Aktuelles KunstgeschehenlÖsterreich
Wien
Graphische Sammlung Albertina- Adolph von Menzei
im Zuge des regen kulturellen Austausches zwischen der DDR
und der Republik Österreich gelang es. nach jahrelangen wis-
senschaftlichen Vorarbeiten. diese reichhaltige Zusammen-
stellung von Zeichnungen. Aquarellen und Gouachen aus den
Beständen der Nationalgalerie der staatlichen Museen zu Ber-
lin hier zu präsentieren. Den Wissenschaftlern ist es gelungen,
einen Einblick in alle Stationen von Menzels Schaffen zu geben.
Schon die Beispiele der frühen Jugend zeigten. besonders bei
den Landschaftszeichnungen (i-Fähre am Ufer mit lesender
Dameiir). aber auch bei Personendarsteliungen. mit welch
genialemZeichnerwireszu tun haben. Ebensowurde schon mit
"Die Eisenbahnlinie Berlin-Potsdam: jenes Thema seines Spät-
werkes angezeigt. mit dem der Künstler mit seinen grandiosen
Zeichnungen und Bildern von lndustriestätten und den verwun-
deten und gefallenen Soldaten des Krieges 1866 in die Pro-
bleme des neuen Jahrhunderts weist. Wie überhaupt von den in
9 Gruppen eingeteilten Werken die fünfte und die letzte Gruppe
wohl die uns heute am meisten ansprechenden Arbeiten ent-
hielten. lmmerwieder überraschte uns der Meister mit Blättern
einer Modernität und Kühnheit - iiHochofen mit Rohrleitungrr,
iiWolkenhimmel-r, rrKurhausstraße in Kissingen nach dem
Regens - daß wir darüber nur dankbar staunen konnten. Der
ausgezeichnete Katalog (211 Seiten) brachte neben Briefstel-
len des Künstlers wissenschaftliche Abhandlungen und sehr
viele Abbildungen der ausgestellten Arbeiten und wird ein blei-
bendes Werk über den Berliner Maler sein. (28. 2. - 8.4.1985)
Museum des 20. Jahrhunderts - Maria Lassnig
Ein großer und gelungener Überblick der das reiche Schaffen
der 1919 in Kärnten geborenen Künstlerin zeigt. Einige Bei-
spieleausdenKriegs-understenNacnkriegsjahrenzeigtendas
Herkommen aus einervom Expressionismus geprägten Maler-
landschaft. Das Familienbild von 1945 erinnert noch stark an
Van Gogh. Doch schon bei den Bildern der Jahre 1948149 wer-
den wir einen kubistischen Einfluß gewahr. In den frühen fünf-
ziger Jahren fanden surreale Formen. besonders im graphi-
schen Werk. das in dem ausführlichen, umfangreichen und gut
bebilderten Katalog (1 70 Seitenlerwahnt wird. in ihre Arbeiten.
Die gezeigten Bilder aus dieser Zeit sind informell, reine Farb-
verspannungen. Balken auf hellen Gründen; Ballungen mit
hohem ästhetischen Gehalt und sicher auch schon ein Aus-
druck eines persönlichen Befindens. Es folgen einige reine
Linienbilder. wobei die Spannung in der Raumaufteilung spür-
barist; mitden klobigen Farbformen findetdie Lassnig Mitte der
fünfziger Jahre zur Figur zurück. wobei sich aber trotzdem in
den großflächigen Bildgestaltungen wie "Küipeffeiillfigk oder
iiQuadratisches Korpergefühlii informelle Malweisen wieder
durchsetzen. Freilich, ab 1961 ist die Figur immer mehr greif-
bar. zuerst rein linear auf weißem oder blaßgetöntem Grund.
Starke surreale Anklänge sind ersichtlich. Eine heitere Stim-
mungwirdallmählichvon BedrohlicheremabgelöshdieGründe
werden kompakter. Zwei Bilder, iwMutter und Tochter-i und wTote
Muttern, scheinen eine gewisse Wende in der Farbskala der
Malerin anzuzeigen. Das Thema wird immer mehr auf ihre
eigene Person konzentriert. Ab nun sind immer mehrSelbstbild-
nisse in den verschiedensten Variationen und Kombinationen
zu sehen. wobei immer wieder (mit wenigen Ausnahmen) ein
wässrig blauer oder blaugrüner Grundton vorherrscht. Beson-
ders bezeichnend dafür ist rKaryatideir. 1976. in diesem, und in
vielen der folgenden Bildern. scheint uns eine Sehnsucht nach
dem vorgeburtlichenSeinzumAusdruck zu kommen (zurück ins
Fruchtwasser). Die i-Last des Fleisches: scheint dafür eine
Bestätigung. Einige Bilder der allerletzten Jahre nehmen nun
freilich.oftinmythischerodergleichnishafterArt,zuProblemen
von allgemeiner Natur Stellung. Sie sind in der Farbe kräftiger
und. wiebei i-Derverlorene Sohnir. überraschend hart. EineAus-
steliung die jeder. der die österreichische Kunst unserer Zeit
kennen will, unbedingt gesehen haben soll. Die Monographie
des Verlages Ritter. Klagenfurt, brachte fast alle ausgestellten
Bilder und sehr umfangreiche Essays. (17. i. - 3. 3. 1985) -
(1. Maria Lassnig. Die Last des Fleisches. ÖlILeinwand,
185 X 251)
Wiener Künstlerhaus - Adolf Frohner
Auch hier wurde ein Querschnitt durch das Schaffen des Fünf-
zigjährigen geboten. wobei das Schwergewicht auf die Objekte
zu liegen kam. Wir sahen. daß Frohner diese Gestaltungen in
allen Jahren weiterpflegte, beginnend mit seinen Matratzenbii-
dern der sechziger Jahre. bis hin zu den letzten Hommagen.
Denk-undGrabmalemwobei manches. etwa iiDas Grabmaides
Samsonii. 1982. dem Charakter des Vorgeschichtlichen. des
Artefakts mehr entspricht als im Entstehungsjahr. Allen diesen
Gegenständen ist ein memento mori eigen. ein Hinweis auf die
Anfälligkeit. an dieVergänglichkeit unddie Dürftigkeit auch aller
r-Heroenii. Daneben waren Frohners große Bilder. die vom Ein-
gespanntsein. von der Verschnürung des Menschen in sein
Schicksal sprechen. zu sehen. Überrascht haben die Land-
schartsbilder und die Landschaftsobjekte. letztere getrockne-
tes Herbstlaub. Auch hier wird aber schließlich auf Verfall und
Moder hingewiesen. (13. 1. _ 10. 2. 1985) 7 (2. Denkmal für
Alberto Giacometti, 1978. Holz, Zement, Fotocollage. Seegras.
Pergament. Leinen. Eisen, 223 x 24 x 37 cm)
40
Erich Steininger
Der große Saal und die zwei Säle links und rechts waren mit den
Zeichnungen und Holzschnitten des Waldviertlers Steininger
übervoll. Der Künstler ist ein Besessener. diese Fülle. dieser
Reichtuman Motiven unddiese DichteanAusdruck isteinmalig.
Die Holzschnitte. übergroß, zu Bildwänden gruppiert. werden
alle Betrachter tief beeindrucken. Hier werden ohne Mätzchen
Tiefen menschlichen Seins aufgezeigt. Hiob. der biblische Dul-
der. steht unter anderen Gequttlten und Geschundenen. und
immer wieder ist es die Frau. die auf dem Opfertisch liegt. Da-
neben sind viele Blättendie diadüstere Waldviertler Landschaft
zeigen. Eine vom Nordsturm, von dem iiDunkel der Wäldern
(W . Szabo) bedrohte Landschaft. Hier wohnen noch urtümliche
Kräfte. schwer und fern jedes verspielten Farbenzaubers. Hier
ist das Schwarz-Weiß des Holzschnittes. das Lastende der
schmalen Himmelsstrelfen am Platz, hier hat oft der Bergwald
noch den letzten Rast von diesem verschluckt und drückt auf
den einsamen leeren Weg des Wanderers. Ebenso verhält es
sich mit den Landschaitszeichnungen. in denen das großflä-
chigeGrau desGraphitstiftaseine Bangigkeitvermittelt.dievon
keinem anderen Medium errelcht wird. Eine ganze Serie neuer
Zeichnungen widmet sich dem Menschen als Hampelmann.
Hier werden in den Fragmenten. in den gewissen Gliedmaßen
beraubten zappelndenTeiten.erschütterndeWirkungen erzielt.
Dieser, sich wie ein Hund ohne Kopf. mit den durch Stäben ver-
bundenenArmen und Beinen vorwärtsbewegende Körper etwa.
hat etwas unvergeßlich Beklemmendes an sich. Die falsch auf-
gehängte Marionette grinst uns mit einem Totenschädel an.
Letztlich seien noch die Radierungen erwähnt. Hart wird dern
Menschen zugesetzt, eingesperrt und bedroht ist er in dieser
Welt. Ein großiormatiges Buch mit einem Vorwort von O. Brei-
cha und vielen ausgezeichneten Wiedergaben der Zeichnun-
gen. eine bibliophile Kostbarkeit. begleitetdie Schau. (1 1 . 1 . bis
10. 2. 1985)
E!
Bundesministerium für Wissenschaft
und Forschung
Besucherstatistik der staatlichen
Museen und Kunstsammlungen
1985
Das Bundesministerium für Wissenschaft
und Forschung gibt bekannt, daß in den ihm
unterstehenden staatlichen Museen und
Kunstsammlungen in den Monaten
Jänner
Februar
März
Besucher gezählt wurden.
105.598
109.878
192.176
Russev - Baev - Jaranov
im ersten Stock waren die Werke dreier bulgarischer Künstler
zu sehen. Alle drei tragen den Titel i-Verdiente Künstler der VR
Bulgarien-i. Den stärksten Eindruck hinterließ der 1933 gebo-
reneSvetlin Russev. Viele seiner Bilder sindvon einersehrspar-
samen Farbmodulation geprägt. Es gibt eindrucksvolle Land-
schailsbilder fast in Weiß. nur mit wenigen Abschattierungen.
Aber auch die großen. eine oder mehrere Personen zeigenden
Gemälde sind in ihrer farblichen Verhaltenheit sehr schon und
eindrucksvoll. rrNikolaj Rajnovri oder lMEinE Muttern bezeugen
die qualitätsvolle Malerei Russevs. Da und dort setzt dann der
Künstler einen grellen Farbakkord, bewußt und gekonnt. und
man empfindet ihn durchaus nicht als dissonant. Die Farbe hat
Ihre symbolische Wirkung. Am schwächsten waren die beiden
zum Empfang beim Eingang gehängten großen. von literari-
schen Posen erfüllten Bilder.
Georgi Baev ist 1924 geboren. Er zeigte Öl- und Acrylbilder in
sehr grellen Farben. abstrahierte Figuren in öden. leeren
Gegenden. Sowohl die Komposition als auch die Farbgebung
wirkte überzogen. ja bei den meisten modisch. laut und falsch.
Sollte Baev keine DSOÜÜEYEUI Werke haben?
AtanasJaranov. derJüngste. i940geboren. kommtvon derPla-
stik. was man seinen Bildern auch anmarkt. Der Mensch steht
bei ihm immer im Zentrum. und dieser Mensch ist aus konstruk-
tiven Teilen. gleich einer metallenen Maschine. zusammenge-
setzt. Folkloristische Elemente spielen in der Themenwahl
ebenso eine Rolle. wieein realistische. Am besten scheinen uns
seine Pastelle. die Metamorphosen darstellen. zu sein. (16. 1.
bis 10. 2. 1985)
Österreichhaus I Palais Palffy - Die spitze Feder
Es handelt sich um eine Zusammenstellung von politischen
Karikaturen aus drei Jahrhunderten. Hogarth. Goya. Daumier
bilden die Spitze der klassischen Karikatur. Auch J. Gillaray
bringt gepfefferte Kritik auf das satte Bürgertum. Mit einigen
Blättern aus derZeltschrlft iiDle Musketer- kommen wirunseren
Problemen näher. Von R. Beut waren politische Karikaturen aus
der Nazizeit vertreten. die in den iiLusttgen Blatternii die Kriegs-
gegner der Achsenmächte lächerlich machen sollten. Th.
ZascheslllustrationenzumpolitischenGeschehenindere
Republik lassen den unvoreingenommenen Betrachter
einmal die großen Schwierigkeiten ahnen. mit denen sic
Staatsmännerjener Zeit herumzuschiagen hatten. Etwa
Epoche wird auch für Frankreich und dessen Zuständr
J. Sennep geschildert. Mit E. Sokol und seinen Glossiert
dervon uns allen selbst miterlebten Ereignisse reichtdieS
bis in die Gegenwart. Die Qualität ist sehr unterschiedlich
schonausderNamensnennungderKünstlerhervorgehtf
bis 10.3. 1985) - (3. Sokol, Politische Karikatur)
Neue Galerie Wien - Josef Mikl
Der Farbauftrag des Künstlers ist intensiver, dichter gewo
der Pinselstrich kürzer aberschwungvoll, Kontrastewerde
gend. Da und dort sah man auch noch die röhrenförr
Gebilde,dieMiklseineganze Schaffensperiode begleiten.
vielfach gaben die Farben in Räume Einblick. zogen in T
Dunkle Wischer stehen mit leicht drohender Figürlichke
brennendem Rot Einige sehr gegenstandlich gemalte Po
und Blumenbilder überraschten. Besonders letztere sch
unseines Mikl nichtgerechtzuwerden.Auchdiebemalten
iiguren sind durchaus noch keine ausgereiften Arbeiten.
sie auch eine gerade für diesen Künstler entsprechende E
terung seiner Gestaltungsweise sein konnten. (28. 1
22. 12. 1984) - (4. Figur. 1984. Öl. 200 X 200 crri)
Zbynek Sekal
Sekal. der sich schon seit Jahrzehnten mit Materialbildr
strengen. gepatterten Formen beschäftigt. findet in t
scheinbar so leicht ausschöpfbaren Technik doch imme
der neue Variationen. immer wieder ist es das Quadrat in i
seine i-Musterl- bannt. Das Quadrat ist die Form des lrdis
des Begrenzten,das mitder Naturverbundene. in ihm nag
seine Ordnungen. die dem Betrachter einen Weg auitur
verschließen, die kostbare Schreine oder einfache Zeige
können. Hat ermitseinen metallenen Fügungen oft eine l:
tinisch reiche Prachtentfaitung geschaffen. so zeichni
Holzreliefs eine meditative Schlichtheit aus. Die Unebenl
und Verletzungen des Materials tragen hier zu einer Verlel
gung viel bei. Den Untertitel iiVorletzte zusammengesetz
dern wollen wir doch nicht gern akzeptieren. sondern h
noch viele Werke Sekals sehen zu können. (1 5. 1.- 9. 2.
- (5, Domeingang 2.1977. Holz, Eisen, Lack,168x16l
Galerie Hilger - Gabriele Folz-Friedl
Die 1952 in Stuttgart geborene und in Wien lebende Kün:
zeigte bei ihrer ersten Personale vier Ölbilder und viele G
ken Besonders die feinen Zeichnungen menschlicher Fi
mitverdichteten Linienchne begleitende literarische Berr
gen lassen eine starke Ausdruckskraft erkennen. Oft er
die Künstlerin durch Freiraurne eine besondere Wirkung
unbestimmbaren Hintergründen tauchen diese Gestalte
werden in einem Geflecht von Strichen festgehalten und
diese Gebundenheit an den Betrachter weiter. (22. 1. -
19B5)-(8.Gabriele Folz-Friedlbeim HängenihrerAusste
Galerie Yppen - Ernst Zdrahal
DerMalerzeigtZeichnungen unterdem Mottoiicarnevale
zianoir. In unglaublich feiner und harter Strichführung Wl
gleich Negativbelichtungen in Weiß-Schwarz verschie
scheinbar harmlose. Menschengruppierungen in eini
Ensor erinnernden ätzenden Betrachtungsweise vor
gestellt. Zdrahal entwickelt sich immer mehr zum feinner
Zeichner. der ohne große Gesten kritische Sachverhalte
zulegen imstande ist. (1 5. f.i9.2.19B5)-(7.Zeichnun
dern ivcarnevale venezianorr, 1984)
Galerie am Graben i Skyline i Straßline
Hier wurden Schmuckstücke aus Amerika gezeigt. Alle.
100 Exemplare. entstammten den Jahren 1920 71940. E
alsoquasi ein historischer Rückblick aufeinesehrbewegti
und das Material Straß scheint uns. besonders für das
kunftsland. sehr bezeichnend. Es waren die Jahre. dieduri
riProsperityii-Periode. ab 1929 durch die große Wirtschaft:
und darauf Rosevelts nNEW Dealii gekennzeichnet warei
Kreise in denen dieser Schmuck getragen wurde, zeich
sich wohl jederzeit durch einen eigenartigen Patriotismu:
Gibt es doch sogar die Buchstaben USA. mit diesen fal:
Brillanten geziert als Schmuckstück. (7. 1. - 23. 2. 19!
(8. Straßschmuck aus Amerika. 1920 - 1940)
Galerie Würthle - Linde Waber
Unter dern Titel "Mein Gartenir waren Kreide- und Bur
zeichnungen in großen Formaten zu sehen. Es sind. entg
dem heute üblichen Lamento über das Sterben der Natur
optimistische Bilder. Schon im Vordergrund wuchern die
zen und schließen zur Bildmitte. ja bis zum oberen Rand di
chen in einmaliger Üppigkeit. Es ist ein Dickicht von Str
und Farbhieben. Strukturell mit manchen Zeichnungen vo
ner verwandt. aber immer im Gegenständlichen verblei
(20. 2. - 16. 3. 1985) - (9. Mein Garten. 1984. Mischtei
Papier - Ausschnitt)
Anton Mahringer
Von dern dritten großen Maler der Ndtscher Schule. 19l
Stuttgart geboren und 1974 in Villach gestorben, wurde hi
guter Überblick seines Schaffens geboten. Man sah die ei
siven Ölbilder der dreißiger Jahre mit ihrem pastosen Fa