Vielzahl der Aspekte
in diesem Konzept empfiehlt eine Mehrzahl von
Künstlern, empfiehlt Polarisierung. Die gegebenen
Räumlichkeiten im Österreich-Pavillon begrenzen
diese Zahl auf maximal vier, drei Maler und einen
Bildhauer. Daß die Wahl der Künstler mit Rudolf
Hoflehner, Rudolf Kedl, Reimo S. Wukounig und
Wolfgang Walkensteiner auch verschiedene
Generationen berücksichtigt, kommt dabei der
Absicht, dem Lebensgefühl einer breiten Schicht
Ausdruck zu geben, mehr zufällig aber durchaus
legitim entgegen. Auf keinen Fall soll die iüngste
österreichische Künstlergeneration fehlen.
Eine Erscheinung, an der heute niemand vorbeisehen
kann, diskutiert auch in der österreichischen
Forschung Siegmund Freud, Konrad Lorenz, ist
die Aggression. Als existentielles Faktum vermag
dies kaum ein anderer österreichischer Künstler in
seinem Werk so aufrüttelnd vor Augen zu führen
Nie Rudolf Hoflehner in seiner im Jahre 1967
einsetzenden Malerei. Sie steht auch gegenwärtig
Mittelpunkt seines Schaffens. Materialisiert durch
eine nahezu stoffliche Wiedergabe in Farbe
Jnd Struktur manifestieren sich im menschlich-
ierischen Fleisch Metaphern eines brutalen
Existenzzwanges. Zeugungszwang und Sexualisie-
"ung stoßen den sinnlos wuchernden biologischen
Nerkstoff in eine fluchbeladene lndividuation;
ievalte und Tötungszwang lösen Gegengewalten
JUS. Nur ein spirituelles Prinzip kann die Totalität
tieses Vernichtungskampfes brechen. Knoten und
lerklammerungen bringen demnach ein mechani-
tches, technisches Element ins Spiel. Die Schnüre,
tie das Fleisch bändigen, in ertindungsreichen
Schlingen, gehen von unüberschaubaren Kraft-
rentren aus. Wer, was beherrscht diese? Die
Xntwort bleibt aus. In Hoflehners Bildern der
ahre 1975776 sind die Dramen dieser biologischen
Explosion in surreale Landschaftsräume verlegt.
"lach langen dämonische Arme nach dem
Erdfleisch, schon aber zwängen sich gelbe Sonnen-
cheiben aus den Talschluchten. Vielleicht
tberwinclet der Künstler mit ihnen einen ansonsten
ödlichen Pessimismus.
er Bildhauer Rudolf Kedl setzt dem plasmatischen
"error Hoflehnerscher Visionen die sanfte
tggression pflanzlichen Wachstums entgegen. Eine
0m Archaischen ausgehende Formensprache
wan denkt an die Papyrusbündelsäulen der 18.
haraonendynastie, oder auch an die attischen
tnthemien prägt seine Stelen aus getriebenem
tuntntetall. Organische Bewegungsvorgänge, der
on Tag und Nacht bewirkte Wachstumsrhythmus,
las Entfalten von Kelchblättern und Blüten
berträgt der Künstler in eine symmetrische
tnordnung seiner plastischen Gebilde. Er sieht seine
Verke am liebsten mit gewachsener Parklandschaft
onfrantiert. Kedls Säulen setzen Signale. Sie sind
tbstraktionen eines tief im Menschen verankerten
trebens nach Einheit mit der Natur, nach
ieborgenheit des Seins in ihren Gesetzen. In seinen
eliefs reiht Kedl orchestral differenzierte
flanzliche Formen unmittelbar an menschliche
iguren, wobei er die Gruppe der isolierten
inzelgestalt verzieht, das Kollektive dem
tdividuum. Alle Details entsprechen dem Grund-
onzept einer Verbindung klassischer Harmonie
tit barocker Fülle. In der österreichischen Kunst der
elf kann die Stimme einer humanistischen
radition nicht überhört werden.
Rudolf Hoflehner, Rudolf Kedl, Reimo S. Wukounig, Wolfgang Walkensteiner
Sollte sich im Österreich-Pavillon der heurigen
Biennale auch so etwas wie ein Österreich-Image
abzeichnen, kann die Wahl der beiden iungen
Künstler stellvertretend für eine iunge Generation
aufgefaßt werden. Denn diese bezieht einerseits
eine absolut kritisch-polemische Stellung zur
Zivilisation von heute, anderseits sucht sie den
heilsamen Ausweg. Bei Reimo S. Wukounig bildet
erlebtes Milieu" im engsten Sinne das Motiv der
Auseinandersetzung. Sein scharfer Beobachtungssinn
erspürt den Verletzungsfaktar einer Umwelt, die
den Schwächsten trifft, den Menschen zwischen
Kindheit und Jugend. Ergebnis ist der Zyklus
Einatmen-Ausatmen", seine Zöglingbilder mit dem
unterspielten Leid in Körper und Mimik. Wukounigs
Anklage gegen Unterdrückung vermeidet die
groben Pointierungen, die ein tendenzöser Realismus
hier einsetzen würde. Seine Stilmittel bevorzugen
kühle Zurückhaltung, sind fern von plakativem
Exhibitionismus. Das Farbgewebe seiner Graphik
bildet eine fein strichlierte, geradezu ziselierte,
malerisch wirkende Bildhout, silbrig wie auf alten
Pastellen. ln Graphit gestaltet er Situationen,
Bestandaufnahmen exponierter menschlicher
Existenz, Krankheit, Verbrechen. Die ihm eigene
Sachlichkeit, eine Emotionen meidende, aber nicht
minder intensive Interpretation unserer unheilen
Welt eröffnet Wege in die Zukunft.
Dem figuralen Programm Wukounigs steht das
landschaftliche Wolfgang Walkensteiners gegen-
über. Als einer der begabtesten Schüler Prof.
Max Weilers bekennt er sich zur Nach-beat-
Generation. Zu Anfang seiner Entwicklung noch
wenig engagiert an traditioneller europäischer
Kultur, wendet er sich typisch für seine Alters-
klasse anläßlich eines Aufenthaltes in Afghanistan
und Pakistan der indischen Philosophie und Religion
zu, experimentiert mit den bewußtseinserweiternden
Hilfsmitteln, erkennt deren Wirkung und befreit
sich. Eine zunehmend kritische Betrachtung der
Lehren der Magier hinterläßt Spuren in den fossil-
haften Einschlüssen seiner Landschaftsmalerei, die
nunmehr im Zeichen einer bewußten Selbstfindung
vor der Natur steht. Vordringlich von der Farbe
bestimmte Kompositionen halten einen Schwebe-
zustand zwischen konkreter Malerei und illusioni-
stischem Landschaftsraum aufrecht. Dynamische
Strukturen charakterisieren eine scheinbar chaotische
Umwelt, gleichsam am Neubeginn einer den
Naturgesetzen entsprechenden Ordnung. Der
meditierende Betrachter erspäht sie nur langsam,
für den Maler bahnt sie sich in der Realität der
Farbe und ihren Gesetzen an. ln Walkensteiners
Bildern erkennen wir nach das echte Ringen um den
ästhetischen kolaristischen Aufbau, das Bemühen,
zwischen Anschauung und Gestaltung ein Ferment
persönlicher Mythologie einzuschalten, die als
einziges Medium der Selbstverwirklichung erkannt
wird. Lee Springschitz
1-4 Rudolf Hoflehner, Rudolf Kedl, Reimo S. Wukounig,
Wolfgang Walkensteiner
Rudolf Haflehner, Die Übergabe", 1974. WVZ 91.
Acryl, tso 200 cm
Rudolf Kedl, Talus-Säule", 1771. Messing getrteben,
323 cm, und andere Plastiken
Reime S. Wukounig, Aus dem Zyklus Einatmen-Aus-
atmen" Der bedröngte Zögling", 1975
Wolfgang Walkensteiner, Blick aus der Höhle, 1976.
EitemperalLeinen, 150 202 cm
Rudolf Hoflehner, Studie für eine Landschaft, Vll",
1975. Großer Ausschnitt. WVZ 106. Acr 72 x122 cm
Rudolf Kedl. Wasserpflanze", 1972. Detail. Kupfer
getrieben, 360 cm
11 Reimo s. Wukounig, Der verwirrte Zögling", 1975. Aus-
schnitt mit Mienenspiel
12 Wolfgang Walkensteiner, Zarathustra, 1975. Großer
Ausschnitt. EitemperalLeinen
39
Aktuelles Kunstgeschehen Österreich
Wien
Museum des 20. Jahrhunderts
Walker Evans
Ein Fotograf, dessen Bilder, entstanden in einer
Zeitspanne zwischen den späten zwanziger Jahren
bis zum Beginn der siebziger Jahre, uns außer-
ordentlich viel über Amerika sagen. Die ein
Amerika zeigen, fern der Reiseprospekte und Film-
leinwand. Es sind auch nicht so sehr vom
künstlerischen Standpunkt ausgewählte Fotos
obwohl man gerade bei solchen simplen Motiven
wie dem Zaun des Old Wallabout Market etwa
sehr genau sieht, welch Auge der Fotograf für
Komposition und Linienführung hat sondern sie
sind in ihrem fotografischen Realismus die soziolo-
gischen, politischen, bildungsmäßigen und
ökologischen Verhältnisse in den USA iener Jahre
beleuchtende Ausschnitte. Erschütternde Einblicke
in die Hinterhöfe einer Nation. Die Ausstellung
wurde vom Museum of Modern Art, New York,
arrangiert.
21. 1.-8. 2. 1976 Abb.
Claes Oldenburg
Eine sehr gute und informative Schau von
Zeichnungen, die freilich den Künstler nur von einer
Seite zeigt und von dem großen Obiektemacher
und Aktionisten nur Entwürfe und Skizzen brachte.
Trotzdem waren auch daraus seine phantastischen
Einfälle und gewissermaßen die Keimzellen
seiner plastischen Durchführung ersichtlich. Die
frühen Zeichnungen, von 1953 bis 1959, zeigten
den Werdegang seiner graphischen Entwicklung. So
sind besonders die Blätter mit Pat zu erwähnen,
wo wir einen außerordentlich sicheren expressiven
Strich feststellen können; in manchen Blättern
an Kakoschka erinnernd. Ebenso sind die locker
gezeichneten Landschaften iener Jahre prachtvolle
Studien, die eine sichere Hand verraten. Es folgten
in der Manier von Kinderkritzeleien gehaltene
Arbeiten, schließlich Anti"-Plakatentwürfe und die
schon genannten zahlreichen Entwürfe für seine
Weichen Monumente".
21. 1.-29. 2. 1976 Abb.
Wiener Secession
Polnische Kunst 1900-1975
Die Exponate kamen aus zwei polnischen Museen,
vom Museum von Masovien in Plock und vom
Bezirksmuseum von Torun. Warum nur diese
beiden Museen die polnische Kunst dieser Zeit und
Strömung vertreten ist unersichtiich, denn abgesehen
von einigen sehr typischen und gut gemachten
Bildern des Jugendstils, wie Der Hof in Gruszka"
von N. Tymon oder die Bilder von C. Rzepinski,
war wenig von besonderer Qualität zu sehen.
Außerordentiich groß war der Einfiuß vom Ausland,
hier besonders von Frankreich, auf die polnische
Malerei zu vermerken. Die Beispiele gehen bis zu
den letzten Jahren, und gerade aus dieser Zeit,
also nach dem zweiten Weltkrieg, sind schon viele
stärkere Arbeiten außerhalb Polens von polnischen
Künstlern bekannt geworden.
9. 1.-8. 2. 1976 Abb.
Österreichische Architektur 1945-1975
Eine Dokumentation. Montiert auf große Tafeln
sind Fotos und Risse von Bauwerken, die in dem
genannten Zeitraum entstanden sind. Es ist
sonderbar, daß Architekten eine Ausstellung, bei
der es um ihre eigenen Anliegen geht, nicht
lebendiger zu gestalten verstehen. Abgesehen
davon, daß man vielen Fotos anmerkt, daß sie aus
einem Obiekt mehr machen als es in Wirklichkeit
ist kommt doch gerade bei einem dreidimensionalen
Gebilde viel auf den Blickwinkel an!, so muß
man auch feststellen, daß die Reihung der Bilder,
besonders der vielen kleinen, für den Betrachter
außerordentlich ermüdend ist. Weiters muß man es
bedauern, daß diese Ergebnisse nicht anders
präsentiert wurden, gab es doch auch unter anderem
neben protzigen Wirtschoftsbauten eine Menge
gute und ehrliche Lösungen. Daß der soziale
Wohnhausbau fast ganz leer ausging, ist in einer
40
Stadt wie Wien, die gerade auf diesem Gebiet
in der Ersten Republik so hervorragende Leistungen
aufzuweisen hatte, mehr als traurig, scheint aber
mit der geistigen Einstellung des Nachwuchses der
Architekten zusammenzuhängen.
9. i.-8. 2. 1976 Abb.
Akademie der bildenden Künste
Herbert Boeckl
In den Ausstellungsräumen waren fast alle wichtigen
Bilder und eine Menge Entwürfe zu den Fresken
und Gobelins. Der große österreichische Maler
wurde mit so vielen Bildern das letzte Mai in
Wien im Jahr vor seinem Tode präsentiert, damals
im Museum des 20. Jahrhunderts. Viele Werke,
die heute zu unserem Boecki-Bild" gehören, waren
nun hier zu sehen, auch einige ältere, wie das
Porträt Bruno Grimschitz', das sein Herkommen von
Schiele und Klimt zeigte. Die Hängung war leider
so unübersichtlich, daß man ieweils durch alle Räume
gehen mußte, wollte man die zeitlich zusammenv
gehörigen Bilder nacheinander betrachten. Für
iemanden, der den Maler nicht konnte, war es
nahezu verwirrend. Zum Teil waren die Exponate so
schlecht gehängt, daß man Bilder mit einem
diffizilen Farbauftrag nicht gut betrachten konnte,
da sie an der Wand mit den Fenstern placiert waren
20. 1.-22. 2. 1976 Abb.
Alte Schmiede
Egon Haug
Ein unbequemer Maler, dessen Acrylbilder man
nicht gut in ein vorgegebenes Fach einreihen kann.
Großfiächig, mit starker Leuchtkraft, steilen sie
an den Betrachter die Anforderung des Einsehens.
Wer sich aber einmal zurechtgefunden hat, der
wird von der Kraft der Gestaltung gepackt. Die
Graphiken zeugen von einem unglaublich sicheren
Strich aus der bewegten Hand. Es ist erstaunlich,
daß von diesen Bieistiftzeichnungen, anspruchslose
Landschaften, überhaupt noch weiche im Besitz
des Künstlers sind. Blätter, die man noch einmal
suchen wird.
Februar-März 1976 Abb.
Galerie Spectrum
Bernhard Hollemann
Fast alle Bilder in Mischtechnik, hauptsächlich
großformatig. Die Zyklen Homa animaiis" und
irgendwer, irgendwo, irgendwann" dominierten.
Drei große Uibilder in sehr kräftigen signalisierenv
den Farben neuesten Ursprungs setzen das Thema
fort. immer wieder bringt Hollemann filmartige
Abfolgen, immer wieder Anthropomorphes. Diese
Ausstellung bewies, daß das Guvre dieses Malers
so reich und reichhaltig ist, daß er auch eine große
Galerie mit Leichtigkeit füllen kann. Verschiedene
Graphiken und Mappenwerke ergänzten die Schau.
20. 1.-20. 2. 1976 Abb.
Museum für Völkerkunde
Gold aus Peru
Die Ausstellung zeigte allein Exponate aus der
Sammlung Miguel Muiica Gallo, Lima. Über
250 außerordentlich hochkaratige Objekte aus einem
Zeitabschnitt, der mit 300 v. Ch. beginnt und mit
der Eroberung durch die Spanier beendet wurde.
Eine Zeitspanne, die also lange vor den lnkas
einsetzte und mit ihrer Herrschaft schließt. Gefäße,
Lippenpflöcke, Nasenschmudt, Halsketten, Ringe,
Totenmasken und schließlich aud1 kleine Plastiken
Tiere und Menschen zeigten reiches ornamentaies
Muster, über dessen Sinn uns nur Vermutungen
bleiben. Da die Völker, die diese außerordentlich
feinen Goldarbeiten durchführten, keinerlei Schrift
kannten, sind wir nur auf Kombinationen und
Vermutungen über ihr Weltbild angewiesen. Die
Motive der Treibarbeiten weisen wieder Menschen
und Tiere auf, dabei ist der Jaguar sehr häufig
anzutreffen. Viele komplizierte Bearbeitungs-
techniken wurden von den Meistern iener Zeit
einwandfrei beherrscht. Man verstand die
Edelsteine, wie Türkis, Lapislazuli, Bergkristall,
Rosenquarz, Smaragd, Amethyst, Topas und
Karneol, zu fassen, das Metall wurde fein gelötet
und zu Filigranierungen bearbeitet. Besonder
Prunkstücke der Schau waren die Kronen, Mo
Zeremanienmesser und die Totenhandschuhi
über deren Sinn man auch nichts weiß. Es gal
einen schönen Katalog mit farbigen Abbildur
der sich allerdings beim drei- oder viermalig
Uffnen in einzelne Blätter auflöste.
22.1.-31.3.1976-Abb.8,
Atelier in der Biiirothstraße
Wolfgang Haidinger
Der Bildhauer, der mit einigen guten Arbeiti
denen Fotografien gezeigt waren beim Sym
Lindabrunn Aufmerksamkeit erregte, stellte
Bronzen und kleinere Skulpturen aus. Die Gi
sehr bewegt. Gut sind iene, bei denen sich
Künstler bemüht, großzügige klare Formenel
durchzuziehen, weit weniger gut sind aber
zwei oder drei Bronzen, bei denen die Forn
sehr zu flimmern beginnen, daß keine Ordnu
mehr durchbricht. Die Steine zeigen eine so
Linienführung, hier ist wieder geformte Bews
spürbar.
26. 2.-25. 3. 1976 Abb. 10
Galerie Wolfrum
Heinz Kummer
Mit den Absonderlichen Huldigungen an Pc
Cezanne" unter dem eigentlichen Titel Paul
bei Wolfrum der Bernsteiner Kunsterzieher
kunstthearetische Publizist Heinz Kummer rn
Zyklus einer Bildgroteske eine Kurzausstellui
Kummer warnt in einem Werktext vor einer
deutigen Klassifizierung desselben ins Ne
Abnorme" und Pathologische". Eine Warr
derer man bedarf, denn ohne Zweifel gerät
unbefangene Beschauer wie von selbst in dil
abtrögliche Wertung. Es ist der Versuch, du
Bauschema des Cezanne-Biidnisses mittels
zerrung eine konstante formationelle Basis
dieser Paul-Variationen zu schaffen.
26. 1.-31. 1. 1976 Abb. 11 Alois
Salzburg
Großari, Pfarrkirche
Erich Sauer
im Rahmen eines freundschaftlichen Treffens
europäischer Alt-Pfadfinder vgl. Seite 36
Heft schien diese Ausstellung ein sinnvoller
Zumal Sauer, der 45iährige, in seiner Heima
Fronkenthal in der Pfalz lebende Bildhauer
Salzburg kein Unbekannter mehr ist. Seit
der Meisterschüler von Marcello Mascherini
Max Rieder an der Sommerakademie auf de
den Preis der Stadt Salzburg" erhielt, hat
unermüdlich gearbeitet, hat sich auch im Hc
väterlichen Tischlerei eine Gießhütte eingeri
in der er hierin dem Salzburger Zenzme
gleichbar alle seine Bronzeskulpturen seil
gießt. Die meisten seiner Arbeiten kreisen
Thema des Menschen; hinter Sauers Werk
tiefe Reflexionen aus religiösem Ernst wie
das Wissen um die große Verantwortung, di
dem bildenden Künstler in unserer Zeit aufe
24.-30. 1. 1976
Galerie Weiz
Herwig Zens
Neben einigen Zeichnungen in der Art dert
vor drei Jahren gezeigten war nun der Vei
Zyklus" von Zens, eine Folge von acht Rac
samt den zugehörigen Vorstudien zu sehen.
kehrt damit zwar nicht in die Frühzeit seine
Tätigkeit zurück, in der der Mensdt als Ein
Gruppenwesen dominierte vgl. dazu Heft
dieser Zeitschrift. Aber die Spannungen in
Landschaften des Unbewußten finden auct
gekonnten Blättern ihren überzeugenden Ai
8. 1.-1. 2. 1976
Linde Waber
Auch hier ist dem expressiven Landschaftsz
besondere Sorgfalt gewidmet. Zwar ist Linz
etwa mit der wichtigen Ausstellung ihrer
Jlge 1-12
Wker Evuns, Shine", Foicgrafie Clues Oldenburg, Zeichnung Frycz Karo! uwßwßz, Heiena Sulimu in sv. Wyspiyuns-
HochzewW Ruchel, 1904
mv PmcM, Rehubwlüofwonnerürum Mewdhng, Wwen Herber! Boeckl, Sicaizer Kegel 1940. UllLwd. Egon Houg, Sonne mit rolem Himmel. Acryl
4967. Dclchkonsüukilonen
Hollemann, Homo ummohs", 197a. Aquarell Zwen Oblekic aus der Juh verlängerlen Aussiellung Geld aus Peru" im Museum für Volkerkunde, Wien
eichnung
gcmg Haidinger, Belsuzer, Bronze Rolguß, 35cm Heinz Kummer, Paul? 12 Lxnde Weber, Niedcr Neusiifl, 1975. Zeichnung
41
Aktuelles Kunstgeschehen Österreich
1974 im Österreichischen Museum für angewandte
Kunst am Wiener Stubenring mit bedeutenden
Farbholzschnitten zu einem der Fixpunkte der
österreichischen Kuristszenerie geworden. Aber auch
diese neuen Landschaftszeichnungen wie etwa
die Landschaft mit dunkler Wolke" mögen auch
dafür Beispiele sein, daß Linde Wabers Weg
wie Wilhelm Mrazek gemeint hat von großer
Lebendigkeit bei unverwechselbarer Eigentümlich-
keit" gekennzeichnet ist.
8. 1.-1. 2. 1976 Abb. 12
Hans Fronius
Die ausgestellten, technisch vorzüglich bewältigten
Blätter mit ihren ekstatischen, wild dahiniagenden
Darstellungen erfassen stets, dem Worte Kubins
nach, den Augen-Blick" des künstlerischen Sehens.
Die Folge der Parabeln" scheint entstanden aus
Tagen und Nächten schrankenlosen Meditierens
und Phantasierens; das quälende Wissen um
schicksalhafte, ausweglose Schuld Lot und seine
Töchter", das Bangen urn die Existenz, die Visionen
zerstörender geistiger Gefahren, alles das ist mit
iener längst bekannten Meisterschaft des Hans
Fronius dargestellt.
3.-29. 2. 1976
Pedro Cano
In den ausgestellten Zeichnungen des Pedro Cano
scheint der Widerwille gegen die Beliebigkeit und
Unkrollierbarkeit" informeller Subiektivitöt eine
eigene, persönliche Stilistik hervorgerufen zu haben.
Für Cano, der 1944 in Blanca, Spanien, geboren
wurde und seit drei Jahren an der Zweigstelle
der Spanischen Akademie der Schönen Künste in
Rom unterrichtet, sind der stets kontrollierte Strich,
die delikate Linie, das differenzierte Hell-Dunkel
und sorgfältige Begrenzungen der Bildflächen
wesentliche Bestandteile seines bildnerischen
Schaffens. Doch wäre es falsch, hier von einem
platten Akademismus zu sprechen; realistische
Figurationen sind mit abstrakten Inhalten vermischt,
die Beinahe-Greifbarkeit der realen" Gegenstände
vgl. Abbildung entbehrt auch nicht romantischer
Züge. Witz und Geist in surrealer Phantasmagorie
wie auch eine höchst differenzierte Farbgebung
vervollständigten den günstigen Eindruck dieser
Ausstellung.
3.-29. 2. 1976 Abb. 13 Franz Wagner
Tirol
Innsbruck Galerie im Taxispalais
Heinrich Kühn
Die Ausstellung zeigte Fotografien dieses Pioniers
fotografischer Kunst in Österreich. Kühn, 1866 in
Sachsen geboren, studierte in Innsbruck Medizin. Er
betrieb die Fotografie zuerst nur als Hobby.
Später widmete er sich ganz dieser Gestaltung und
wurde ein in aller Welt anerkannter Fachmann.
Seine Verbesserungen des Obiektivs, der Blende
u. a. technischer Einzelheiten haben seinen Namen
in der Fachwelt unsterblich gemacht. In Würdigung
seiner Verdienste um die wissenschaftliche und
künstlerische Fotografie wurde ihm 1937 das
Ehrendoktorat der Universität Innsbruck verliehen.
Die Schau bewies mit einmalig seltenen Fotografien,
die zu Beginn unseres Jahrhunderts gemacht
wurden, und hier besonders wieder mit den Farb-
aufnahmen, welch hoher künstlerischer Wert schon
damals in diesem Medium erzielt wurde. Kühn
zeigte, daß man auch mit diesem tedinischen
Gerät Kunst machen kann. Wenige nur kamen an
diese frühe Spitzenleistung heran.
20. 1.-29. 2. 1976 Abb. 14
Galerie Krinzinger
Attersee die Winterreise
Der bekannte Maler und Graphiker hat mit der
Winteralympiade in Innsbruck wieder einen guten
AnlaB, viele intelligente und witzige Einfälle in
seinen grellen Farben spritzen zu lassen. Hier
wurden die verfremdeten Attersee-Bestecke zu
reidihaltigsten Sport- und Winterragouts geliefert.
3. 2.-6. 3. 1976 Abb. 15
42
BreitenwanglReutte
Wolfram Köberls Deckenfresko
Als Abschluß einer siebenjährigen Gesamt-
restaurierung der barocken Dekanatspfarrkirche in
Breitenwang schuf Wolfram Käberl dazu Künstler-
profil in Heft 138 dieser Zeitschrift ein Deckentresko
im Langhaus der Kirche mit dem Hauptthema
Petrus und Paulus, die Patrone der Pfarrkirche,
geleiten die Menschheit zu Gott". Um 1780 hatte
bereits Johann Jakob Zeiller das Deckenbild im
Presbyterium gemalt, man mußte sich aber aufgrund
finanzieller Überlegungen damals entschließen,
die Vorschläge Zeillers für die Ausmalung der
Langhausdecke nicht auszuführen. Köberl hat nun
im Einvernehmen mit dem Bundesdenkmalamt
versucht,die Darstellung an der 18 15 Meter großen
gewölbten Fläche harmonisch mit dem barocken
Bauwerk zu verbinden. Köberls Sicherheit und
anscheinende Unbeschwertheit im formalen Aufbau
wie im Farbauftrag versetzen ihn zwar in den
Stand, sich völlig den Grundlagen barocker Ge-
staltungsweise anzupassen; trotzdem sind seine
Werke wie Kurt Rossacher nachgewiesen hat
eigenständige Intentionen eines zeitgenössischen
Modernen und, bedingt durch die Verhüllung in
Allegorien im Dienste eines geistigen Programms,
im Sinne unserer Zeit durchaus abstrakt Abb. 16.
Kärnten
Klagenfurt Galerie Siama
lnge Vavra-Aspetsberger
Die iunge Malerin, die schon in verschiedenen
Galerien des Auslandes ausgestellt hat, liebt die
Struktur. Obwohl ihre Arbeitsweise dem Gegen-
ständlichen immer verhaftet bleibt, wirken, und das
gilt besonders für die Graphiken, ihre Blätter
recht abstrakt, da sie meist Ausschnitte, geologische
Schichtungen und Ähnliches zeigen. Ein lineares
Geflecht beherrscht die Bilder, ein Geflecht, das
die Künstlerin ieweils zu verdichten und ouszuwägen
versteht. Die Aquarelle, duftig und leicht, scheinen
uns weniger konzentriert. Sie zeigen auch weit
deutlichere Bezüge zur üblichen optischen Schau.
10.-21. 2. 1976 Abb. 17
Steiermark
Graz Neue Galerie
Die Szolnoker Malerschule
Etwa hundert Bilder österreichischer und ungarischer
Maler, die in Szolnok, einem kleinen Ort am
Unterlauf der Theiß, gemalt haben und wo später
eine Künstlerkolonie gegründet wurde. Besonders
die Begründer kamen einfach des Reizes der
Landschaft und des eigenartigen Lichtes der ungari-
schen Tiefebene wegen immer wieder an diesen
Ort. Anreger und geistiger Vater der Malerschule
war August von Peftenkofen, von dem auch etliche
sehr typische und gute Bilder zu sehen waren.
Andere folgten ihm, so J. G. Raffalt, O. v. Thoren,
Tina Blau, A. Romako, E. Jettel und Th. v. Hörmann,
von den Ungarn müssen besonders L. Deäk-Ebner,
Pal Böhm, Sändor Bihari, Laszlo Mednyanszky,
Adolf Fenyes und Laios Szlanyi genannt werden.
In Szolnak, begünstigt durch das flimmernde
Licht der weiten Ebene, wurde für die Malerei
unseres Raumes die Abkehr vom Genrebild und
somit der Impressionismus vollzogen und in immer
neuen Anläufen verwirklicht. Die Schau brachte
uns die Atmosphäre nahe, die im Ausgang des
vorigen Jahrhunderts auch in unserem Land zu einer
neuen Sehensweise führte.
17. 2.-14. 3. 1976 Abb. 18
Jim Dine
Von dem 1935 in.Cincinnati geborenen Amerikaner
waren 40 Druckgraphiken zu sehen. Lithographien
und Radierungen, die dadurch, daß Dine oft nach
dem Druck noch mit Wasserfarbe, mit Siebdruck
oder der Collage ergänzte, besonders interessant
wurden. Viele der Abzüge entstanden in engster
Zusammenarbeit mit seinem Drucker. Als Vorwurf
dienten ihm die einfachsten Geräte seiner
Umgebung, wie Werkzeuge, Bekleidungsstür
Er macht uns damit täglich Geschautes und
mehr Beachtetes gegenwärtig.
Jänner-Februar 1976- Abb. 19
Oberösterreich
Linz Neue Galerie
K. F. Dahmen
Von dem 1912 in Stolberg bei Aachen gc
Obiektemacher waren 37 Kästen, Montagen
verschiedensten Gegenständen, Farbstiftzeicl
dazu und einige originelle Radierungen zu
sehen. Dahmen wird, wie uns der Katalog ze
durch Gegenüberstellungen mit Fotos aus un
täglichen Umgebung oder eigentlich mit der
Künstlers, von sehr realen surrealen Gegen
angeregt. Was er daraus macht, hat eine sta
Aussagekraft. Seine Obiektkästen, durchkom
und alles andere als zufällig zusammengetr
sprechen mit einer suggestiven Kraft. Sicher
kein Zufall, wenn er sehr oft bedrohliche As
behandelt. Die Welt Umwelt, seine und
liefert ihm genug Anlässe. Durch Gegenüber
stellungen in dem gut gemachten Katalog
eine Parallele zu den alten Vanitasbildern
gewiesen.
14. 1.-26. 2. 1976 Abb. 20 und 21
Galerie am Taubenmarkt
Peter Skubic
Schmuckobiekte nennt der Künstler seine
Sdwöpfungen, weil es sich dabei nicht allein
Schmuckstücke in der überkommenen Art hai
weil es neben Ringen, Broschen, Anhängern
Kreationen gibt, die ganz einfach nur zum
da sind. Wie ia überhaupt Skubic in seinen
Arbeiten mehr als nur Schmuck im Sinne
Zierde sieht. Da diese Ausstellung mit 57
einen Zeitraum von 1957 bis 1976 dokument
konnte man die Entwicklung besonders gut
17. 2.-4. 3. 1976 Abb. 22
Club der Begegnung Kulturzentrum
Ursuiinenhof
Eduard Diem
Der Wiener Maler und Graphiker brachte
farbenkräftige Aquarelle. Mit flotten Pinseln
wird meist eine etwas schwermütige Atmosc
geschaffen, tiefe Räume erschlossen, in eine
gewissen Sinne auch das Gefühl für Jahres-
Tageszeiten beschworen. Es ist erfreulich zu
wie Diem sich in den letzten Jahren 'weiter-
entwickelt hat.
14. 1.-18. 2. 1976
Niederösterreich
Perchtoldsdorf Galerie Romanum
Walter Weer
Der 1941 in Wien geborene Maler studierte
Hochschule für angewandte Kunst. Malerei
dem Wasser" nennt Weer nicht gerade ken
zeichnend die ausgestellten Arbeiten. Es ge
ganz offenbar um die Eroberung eines neue
bis ietzt noch nicht erschlossenen Gegenstai
Darstellung. In Mischtechnik versucht er Siti
von Schwimmern, Tauchern u. ä. festzuhalte
kompositorisch zu meistern.
18. 2.-10. 3. 1976 Abb. 23
Wiener Neustadt Galerie
Anton Watzl
Der bekannte Linzer Graphiker zeigte Lani
Es ist erstaunlich, daß bei der Fülle von Au"
stellungen, die dieser Künstler beschickt, im
wieder auch neue Blätter zu sehen sind. Di
zeigen immer wieder, daß diesen Graphike
anspricht, daß ihm alles zeichnungswürdig
wert scheint, festgehalten zu werden. Einmc
er es mit wenigen fließenden Linien, dann
mit immer neu ansetzenden harten Strichen
überraschte er mit Pinselzeichnungen, locke
doch sehr kennzeichnend.
5-30. 3. 1976 Abb. 24 Alo
"olge 3-24
iro Cano, Jugundo en In Casc vacia, Kalorien 14 Heinrich Kühn, Falksiraße, Innsbruck, GD, um 1900. 15 Ahersee, Olympia-Plakat Die Winierreise", 1975
chnung Foiografie
wlfrcm Köberl, Deckenfresko, 1975. Pfarrkircha Brei- "I7 lnge Vuvra-Aspeüsberger, Sellu II. Kohlezeidanung 18 Adolf Fenyes, Bohnenleser, 1904 Szolnnker Mulerschula
Ming
Dine, Shoe 20, 21 K. Dahmen An die geschundene Kreatur, 1973. Ambienieobiekf. ldeenskizze und Ausführung
er Skubic, Ring für B. 1975, Chrom-Nickel-Slnhl, 23 Walter Weer, Malerei aus dem Wasser", Mischledmik Z4 Amen W091i, T0urnu", Burgund. Pinsalzuidunung
wbur
43
Notizen
Bundesprasident Dr. Rudolf Kirchschläger erholt anläßlich
der Eröffnung der Jahvesausstellung 1976 Peter Richard
Oherhuber Weltstädte im Aquarell" im Grazer Künstler-
haus als Erinnerungsgabe das Blatt Prag" vom Künstler
zum Geschenk.
Peter Richard Oberhuber ein 70er?
Unnotwendigerweise ist es Usus, zu solchen
Anlässen allzu viele Worte zu verschwenden.
Das hebt den zu ehrenden Menschen auf ein
Postulat hehrer Un-Persönlichkeit. Damit tut man
gerade unserem Jubilar etwas an, was er rundum
ähnlich bedacht nur mit kernigem Lächeln
quittiert. Ist er doch der humorigsten einer,
lebendiggewordene Figur eines Herzmanovsky-
Orlando, immer bereit, mit echten Späßen alle und
alles umzuwerfen. Als sich dem Malerprofessor aus
Graz, Gründungs- und Ehrenpräsident des
Steiermärkischen Werkbundes, der 70er bedrohlich
auf den grauen Bürstenkopf senkte, riß er aus, um
die Städte der Welt zu malen. Wurde heimisch auf
allen Airlines, überflog Kontinente, kreuzte
Meridiane, seinen steirischen Humor im Molerranzen.
Das Ergebnis war eine Serie bekannter Weltstädte,
die P. R. Oberhuber im Aquarell niederlegte. Ob er
sie sich zum 70er selber zum Präsent machte?
LeykomlGraz druckte vorzüglich und verlegte eine
stattliche Serie, deren summarische Aussagekraft
dem dynamischen Naturell des Künstlers entspricht
und entspringt. Seinem unrostigen Temperament,
das er vor iedem neuen Beginnen auch stets neu
zügeln muß. Offenkundig verrät jedes Blatt
Einfühlung und Meisterschaft des Wissenden und
Erfahrenen, sicheres Anlegen im spontan-ordnenden
Fluß der Farben, instinktives Erfassen der
geheimen Stimmungen und Strukturen einer
Landschaft, mit dem untrüglichen Flair für das
Wesentliche und Herausreißbare" einer solchen.
Mit allem Respekt vor der Natur versteht sich. Aber
doch mit iener Unbekümmertheit, die Oberhubers
Wesen eigen. Ob es ihm, so um die B0 ad multos
annos vielleicht wie Hiroshige gehen wird, und
er noch einmal ganz von vorne anfangen wird zu
leben, zu sehen und noch besser zu malen?
I. netopil
Aachen Neue Galerie
Anna Oppermann Ensembles 24. 1.-2. 3. 1976.
Mit einer ganz eigenwilligen Kunstäußerung,
die inmitten neu aufgekommener, von der Umwelt
bestimmter Kreativitäten der Gegenwart liegt,
trat Anna Oppermann auf. Über den Prozeß zum
fertigen Ensemble" meinte sie z. B., daB sie eine
Bohnenschale Obiet trouve, Naturidyll auf einen
Teller nutzbarer Gegenstand, Zivilisation legt,
diesen Teller auf einen gedeckten Tisch Dekor,
was unsere Welt angenehmer und schöner macht
stellt und hernach zu reproduzieren Reproduktion
für Kunst, Kultur, Ersatz, Kompensation, Reflexion
beginnt. Die Reproduktionen ergänzen das
Ensemble, es wuchert aus. Gravierend hiebei die
anfängliche Ausdehnung des Krams" auch
Obiekte, Skizzen, Fotos im Zuge der Entwicklung
eines Ensembles und dessen Schrumpfung in der
Endphase, da die verschiedenen Prozeßphasen
illusionär als partielle fotografische Bildträger mit
der letzten Phase der Dingformen zusammen erst
das echte Oppermann-Ensemble ausmachen.
Unschwer sich vorzustellen, daß, wie es heißt, die
Wirkung solcher Ensembles auf den Beschauer
unbeschreibbar sein soll. Ein moderner Arcimboldo
mit dem Status des elitären Auslagenorrangeurs?
Nordische Kunst um 1900.
Vortrag mit Dias 30. 1. 1976.
44
Rudolf Zeitler, Professor für Kunstgeschichte an der
Universität in Uppsala, wissenschaftliche Kapazität
für Kunst der Jahrhundertwende, lieferte den
Beweis, daß skandinavische Künstler, Schriftsteller
und Komponisten maßgeblich an dem epochalen
Umbruch um 1900 Anteil hatten und eine spezifisch
nordische Mythologie nach einer ersten Aufnahme in
die Romantik, Vorbilder und Motive für die Malerei
und Literatur lieferten.
Übriges Aachener Programm Puppenspiele, Hans
Houben" künstlerisch und pädagogisch anerkannte
Tätigkeit dokumentiert durch volle 30 Jahre.
Heinz Sevenich Bearbeitung der Umwelt." Einer
rnehr, der die Umwelt aus ihrer totalen Sicht
protokolliert. Lesungen iunger Autoren, Filme der
Jugend in der neuen Reihe Randfiguren der
Gesellschaft", Rock- und Falksänger, Liederabende,
Führungen. Abb. 1.
Augsburg Galerie nach sechs
Die Originalität der Benennung von Kunstgalerien
läßt keinen Wunsch offen. Diese hier erstmals
aufscheinende Galerie präsentierte den Österreicher
Kurt Freundlinger 22. 2.-27. 3. 1976. Der Künstler,
aus Steyr, Jahrgang 1930, kreiert in seinen Olbildern
und Aquarellen einen Stil, der von einer sehr
instinktsicheren und bewußt gesetzten Spontaneität
lebt. In fast altmeisterlicher Manier bringt er
menschlich existentielle Situationen in Chiffren,
teils laviert, teils klassisch nervös gestrichelt Abb. 2.
DüsseldortlStuttgart Galerie Vömel
lnnerhalb der Stuttgarter Antiquariatsmesse vorn
29.1. bis 1.2. 1976 zeigte die Galerie Vömel in den
Räumen des Württemberger Kunstvereins ein
beachtliches Aufgebot deutscher Meister der neueren
Zeit. Von Barlach über Heckel, Kolbe, Lehmbruck,
Macke, Marc, Marcks, Schmitt-Rottluff und Renee
Sintenis reichte der illustre Kreis, der mehr und mehr
seine Klasse und Wertbeständigkeit unter Beweis
stellt Abb. 3.
Esslingen Die Künstlergilde e. V.
In drei deutschen Städten veranstaltete man
Ausstellungen im März 1976.
Heilbronn Hans Fronius", Stadtbücherei
5.-St. 3. 1976.
Bonn Jüdische Künstler aus der Ostdeutschen
Galerie Regensburg", Rheinisches Landesmuseum
11. 3-4. 4. 1976.
Regensburg Lothar-Günther Buchheim", Ost-
deutsche Galerie 6. 2.-21. 3. 1976. Buchheim hat
seit 1952 eine Reihe von Aquarellen gemalt, die ihn,
weltweit reisend, unter anderem in die Bretagne,
die Haute Provence, an die Adria, nach Südtirol
und Trentino, Spanien, in die Südsee auf Samoo und
weiter nach Guam, die Karolinen, nach Hongkong,
Taiwan bis nach Mexiko führten. Küsten, Strände,
vor allern das Meer und Wasser ziehen ihn an, und
selbst seine nähere Umgebung bildete er ab im
Felclafinger Moorweiher, in Tümpeln, dem
Starnberger See.
Frankfurt Museum für Kunsthandwerk
Die erste Hälfte 1976 steht im Zeichen von zwei
Ausstellungen. Vom 7. 2. bis 1B. 4. 1976 im
Karmeliterklaster die Schau Europäisches und
außereuropäisches Glas". Mit einem Zyklus von
Führungen konnte der weite Bogen der Exponate
der vom orientalischen und venezianischen Glas,
dem deutschen Glas vom Mittelalter bis zum
Rokoko, dem Glas des 19. Jahrhunderts und des
Jugendstils bis zum chinesischen Glas reichte, die
Reichhaltigkeit dieses reizvollsten Zweiges des
Kunstgewerbes unter Beweis gestellt werden. Als
zweite Ausstellung und wesentlicher Bestandteil der
200-Jahr-Feier Amerikas wird in Kürze, Mitte Mai,
ebenfalls im Karmeliterkloster Modernes
amerikanisches und europäisches Glas" aus-
schließlich Unikate von rund 50 international
bekannten Künstlern 300 Obiekte veranstaltet.
Hanau Deutsches Goldschmiedehaus
Eine besondere Ehrung erfuhr der österreichische
Nestor der nach dem Kriege aufstrebenden
Goldschmiedekunst, Prof. Sepp Schrnölzer, mi'
Ausstellung, die unter der Schirmherrschaft de
Botschafters in der Bundesrepublik s. E. Dr. tA
Gredler stand. Zur Eröffnung dieser gemeins
Veranstaltung des Deutschen Goldschmiedehc
und der Gesellschaft für Goldschmiedekunst
der Generaldirektor der Städtischen Museen
Dr. Gerhard Batt. Schmölzer, 1919 in Feldkircl
Kärnten geboren, besuchte, nachdem er in
Klagenfurt die Goldschmiedelehre absolviert
die Akademie der bildenden Künste in Wien,
war danach Fachlehrer, daneben Gebrauchs-
graphiker und Fotograf. Erst seit 1962 wendet
sich der Goldschmiedekunst zu, war schon in
Anfängen recht erfolgreich, was auch in einer
Berufung zum Leiter der Goldschmiedeklasse
der internationalen Sommerakademie der bilt
Künste in Salzburg 1967-1971 sichtbare Bestät
fand.
New York Museum of Contemporar
Eine interessante Ausstellung startete am 22.
in New York unter dem Titel The American
lndian and the American Flag". Organisiert
Flint Institute of Arts, Michigan, und ermöglic
durch die tatkräftige Unterstützung der einz
amerikanischen Bundesstaaten wird hier sicht
gemacht, wie sehr sich die indianische Kun
keit bei Ausschmückung und Verschönerung il
Umwelt, ihren Kunstäußerungen, ihrer Kleidu
und allem Dekorativen schlechthin an der
amerikanischen Flagge und anderen patriotis
Symbolen während der letzten 100 Jahre ins;
Eine Kollektion von mehr als 180 historische
zeitgenössischen Obiekten bestätigt nachdri
dieses kulturelle Phänomen. Jede Form indiai
Kunst ist präsent mit Werken von 33 Stämme
aus allen Teilen der USA einschließlich der
Mexikos und Kanadas. Was uns Europäer etv
stutzig macht, ist das Zusammentreffen der
200-Jahr-Feier der USA mit dieser Propagier
von Fähigkeiten und Künsten des amerikanist
Ureinwohners, dessen Volkstum, längst abgei
sich in Bedeutungslosigkeit ergeben mußte.
Bestandsaufnahme kultureller Fakten eines pi
gestorbenen Volkes zum Ruhme Gesamtamer
Nichtsdestoweniger ist diese Ausstellung seht
wert, weil sie die tiefgehende Reverenz des
indianischen Wesens für Natur und Schänhei
widerspiegelt. Ein Spektrum in Bildern, Fotos
Kunstgewerbe, der Kleidung des indianischer
Volkes von den Apachen über die Blackfoots,
Comanchen, Navaios bis zu den Sioux, um I'll
bekanntesten der 33 Stämme zu zitieren. Nac
New York zieht die Schau nach vier weiteren
Stationen FlintlMichigan 4. 4.-1. B. 1976
MilwaukeelWiscounsin 13. 8-26. 9. 1976
HoustonlTexas B. 10.-21. 11. 1976
PhoenixlArizona 5. 12. 1976-16. 1. 1977.
Nürnberg Kunsthalle Nürnberg
Mit drei Ausstellungen setzte die Kunsthalle
Programm fort. Schritt und Bild" 4. Ausste
aus der Sammlung internationaler zeitgenöss
Kunst der Kunsthalle Nürnberg. KunsthallelN
halle 13. 2.-1B. 4. 1976 Mark Prent Mensc
bilder und Paolo Baratella es ist ein Lachen,
euch begraben wird" zusammen mit dem
Künstlerprogramm des DAAD und der Galer
PolllBerlin. KunsthallelMarientor 26. 2-18.
Ernst Neukamp Landschaften". Kunsthal
Marientor 27. 2-18. 4. 1976 Abb. 4.
Ottawa National Gallery ot Canad
Noch im Mai ist hier die seit Dezember 1975
laufende Ausstellung Neuerwerbungen von
europäischer Druckgraphik 1500-1940" zu se
Von Douglas Druick, dem Kurator der stäni
Sammlung der National Gallery, organisier
vermitteln diese neuangekauften Werke die
Spannweite europäischer Graphik durch fünf
Jahrhunderte, belegt mit exzellenten Beispiel
aller bedeutenden Techniken dieses Medium
Bildfolge 1-8
ble Reihe von berühmten Künstlern ist
der Schau Dürer, Barocci, L'Allemand,
Gericault, Delacroix, Chasseriau, Pissarro,
Munch, Toorop, Bonnard, Villon, Braque,
inn, Kirchner, Ernst und Miro. Während der
drei Jahre hat die Zunahme der Druckgraphik
der europäischen wie der amerikanischen
eine rapide Steigerung mit gesamt ca. 350
erfahren. Aus Käufen wie aus oft groß-
Schenkungen. Eine weitere große Aus-
El Dorado The Gold of Ancient
iia", vereinigte mit 204 Werken prä-
iianische Goldobiekte mit Stücken in Keramik
ein; veranstaltet vom Center for lnter-
an Relatians und der American Federation
schloß diese hochinteressante Schau am
t76. Neben Filmen und Gallery-Talks und
iten über kanadische Künstler gab es
aante Themen, wie Poussin as Figure
Poussins First Years in Rome", eine
Dr. Konrad Oberhubers, Harvard Universityl
rt Museum und Structure in Landscape
to Mondrian" Abb. 5.
Galerie Suisse
Ende des Voriahres präsentierte man hier
er dem Künstlernamen Paternion auf-
en Österreicher J. Karl Heinz Müller, Das
ere eines Debüts Der 1928 in VillachfKärnten
-ne entschloß sich mit 47 Jahren erst, freier
werden. Aufgabe seiner bürgerlichen
Existenz bedeutete auch, die Ungewißheit
der Zukunft liegenden Erfolges auf sich
wen. Paris war mit einer ersten größeren
ile auch erste wichtige Station eines
rs, der zeitlebens unentwegt malte mit der
atellung, selbständiger Künstler zu werden.
ans Themenkreis ist bestimmt von
gischen Erdfernen, hohen Himmeln und
Horizonten, in denen Phantasiegestirne
aft Zeichen setzen. Manchmal öffnet er
itzen den Bildgrund, läßt Blicke ins schwarze
un. Ein kosmischer Surrealismus auf eigenen
dem bildphilosophische Aspekte aneignen.
intastischer Kosmossurrealist? Die Basler
Geiger, die ihn vertritt, zeigte seine
Äusstellung, die gute Kritiken fand Abb. 6.
tVien Euro Art
Daumier, der unermüdlichste der
gszeichner" des 19. Jahrhunderts, war nach
1d Hogarth in den Räumen der Bawag-
on vom 13.1. bis 20,2,1976 zu sehen.
der das zu seiner Zeit aufgekommene
edium der Lithographie wahrlich auszunützen
zt, schuf fast täglich eine neue Graphik,
kt vom Stein gedruckt in der Zeitung
irivari" erschien. Originale und populärste
kritischer Graphik, wie Pariser Typen,
hrten, Eisenbahnen, Väter und Söhne,
Soldaten, Repräsentanten, okkulte
se, Frauenrecht, 1848. Eine Titelfracht,
gnanter für Daumier nicht sein kann Abb. 7.
Nig-HolsteinlWien A.-Paul-Weber-
all will es, daß wir hier im Anschluß den oft
rtschen Daumier" bezeichneten deutschen
'Prof. Paul A. Weber anläßlich einer
ition seiner Werke satirische Lithographien
idzeichnungen vorstellen können, Die
Schwarzer zeigte 50 Blätter des gebürtigen
ars Arnstodt, der heute nahe Hamburg
dem man in Schleswig-Holstein ein
Museum einrichtete. Mannhaft trat Weber
Dritten Reich mit seinen Zeichnungen gegen
den Schriften Widerstand" auf, was
ch auch zu seiner Inhaftierung führte.
i-kritisch bis heiter-ironisch schöpft der
aus den Bereichen des Zeitlos-Menschlichen.
Wien sah man u. a. Blätter aus den Zyklen
Fuchs", zu Kafka, Freiherr von Knigge,
itand", Das Gerücht" und Glanznummer"
ildungsnotstand" Abb. 8.
leopold netopil
Anna Oppermann, Ensemble Kurt Freundlinger, Partner. Aauarellierte Zeichnung
Wilhelm lehmbruck, Lesendes Mädchen. Farbstift, sign. Ernst Neukamp, Landschaft
Max Beckmann, Selbstporträt mit Hut, 1921. Radierung,
National Gallery Canada
Paternion, Kosmische Landschaft, 1974, Temperu. Gale-
rie Geiger, Basel
A. Paul Wber, Satirische Lithographie
Honore Daumier, Lithographie für
Charivari"
die Zeitung Le
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lnterkunst 197 Weitermachen!
Nodt vor Redaktiansschluß erreichte uns das erste
Resümee der ersten Internationalen Messe tür Kunst
des 20. Jahrhunderts in Wien, die vom 20. bis
23. Februar 1976 von der Otterta-Ges. m. b. H. im
Ausstellungszentrum Palais Liechtenstein veranstaltet
wurde. Die Veranstalter, denen es vor allem darum
ging, eine Lockerung der lokalen Kunstszene zu
erreichen und neues Publikum zu gewinnen, stellten
fest, daß in den vier Tagen 12.500 Besucher kamen.
Ein unerwarteter Besucherrekordl im Zahlenspiegel
ergab sich, daß 52 Prozent dieser Besucher so gut
wie neue Interessenten waren und 93 Prozent die
lnterkunst" iährlich veranstaltet wissen wollen.
40 Prozent wollen außerdem einen Ausbau der
lnterkunst". Auch die Zahlen beweisen das eher
geringere geschäftliche Interesse der Aussteller
Prozent, denn 51 Prozent unterstützen ein
interessantes Experiment, 40 Prozent knüpften neue
Kontakte, und am Ende gab's sogar für 65 Prozent
der Galeristen gute bis zufriedenstellende
geschäftliche Erfolge, was natürlich auch den
vertretenen Künstlern vorwiegend Österreicher
zuzuschreiben ist. Fast alle der teilnehmenden
Galerien werden laut ihrer Zusage auch die nächste
lnterkunst" schon 1977? beschicken. So scheint
sich aus den nüchternen Zahlen zu beweisen, was
wir an anderer Stelle voraussagten, daß man den
angepeilten und wahrscheinlichen Erfolg ausbauen
sollte, das heißt die lnterkunst" regelmäßig
wieder zu veranstalten.
11
Hamburg Kunsthalle
Mittels eines originellen Leparellos,dervam Oktogan
über das bzw. bis zum 3-Eck sich
konstruktivistisch in bestem Bauhaus-Design
entfaltete, eröffnete man in der hiesigen Kunsthalle
am 13. 2. 1976 die Ausstellung Max Bill in
Hamburg". Miteingezogen in diese den großen
alten Mann des Bauhauses würdigende Schau war
das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe.
Schluß war am 2B, 3. 1976.
47
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Varia
Otto Niedermoser
Er pendelte stets zwischen seinen beiden großen
Berufungen, dem Lehramt an der Hochschule für
angewandte Kunst und der Bühnenbildnerei. Am
4. März 1976 verstarb Architekt Professor Otta
Niedermoser nach langer schwerer Krankheit.
1903 in Wien geboren, wuchs er ganz iung in die
große Künstlergeneratian um und nach 1900
hinein, in ienem frischen Geist, der diese Aufbruchs-
zeit prägte. Oskar Strnad und Josef Hoffmann
waren seine Lehrer an der Kunstgewerbeschule
des Österreichischen Museums, Peter Behrens zählte
ihn an der Akademie der bildenden Künste, Wien,
zu seinen Schülern. Er bekam 1927 den Rompreis der
Akademie für seinen Entwurf zum Genfer
Völkerbundpalais, 1943 den 1. Preis für den Entwurf
zum Wiederaufbau des Wiener Burgtheaters und
1949 den Preis der Stadt Wien für Architektur.
Otto Niedermoser versuchte in allem, was er tat,
zuerst an den Menschen zu denken. Daraufhin
richtete sich sein Bemühen. Er stand nie im Rampen-
licht und war darum der so lebendige, der
menschlichsten einer. Sachbezogen und kompromiß-
los in seiner Arbeit, iedoch aufgeschlossen, folgte er
seiner Linie. Als Lehrer stand er seinen" Meister-
klassen für Innenarchitektur und Möbelbou und
der Meisterklasse für Bühnen- und Filmgestaltung
vor. 1969, anlößlich der Ausstellung sitzen 69" im
Österreichischen Museum für angewandte Kunst
stellte Niedermoser mit einem Sesselmodell seine
Einfühlung auch für Einzelmöbel unter Beweis.
Sein Herz hing aber im Grunde an der Bühnen-
bildnerei. Wien verdankt ihm eine Reihe vorbildlicher
Leistungen auf diesem Gebiet, und manche
Aufführungen in der Josefstadt, dem Burgtheater,
Akademietheater, Volkstheater und den Kammer-
spielen lebten von seinen themengetreuen Bühnen-
bildern, wurden durch ihn erst geprägt. Desgleichen
wirkte er auch in Berlin und London. Filme, die zum
Teil erste Plätze in der Geschichte der Zelluloidkunst
innehaben, sahen Niedermoser als mittragenden
Gestalter. All dies trug dem immer Lebendigen,
immer Aktiven, hohe Achtung und Anerkennung
auch über die Grenzen der Heimat hinaus ein.
Otto Niedermoser blieb aber dem Menschen nahe,
urwüchsig, und agierte auch so. Ein Ehrengrab
der Gemeinde Wien läßt den humanen Lehrer und
Architekten Otto Niedermoser in seiner Heimatstadt
Wien die letzte Ruhe finden.
leopold netopil
Cortina d'Ampezzo Galleria d'Art Medea
Anfang des Jahres 1976, nach von Weihnachten
herüber, liefen in dem weltbekannten Wintersportort
drei Ausstellungen Panoramica lnternazionale",
Massimo Campigli Giorgia de Chirica" und
Pittura oggi".
Elisabeth Eisier
Sonntag, 29. Februar 1976, ist die Keramikerin
Elisabeth Eisler gestorben. Mit ihr schied eine
Persönlichkeit aus dem Wiener Kunstleben, die
zeitlebens von großer Einfachheit und Bescheiden-
heit war. Ihre Werkstätte und ihr Verkaufslokal
hatte sie mitten unter den Wiener Heurigenschenken
auf dem Heiligenstädter Pfarrplatz. Wer jemals
diese Werkstätte im alten Wegeinräumerhäuschen
besuchte, fand sich einer Umwelt und Atmosphäre
von großer Ursprünglichkeit, Unmittelbarkeit und
Freiheit gegenüber. Ihre keramischen Arbeiten
schuf sie stets ohne Hilfe der Töpferscheibe. Sie
arbeitete wie in Urzeiten. Sie baute" ihre Gefäße,
indem sie Tonring auf Tonring legte und das
bildsame Material knetete, drückte und formte.
Ein solches Arbeiten kannte kein Korrigieren,
Verschönen, Glätten, keine kosmetischen Eingriffe.
Die Formschönheit der Gefäße beruhte auf
Wahrhaftigkeit und Einfachheit. Elisabeth Eisler
zeigte ihre Arbeiten zuletzt im Jahre 1972 im
Österreichischen Museum für angewandte Kunst.
lhr Hinscheiden bedeutet einen großen Verlust
nicht nur für die keramische Kunst.
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Diesen einzigartigen Schloßbau aus dem ersten
Viertel des 18. Jahrhunderts, dessen Geschichte
dieses Buch gewidmet ist, darf man als echtestes
auf uns gekommenes Denkmal des genialen
Bauherrn" Prinz Eugen von Savoyen und seines
kaiserlichen Hotingenieurs" Johann Lucas von
Hildebrandt bezeichnen. Die Autoren des Buches,
persönlich eng mit der Gegenwart des Hauses
verbunden, belegen dies im ersten Teil des Buches
auf eindrucksvolle Weise. Ihre Kompetenz erweist
sich in der übersichtlichen Gliederung des großen
Themas, in detailreicher Schilderung der Geschicke
des Schlosses, seiner Anlagen und Bewohner. Vorn
Beginn, den ersten Entwürfen für die Gesamtanloge
bis zu ihrer Ausführung und künstlerischen Aus-
stattung, dem tragischen Schicksal der Kunst-
sammlung des Prinzen, den Prunkfesten und der
frühen Verwendung des Schlosses als öffentlich
zugängliches Museum unter Josef ll. berichtet dieses
Buch. Ein Stück wertvollstes Wien, Österreichs,
wohl auch Europas, eine Stätte nicht nur glanzvoller
Repräsentation und welthistorisch denkwürdiger
Beschlüsse, seit über 250 Jahren, sondern auch
unermüdlicher, verantwortungsvoller musealer
Tätigkeit wird hier dokumentiert. Reiches, z. T.
bisher kaum publiziertes Bildmaterial mit fach-
kundiger Erläuterung und eine dem Thema
entsprechende Ausstattung ergaben ein Buch von
besonderem bibliophilen Reiz.
AMK-Prödikat Für den kulturgeschichtlich
interessierten Sammler von Viennensia von
besonderem Wert. C. N.
Modena Galleria civica
Noch kurz zu sehen ist hier in der Städtischen
Galerie die vorn Kulturassessorat angeregte
Ausstellung Cronaco-Percorso didattico attraverso
la pittura americana degli anni 60 lo pittura
europea degli anni 70". Zu diesem große Aktualität
besitzenden Thema und um den historisch-
didaktischen Charakter der Schau zu bewahren,
fand in einem umfangreichen mehrsprachigen
Katalog neben Texten europäischer Kunstwissen-
schatter auch eine erneuerte kritische und bio-
bibliographische Dokumentation über die annähernd
40 teilnehmenden Künstler Platz. Hiezu leisteten
namhafte Kritiker, wie Cortenova, Fagiola, Menna,
Mussa, Trini Luca und Venturilltalien, Millet und
Pleynetfrrankreich, Honnef und WeisslDeutschland
sowie van TuyllHolland, ihren Beitrag. Einige
bekanntere Künstler, die eingeladen waren Albers,
Noland, Rothko, Battaglia, Green, Hantai u. a.
München Museum Villa Stuck
Vor kurzem schloß hier die vom Stuck-Jugendstil-
Verein e. V. vom 26. 2. bis 25. 4. 1976 aus Frankreich
kommende Ausstellung Paris 1900 Farbige
Lithographien von Toulouse-Lautrec, Bonnard,
Vuillard". Zur Erötfnung sprach Dr. Herbert Fee,
der Leiter der Staatlichen Graphischen Sammlung
München.
Bildnachweis; Seitenangabe in Ziffern
Archiv AMK, Salzburg, 8-11, 27, 30, 36, 37, 41, 43;
Wien, 34, 35, 36, 37, 41, 43, 45 Centre Beaubourg,
Documentation Arts Plastiques, Paris, 20, 24 Ar-
chiv Dr. H. Bertele, Wien, 12-18 Bundesdenkmal-
omt, Wien, H. Fasching, Wilhelmsburg,
Archiv Haage, 28 Harrand, Wien, Archiv R.
Hotlehner, Linz, 3B, 39 E. Huberts, Paris, 22, 23
Archiv R. Kedl, NeuhodislBgL, 38, 39 W. Norbutt-
Lieven, Wien, 19, 25 Bildarchiv Österreichische Na-
tionalbibliothek, Wien, 29 Archiv Niederösterrei-
chisches Landesmuseum, Wien, Österrei-
chisches Museum tür angewandte Kunst l. Schindler,
Wien, 56, 57 E. Ritter, Wien, Archiv Rüther,
26, 28 Tarcsay, M. Vaux, Paris, 22
Archiv W. Wolkensteiner, Klagenfurt, 38, 39 Archiv
M. Wierer, MünchenlParis, 20, 21, 23-25 Bundes-
ministerium für Wissenschaft und Forschung F.
Kern, Wien, 31-33 Archiv R. S. Wukounig, Wien,
38, 39.
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zuli. Arch. Adolf O. Holub, Wien. Abgebildet Deut-
sche Kunst u. Dekoration, A. Koch, Band XXIX,
Oktober 1911 bis März 1912 Ausstellung Österrei-
chischer Kunstgewerbe1911l12. Österreichisches
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Gold- und Silberschmied der
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lm Jahre 1848 gründete Julius Dietrich geb.
15. 9. 1820, gest. September 1890 in Wien eine
Firma, die alle einschlägigen Gold- und
Silberarbeiten erzeugte. Anfangs dürfte es sich
dabei vor allem um Ringe gehandelt haben;
Ringe und Ringmodelle aus der Zeit von 1848 bis
1868, angefertigt von Julius Wilhelm Dietrich,
verzeichnet der Katalog der Ausstellung von
Arbeiten der österreichischen Kunstindustrie
1850-1914", die 1914 im Österreichischen Museum für
Kunst und Industrie stattfand.
Der Kontakt mit diesem Museum, der ange-
schlossenen Kunstgewerbeschule und den Wiener
Künstlern war vor allem unter Oscar Dietrich
geb. 5. 10. 1853 Wien, gest. 28. 7. 1940 Oberwölz
sehr eng. Dieser hatte sich im Goldschmiede-
handwerk bei seinem Vater und während eines
einiährigen Studienaufenthaltes in Rom ausgebildet
und war ab dem Jahre 1881 in der lnnung der
Wiener Gald- und Silberschmiede als Mitglied und
Galdschmiedemeister eingetragen.
In diesem Jahr hatte Julius Dietrich die Firma
seinen beiden Söhnen Oscar Dietrich und Julius
Dietrich iun. übergeben; sie wurde fortan bis zum
Tod van Julius Dietrich iun. Ende der 1880ereJahre
unter Julius Dietrichs Söhne", darauf unter
Oscar Dietrich" geführt. Im Jahre 1887 erwarb
Dietrich das Stockknopfe und Prägegeschäft"
von Josef Schloßko in Wien Vll, Burggasse 33, und
führte seit diesem Zeitpunkt auch Stackgriffe in
seinem Programm. Zu den Besonderheiten der
Produktion gehörten bereits seit 1878 massive und
hohle Gegenstände aus Niellometall", die auch
unter der Bezeichnung Tula" liefen; es handelte
sich dabei um eine Sitberlegierung, deren großes
Gewicht auffallend ist. Diese Erfindung wurde
1878 patentiert.
An der Niederösterreichischen Jubiläums-Gewerbe-
Ausstellung 1888 nahm Dietrich bereits teil;
Oscar Dietrichs Gold-, Silber- und Stockwaaren-
Fabrik, bestehend seit dem Jahre 1848, ist bekannt
durch ihre massiven Niella-Schmuckgegenstände.
Dieses Haus debutirt mit einem schönen Sortiment
von Specialitäten in maurischem Genre und
iapanischer Technik, ferner Filigranarbeiten nach
eigenen Mustern. Die von derselben Firma
ausgestellten Cigarettendosen, Flacons etc, theils
getrieben, theils gelöthet, sind durchaus sehr
sorgfältig gearbeitet, ebenso sind auch die
ausgestellten Stockwaaren und Peitschen wegen
ihrer sehr exacten Durchführung und stilgerechten
Auffassung einer ganz besonderen Beachtung
werth und begründen den guten Ruf dieser Firma
sowohl im ln- als im Auslande" Wochenschrift
des Niederösterreichischen Gewerbevereines, S. 378.
Wie viele andere Wiener Firmen hatte auch Oscar
Dietrich die Bedeutung der Zusammenarbeit mit
Wiener Künstlern erkannt. Er sicherte sich zahlreiche
Entwürfe anerkannter Architekten, Maler und
Kunsthandwerker, die ganz selbstverständlich in
iener Zeit Entwürfe für die unterschiedlichsten
Materialien schufen. Aus dem Abschnitt des aus-
gehenden Historismus und des beginnenden
Wiener Jugendstils ist ein Kaffeeservice erhalten,
das nach einem Entwurf von Storck auf Kosten des
Hoftiteltaxfonds ausgeführt und 1397 vom
Üsterreichischen Museum erworben wurde Abb. 4.
Wenige Jahre später, auf der Pariser Welt-
ausstellung 1900, zeigte Dietrich Kunstgewerbliche
Gegenstände in Gold und Silber, Pokale, Becher,
montirte Glaswaren, Gürtelschnallen, Griffe für
Stöcke, Schirme, Reitstöcke und Reitgerten etc.,
Silberbeschläge" Katalog der österreichischen
Abtheilung, Cl. 94, S. 194.
Zeitgenössische Quellen vom Beginn des 20. Jahr-
hunderts Österreichischer lndustrie-Compaß,
Österreichischer Zentralkatoster dokumentieren eine
weitere Bereicherung des Fabrikationsprogramrns
56
Aufsatz. Vergoldetes Silber, Elfenbeinfüße mit Chrysa-
prasen. Entwurf; Hans Bolek. Signiert H. BOLEK lNV.,
o. DIETRICH FEC. Punzierurtg Didndkopf in Sechse
eck, 0a, 9110. 23 cm. lnv,-Nr. w. 1. 1011 erwarben
0m 10. 2. 1912 um 615 Kronen von Dietrich
Deckelpokal. Silber, getrieben, teilvergoldet Fuß, Kup
und Deckel innenl, Malachitknopf. Entwurf Franz Defb-
vllla. Punzierung OD, Windspiel Fuß; Dianaka in
Flinfpaß Deckel und Kuppe. 21 cm, lnv.-Nr. w. .929
erworben am 21. 2. 1911 um 22a Kronen von Dietrich,
1910111 auf der Winterausstellung des Üsterr. Museums,
Kdtwr. 119i
Sllbermontlerte Steinschale. Sprudelstein grauer Ara-
gonit mit vergoldeter Silbermontierung. Entwurf Hans
Bolek. Punzlerurlg OD B00, Windspiel, A.
12,2 cm, unten 11,7 cm. lftVnNf, W. l. 1086
am 15. 7. 1912 um 117 Kronen von Dietrich
Kaffeeservice. Anbietplatte, Kaffee- und Mi
Doppelherikelbecher, Silber, getrieben. Entwu
Storck. Punzierung o0, Dianakopf in Fün
Tablett asb cm, Kaffeekanne 24,9 cm
Go 101a erwarben am 4. z. 1597 um 52
Dietrich aus den Mitteln des Hoftiteltaxfonds
Armband. Entwurf Emanuel .1, Margold.
Silber, Malachlte, Saphire. Punzierung OD,
in Sechseck, A. 18,8 cm. lma-Nr. W. l. 1087
am 15. 7. 1912 um 117 Kronen van Dietrich
visdte Mitarbeiter die nach
strichen gesetzten Jahreszah-
zeichnen die Jahre, in denen
weilige Künstler nachweislich
ietrich tätig war rekon-
nach datierten Entwürfen
usstellungskatalogen.
nsefer
lerger
irdddrnm
Bernatlik
Shler
lalekI1910-1924
rl1914
'alml1915
K. Delavillal1910-1913
DreXlerf1910, 1912
Ehrlich
3abriell1915, 1916
iäattringerlWerkmeister bei
agenauerl1915
Hammersdtmiedl1926
Halubl1910, 1913
Hunfalvyl1913
Kalhammerl1912
aus
el J. Margoldl1912-1924
rtens
Mayer
waldl1918
ert Pednel1913, 1917
kyl1921
Iesch
1er
Teschnerl1915
ogl
Vankel191O
Velfmunnl1912-1915
rger
Zweybrildr
wurt für ein Halsband. Sign. Emanuel J. Margald
als Armband ausgeführt. S. Abb.
hönger mit Kette aus runden Gliedern. Vergoldetes
getriebenes Silber, Chrysopras, Türkise, Almandin.
wurf Gustav Kulhammer. 3,3 Anhän er, L35 cm
asamtlänge der Kette. lnv.-Nr. W. I. erwarben
21.2. 1911 um 156 Kronen von Dietrich
ale Schale. Silber, Einsatz aus blauem Glas, Löffel.
wurfr Franz Delavilla. Punzierung OD 900, Diana-
if in Sechseck Schale; 0D, Dianakopf in Sechseck
ftel. 7,Bx5,9 cm. lnv.-Nr. W. l. 1089 erworben am
7. 1912 um 62,50 Kronen van Dietridt
zkelschele Banbanniere. Silber, getrieben und ver-
det, Türkise. Entwurf und Ausführung Oscar Dietrich.
1D
11
12
Punzierungr 0D, 900, 2A. 6,8 cm. lVlVrNf. W. l. 1012
erworben am 10. 2. 1912 um 80 Kronen von Dietrich
Ovaler Anhänger. Vergaldetes Silber, Korallen und
Elfenbein. Entwurf Emanuel J. Margold. Punzierun
OD, Windspiel, A. 5,8 cm. lnv.-Nr. W. 1.
erworben am 15. 7. 1912 um 65 Kronen von Dietrich
Anhänger. Silber, vergoldet und getrieben, auf Karneal.
Entwurf Hans Bolek. Funzierung OD andere Punxen
undeutlich. cm. lnv.-Nr. W. I. 1234 erworben am
7. 1. 1914 um 37 Kronen von Dietrich
Anhänger. Entwurf Franz Delavilla. Vergoldetes Silber,
Smaragde, Opale. Punzierung OD. 4,5x4 cm. lnv.-Nr.
169. l. 32 erworben am 21. Z. 1911 um 50 Kronen van
tetric
105
Spazierstöcke, Damenschirmgriffe Email, Kristall,
Gürtelschließen, Ehrengeschenke, Renn- und
Schützenpreise, Pokale, Zigarrenabschneider,
Taktierstöcke, Petschafte, Lorbeer- und Eichenkränze,
figurale und andere Kunstgegenstände". Diese
Gold- und Silberwaren wurden weithin exportiert
nach Deutschland, Frankreich, Rußland, ltalien,
Rumänien, Amerika Compaß 1908.
Auf der Ausstellung österreichischer Kunstgewerbe
1909110" im Österreichischen Museum zeigte
Oscar Dietrich Anhänger, Broschen, Armbänder,
Ringe, Lorgnonketten, ein Kreuz und ein Halsband
nach Entwürfen von Franz Gattringer Werkführer
der Firma, Franz Delavilla, Hans Bolek und
Leopold Drexler; die kostbaren Werkstoffe waren
Gold und Silber, Perlen, Smaragde, Karneol,
Lapis, Turmalin, Almandin, Topas, Amethyst, Saphir,
Türkis, Opal, Chrysapras, Rubin, Mondstein,
Spinell, Onyx, Schildpatt, Elfenbein, Korallen.
Die Ausstellung 1910111 brachte Obiekte rlach
Entwürfen von Hans Bolek, Emanuel J. Margold,
A. O. Halub, K. Delavilla und Alice Wanke, die
Frühiahrsausstellung 1912 Obiekte von Kalhammer,
Bolek und Halub, die Ausstellung 1913l14 Entwürfe
von Hans Bolek, F. K. Delavilla Frankfurt a. Main,
Stefanie Hunfalvy, Ern. Margold, Wenzel Oswald,
Dagabert Peche, Milla Weltmann sowie Obiekte
nach eigenen Entwürfen montierte Spruclelstein-
schalen, Treibarbeiten aus Silber und Gold mit
reicher Verwendung von Edelsteinen und
Halbedelsteinen.
Die Wiener Firmen der Jahrhundertwende ver-
standen es, mit den zeitgenössischen Künstlern
Kontakt zu halten, auch wenn viele von ihnen, wie
Margold, ins Ausland abwanderten. Margold
sandte aus Darmstadt seine heute so bewunderten
und geschätzten Entwürfe nach Wien zur
Ausführung in Edelmetall zu Dietrich,zur Ausführung
in Porzellan zu Böck; Delavilla war in Frankfurt
für Dietrich tätig.
Nach 1924 zeigte Dietrich auf der Jubiläums-
ausstellung des Wiener Kunstgewerbevereins im
Österreichischen Museum Schmucksachen und kleine
Ziergeräte in Gold und Silber nach Entwürfen
von verschiedenen Künstlern, wie Hans Bolek,
Margold, Eugen Mayer und Dagobert Peche
1925 nahm die Firma an der Pariser Weltausstellung
teil.
Van den zahlreichen Auszeichnungen seien einige
genannt; Wien 1873, Paris 1879, Wels 1884, Linz 1885,
Darmstadt 1914 Ausstellung derr Künstlerkolonie
Darmstadt, Goldene Ausstellungsmedaille,
Wien 1931 Silberne Ehrenmedaille der Kammer
für Handel, Gewerbe und Industrie. Nach 1931
wurde die Werkstätte dieses Wiener Unternehmens
aufgelöst und kurzfristig von Carius übernommen.
Das Österreichische Museum besitzt eine Reihe von
Obiekten der Firma Dietrich sowie zahlreiche
Entwürfe,von denen einer hier abgebildet ist. Abb.
Die Firma Dietrich verwendete zwei Punzen unter
Julius Dietrich JD, eine Punze, die fiir kurze Zeit
auch von Oscar Dietrich beibehalten wurde, und
schließlich OD Oscar Dietrich, Abb. 1. Einige
kostbare Gegenstände wurden durch eine volle
Namenssignatur besonders bezeichnet Abb. 1.
Mancher Besitzer bisher anonymer Wiener Gold-
oder Silberschmiedearbeiten wird bei näherer
Betrachtung sein Obiekt als Werk Oscar Dietrichs
erkennen können.
Die Purllierllng der Gbgebildefeft Obiekfe D112 im Besitz
des Üslerreichischen Museums bestellt EIUS der amtlichen
Feingehtlltspllnle Dianaküpf trlr größere, Windspiel für
kleinere Gegenstände, dem wzdndr Konlmllclmtsleidten
und der Firmenpunze Dietrichs au. MtJnChrnGl ist der
Felrlgeflülf nach gesondert in Ziffern angeben.
Dianakopf nach rechts in Sechseck mit Ziffer .2 Fein-
gehalt 900 und dem Buchstaben Kohtrollamt Wien.
Dianakoßlf nach rechts in Füntpaß Ziffer Fein-
geholt und dem BUBhStßbeh tcdntrdlldrnt wrdn.
Windspiel nach rechts in Sedisedc mit Ziffer Fein-
gehalt 800 und dem Buchstaben Kontrollamt Wien.
Untere Reihe, v. l. n. r., 10, 11 12
57
Österreichisches Museum für angewandte Kunst
Kunsttourismus und Museum auf Rädern"
Mit der Entdeckung der Fresken in der bisher als
Rumpelkammer dienenden Kapelle des Schlosses
Ottenstein ist der niederösterreichische Raum um
eine kunsthistorische Sensation von besonderer
Attraktivität bereichert worden. Der Kunsttourismus
hat ein neues Ziel zum anfahren. Man kann
annehmen, daß das allmählich eingebiirgerte
Aufsuchen von kunst- und kulturhistorischen Stätten
über Land zu denen in erster Linie die Außen-
stellen der Museen zählen dadurch eine neue
Belebung erfahren wird. Eine erfreuliche Tatsache
auch deswegen, weil im weiten Spannungsfeld
zwischen bereits begründeten und zum Teil vor
dem Verfall geretteten Kunststätten und noch
gefährdeten, vom substantiellen Abbröckeln bedroh-
ten Sdiloßarealen und Schloßparks, wie z. B.
lschl, Gneixendorf u. a., ein neuer Ansporn
gegeben ist, in dem Erhaltungsbewußtsein nicht
nachzulassen. Wenngleich auch heute die trotz
sicherer" Existenz fest etablierten Außenstellen,
die als längst selbstverständliches Faktum gelten,
immer wieder von den Stammhäusern her der
Auffrischung und Belebung bedürfen. Die
Museumsverantwortlichen tun, was sie können,
öffnen verständniswillig ihr breites Obiektepotential
aus Sekundärsammlungen, um frisches Blut in
Form von Ausstellungen, Neuaufstellungen und
Umgestaltungen hier zuzuführen. Die echten Kunst-
touristen" honorieren dies durch unverminderte
Treue, suchen besonders geschätzte lnstitutianen
sogar gerne immer wieder auf.
Moderne, aufgeschlossene Museumsdirektoren,
denen daran gelegen ist, daß auch internationales,
interessiertes Publikum ihre Schätze" zu sehen
bekommt, haben längst das Museum auf Rädern"
installiert, und dieses rollt zu aller Zufriedenheit.
So auch das Österreichische Museum für
angewandte Kunst, das mit einer Ausstellungs-
tournee Keramik des Jugendstils aus Böhmen
und Mähren" ins Stadtmuseum Linz 19. 13.-25. 4. 1976,
nach München, Adalbert-Stifter-Verein, Stuck-Villa
13. 5.-4. 7. 1976 und weiter nach Regensburg,
Ostdeutsche Galerie 15. 7.-5. 9. 1976 zieht.
Zwar immer wieder mit einiger Besorgnis, iedoch mit
dem tragenden Gedanken der kulturellen Hilfe-
leistung, leiht man oft sehr wertvolle Obiekte. Auch
hier auf breitester Basis das Österreichische Museum
mit Beteiligungen und Leihgaben in London,
Arts of Islam. World of lslamic Festival"
B. 4.-4. 7. 1976, Hayward Gallery mit Orient-
teppichen, in Stift Lilienfeld 1000 Jahre
Babenberger in Üsterreich" 15. 5.-31. 10. 1976
mit Gösser Ornat, romanischem Faltstuhl, Bronzen,
in Schloß Schornstein Bauernkriege"
15. 5.411. 10. 1976 Keramik, Metallarbeiten und in
Salzburg Spätgotik in Salzburg", Salzburger
Museum Carolino Augusteum 18. 6.-17. 10. 1976
Silberschmiedearbeiten, Keramik.
leopold netopil
11-1
Bundesministerium für Wissenschaft
und Forschung
Besucherstatistik der staatlichen
Museen und Kunstsammlungen
1975176
Das Bundesministerium für Wissenschaft
und Forschung gibt bekannt, daß in den ihm
unterstehenden staatlichen Museen und
Kunstsammlungen in den Monaten
November 1975 118.345,
Dezember 1975 97.771,
Jänner 1976 92.324
Besucher gezählt wurden.
58
Wiener Mosaikwerkstätte
Leopold Forstner
Katalog Neue Folge Nr. 39
Altes Haus, Säulenhof
Wien Stubenring
19. 12. 1975-31. 1. 1976 verlängert bis 29. 2. 1976
Seit einigen Jahren sehen wir in Wien eine
Masaikwerkstätte emporblühen, die mit aner-
kennenswertem Erfolg bestrebt ist, Neues zu
schaffen, und deren Erzeugnisse wesentlich als
Produkt ganz persönlichen Könnens und persönlichen
Geschmacks angesehen werden müssen." So
würdigte 1912 der damalige Vizedirektor des
Österreichischen Museums Josef Folnesics das
Schaffen und die Bedeutung Leopold Forstners und
seiner Wiener Mosaikwerkstätte in knoppster
Charakteristik. Einem Zufall ist die Wiederent-
deckung dieses Schülers der Wiener Kunstgewerbe-
schule unter Koio Moser zu danken, als W. Hofrat
Prof. Direktor Dr. Wilhelm Mrazek Mosaike des
Künstlers im Wiener Dianabad aufspürte und
identifizierte. Forstner, 1878 in LeonfeldenlOU
geboren, wuchs in die breite, alles erfassende
Aufbruchsbewegung iunger österreichischer Künstler
zur Jahrhundertwende hinein, und seine universelle
Begabung wurde von berühmten Zeitgenossen,
wie Otto Wagner, Gustav Klimt und anderen,
geschützt. Schon beim Zusammentragen des Werkes
für die Ausstellung wurde deutlich, daß Forstner
die Herstellungsprinzipien und -techniken des
Mosaiks neu überdacht hatte und neue Ausdrucks-
und Gestaltungsmöglichkeiten suchte und fand.
Inspiriert vom Geiste Ravennas, Venedigs und
Roms auf Studienreisen, fand sein Suchen letzten
Endes zum kombinierten Mosaik. Damit bereicherte
er die künstlerische Praktik des Mosaikmachens
durch Einsatz von Glas, Keramik, Email, Stein,
auch durch Ton, Kupfer und Marmor. Wozu kam,
daß er eine sehr genaue Materialkenntnis besaß
und, wie er selber es ausdrückte, das Material
durch die Zeichnung nicht umbrachte". Den hohen
Ruf der Wiener Mosaikwerkstätte begründete
einerseits die Meisterschaft Leopold Forstners,
sowohl nach Vorlagen fremder künstlerischer
Entwürfe diese in diese autonome Kunstform
umzusetzen und auszuführen, wie anderseits auch
nach eigenen Entwürfen optimale Mosaik-
schöpfungen zu schaffen. Die bekanntesten Arbeiten
die Kirdie Am Steinhof" Entwürfe von Kola
Moser für die Glasfenster und Rudolf Jettmar für
das Altarmosaik, der Stocletfries von Gustav Klimt.
Vollkommen eigenständige Arbeiten schuf er z. B.
für die Dr.-Karl-Lueger-GedächtniskirchelWiener
Zentralfriedhof, das Dianabad, die Kirche in
Ebelsberg bei Linz, in Korneuburg wie auch in
Übersee, CallioconlUSA.
Die Ausstellung zeigte im Säulenhof auf schwarzen
Tafeln ein imposantes Runddekorum, dem eine
Dokumentation, graphische Arbeiten und Kartons,
Ulbilder und Aquarelle vor- und nebenher unter-
stützende Abrundung zur Vielseitigkeit des Leopold
Forstner hin vermittelten. Bedingt durch die
wirtschaftliche Lage der zwanziger und dreißiger
Jahre wandte sich Forstner durch Umwandlung
seiner Wiener Mosaikwerkstätte in eine Stockerauer
Edelglaswerke AG der Produktion von Glas-
erzeugnissen zu. Doch die Nöte der Zeit erdrückten
schließlich auch diesen Versudi, sich die künstlerische
Selbständigkeit zu erhalten. Ein breites Sortiment
erlesener Gläser bezeugte dem Künstler, daß er
auch dieses Medium beherrschen lernte und
imstande war, beachtliche Leistungen aus dem
Geiste der Zeit hervorzubringen. in seinen letzten
Lebensiahren von 1929 bis 1936 lehrte er am
Bundesgymnasium Hollabrunn. Aufmerksamen
Besuchern der Ausstellung war die Möglichkeit
geboten, über ein Dokumentationsfoto ein Mosaik-
werk Forstners am Orte seiner Bestimmung zu
betrachten. Das figurale Tympanon außen, über
dem Portal des Neuen Hauses des Österreichischen
Museums, in der Weiskirchnerstraße. Forstner
baute hier nach einem Entwurf von Rudolf Jettmar
eine farblich fein abgestimmte Rundszene, die als
starker Akzent in die Gesamtarchitektur des Hauses
integriert ist. Jammerschade, daß die Hektik der
Zeit dem flüchtig Vorübereilenden so hoch
angelegt ein Werk varenthält, das sicher der
Betrachtung wert ist. Die Mosaikkunst als solche in
ihrem bruchstückortigen Zusammenhang, ihr
lebendiges, spontangesetztes künstlerisches Bild
von eigenartigem Reiz hat Leopold Forstner sicher
am stärksten fasziniert. Mittels ihrer zeitenüber-
dauernden Technik und Haltbarkeit hat er versudtt,
Geist und Erscheinungen aus seiner Zeit in Bilder
zu legen Abb. 1-4.
symon symon
Schmuck und Objekte aus Papier, Leder, Metall
Katalog Neue Folge Nr. 40
Altes Haus, Eitelbergersaal
Wien Stubenring
12. 1-28. 3. 1976
Ein Bild einer Ausstellung, das die Situation eines
Künstlerpaores, einer Familie gleichsam, zum
Ausdruck bringt in durch nichts beschänigender,
nichts verfälschender Klarheit und Überschaubarkeit
eine Präsentation eines aus familiärer Geborgen-
heit gewachsenen Werkes. Die Syrnons, Josef und
Miroslava, leben wie andere Künstler auch schon
nach Rousseauschem Geist. lst ihnen so etwas
wie existenzielle Grundvoraussetzung. Im
Verwachsensein mit-der Natur sie wohnen am
Rande der Welt" irgendwo am Wechsel fließen
die täglichen Handreichungen und Verrichtungen
in ihre Kreativität, durchdringen sie, und umgekehrt
Für sie sind taubefallene Gräser am Morgen eine
unerschöpfliche Quelle zu neuer künstlerischer
Frische. Sie leben mit und durch die sich
entfaltenden Gewächse und Bildungen um sich,
spüren vegetabilen Gesetzmäßigkeiten nach,
aus denen ihre einfache, bisweilen puritanische
künstlerische Sprache sich wie von selbst ableitet.
So prägt sich bei beiden so etwas wie ein
Symonscher Stil aus. Er, Josef, arbeitet vorwiegend
an Schmuck und Plastiken in Metall. lm Ansehen
derselben, dem gefächerten Offensein harmonisch
schwingender Formen kommt nichts vom harten
Fleiß zutage, der diese stille Harmonie an
umgesetzter Natürlichkeit zustande bringt. Man weil
vom unermüdlichen Studium des Josef Symon
vor der Natur, der Abgeschiedenheit mit sich selbst,
die seine künstlerische Aussagekraft intensiviert.
Desgleichen bei ihr, Miroslava Symon. Voll in
Anspruch genommen von Kindobsorge und Familien
betreuung bleibt ihr zur Suche nach künstlerischer
Aussage ganz wenig Zeit, verbleiben karge Stunder
Sie bevorzugt die leichten schmiegsamen Materialiei
Leder, Pergament, Papier. Daraus formt sie fein-
linig verzierte Dekore, schmückt im ansprechenden
Kontrast mit simplen Bachkieseln. Und veredelt
und krönt geradezu mit diesen reinen Natur-
elementen ihre schlicht-puren künstlerischen
Formungen. Außerdem restauriert sie alte Bücher.
Legt in dieser konservierenden und beschützenden
Tätigkeit die gleiche Hingabe an den Tag. Ein
reicher Werkekreis entsteht um und zwischen der
Alltagsarbeit Halsbänder, Armringe, Bucheinbände,
Döschen und Kassetten in nobler, unaufdringlicher
Prägnanz. Zwischendurch assistieren" die Kinder irr
ersten künstlerischen Mittätigseinwollen. Eine
Farm künstlerischer Symbiose, die alle Aspekte des
Idealen trägt, hinter der aber doch auch der
notwendige Erwerb, das Behouptenmüssen, der
Existenzkampf stehen. Josef Symon lehrt an der
Hochschule für angewandte Kunst mifviel Ambition.
Auftragsarbeiten im sakralen Bereich beweisen
seinen Hang zur klaren einfachen Bildsprache,
deren Verständlichkeit und Durchbildung beein-
druckt. Großplastiken, Kreuze, Gittertore, kleine
freie Plastiken und Anhänger, Halsbänder, Ringe
in mannigfaltigster Form, darin beweist Josef
Symon seine künstlerische Reife. Fragile oft zartest
Gebilde, im Ausdruck dem femininen Wesen
geradezu auf den Hals oder Arm oder Ring
empfunden. Symon Symon demonstrierten im
Eitelbergersaal kraft ihrer Schöpfungen, wie sehr
ein inniges Verhältnis zur Natur Kreativität prägen
und veredeln kann.
leopold netop
mwo-u. um
Leopold Forslner, Mylhalogische Flgur Ausschnilll, um
1910. Mosulk aus Glas, 76,5 x16,S cm
Leopold Forsmer im Jahre 191D
Leopold Forsvner, Fische, um 1912. Kombinierles Mosaik
in Glas und Emall, 91,5 60 cm
Lsopold Furslner, Bemulla Gläser aus seiner Edelglcs-
werke AG in Slockerou
Josef Symon, Ring
Mirosluva Symon, Halsband und Armreif. Ensemblz
Josef und Mlroslavu Symon
Josef Symon, Sakrale Obiakle
59
KUNSTHAUS AM MUSEUM
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