alte und moderne
WIENER
KUNST SLANTIQUITÄTEN MESSE
1971
TVHTQQFDA Q'T' XATTCNT '70 '7Q TxlTni1071 1-Hn1iw11xynh1Ü71TU1r
114
alte und moderne
Impressum
CIHE und moderne kunsi
1619-
Nr. H4
JännerlFebruur 1971
INHALT
HERAUSGEBER
Dr. Kurt Rossacher
EIGENTÜMER UND VERLEGER
Österreichischer Bundesverlcrg
für Unterricht, Wissenschaft
und Kunsi
PRODUKTIONSLEITUNG
Prof. Dr. Alois RoHensfeiner
alle Wien Schwarzenbergsiruße
Tel. 52 25 61
REDAKTION
Chefredakteur
Dir. Prof. Dr. Wilhelm Mrazek
verantwortlich für den Inhalt
Dr. Franz Windisch-Graetz
Peter Baum Alois Vogel-
Leopold Neiapil, graphische
Gestaltung
alle Österreichisches Museum
für angewandte Kunst,
A-IOIO Wien, Stubenring
Tel. 72 56 96, 72 56 97
alle Manuskripte sind an die
Redaktion zu richten
für unverlangt eingehende
Manuskripte und Fotos wird keine
Haftung übernommen
Nachdruck nur mit Genehmigung
des Herausgebers
22
Franz Unterkircher
Johcnnc Herzogen-
berg
Richard SIeiskuI-
Pcur
Wilhelm Mrozek
Alois Vogel
Walther Maria
Neuwirfh
Alois Vogel
Erich Fitzbuuer
DAS HARRACH-MISSALE
MARIANISCHE GEOGRAPHIE AN BUH-
MISCHEN WALLFAHRTSORTEN. DER
WEISSE BERG RIMAU IN SÜDBOH-
MEN DER HEILIGE BERG
ISERLOHNER DOSEN
ZUR WISSENSCHAFTSGESCHICHTE DES
WIENER PORZELLANS
KARL STERRER, EIN MALER SEINER ZEIT
ZUM 85. GEBURTSTAG
VIKTOR PIPAL UND SEIN POSTIMPRES-
SIONISMUS IM GEISTE DER MUSIK
BRASILIEN IN DEN FARBHOLZSCHNIT-
TEN DER LINDE WABER
HERWIG ZENS DAS ZEICHNERISCHE
UND GRAPHISCHE WERK
OSTERREICHISCHES MUSEUM FÜR AN-
GEWANDTE KUNST
AUS DER KUNSTWELT
AUS DEM KUNSTHANDEL
BUCHBESPRECHUNGEN
AGENTUR
Dr. Kurt Rossarher
Salzburg, lmbergslruße
ANZEIGENVERWALTUNG
Uslerreichischer Bundesverlug,
A-IOBO Wien, Lenuugusse 17
REPRODUKTIONEN, DRUCK UND
BUCHBINDERARBEIT
Wugnefsche Unim-Buchdruckerei
Buchroithner 8. Co.,
Innsbruck, Erlerslruße 5-7
ERSCHEINEN UND PREIS
Alfe und moderne Kunst erscheinl
1971 im Februar, April, Juni,
Augusi, Okiober, Dezember
Jahresabonnement
Doppelnummevn
öS 390.- und öS 13.- Porto;
DM 64.-; sfr. 65.-
Einzelheft
öS 80.-; DM 13.50; sfr. 13.40
Einzelnummern- Sowie DM- und
sfn-Preis inkl. Porlo
sszue;
Alte und moderne Kuns? isi zu
beziehen durch iede Buch- und
Kunsthundlung oder den
Österreichischen Bundesverlag
TITELBlLD Doppelleuchter mit Schlittschuhläufer als Winter", um 1755-1760.
Aus der Ausstellung Wiener Porzellan, 1718-1864" im Österreichischen Museum
für angewandte Kunst, Wien
UNSEiZE KUNSTBEl-EAGEE Adi Heizer Diewvergessene Geometrie, gezeichnet
in Aladdins Hule, 1970, Offsetlithographie
BILDNACHWEIS Galerie Aenne Abels, Köln, S. 53 Archiv Usterreichische
Akademie der Wissenschaften, Institut für mittelalterliche Realienkunde Uster-
reichs, KremslDonau, S. 49 Graphische Sammlung Albertina, Wien, S. 47
Amerika Haus und Orangerie des Schlosses Esterhazy, Eisenstadt, S. 47 Gale-
rie Ariadne, Wien, S. 53 P. Baum, Wien, S. 45, 47, 50, 53 Fotogalerie Die
Brücke", Wien, S. 49 Archiv Club der Begegnung", Linz, S. 49 Galerie der
Ersten Österreichischen Spur Casse", Wien, S. 53 Katalog Fahnen und
Textilien", Stadtmuseum Linz in der Neuen Galerie Walfgang-Gurlitt-Museum,
S. 49 Fato Fasching, Wilhelmsburg, S. 49 Galerie 10, Wien, S. 53 Aus Gna-
denstätten in Böhmen und Mähren", S. 11, 13 Prof. M. Karecky, Prag, S. 19
Archiv Bildhauersymposion, Lindabrunn, NL. 1970, S. 49 Archiv Bildhauer-
symposion, Mauthausen, O.U., 1970, S. 49 H. Mayr, Wien, S. 45 E. Meichar,
Wien, S. 2248 Usterreichisches Museum für angewandte Kunst E. Ritter, Wien,
S. 30-33 Österreichische Nationalbibliothek, Wien, S. 3-8 W. Neumeister,
Mündien, S. 10-21 Galerie Peithner-Lichtenfels, Wien, S. 53 Archiv Prof.
V. Pipal, Wien, S. 36-38 Reclams Universal-Bibliothek, Stuttgart, S. 53
H. Romanoff Nouvelle vague, Wien, S. 49 Galerie Ramanum, Perchtoldsdarf,
S. 53 H. Schatzl, Wien, S. 42-44, 47 G. Schlegel, Wien, S. 49 Galerie
A. Schwarz, Mailand, S. 53 Archiv Galerie Slama, Klagenfurt, 5. 53 Katalog
Steirischer Herbst", Graz, S. 50 Galerie nächst St. Stephan, Wien, S. 47
Galerie auf der Stubenbastei, Wien, S. 53 Galerie im Taxispalais, Innsbruck,
S. 49 Archiv L. Waber, Wien, S. 39-41 Aus dem Buch Arpad Weixelgärtner,
Karl Sterrer", S. 34, 35 Galerie Wittmann, Wien, S. 53 Württembergischer
Kunstverein, Stuttgart, S. 53
VORSCHAU AUF HEFT 115 Spätgatik am Niederrhein, Meisterwerke der Plastik
und des Kunsthandwerks 1450-1530 Balthasar Neumann oder Johann Lucas
von Hildebranclß, Zum Problem der Kollektivplanung der Schönbarnkapelle
am Würzburger Dom Gabriel Grupella und die Europäische Barockplastik
1650l60-1720l30 Die Offenbarung der göttlichen Weisheit, Zur Augsburger
Bildskizze des Franz Anton Maulpertsch Die Wiener Undergraund-Society
Jörg Schwarzenberger Zur Ausstellung Tod" von Hans Hollein ...gemalt
von Adi Holzer in Aladdins Hule Österreichisches Museum für angewandte
Kunst; Ausstellungen, Spontonveranstaltungen Aus der Kunstwelt Aus dem
Kunsthandel Buchbesprechungen
Franz Unterkirchcr
DAS HARRACH-MIS SALE
Was heute noch an mittelalterlichen Hand-
schriften vorhanden ist, befindet sidi fast aus-
sdiließlidi im Besitze öffentlidier Bibliotheken
oder Museen. Die Handschriften in klöster-
lichen oder anderen kirchlichen Bibliotheken
sind nidit mehr in gottesdienstlidier Verwen-
dung, audn wenn es sich um liturgische Büdier
handelt. Die einzige Ausnahme bildet der
Codex Millenarius" in Kremsmünster, der bei
besonderen Gelegenheiten nodi beim feierlichen
Gottesdienst benützt wird.
Außer diesen Handschriften, die in der biblio-
thekarisdien und kunsthistorisdien Literatur
längst bekannt sind, und die auch in Aus-
stellungen der Öffentlichkeit gezeigt wurden,
gibt es noch da und dort Handschriften in
Privatbesitz. Abgesehen von den handschrift-
lichen archivalischen Beständen sind in den
Schlössern alter adeliger Familien noch einzelne
handgeschriebene Bücher erhalten geblieben, die
der Öffentlichkeit noch unbekannt sind. Es
handelt sich dabei meist um Büdier, die mit
der Familiengeschichte zusammenhängen, und
die aus diesem Grund an dem Ort erhalten
blieben, für den sie geschrieben oder erworben
wurden.
Zu diesen Büchern gehört ein Missale im Besitz
der Grafen von Harrach, das wohl von
einzelnen Genealogen des vorigen Jahrhunderts
benützt wurde, das aber der Budi- und Kunst-
geschichte bisher noch nidnt bekannt war. Dem
jetzigen Besitzer, Grafen Ernst Leonhard
Harradi, gebührt der Dank dafür, daß er die
Erlaubnis dazu gab, dieses merkwürdige und
wertvolle Buch der Öffentlidikeit vorzustellen.
KODIKOLOGISCHE BESCHREIBUNG
Das Missale umfaßt 341 Pergamentblätter im
Ausmaß von 365 265 mm und als Vorsatz
und Nachsatz je drei ebensogroße Papierblätter.
An sieben Stellen sind Pergamentblätter ab-
handen gekommen vgl. unten.
Der jetzige Buchblock setzt sich aus vier
versd-iiedenen Teilen zusammen
An erster Stelle befindet sich der jüngste Teil,
d. s. zwei Pergamentblätter mit Ahnenbildern.
Die darauffolgenden sieben leeren Pergament-
blätter dürften erst bei der Neubindung im
I6. Jahrhundert eingeheftet worden sein,
vielleicht mit dem Plan, darauf die genea-
logisdien Darstellungen fortzusetzen.
Den zweiten Teil bilden sechs Blätter mit dem
Kalender und ein einzelnes Blatt mit dem Text
der Salz- und Wasserweihe.
Auf die ersten 16 Blätter folgt von fol. 17-72
ein dritter Teil, der sich durch die Sdirift und
die Lagenanordnung von den anderen Teilen
untersdieidet. Es sind sieben regelmäßige
Quaternionen. Ihre ursprünglidien Lagenzäh-
lungen und Reklamanten" d. s. die ersten
Worte der folgenden Lage auf dem letzten
Blatt der vorhergehenden Lage sind teilweise
nodi vorhanden, teilweise aber vom Buchbinder
weggeschnitten.
Der vierte Teil, von fol. 73-341, ist aus
Quinternionen zusammengesetzt, jedoch ohne
jede Lagenbezeichnung. Das Blatt 76, das auf
der Versoseite das Kreuzigungsbild trägt, ist
als Einzelblatt eingeklebt. Das jetzige Blatt 108
ist falsch eingebunden. Das jetzige Blatt 126
ist von anderer Hand geschrieben und an
Stelle des schon bei der Bindung fehlenden
ursprünglichen Blattes eingeordnet; von der
gleichen jüngeren Hand ist Blatt 339
gesdirieben. Auf Grund des fehlenden Textes
können die folgenden Lücken festgestellt
werden
nach fol. 103 fehlt der Anfang der Kirch-
weihmesse; nadn fol. 107 der Anfang der
Nikolaus-Messe; nach fol. 136 der Anfang der
Georgs-Messe; nach fol. 192 der Anfang der
Messe zu Maria-Himmelfahrt; nach fol. 227
der Anfang der Messe zu Allerheiligen; nadi
fol. 236 der Anfang der Katharinen-Messe;
nach fol. 238 der Anfang der Messe zum
Commune Apostolorum. Diese Blätter dürften
schon gefehlt haben, als das Buch neu gebunden
wurde, da sich keine Beschädigungen beobachten
lassen. Da das Missale keinerlei Paginierung
besitzt, war die Kontrolle der Vollständigkeit
schon von Anfang an sd1wierig.
EINBAND
Der Einband stammt aus dem Jahre 1583. Er
besteht aus starken Holzdeckeln 392 280
Millimeter, die mit rotem Leder überzogen
sind. Sechs Doppelbünde teilen den Rücken in
sieben Felder. Die Holzdecke sind nach innen
abgeschrägt. Die Vorderseite trägt den gleichen
Schmuck wie die Hinterseite. Die Deckelfläche
wird durch mehrere ineinandergescharhtelte
Rahmen gegliedert; die Rahmen werden durch
ornamentale Rollen gebildet; der äußerste
Rahmen ist auf seiner Innenseite mit vier aus
Bandwerk gebildeten Edtstücken besetzt. Die
Leisten zwischen den Rahmen tragen kleine
Blatt- und Rosettenstempel. Auch die inneren
Schrägleisten der Deckel sind mit einem Fileten-
muster verziert. Ebenso zeigen die Rückenfelder
Stempelverzierungen. Das kleine Mittelfeld
der Dedrelflächen trägt einen Plattendrudt
103 68 mm mit der Darstellung des
Crucifixus, links davon die Eherne Schlange,
rechts die Opferung Isaaks. Links und rechts
vom Fuße des Kreuzes die Buchstaben E. Die
gleiche Platte findet sich auf dem Einband der
Inkunabel 476 der Deutschen Staatsbibliothek
in Berlin'. Alle Deckelverzierungen sind in
Golddrudr angebracht, der stark verblaßt ist.
Die verzierten Messingschließen tragen die
Jahrzahl 1583. Die Sdmittflächen des Buch-
blodres sind vergoldet und mit punzierten
Ornamenten versehen. Leider hat der
Budibinder bei vielen Blättern die gemalten
Ranken angesd-mitten.
Am Rüdsen oben ist ein kleiner Zettel an-
geklebt, der die Bibliotheksnummer trägt V1
Rohrau.
Als Vor- und Nachsatz wurde beim Binden je
eine Papierbinio angebracht, deren erstes bzw.
letztes Blatt auf die Innenseite der Dedxel
geklebt wurde, während die anderen drei
Blätter leer blieben. Das Papier trägt als Wasser-
zeichen den Doppeladler mit dem Wappen von
Memmingen, Briquet Nr. 941. Die bei Briquet
angeführten Belegstücke stammen aus der Zeit
von 15510-15832.
Das dritte Vorsatzblatt trägt auf seiner Verso-
seite links oben mit Bleistift N"691", darüber
ein kleines Papierzetteldien mit der Zahl 720.
Der Band wird in einer versperrbaren Holz-
kassette aufbewahrt, die innen mit Filz
ausgeschlagen ist.
IALT
drei ursprünglichen Teile des Missale, das
lllS Harrach kaufte, unterscheiden sich
zinander durch ihre Sdirift, bilden aber,
sehen davon, ein Ganzes. Das entspridit
Schreibbetrieb des 15. Jahrhunderts. In
Leren Sdireibstuben wurde die Arbeit auf-
ilt, um die Aufträge schneller fertig zu
ien. Die Herstellung des Kalendariums mit
rn verschiedenen Spalten, den Sonntags-
staben, der Goldenen Zahl, den Heiligen-
en in verschiedenfarbiger Schrift erforderte
ndere Kenntnisse und Kunstfertigkeiten. Es
daher häufig zu beobachten, daß der
rnderteil eines Missale oder eines Psalters
anderer Hand ist als der Textteil.
Kalenderseiten haben einen Schriftspiegel
260 174 mrn, die Seite zu 33 Zeilen.
Schrift ist eine gotische Textura mittlerer
"Se, auch Missalschrift" genannt. Eine
ift dieser Art bildete die Vorlage für die
dtlettern, die Gutenberg bald danach schuf.
Sd1riftbild wird durdi die häufige Ver-
dung von roter Tinte aufgelockert.
Heiligen, die im Kalender vorkommen,
keinen sicheren Schluß darauf zu, wo und
welche Kirche das Buch geschrieben wurde.
;ind die Patrone von Salzburg, Passau,
sburg, Prag angeführt. Daß der heilige
loman in roter Schrift eingetragen ist,
ite auf Melk hinweisen. Es kann sich auch
einen Kalender handeln, der für keine
mmte Kirche war, sondern in einer Form
estellt wurde, daß er für Interessenten aus
zhiedenen Diözesen oder Klöstern brauch-
war. Bei Durchsicht des Missale zeigt sich,
die Heiligen, die im Kalender enthalten
durchaus nicht übereinstimmen mit den
igenfesten im Missale. Es ist daher anzu-
1811, daß der Kalender für das vorliegende
ale aus einer Schreibstube bezogen wurde,
auf Kalender spezialisiert" war, die für
ibengenannten Diözesen paßten.
den Kalender folgt noch, von derselben
geschrieben, ein Blatt mit der Salz- und
aerweihe. Es folgt das eigentliche Corpus
Vlissale, das nach einheitlichem Plan, aber
von derselben Hand geschrieben ist.
idJ-IiST
iaN
irradi-Missale. Kreuligungsbild, m.
RKUNGEN 172
iAl-IHLER, RullL-n- und Plattenstempel des XVLJahr-
crts. LClpllg 1'123, 1. Bd., s. 101.
1. BRIQUET, Lcs Filigranes, I. um, Van 19m7. s. 73.
Der erste Teil dieses Corpus umfaßt die Folien
17-72. Der Sdiriftspiegel mißt 270 188
Millimeter, jede Seite hat zwei Spalten zu 35
Zeilen. Die Schrift ist eine gotische Textura,
jedoch mit abgerundeten Formen.
Auf den Blättern von fol. 17r-69r steht das
Proprium de tempore", d. s. die Messen des
Kirchenjahres ohne die Heiligenfeste. Es fehlen
aber die Gebetstexte der Oratio, Sekret und
Postkommunio. Dafür steht fast überall der
Verweis Collectam require immediate post
Canonem"; tatsächlich findet sich dann auf
den Folien 82r--lO3r das Kollektar" mit
diesen Gebeten. Für die Fastenzeit enthält
das Proprium de tempore nur die Texte für die
Sonntage, nicht aber für die Werktage. Im
Kollektar hingegen sind auch die Orationen für
die Werktage der Fastenzeit enthalten.
Nach dem Meßtext für den 24. Sonntag nach
Pfingsten steht noch die Messe zur Kirchweihe
und Altarweihe fol. 69v-70r. Auf den
Blättern fol. 70r-72r folgt das Sequentiar mit
dem Text der gebräuchlichen Sequenzen. Auf
der ursprünglich leer gelassenen Seite fol. 72v
hat eine jüngere Hand die Orationen der Messe
zu den 14 Nothelfern nachgetragen. Eine noch
jüngere Hand hat auf derselben Seite den
Anfang des Gloria eingetragen.
Der Teil des Missale von fol. 73-339 ist durch
die Schrift und die Adjustierung als Einheit
zusammengeschlossen. Der Schriftspiegel beträgt
255 178 mm, die zwei Spalten haben je 23
Zeilen. Die Schrift ist eine große gotische
Textura.
Die Folien 73r-75v enthalten Gloria, Credo
und Präfationen. Nach dem ganzseitigen Kreu-
zigungsbild auf fol. 76v folgt von fol. 77r-8lr
der Canon mit den Dankgebeten nach der
Messe, dann von fol. 82r-l03r das Kollektar.
Das Proprium Sanctorum", d. s. die Messen
zu den Heiligenfesten, steht auf fol. 104r-
237r; es beginnt mit der Vigil zum Andreas-
Fest. Wie schon früher bemerkt wurde, stimmt
die Auswahl der Heiligenfeste nicht mit den im
Kalender aufgezählten Heiligen überein. Im
Kalender ist kein Heiligenfest so hervorgeho-
ormomnimünf
ben, daß man daraus auf die Bestimmung für
eine Diözese oder für einen Ort schließen
könnte. Im Proprium steht jedoch beim
Nikolaus-Fest auf fol. 107v die Überschrift
De sancto Nicolao patrono nostro officium".
Leider ist das Nikolaus-Patrozinium so häufig,
daß daraus keine Lokalisierung abgeleitet
werden kann.
Eine Besonderheit im Vergleich zu anderen
Meßbüchern ist es, daß die in roter Schrift
eingefügten Rubriken" nicht nur die allge-
mein üblichen liturgischen Anweisungen ent-
halten, sondern auch Kommentare dazu, an
mehreren Stellen sogar ausführliche Heiligen-
legenden
fol. 164v-165r die Legende der makkabäischen
Brüder
fol. 173r die Begründung, warum das Fest des
heiligen jakobus nicht an dem Tag gefeiert
wird, an dem der Heilige gemartert wurde,
d. i. am Ostersonntag quia in festo principis
non poterat fieri festum satellitis"; der 25. Juli
wurde gewählt, weil an diesem Tage die Kirche
des heiligen jakobus zu Compostella geweiht
wurde
fol. 177r-v die Legende zum Feste Petrus in
vinculis
fol. 178v-179r die Legende zum Feste der
Auffindung des heiligen Stephanus
fol. 181v-182r die Geschichte der Einführung
des Festes der Verklärung Christi
fol. 187v188r die Laurentius-Legeilde
fol. 194r die Begründung, warum am Maria-
Himmelfahrtsfest gerade dieses Evangelium
von Maria und Martha gewählt ist
fol. 197v-198r die Grundsätze, welche zu
befolgen sind, wenn am gleichen Tage mehrere
Feste zusammenfallen
fol. 213v-2l4v die Michaels-Legende
fol. 231v-232v die Martins-Legende
Das Proprium sanctorum enthält zu vielen
Festen auch Sequenzen, obwohl ein eigenes
Sequentiar vorausging.
Nad1 dem Proprium sanctorum folgt noch,
wie in jedem Missale, das Commune
Sanctorum" fol. 237r-280r, die Misszie
speciales et votivae" fol. 280r-327v, die
Totenmesse fol. 327v-339r.
Die beiden Folien 340-341 sind leer.
KÜNSTlERlSCl-IE AUSSTATTUNG
Die Schrift des Missale entspricht der Schrift,
die für derartige liturgische Bücher durch das
ganze 15. Jahrhundert gebräuchlich war. Die
schwarze Schrift ist auf jeder Seite von roten
Überschriften oder Anfangsbuchstaben unter-
brochen. Die Anfangsbuchstaben sind vielfach
abwechselnd rot und blau, manchmal auch mit
einfachen Federstriczhranken verziert.
Darüber hinaus aber hat das Buch eine künst-
lerische Ausstattung erhalten, die es einer schon
bekannten Gruppe von Handschriften zuordnet.
Die farbigen Initialen, neun davon mit
figuralem Schmuck, 50 in verschiedenen Größen
ornameiital ausgestaltet, stammen aus dem
Atelier eines Mitgliedes der sogenannten Wie-
ner Hofminiatorenschule, des Albrechts-
miniators"-". Das Canonblatt dürfte von dem
derselben Schule zugehörigen Meister Niko-
laus" stamnieiiä Damit ist auch ein zeitlicher
Rahmen gegeben Meister Nikolaus und der
Albrechtsminiator arbeiteten zuerst um 1425130
zusammen. Der Albrechtsminiator war als
Nachfolger des Nikolaus und Leiter der Hof-
werkstatt bis 1452 tätig?
Als früheste Arbeit des Albrechtsminiators war
bisher das sogenannte Turs-Missale" in Sankt
Stephan bekannt. Das Initialbild der Geißelung
im des Canoiibeginns im Turs-Missale und
im I-Iarrach-Missale sind beinahe identisch.
Beide Darstellungen sind in der Stellung der
Figuren, mehr noch in der Wahl der Farben
sehr verwandt mit der Darstellung der Geiße-
lung im Gebetbuch Albrechts, Cod. Vind. 2722,
fol. 74v. Die anderen Bildinitialen zeigen alle
denselben Stil etwas steife, sehr sorgfältig
gezeichnete Figuren mit kräftigen Farben, unter
denen besonders ein helles Grün auffällt.
Wenn diese Initialen eigenhändige Werke des
Albrechtsminiators sind, so stehen sie noch auf
derselben Stilstufe wie das Turs-Missale. Ein
Vergleich mit den Miniaturen im obengenannten
Gebetbuch Albrechts, besonders auch mit den
dort befindlichen kleinen Apostelbildern",
läßt die Miniaturen des Missale noch unbehol-
fener erscheinen als die mit großem Können
gemalten Bilder des Gebetbuches.
Harradi-bhssalc, Gtißelung Christi. fol. 77r
Iilffldl-MISQIIU, lil. Andreas, fol. 104
lIarradi-Missalv, Darstellung Christi iml'c-mpel. fol. lllr
liattiuh-lviisizllv, Maria vffkündlguhg, lol. 1J4r
Harradi-Missalc. Johannes d. Täufer, fol. 1S3v
ßwßuw
ANMFRKUNGI 3-6
Die Literatur ubrr dc-n Albreditsminiator ist vusamrnengefaßt
bt-i ll.VOl.I.lv1I'.R, Allgemeines t-xikim der Bildenden Künst-
ler, 37. 33., Meister mit NOHHIWICYI und Älvnvgrammiätßn,
Lßipliy, 195a. S. 9-10. Dazu krininir nßdl! 1c. HOLTER.
Dir WIUHQ! ßüdlmilßtül, S. 222 223. in Grrdiidirr der 11'
dt-iiiirii KUIWI iii vuitii, 11., Die cririk, Wien 1955.
G. SCHMIDT, Die Budimalt-rci in Nicdt-rusterrcidi, S. 95
und 10a, HI D12 Gotik in Nirdrrnrrrrreidi. Wirii 1963.
Niai Ilolter vgl. uiirri sind Yüm ÄlbttdilämltlillOt aiiriier
rund 15 Handschriften bekannt, darunter t-inedrt-ibändige
Bibel". Diese drcibandigc Bibel war bis 1967 au! die Utterr.
NaL-Bibl. in Wien und die Sammlungen in Sdiloß Ambras
aiifgctei t-it 1967 befinden sich alle drc-i Bande in Wien,
unter der grillt! Cud. 11117. 111171 1137er
In der Uttcrr. Nltrßlbl. sind außerdem noch die folgenden
Handschriften vnr Ginve oder ICIIWIJiSQ vom Albreditsminia-
Or gifmllti
COII. 2722, ein Grbcrbudi für Henog Albrrdir V. seit 1438
Krinig Albrrair 11. die Haiidrdirifr, VDI deren Aus-
Schmüdtung der Ä1e1ster SHIXHJU ..Nntnurrirri" hat.
Cod. 326. ein Lcgcndtir für I-"ric-tlridi 111., vom Albred-its-
miniawr zusammen mit anderen Miniaturen ausgesdimüdtt.
COLl. 17ti7. ein Gübüiblld! 1"ur Friedridi 111., in griißt-m Fur-
mat; die vahlreidirn Miniaturen von mehreren Wiener H01-
miniatorcri, die meisten vom Albreditsminiator. Cod. 326 und
17a? sind 1447 und 14411 datiert, durften aber rdinri früher
ITCKOIHICH wi-irarri 58111.
Anden.- Handsdiriftc-n mit Werken des Mbreditsmiriiators be-
tiiiiirii xiClt iii der srrriiriarbibiiiiriii-k iri Brixen, in der Ber-
linkt siaiiiciaiiiiririirir, iiirii iiaririidirirrtii iii KlUSKQfflEUbUYg,
r-uii- iii Melh. Um Jiirrmitiair" H11 wii-rir-r urirri- und
rr-aiiiriiiii-iiui. L'll! Missale iii der Alumnrllßililblltttiltk iri
St. Pültc-ri, dai Ms. 11711 dt-r Pictpont Murirari Library H1
New York ein Aririphniiar.
'Abb. l. Vgl, Ausstulluiigskatalng Gotik
Krtrris 1967, Abb. 2a.
SCHMIDT, Huchmalt-rei. S. 106.
Cod. Vind. 2722, fol. 202r-Z05v.
in Österreich.
nrmmmamn? mir.
puufuq v0! 025a zu
ürm ttnfmlßn
ägEää
33
von den figuralen Initialen zeigen ganze
en bzw. Szenen mit mehreren FigurenV.
liesen Initialen sind die Budnstaben des
es, an dessen Anfang die Initiale steht, in
ichrift übereinander auf einer sdimalen
rechts angeordnet. Zwei Initialen zeigen
Halbfigurens. Mit ziemlicher Sicherheit
angenommen werden, daß auf den feh-
sieben Blättern vgl. oben ebenfalls
len mit Figuren vorhanden waren.
die Initialen ohne figuralen Sthmudt sind
Verk hervorragender Miniaturisten. Wenn
cht der Albrechtsminiator selbst war, so
es doch jene Maler, die auch in anderen
in Werken des Miniators die Initialen
steuert haben. Die beiden von verschiede-
Händen gesdtriebenen Teile des Missale
in der gleichen Werkstatt mit Initialen
rnüdtt worden, wenn auch nicht von der
.en Hand. Die Ranken des am Beginn
Missale fol. 17r sind glatter als die
en der zahlreichen Initialen im zweiten
deren Blätter alle einen kleinen Knick
n. Fast alle Initialen sind in Gold und
rn angelegt. Meist ist der Körper der
,le farbig weinrot, grün, blau die
te mit gefiederten Blättern gefüllt; die
le steht auf goldenem Grund, das Gold
hmal mit punzierten Mustern verziert. Das
ifeld der Initiale ist auf farbigem Grund
ankenwerk in Gold oder Weiß gefüllt.
re Initialen sind selbst in Gold auf farbi-
gemustertem Grund. Nur einige Initialen
sten Teil sind ohne jede Verwendung von
geblieben. Im zweiten Teil sind einige
Initialen einfarbig auf glattem Gold
aus ungemustertern Gold auf einfarbigem
d.
diese Initialen, die über das ganze Buch
reut sind, haben ihre Seitenstüdte in den
'en Handschriften, die der Albrechts-
LICOI ausgesdnmüdtt hat. Im besonderen
es die Initialen des Turs-Missale, des
an Gebetbuches Friedrichs III., des Gebet-
rs Albredits V. II., der dreibändigen
Vielleicht hat sich die Qualität der
ihrung in den unmittelbar für den Hof
mßä, ßßggnzcusara, haxcmä "kaum
Lmwsäv
alml
m61 "Wägm? 1x7; Qynug
103751 lhön gvzvilxtrßv ßmn" läv
F. mämölfsrfäu 71m1" In Q8333 am"!
13 5m; um
Iihai-ivqwmwwßm mäßig m.
CÄ cf?" 49mm,
Trank von bar
Q1439 amwlncßßvw
WmavGvam xß
maßfnlr
mumq4xs'ßä
an 115311
ißfßää"
ez-bcvflu
W929i 933
rarügl- Fcn
in
Jwaxßcßsä
nach-Missale, Maria oaburr, fol. zozv
nach-Missale, bi. Midiael mit Seelenwaage, fal. zur
rradi-Missale, bi. Petrus. fol. issr
nach-Missale, ii1. Maria Magdalena, m1. 170v
rrad-i-Missale, Genealogisd-i Dlrlttllllngtn, iol. lv
RKUNGEN 149
11a tstrun Geißclung Christi. Abb.
Mr DOMINUS bi. Andreas. Abb. 1.
24 swscsmMus; Maria tiaiirriaß. Abb. 4.
14 neun CELI Maria Vcrkünd äung. Abb. s.
53V Da. vertrat Geburt Johannes rTäufers,
.s.
102V GUXUDEAMUS Maria Geburt. Abb. v.
14V BUENEDICTE rii. Michael. Abb. s.
ss Nunc scio m. Petrus. Abb. s.
79V Deus qui hl. Maria Magdalena. Abb. w.
enorm ADAM rammen von HOHENECK. Die
ab. Herren rtarmi Stände deß Erlz-Herlzugthumb
Zrrßidi ob der riariß oder Genealog- und Histarisdie
reibung VOR derßsllbln Ariirurim Erster Theil.
iu 1727. S. 111-336. Hoheneds beruft sich bei allen
tage kommenden Persönlidikeiten auf die Eintragungen
inem alten bey aariau Gräfin VON Harrach vorhandenen
euer, dessen genealngiscbe Angaben er wortgetreu ab-
J.
VURZBACH, Biographisdies Lexikon des Kaiserthums
irraidi, 7. au, Wien wer. s. 3611-376; auf s. an heißt
in Hahns von Harradi Jesonders bemerkenswert ist er
das tömisdlt Missale, weldics seit ihm bei der Familie
Anden ist, und wbriu die Porträt aller Harradi bis auf
Zeit nebst erläuternden Anmerkungen Sidi befinden."-
MACHER zeigt aus. liingäßtll sehr kritisdn gegenüber
Eintragungen iiri Missale. rri seinem aaiia über aaii Adel
Zrzherzogtums Oesterreid-i ob der Enns Wappenbuü 4.
br., ms sagt er, .dzß die Eintragungen in dem Har-
aiau budi, nada welchem ubiiariaar die ältere Gene-
dieses caaaiiaairaa bearbeitete, vollkommen unverläß-
dnd" s. 99.
bestimmten Handschriften etwas verbessert
aber die Anlage und die Durchführung sind in
allen Fällen gleichartig. Einzelne Buchstaben,
wie etwa das große auf fol. 237v des Missale
und derselbe Buchstabe im Gebetbuch Albrechts
auf fol. 99r, scheinen voneinander kopiert zu
sein.
Das Harrach-Missale gehört mit Sicherheit zu
den Handschriften des Albrechtsminiators bzw.
seines Ateliers. Wenn die Miniaturen vom
Meister selbst gemalt wurden, so gehören sie
einer Zeit an, in der er noch nicht das Niveau
des Gebetbuches Albrechts V. erreidit hat, das
auf 1437 zu datieren ist. Auch der Vergleich der
Miniatur der Geißelung mit der gleichen
Miniatur im Turs-Missale weist auf eine frühere
Zeit hin, so daß das Missale auf den Anfang
der dreißiger Jahre datiert werden kann.
DIE GENEALOGISCHEN
EINTRAGUNGEN
Das Harrad1-Missale als Werk der Wiener
Hofminiatoren zu Beginn der dreißiger Jahre
des 15. Jahrhunderts ist bisher noch nicht
bekannt gewesen. Wohl aber war es den
Genealogen des 18. und 19. Jahrhunderts be-
kannt und wurde von ihnen benützt". Denn
dem Missale waren vor 1480 zwei Blätter
vorgeheftet worden, die einen Auszug aus dem
Stammbaum der Familie Harradi mit Almen-
Porträts" enthalten Abb. 11 u. 12.
Auf zwei einander gegenüberliegenden Seiten
fol. 1v-2r stehen links sechs Einzelporträts
mit biographischen Angaben, rednts ein nur
zur Hälfte ausgeführtes Doppelporträt, das
Porträt einer Frau mit 15 Kindern, ein Kreuzi-
gungsbild mit Maria und Johannes. Der Raum
für ein weiteres Porträt ist freigelassen.
Auf fol. 2r ist unten der Bericht über die
Erwerbung des Buches und über seine Bestim-
mung aufgeschrieben
Hanns Harracher hat das Mespuech kauft zu
ainer stiftung und hat daz gemel madnen
lassn, daz ain yeder briester, der in dem puedi
mess lyst, seins vater, Enn Ahn und
Urenn Urahn gededitnuß in der Mess hab,
Humsf tmrhc
hrmvhmmläßma ßxßß
Im am St?!" ".7
zeig-W als mdH xvvk "MR
v. Mumm-ans warm,
12
Auch umb sein und seiner hausfrawn und
seiner Kinder sel, Auch darumb das sein nach
komcn und freunt dester grosscrew lieb zu den
bestymbten Gotshewsern haben".
Der Käufer des Buches berichtet nichts darüber,
wo und von wem er das Meßbuch gekauft hat.
Die Zeit des Kaufes muß zwischen 1475 und
1480 liegen. Denn der Tod des 1475 verstor-
benen Bcrnhart ist von derselben Hand ein-
getragen wie die Notizen zu den anderen
Bildern. 1480 ist der Käufer des Buches
gestorben, und seine Sterbenotiz ist von spä-
terer Hand nachgetragen.
Die Reihenfolge der Bilder beginnt auf fol. lv
rechts unten mit Przybislaw von Harrach, ge-
storben 1289. Nach Siebmacher ist er urkund-
lich nicht nachweisbarl". Es folgen im Buch
von rechts nach links und dann nach oben
Wohungk und sein Bruder Wuschko sowie ein
Dietrich. Hoheneck und Wurzbach betrachten
diese drei als Söhne des Przybislaw". Im Buch
ist das nicht behauptet; von Dietrich sagt das
Buch bloß, daß er der Vater des Ulrich von
Harrach, nicht aber, daß er ein Bruder des
Wobungk und Wuschko war. Erst mit Ulrich,
dem Sohne eines Dietrich, betreten wir siche-
ren genealogischen Boden. Bernhard, der Sohn
Ulrichs, ist Vater des Leonhard, des Stamm-
vaters der 'heute noch lebenden Familie. Der-
selbe Bernhard ist auch Vater des Hanns, der
aber eine andere Mutter hatte als Leonhard".
Auf dem Porträt des Hanns ist in Feder-
zeichnung noch eine zweite Figur zu sehen,
vielleicht sein in jungen Jahren verstorbener
Sohn Alexander; da er 16 Kinder hatte, auf
dem Porträt seiner Frau aber nur 15 dargestellt
sind, so liegt diese Vermutung nahe". Das
Porträt seines Neffen, den die Türken in
Kärnten erschlagen haben, wurde nicht mehr
ausgeführt. Als letztes Bild ist das Canonblatt
eines Meßbuches kopiert.
Die Österreichisdie Buchmalerei um 1480 hat
keine vergleichbaren Werke aufzuweisen". Der
Maler dieses Porträts ist eher im Kreise jener
Tafelmaler zu suchen, die Epitaphien herstell-
ten. Es ist denkbar, daß die Bilder des Hanns
und seiner Gemahlin Katharina porträ
liche Züge besitzen. Bei den Vorfahren ha
der Maler zwar bemüht, die Gesichtszüg
variieren, sonst aber die für Epitaphienf
gebräudiliche Haltung dargestellt. Die Rü
gen zeigen kaum Unterschiede; der Hinter;
ist jeweils in Farbe und Muster verschi
die frommen Sprüche auf den Schriftbär
gehören dem vertrauten Gebetsschatz an
sonders hervorgehoben erscheint das Pt
des Leonhard, unter dem nochmals das
Wappen der Harrach mit Helmzier darge
ist.
Ein Blick auf die Schrift unter den P01
zeigt, daß die Beschriftung in einem
durchgeführt wurde, bis auf die Beschri
über dem Porträt des Hanns, die wohl erst
seinem Tode nachgetragen wurde.
Man kann heute nid1t mehr sagen, in wt
Form Hanns Harrach nach dem Kauf
Missale diese zwei genealogischen Blätte
Buch befestigte. Erst rund hundert Jahre
wurde der neue Einband hergestellt. Auf
der leeren Blätter, die vielleicht dazu best
waren, weitere Familienporträts aufzuneh
steht in schwachen Bleistiftzügen, abe
kalligraphischer Schrift Leonardus Caroh
Harrach. Ist dieser Leonardus Carolus ider
mit Leonhard lV. 1514-1590 oder
seinem Sohn Leonhard V. 1542-1597?
Bindung des Buches 1583 muß von
dieser beiden veranlaßt worden sein.
Daß in Gebetbücher familiengesdaiditlichc
eignisse eingetragen wurden, kam im 15.
16. Jahrhundert öfters vor. Das Har
Missale zeigt diese Übung in einer monu
talen Weise. Die Eintragungen erfolgte
diesem Falle nicht in ein Privatgebet
sondern in ein Buch, das zum liturgi.
Gebrauch bestimmt war. Damit der besor
Zweck des Buches erfüllt würde, sorgte
Stifter dafür, daß das Budw nicht einer
überlassen, sondern im Familienbesitz zu
behalten wurde. Dadurch wurde es bis
erhalten, ein sehr seltenes Beispiel dafür,
ein Buch nachweislich ein halbes Jahrtat
lang an der Stelle blieb, für die es bestimmt
I2 Harradi-Missale, Genealogisdie Darstellungen, fol.
ANMERKUNGEN 10-14
A. a. O. S. 99.
Hohenetk, s. 113. Wurlbadi, s. sss.
Wurzbadi, S. 369; Sxebmadit-r, S. 101.
"Vielleicht stellt die auxgefuhrt i-agn. den damals 5d
storbencn Sohn dar, während da.- in... des In,
Herstellung dieser Seilen noch lebenden Vaters zunät
Ski77x8rt wurde, um EIS! nadi seinem Tode voilendet
den.
Aus Zelt um 1480 sind nidit viele Werk östx
sdnn Budimalerei erhalten. Es lebten nodz uind.
nnd du dnnrbndidrnidattdw. die mit den Hzrr.
Ahnenbildern Indus zu tun haben.
Johanna Herzogenberg
MARIANISCHE GEOGRAPHIE
AN BÖHMISCHEN
WALLFAHRTSORTEN.
DER WEISSE BERG
RIMAU IN SÜDBÖHMEN
DER HEILIGE BERG
LITERATUR
Gumpenberg s. Wilhelm Atlas Marianus, Ingolstadt 1655,
München 1657, 1672. Deutsche Ausgabe VDI! Aug. Sartorius,
Pra 1717. Wirth, Zdenlk. Klaher pßulni kostel na Bilö
H0 Praha 1921. Soupis immer hisrorickfdi umuetkydi
krälovstvi Öeskäm; okres ramsky, 1901 A. Podlaha -okrs
Cesko-Budljovickf,19D0J.Branis. Podlaha Anton, Posvatnä
misra kralovstvf ceskiho, Praha 1907. Sirkn Rudolf, m.
Gnadenorre der Suderenländer. Kempten 1954. Hoppe Al-
nta, Österreichers Wallfahrtsorre, Wien 1903. Ryne1V.,
Imagines miraculosae, Prag m7, ders., Marianisdu Gnädtrn-
bilder und Kopien, n. Zwiebelrurm, Regensburg 1970.
Sdiartenhofer Midzael, Die Mariensäiule n. Münduen, Mündicn
1970.
Die Gegenreformation knüpfte in Böhmen nach
dem Dreißigjährigen Krieg an vielen Orten an
die einst lebendige Marienverehrung an und
wußte von neuen Wundern der über die schwe-
ren Zeiten der Hussitenkriege und der nach-
folgenden utraquistisdien und protestantischen
Epoche geretteten Bilder und Figuren der
Madonna zu erzählen. Der uralte Kult der
Mutter mit dem Kind blühte ebenso wie jener
der Schmerzhaften Muttergottes wieder auf, und
es entstand eine Fülle von größeren und klei-
neren Wallfahrtsorten, so daß man im 18.
Jahrhundert Böhmen ein marianisches Land
nennen konnte. Die militärisch und politisch
entscheidende Schlacht auf dem Weißen Berg
bei Prag am 8. November 1620, nach der Fried-
rich von der Pfalz, der calvinistisclae Winter-
könig", fluchtartig die Hauptstadt Prag und
das Königreich Böhmen verließ, hatte die
katholische Liga, so wurde gesagt, mit Hilfe
der Gottes-Mutter gewonnen. Das kleine spät-
gotische Christ-Geburt-Bild aus der Deutsch-
Ordens-Kommende Strakonitz, welches der
Karmeliter Dominicus Jesu den Truppen
vorangetragen hatte, bekam den Namen Maria
de Victoria", ebenso wie die ursprünglidi pro-
testantische Kirche, weld1e dieser Orden in der
Kleinen Stadt Prag Kleinseite erhielt. König,
Adel, Bürger, Einzelpersonen, Städte und Klö-
ster wetteiferten in ihrem Dank an die Ma-
donna und in der Erfindung immer neuer
Formen der Verehrung. Die aus den katholi-
schen, vor allem den habsburgischen Ländern
Süd- und Westeuropas einströmenden Frem-
den brachten Nachriditen von den Heiligtümern
in ihrer Heimat. Bestimmte Typen dieser Ma-
donnenbilder fanden besondere Verbreitung
und Förderung ihres Kultes, etwa Maria-Hilf"
nach dem Innsbrudrer bzw. Passauer Bild oder
die Casa Santa von Loreto.
Was aber m. W. nur in Böhmen vorkam, war
die gleichzeitige Anrufung der Muttergottes
anderer z. T. weitentfernter Gnadenstätten an
einem Ort mit eigenem Gnadenbild und be-
sonderen Kultformen. An drei Beispielen mödite
ich diese marianische Geographie beschreiben,
die verschiedenen Sd1emata der Anordnung
darstellen und diese zu interpretieren versuchen.
Die großartigste und umfassendste Anhäufung
von Darstellungen und Anrufungen mariani-
scher Gnadenbilder befindet sich in dem Heilig-
tum, das zur dankbaren Erinnerung an jene
für Böhmen entscheidende Schlacht vom 8.
November 1620 errichtet worden ist, nämlich
am Weißen Berg bei Prag. Die Ortsbezeichnung
hat nichts mit einer übertragenen Bedeutung
zu tun wie bei der Jasna Gora in Tschen-
stodiau sondern Weiß bezeichnet das Gestein
der Bergkuppe, die nach drei Seiten stark ab-
fällt und an der vierten den flachen Zugang
zur Prager Burg bildet, die etwa eine halbe
Wegstunde weiter östlich liegt. Hier hatte man
1622-1624 eine kleine Gedächtniskapelle er-
richtet, 1628 ein Servitenkloster geplant, das
aber wegen des Wassermangels an dieser Stelle
dann doch nicht gebaut wurde. Im übrigen
blieb der Weiße Berg nach wie vor das Auf-
marschgelände für den aus dem Westen heran-
rückenden Feind, so etwa für die Sachsen 1639,
für die Schweden 1648, für die Bayern 1741
und auch für Friedridn von Preußen 1757.
Sdxließlich hat ein bayerisdzer Maurer, Midiael
Hagen aus Tegernsee, 1704 mit dem Bau der
Anlage begonnen, die wir heute als Werk von
Handwerkern und Bürgern bewundern. Weder
den großen Herren aus dem böhmisdien Adel
noch den verschiedenen Ordensgemeinschaften
war es gelungen, ein würdiges Gedächtnis zu
verwirklichen. Ihnen genügte die ursprünglich
von den Protestanten begonnene und nach der
Schlacht am Weißen Berge den Karmelitern
übergebene Kirche Maria de Victoria in der
Kleinen Stadt Prag. Wir können den Bauvor-
gang an den in die Steine eingemeißelten Daten
genau verfolgen Kapelle 1704, Umgang und
Priesterhaus 1708. Die Felicians-Kapelle 1710,
die des heiligen Hilarius 1712. Der schöne
Eingang an der Südseite trägt die Jahreszahl
1713 und über dem Marien-Emblem die stolze
Inschrift Luna invent." Der Maler und Bau-
meister Christian Luna 1729 entwarf auch
den eindrucksvollen Kupferstich, der die ganze
Anlage zeigt. Er hatte sich seit 1705 der Planung
und Ausführung des Baues angenommen.
In den umlaufenden Ambiten sind in die Platzl-
gewölbe jeweils Gnadenbilder gemalt, die von
Engeln getragen werden. Sie schweben im Him-
melsraum der kreisrunden Kuppelbilder, die
am Rande eine umlaufende irdische Szenerie
aufweisen. Zu Füßen des Gnadenbildes wird
der Ort Kirche oder Stadt dargestellt,
in dem es sich befindet. Einzelne Bäume, vom
Bildrand aufwachsend, vermitteln Tiefe. Die
Darstellungen sind wiederholt übermalt, gehen
aber auf sehr qualitätvolle Vorlagen zurück
erinnern wir uns daran In den drei Kuppeln
der Wallfahrtskirche haben keine Geringeren
als Cosmas Damian Asam, Wenzel Lorenz
Reiner und Johann Adam Schöpf gemalt. Die
Umschrift in Tschechisch und Deutsch, letztere
heute weitgehend übermalt, nur im Norden
noch lesbar, heißt immer Zazracny milostnv
obraz Panny Marie v... Das gnadenreidie
Muttergottesbild in Bei den Ortsangaben
wird oft auch das Land genannt, dazu gelegent-
lich auch eine Jahreszahl, wohl die erste damals
überlieferte Erwähnung. Interessant ist, daß
man bei den Übermalungen bekanntgewordene
Veränderungen der jeweiligen Bauwerke be-
rüdtsiditigt. So werden etwa bei der Ansicht
von Regensburg die neuen Domtürme 1859-
1869 aufgeführt dazugemalt. Insgesamt sind 47
Gnadenorte dargestellt. Ein Plan soll ihre Ab-
folge und die Beziehung zu den Darstellungen
aus dem Leben Jesu und Mariä, die an der
Umfassungsmauer des Heiligtums angebracht
sind, veransd1aulid1en.
Da nur am Weißen Berg in der Reihe der
Gnadenbilder auch soldie jenseits der Grenzen
der Länder der SL-Wenzels-Krone Böhmen,
Mähren und Schlesien vorkommen, sei hier
eine knappe statistische Zusammenfassung ge-
geben Von den 47 Madonnen befinden sich
sechs in der Hauptstadt Prag, neun in Böhmen,
vier in Mähren, zwei in Schlesien, adit in
Bayern, vier in Italien, je eine in Österreich,
Polen, Spanien und in der Schweiz. Es ist eine
eindrucksvolle Geographie, und wir werden
nicht fehlgehen, wenn wir annehmen, daß die
Wohltäter und Stifter die Auswahl treffen
durften, so daß es nicht wunder nimmt, wenn
die berühmten bayerischen Wallfahrten von
Ötting Alrötting, Etral, Landshut, Regens-
burg, Passau, Neukirchen, Chiemsee und auch
nst bekannte Sossau bei Straubing er-
in, da an dem Bau bayerische Künstler
wie bereits erwähnt.
was die Zahl der dargestellten maria-
Orte betrifft, nur einen Vergleich, der
iser Thema wichtig ist, der sogenannte
Weg von Prag nach Altbunzlau, eine
"ecke von ca. 25 km. Altbunzlau, die
an der Herzog Wenzel, der erste Heilige
andespatron Böhmens, den Tod durch
hand 929? erlitten hatte, war eine
am doppelte Wallfahrt zu Ehren dieses
en und zur Ehre der Muttergottes, deren
en Ehrentitel Palladium Bohemiae trägt.
zeitig ging man die Straße, auf der der
am des heiligen Wenzel von Altbunzlau
Prag auf den Hradschin übergeführt
war 932? Vierundvierzig Kapellen
an diesem Weg, nur einzelne sind
heute noch erhalten. Sie waren mit Bildern
aus der Wenzels-Legende und aus der seiner
heiligen Großmutter Ludmila geschmüdrt. Ihre
Zahl entsprach der Lauretanischen Litanei, die
damals 44 Anrufungen zählte. Zudem waren
sie einzelnen berühmten Wallfahrtsorten zu-
geordnet und wir wissen auch, wer die jeweili-
gen Stifter waren. Sie sind vor dem Jahr 1678
entstanden. Wir zählen sie, bei der ersten in
Prag beginnend, auf, d. h. den dargestellten
Wallfahrtsort und den Stifter.
Altbunzlau, Bischof Jan I. Dlouhovesky
Eidlitz bei Saaz, Johann Maximilian Graf
Lamberg
Bechin, Johann Norbert Graf Sternberg
Brünn St. Thomas, Franz Graf
Liebsteinsky von Kolowrat
Böhmisch-Budweis, Karl Maximilian Graf
Lazansky
Chlumek bei Luze Maria-Hilf,
Maximiliane Gräfin Zd'arska
Komotau, Franz Graf Rozdrazov
Druschitz, Bernhard Ignaz Graf Martinic
jitschin, Ignaz Graf Sternberg
Glatz, Ernst Graf Waldstein
Haindorf, Karl Graf Waldstein
Horaschdowitz, Franz Eusebius von Pöttir
Kapuziner auf dem Hradschin, Hartwig
Graf Nostitz
Goltschejenikau, Karl Graf Millesimo
15 Gojau, Gottfried von Kapoun, Erzdecha
von Krumau
16 Kladrau, Heinrich Graf Guttenstein
17 Graupen Mariaschein, Christoph Graf
Wratislaw
18 Maria-Kulm, Orden der Kreuzherren vo
Roten Stern
19 Kuttenberg, Bernhard Freiherr von Vezn
Loreto in Prag, Ferdinand Graf Lobkowicz
Loreto in Waldl, Wenzel Graf Lobkowicz
Leitomisdil, Friedrich Graf Trauttmansdorff
Nezamyslic, Franz Graf Kolowrat
Nitzau, Thomas Sartorius, Abt von Brevnov
Obergeorgenthal, Johann Friedrich Graf
Waldstein, Erzbischof von Prag
Neupaka, Joachim Graf Slawata
Pilsen, Wratislaw Graf Sternberg
Veraikon zu St. Veit in Prag, Wenzel Bilek
von Bilenberk
Kreuzkirche, Altstadt von Prag, Wolfgang
Maximilian von Lamingen
St. Jakob, Altstadt von Prag, Franz Graf
Kinsky
St. Niklas, Prag-Kleinseite, Johann Paul
von Walderode
Rokitzan, Jaroslaw Graf Sternberg, Bischof
von Prag
33
34
35
36
37
38
39
40
41
42
43
44
Es
Rimau, Johann Graf Waldstein
Pribram, Heiliger Berg, Wenzel Graf Kinsky
Setsch bei Pilsen, Johann Humprecht Graf
Czernin
Wien sog. Sternberg-Muttergottes, Wenzel
Graf Sternberg
Strakonitz Weißer Berg, Ferdinand Graf
Kolowrat
Strasdiin, Ferdinand Graf Harrach
Schüttenhofen, Eusebius Freiherr von Hierle
Teinitz bei Klartau, Wilhelm Graf Kolowrat
Warta in Schlesien, Anton Graf Berka von
Duba
Wischehrad, Franz Augustin Graf Waldstein
Königsaal, Johann von Talmberg, Bischof
von Königgrätz
Altbunzlau, Georg Astr, Propst von
Altbunzlau
fällt auf, daß mit drei Ausnahmen 36,
41 sich alle Orte in Böhmen befind
auch solche gewählt wurden, die keir
zu den berühmten zählten. Sicherlich ha
Stifter einen gewissen Einfluß, doch is
das Programm nicht ohne den großen P2
und gelehrten Jesuiten Tanner 169
worfen worden. Sehr viele der genannte
denbilder stammen aus der Zeit v0
Dreißigjährigen Krieg.
Eine reiche und eigenartige Anlage ist
südlich von Budweis. Dort treffen verscl
Typen zusammen zunächst wird eines
Böhmen so beliebten Loretohäuser gebau
folgt der berühmte Kreuzweg, dessen 25
len oder Stationen in den Abmessungen
jenen in Jerusalem folgen, an denen
Passion Jesu ereignete. Sdiließlich werc
das Loretohaus Ambiten gebaut und
uerg im rrag, nuai
Btfg bei Prag. Lllldihlll
Berg bei m3. Regensburg Sdiöht Maria
Berg bei Prag, Neiixiiaiei. Heilig m... iii B218!!!
Bcrg bei Prag. SUSSIII III Donau
mit aus dem Küpfeßtidl Jvihf Abbildung dßS Aii-
EHE Gnzdenbilds SIKICII Maria De Victoria
iiiß, Weißer Berg bei Prag gelcidlhtl VDI! Lülli,
ii von Biidmi, 1720
.......;...E..rv..... ä... ..,.. .....,. .2....
Y.
Sl
SITUATIONSPLAN RI MAU"
Pen-us
Barbara
Katharina v. S.
Wenzel
Eingang und gedeckter Gang zum Lorctohaus
Franz. v. B.
Franziskus ser.
Prokop
Adalbert
Veic
Cosmas
Clara M.
Benedikt
Leonhard
S. Paulus Mldd
Wolfgang
WISCHEHRAD
KUTTENBERG
BUDWEIS
ALTBUNZLAU
RIMAU
HL. BERG, PRIBRAM
PRAG, ST. JAKOB
KONIGSAAL
PILSEN
PRAG, HRADSCHIN
PRAG, ST. NIKLAS
MARIA-STEIN
GOJAU
DAUDLEB
M. GRAUPEN
MARIASCHEIN
MARIAWKULM
Paulus
Katharina
Dorninikus
Luclmila
Franz Xaver
Antonius v. P.
Ivan
johann von Nepomuk
Sigismund
Damian
Elisabeth V.
Bernhard
lsidor
SS Johannes de Gotho
Jakobus Okisai
Florian
Theresia
Johann Ev.
Ursula
B. Podivinus et Paulus
sacerdos
S. Bohuslav Martyr
Sranislaus Kostka
Sebastian
Antonius Magnus
Laurentius
trrrmc m21 PRAG
KOMOTAU
STRAKONITZ
JITSCHIN
GLATZ
COSSEMBERG B. CHRUDIN
PAKENSIS? SARENSIS
HAINDORF
KLEINICENSIS NITZAU
Cajetan
Johann Bapt.
Apollonia
Donatus
Ven. Ernestus
Arciep. Fragen.
Aloisius v. G.
Rochus
Paulus Er.
Stephan
Hyacimhus
B. Hroznata
B. Andreas Bobola
Agncs
Cyrill
Pribislava
Sranislaus
BRÜNN, ST. THOMAS
KIRITEIN
WRANAU
BRUNN, JESUITEN
TURAZ
ALTWASSER
PEKARENSIS n. KRAKAU
Augusrinus
Norbert
Franz de Paula
Ignatius v. L.
Mcthod
Hedwig
Casimir
igentümer von Rimau war dieser Jesui-
'ent. Hier finden wir nun eine Reihe
lich bekannter Stifter vieler in ein gro-
nographisdies Programm eingebundener
scher Gnadenbilder. Diese sind den
jgen des Umganges aufgemalt, während
Wölbe marianische Symbole in recht
nlich-renaissancehaft wirkenden Formen
rufungen aus der Lauretanischen Litanei
itigen Farben schmücken. Die Wände
leer; Bänke, Beichtstühle, einige Bilder
guren, auch aus jüngerer Zeit, stehen
ungeordnet umher. je zwei Heilige, die
aphisch in Beziehung gesetzt sind, flan-
ias betreffende Gnadenbild, das in rei-
mdschaft oder vor der Silhouette der
rnden Stadt, des Klosters etc. dargestellt
Schriftband erklärt Diva Bolesla-
oder Diva Heindorfensis" usw.
au sind nur Wallfahrtsorte der Böhmi-
Lronländer dargestellt, kein einziger aus
ich oder Bayern, was bei der Nähe zur
und den vielen Wallfahrtsgruppen, die
swärts kamen, möglich gewesen wäre.
ri vielleicht vermerkt, daß an keinem
bis in unsere Zeit und auch neuerdings
die Zugehörigkeit zu einer anderen
iprache eine Rolle spielte. Man fand
eine friedliche Lösung es wurde
sch und deutsch gebetet, gesungen und
gt. An den großen Wallfahrtsorten un-
ihrhunderts, etwa in Lourdes, wird die-
Jblem täglich in noch viel größerem
auch gemeistert.
32 in Rimau in den Ambiten gemalten
lschen Orten befinden sich zwei in Schle-
nf in Mähren, die übrigen 25 in Böhmen,
vier in Prag also eine wesentlich
Zusammenstellung als auf dem Weißen
Einige sind durch den Stifter datiert. S0
1698 die Studenten des Jesuitenkollegs
mau das Bild der Altöttinger Mutter-
aus der nachgebauten Kapelle bei Prag
an lassen. In demselben Jahr lassen R0-
törzlin, Schafferin zu Rzimau" die
gottes von Haindorf und ihr Mann
in die von Neupaka malen. Lateinische,
und tschechische Widmungen wechseln,
le sind noch leserlich.
ist eine Änlage, die vor allem durch
Kreuzweg berühmt wurde, über den
rinmal berichtet werden soll.
3h 3h
itte Ort, an dem wir einer solchen Reihe
arienbildern begegnen, ist der weitbe-
Heilige Berg bei Pribram. Die groß-
Anlage entstand auf einem Berg über
berbergbaustadt, auf dem schon im 14.
ndert die Madonna verehrt worden war,
zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts.
die einst neben der tschechischen vor-
deutsche Beschreibung wurde in Fran-
überrnalt. Die Marienbilddarstellun-
finden sich, fast unauffällig, innerhalb
ißen Statuenprogramms der den Sockel
znden Balustrade, auf dem die Gnaden-
steht. Hier sind zwischen die großen
infiguren jeweils kleine Putten gestellt,
ilde halten. Auf diesen sind Reliefs der
gnadenbilder und jeweils eine lateinische
ftung B. V. Krupnensis etc. Nicht alle
md deutlich zu lesen. Die Bildhauerarbeit
keiner bedeutenden Qualität, ein Sohn
hen Stadt Pribrarn, Matthias Hueber,
Figuren 1699-1701 geschaffen, doch
ift die getreue Darstellung des jeweiligen
nenbildes.
an drei genannten Wallfahrtsorten müs-
iaue Vorlagen benutzt worden sein, auf
noch zurückkommen. Zunächst interes-
welche Marienwallfahrten so bekannt,
ab und so bedeutend waren, daß sie an
rei Orten vorkommen. Die Zusammen-
ist so verschieden, die Auswahl so
laß wir nur den folgenden dreimal be-
Mariaschein bei Graupen in der Nähe
rplitz bis 1945 ein sehr beliebter Wall-
rt und Sitz eines Jesuitengymnasiums,
zlau mit dem Palladium Bohemiae, das
"Ibild von Pilsen und die Gnadenbilder
.g bei St. Niklas, St. Jakob und am
hrad.
sechs kommen auch in dem berühmten
Marianus des Jesuiten G. Gumpenberg
zr seit 1655 in vielen Auflagen erschien
an zunächst 75 Orten auf ein Verzeichnis
O0 anschwoll, in dem auch die fernsten
im Pazifik Aufnahme fanden, wenn
ie Muttergottes verehrt wurde, ebenso
Orte, von denen Wunder berichtet wurden, die
auf ihre Fürbitte hin geschahen. In der ersten
Ausgabe werden für Böhmen die Diva Warten-
sis Schlesien und die Diva Culmensis be-
schrieben und abgebildet. Später zählen wir
unter dem Stichwort Bohemia 26, davon elf in
Prag Ausgabe 1672. Sicherlich hat dieses
Werk, das große Verbreitung fand, ins Deut-
sche übersetzt wurde, in illustrierten und nicht-
illustrierten Ausgaben erschien, anregend auf
die Auswahl gewirkt. Wir möchten aber an-
nehmen, daß geraoe bei den böhmischen,
mährischen und schlesischen Marienorten auch
die eigene Erfahrung, die persönliche Kenntnis,
eine Rolle spielte, was ja nicht ausschließt, daß
oer Künstler Vorlagen aus diesem Atlas oder
einer der großen Stichfolgen von Wallfahrts-
bildern, Gebetbuchzetteln etc. verwendete, wie
sie vor allem in Augsburg und Prag in großer
Zahl, und zwar oft für die entferntesten Orte,
verlegt wurden. Jedenfalls stimmen die Ab-
bildungen nicht nur mit dem Original, sondern
auch untereinander genau überein und unter-
scheiden sich nur durch das Beiwerk an Archi-
tektur, Heiligen, Patronen etc. Auch für die
Wahl der Ortsansichten sind die Stichvorlagen
maßgeblich gewesen, wobei wir beim Weißen
Berg auf die Übermalungen hinwiesen, die
anläßlich eines Umbaues des dargestellten Gna-
denortes Beispiel Regensburg; Ettal ist in
seiner gotischen Form dargestellt jeweils statt-
fanden. Den Atlas Marianus schmückt in allen
Ausgaben, auch in den sonst nichtillustrierten,
ein Titelkupfer von Melchior Haffner aus
Augsburg, auf dem über der Erdkugel mit
einer Skizzierung Europas Engel das Loreto-
haus tragen, das legendäre Wohnhaus Mariae,
das Engel aus Nazareth 1295 nach Loreto in
Mittelitalien gebracht haben, wohin heute
noch fast eine Million Wallfahrer jährlich zie-
hen. Auf dem Haus thront Maria, das Jesus-
kind im Arm. Darüber sind die Sphären mit
Sonne und Mond angedeutet. In ihnen spie-
gelt sich das Dach des Loretohauses, dessen
beide Schrägen mit großen Bildern bedeckt
sind. Ebenso verhält es sich mit dem Boden,
den man in Untersicht sehen kann. Es handelt
sich, wenn auch nur angedeutet, um jeweils
sechs verschiedene Darstellungen der Madonna.
In der ganzen Breite des Hauses gehen dichte
Strahlen auf die Erde nieder, die ganz Europa
umfassen. In diesem Glanz, dieser Vielfalt,
diesem Strom Gnade reflektiert das
Loretohaus die einzelnen Orte; so wird die
große, dichte Zahl der Gnadenorte zu einem
engmaschigen Netz, zu einem Schutzmantel,
den Maria ausbreitet.
von
Das Aufzählen, das Anrufen meint nicht nur
eine Addition, sondern den Versuch, die Gleich-
zeitigkeit, ja die Allgegenwart der wunder-
vollen Hilfe darzustellen. So kann der Wall-
fahrer am Gnadenort auch gleichzeitig der
Gnaden inne werden, die an einem anderen
Ort geschenkt werden er kann in dem Ge-
viert, das das Gnadenbild umgibt, von Bogen
zu Bogen schreitend, Maria anrufen, als wäre
er auch in Brünn, in Tschenstochau, in Mont-
serrat, in Altötting oder in Mariazell. Diese
überirdische Addition, dieses im Geiste auch
noch anderweitig sein, wobei man wohl auch in
der Predigt belehrt wurde, was es mit den hier
aufgemalten Orten für eine Bewandtnis hat,
welche besonderen Nöte und Anliegen da oder
dort vorgetragen werden können, diese Mög-
lichkeit, an einem Ort auch noch so viele andere
erreichen zu können, ist etwas Begliickendes,
Berauschendes. Der Wallfahrer hat nach langem
Weg und unter großer Mühsal nicht ein einzi-
17'
SITUATIONSPLAN HEILIGER BERG" BEI PRIBRAM
Jesuit Ecke NO
König
Römer
Adalbert?
Bischof
Wenzel
Ludmila
Johannes d. T. Ecke NW
PILSEN
SCHUTTENHOFEN
WISCHEHRAD
Johannes Ev. Ecke SW
Veic
Johannes von Nepomuk
Cyrill
Method
Norbert
Iwan
esuit mit Kreuz Ecke SO
KUTTENBERG
JITSCHIN
GRAUPEN
MARIA SCHEIN
BUDWEIS
KUNIGSAAL
DRUSCI-IITZ
MARIA-KULM
GLATZ
PRAG, ST. NIKLAS
WE
Johannes d. T. Ecke NW
Josef
Maria
Engel
Joachim
Johannes Ev. Ecke SW
ALTBUNZLAU
Jesuit mir Kreuz Ecke SO
Franz von Borgia
Jesuit
Jesuit
Jesuit
Jesuit Ecke NO
NITZAU
LEITOMISCHL
BECHIN
PRAG, ST. JAKOB
KLATTAU
.. zyur ..
INA-Ißivmrrz?"
Helllger Berg bbi Pfibram, Alilßlllllläll
Heiliger Berg bei Piilsram, Prag, St. nkbb
Heiliger Berg bei Piibram, Künigsaal
Heiliger Berg bei Pfibräm, Sdlüttenhüfeh
llriligrr BCIg bei Phbllm, BLILlWCiS
Heiliger Berg bei Pfibrarn, Glanz
Heiliger Berg bei Piibriirri, GriUptn-Mirii sbliriri
Heiliger Berg bei Piibram, Jilsdlin
Heiliger Berg bri Piibram, Maria-Kulm
Heiliger Berg bei Piibram. Ktllltnbllfg
Heiliger Berg bei Piibram, Bcdiin
wußtseln gekommen sein. Wenn auch im
Scherz, aber dodi nicht ohne Erfahrung dieser
Einstellung des einfachen Wallfahrers, wird
erzählt, daß eine alte Bäuerin ausrief Heilige
Mutter Gottes von Altötting, vom Heiligen
Berg, von Altbunzlau und von Gojau, bitte
beim heiligen Leonhard für mein Viehl"
Bei dem Versuch einer Deutung der Programme
habe ich u. a. das sehr interessante Register des
Atlas Marianus zu Rate gezogen. Es ist hier
merkwürdig, welche Aspekte im 17. Jahrhun-
dert bei der Beschreibung eines Wallfahrts-
ortes bzw. seines Gnadenbildes eine Rolle
spielten. Das Register hat u. a. folgende Stiche
worte Fundorte Erde, Bäume, andere Kirchen
etc.; Finder in der überwiegenden Mehrzahl
sind es Hirten; Form der Krone oder des
Zepters; Waffen, mit denen die jeweiligen
Feinde besiegt werden; Rolle der Engel; erste
Verehrer; besondere Eigenschaften; Ordens?
gemeinschaften, die den betreffenden Ort be-
treuen allen voran haben die Franziskaner
sich um die Verbreitung der Marienverehrung
verdient gemacht, es folgen die Augustiner-
Chorherren, Augustiner-Eremiten, die Benedik-
tiner, die Karmeliter, die Dominikaner, die
Jesuiten, dagegen fallen andere Ordensgemeinr
schaften kaum ins Gewicht, so etwa die
Prämonstratenser oder die Zisterzienser. Die
Männerorden sind stärker vertreten als die
Frauenorden. Ein Niederschlag dieser Stich-
worte findet sich sogar noda in Alfred Hoppes
Des Österreichers Wallfahrtsorte"; die Stich-
worte heißen Darstellung Sitzende mit Kind,
Stehende mit Kind, Schmerzhafte Mutter,
Maria-Hilf etc. Material Ursprung
Auffindung merkwürdige Eigenschaften
besondere Beinamen etc. Ein Versuch, danach
unsere Schemata zu ordnen, ergab keine Hilfe.
ANMERKUNGEN 14
man erwähnt m9 in seinem immi beim
in Pra ,.Di Kunst am um Rudolfs u.- die
in ic, 1740 ausgebrannt. in .. alle si
Königreidus Böhmßn auf den Empuren iufgem
und da. Sakristeiriire von Hodkovic. im der vier
baiiniiiein Gnadenbilder gemill sind.
'Auf dem Gedenkblazz Enthüllung renov
rlenliulc in Mündun, 1x55. sind es Seizchn
genannten und Plzissrnberg suwie Maria-Eidi.
unrlll Göhling iibcreinsrimmßn. kaum idl z. Z1.
an.
einigen Ausnahmen an den drei ge-
Wallfahrtsorten und auch auf dem
Weg nach Altbunzlau fast ausschließ-
irianische Orte aus den böhmischen
angeführt werden, scheint mir einer
Yeggründe, diese Länder als eine terra
ausweisen zu wollen. Lang genug
diesen Gebieten als einem Ketzer-
Europa. gesprochen worden, audi das
ifen an vorhussitisdne Marienverehrung
amit zusammen. Der Wallfahrer mußte
Reigen böhmischer, mährischer und
1er wundertätiger Madonnen den Ein-
ewinnen, daß Maria, die Gottesmutter,
inder besonders liebe. Dem Landeskind
zu einem dankbaren Selbstbewußtsein,
zmden führte es den Reidntum über-
vor. Daß nahe der Hauptstadt Prag,
am Weißen Berg, der Radius weitergezogen
wurde, liegt zunächst an den Stiftern und
Mitarbeitern am Bau, aber auch daran, daß
nach Prag aus aller Welt Kunde von Wundern
und Heilungen kam, die in Zusammenhang
mit Madonnenbildern gebracht wurden und in
der Landeshauptstadt der Kult fremder Gna-
denbilder durch die vielen zugezogenen Aus-
länder vielfältigste Ausformungen fand; zudem
findet sich auf dem Weißen Berg auch die
jüngste Reihung dieser marianischcn Geogra-
phie in Böhmen. Jedenfalls habe ich eine solche
Häufung von Bildern nur hier an diesen drei
Orten gefundenl.
Es gibt auch an anderen Stellen gelegentlich
Hinweise auf andere Marienwallfahrten im
Bürgersaal in München 14 Bilder bayerischer
Wallfahrtsorte von Joachim Beich 1748,
und zwar Taxa, Allersdorf, Anded-is, Altenbu
Tuntenhausen, Aufkirchen, Altötting, Rame
dorf, Bogenberg, Thalkirdien, Sossau, Höglir
in Zwiefalten im Dedtenfresko des Langhause
die Darstellung der Gnadenbilder von Gen
zano bei Rom, Fourviere bei Lyon, Einsiedc
und Altötting, 1751 von Franz-Josef Spieg
gemalt, aber nirgends so streng angeordne
übersichtliche, zu der übrigen Ikonographie
Beziehung gebrachte Reihen.
Im Rahmen dieses Aufsatzes konnte. nur ei
erste Aufzählung und Skizzierung der An
gen gegeben werden. Widutig wäre nun
erfahren, ob es auch anderwärts soldie Pi
gramme gibt und wo vielleicht eine Begrü
dung der Auswahl erhalten blieb, die uns
die drei Programme am Weißen Berg, in Rim
und Piibram fehlt.
16 raff bcgßitül?"
aßyeifzröizfqüfmaißaß lvrj Mrgzfqqncfßaf.
Öü Ölirpßfjnfz. xirglyrf m2 Üciß M3
graßmamnä 94911 ryrüarßä
41x,"
nnaarnß.l,.z,.y.l..,...,
36a. waftrßaßlwcsofflißxf
23m1
Richard Stciskal-Paur
ISERLOHNER DOSEN
Aus der Vielzahl der Aufsätze in verstreuten
Zeitschriften und Büchern der letzten 80 Jahre
können wir entnehmen, welch großes Interesse
für die Dosen herrschte, deren Meister, Her-
stellung, Form und Prägungen Gegenstand der
vorliegenden Untersuchung sein soll.
Die Bergstadt Iserlohn Abb. in Westfalen
war schon im 15. Jahrhundert ein Fabriksort.
Der Galmeibergbau, dort schon früher nicht
unbedeutend, nahm 1751 einen besonderen
Aufschwung und bewirkte das Entstehen einer
Messingindustrie. Friedrich II. von Preußen
hatte schon mit Reskript vom 16. November
1740 die Einfuhr aller französischen Gold-
galanteriewaren verboten und förderte statt
dessen die Gründung heimischer Industrien. In
den Vereinigten Niederlanden wurde bereits
gegen Ende des 16. Jahrhunderts der Tabak
und dessen Genuß eingeführt, und es ist zweifel-
los, daß dieser und die zu seiner Aufbewahrung
dienenden Dosen zunächst von dort in deutsdie
Länder gelangten. Diese waren vorwiegend aus
Messing und Kupfer, Werkstoffen, deren Ma-
terialeigenschaften eine ähnliche Bearbeitung
wie Gold und Silber zulassen. Sie wurden mehr
oder weniger künstlerisch oder primitiv mit An-
sichten, aktuellen Ereignissen, biblischen, reli-
giösen oder humoristischen Szenen aus dem
Alltagsleben figural und ornamental graviert,
22
mit bezugnehmenden Sprüchen und Hinweisen
versehen, jedoch nie signiert.
Um deren Import zu vermeiden, wurden nun
auch in Iserlohn Einzelstücke handwerklich her-
gestellt und vermutlich auch dort graviert. Dies
bezeugen nicht bloß die deutschen Inschriften,
sondern auch der gegen die holländischen völlig
verschiedene Charakter der Gravur Abb. und
aber besonders die mitunter am Rande der
Wandung angebrachte kleine Punze eines preu-
ßischen Adlers, die an gleidier Stelle manchmal
auch auf den später geprägten Dosen vorkommt.
Die in Holland neben der ovalen entwickelte
längliche Form wurde übernommen und war
Vorbild für den Iserlohner Typus für etwa
20 Jahre. Dieser ist länglich rechteckig mit
abgerundeten Edten. Dedtel und Böden sind
meistens rundum leicht gekehlt und meist aus
Messingbledi gestanzt, das härter und dauer-
hafter als Kupferblech ist, das man aber, wohl
zur Erhöhung der farbigen Wirkung, zur Wan-
dung nahm. Doch kommen auch Dosen mit
kupfernem Deckel und Boden und der Wan-
dung aus Messing vor oder auch zur Gänze aus
dem einen oder anderen Material. Schuhmacher
s. Lit. 18 kannte auch zwei geprägte Iserlohner
Dosen aus Silber, die eine im Museum in
Weißenfels DDR, die andere in einer Berliner
Privatsammlung.
Die Iserlohner Dosen sind im Durchsdinitt I3
bis 16 cm lang, cm hoch und cm tief.
Für die Wandung wurde ein glatter Blech-
streifen verwendet, welcher in die entspre-
chende Form gebogen an einer Schmalseite
zusammengelötet wurde. Der Boden ist mit
einem schmalen Rand an die Wandung ange-
lötet, während der Deckel, in gleicher Weise
wie der Boden mit einem übergreifenden Rand
versehen, in einem mehrteiligen, 10 bis 12 crn
langen Scharnier sich bewegt und, fest zu-
gedrückt, auf der Wandung haftet. Dieses ist
keine separate Zutat, welche andere Dosen
verteuerte, sondern entstand durd1 Rollung
einer entsprechenden Anzahl eingeschnittener
Streifen des Deckelrandes und der Wandung
und deren Verbindung mittels eines durch-
gesteckten dünnen Metallstiftes.
Wie schon früher bei den Medaillenprägungen
und auch sd-ion auf französisdien Dosen unter
Ludwig XV. wurde nun auch in Iserlohn eine
verbilligte Massenerzeugung und Vervielfälti-
gung durch Prägungk jedoch im Walzverfah-
ren angewendet. Für die bisher gravierten
Darstellungen der Deckel und Böden wurden
nun nach künstlerisdnen Vorlagen Negativstem-
pel aus Stahlmatrizen angefertigt.
Als Vorlagen dienten neben Vorzeichnungen
zeitgenössische Ansichts- und Geschichtswerke.
du du Sud Iserluhu, am" 1749. Sna- von 1. H.
s. Mai ms-n. Juli 1m lscrlohn aus Johann
"im von Steinen, Wesrphilisdae Geschidaxe, Lemgo
-17eo.
KM
ÄQQQNKYÄ
lszrlnhner Dose. Am 1mm gravxcrtc Darstellung emcs
Numndw rrinkenden Kavulxcrs. Am Boden auf das
Raurhcn uam Spruch. du wunaung vorne pmk
ßmm Adlcrpunzc.
lscrlnluncr Dose. A". man grnvlerle Üarsxellung zwcmr
pfmfrnrxudurnder Kavalierc m1! Damen. Am Boden auf
das Raudmn bezdglid-wr Spruch.
lscrlnhnu Doxe. Am Uedwl gepxigxe Uarslcllung des
hiarschalls Dann zu Pferd von Giese 2.
Iscrlohncr Dose. Am am" Da! ellung k. k.
Feldmarschalls Freiherr von Laudon zu Pma Boden.
lscrlohncr Dose. Am 1mm geprägte Daruellung mm
515a 0211 PREUS ßu TORGAU" am. e. s. m.
vember 176D.
iunwvixosh;
xumxxmyr.
s.......n.. .....1 da..." zum..." Sprud! es... 1..
Iserlohner u... .1... .... Dedtel geprägter 0.....11....g 4..
Sud x-uwnsunc .....x 4..... .............. Besdmreihung
0.... 9.
1......." n... ..... am Dcxirl gapragter Darstellung des
STADTHUYS VAN AMSTERDAM 0.... 9..
w. Signatur itlf 4.. Ansidn des Amsterdamer R..1....... m...
e. lOHAN HENRICH GIESE FECIT SCULPSIT.
Iserlohner 0.... mit .... um... geprägler n.....u....g man
snas nur LIEGNITZ UND PARCHWITZ 15, August
1760 ex...
12 1...1..r.....-. n... mk am man grprägur jagddzrszellung
Harner s.
Mgql-uifäffufagl
ANMERKUNGEN 2-5
'Budluaben nna Zahlen beziehen sidl auf du folgende Mei-
slerverzeidlnis Seit 29.
'Die Annahme s. o. Winkels, von Pfingsten, Sdluhmadler n.
um; s. Lit. z. 17, lll und 2a; übernommen. es wären im
am. Dose mehrere Stempel verwendet werden, am unrichtig.
Die Prägung am" Darstellung war mit einem blutigen Präge-
Stempel hergeswlll. Die Verwendung mehrerer Prägestödu
nebeneinander wäre zu nmmandlam und audz zu teuer ge-
Vasen.
-na. Angzb an Thieme-Bedxers sllerlexikon. Band xv.
Seite w. HAMER sei ein holländisäler Dcsensümied g.-
Wesen, ist und. nnn ridltiglusxellen. Die Zusdureibung stürzt
Sldl drei Dosen der Versteigerung der Sammlung Georg
Hirth bei Helbing in Mündxen 1898, ll. Teil. Nr. 1061-63.
unldn. lnnlllinAäeßlnmm Tnwr L4".- AmAn all" um"... "H." Nut
aus Merians Topographie zurückzuführen. Für
einige Medaillons dienten Münzbilder als Vor-
lage, ein Abbild des Herzogs Ferdinand von
Braunsdiweig ist nach einen Stich von
J. E. Nilson 1721-1788 gemacht und die
Kriegsembleme, wie wehende Fahnen, Kugel-
pyramiden, Kanonenrohre und Genien ent-
starnrnten wohl den Karten und Schlachtenplä-
nen der Planzeichner. Der Stempelschneider
übertrug nun die bildliche Darstellung der Vor-
lage mittels Pausen auf den Prägestocks, in
den er diese dann mit Hilfe von Stichel, Meißel
und Punzen hineinarbeitete. Diese Prägestöcke
wurden dann im Walzverfahren in das vorher
zugeschnittene und geglühte Messing- oder Kup-
ferblech hineingepreßt, nötigenfalls nachge-
hämmert und die Ränder umgebogen. Der
Zuschnitt konnte auch nachträglich erfolgt sein.
Bei der verhältnismäßigen Stärke des Materials
niitzten sich die Prägestempel rasch ab und
mußten nachgestochen, erneuert oder durch
andere ersetzt werden. Wurde die Arbeit nicht
sorgfältig ausgeführt, so war ein wiederholtes
Ansetzen des Prägcstocks nötig, und dies ergab
manchmal eine Doppelprägung der Darstellung
und der Beschriftung durch den verschobenen
Stempel. Diese Stücke mußten dann ausgeschie-
den oder neu geglüht und geprägt werden.
War ein Stempel stark abgenützt oder ge-
sprungen, so wurde an seiner statt ein anderer
verwendet. Hiedurch, vielleicht aber auch auf
Wunsch der Besteller, gibt es Dosen sie
waren sicher auf Vorrat geprägt mit auf
dem Deckel und Boden unzusammenhängenden
Motiven, ja auch von zwei verschiedenen Mei-
stern Giese Becker. In der Regel sind je-
doch die Darstellungen auf Deckel und Boden
thematisch korrespondierend und von dem
gleichen Künstler.
Manche Themen wiederholen sich bei mehreren
Künstlern, wie FRIDERICUS REX
H6 und K1 und lO, das Erdbeben von
LISSABON ja das scheinbar belieb-
teste, die Glorifikation des Handels und der
Macht bei allen vier Künstlern
3. Es mag sein, daß diese auf ein und die-
selbe Vorlage zurückzuführen sind oder aber
auch, daß ein Künstler den andern kopierte, es
gab ja damals noda kein Urheberrecht. Die
Dosen wurden auch für den Export nach Eng-
land, doch hauptsächlich nach Holland her-
gestellt. Die Bekleidung, Szenen und Beschrif-
tung sind dann holländisch und verleiten zu der
Annahme, daß die Dosen in Holland entstan-
den seienä Tatsächlidi sind uns bloß eine
IOHANNES VAN KAMPEN" signierte ge-
prägte Dose mit beiderseitigem Hymnus auf
die Liebe und den Wein und eine andere lzCz
MARME SCULPS""" mit ähnlicher Darstel-
lung wie bekannt und als holländisch
anzunehmen. Geprägte Dosen wurden außer-
lxcrluhner Das m1! am Dudwl gcpragtur Darslcllung
mnß 1., du lcrrvidxischcn Lwppelmxilcrs, du Kunscrm
mm Thcresm und Mr mm Kmder mm" e.
lserlohncr Das m11 am Baden geprägter Darstellung uy
sabonw vor und um den Fldbcbcn u. November rssv
Hamer S.
lscrlnhncr Düse m1! D-dwl pltr larstcllung
nwmuz FRIEDT. zw 3mm. RUSbLAND PREUSSEN
16
UNI SCHWEDEN kHnmcr 5. u. l. Mm 1761.
15mm Dose mit am Dcdul gcpragmr Uanlellung
cvnsmxu ANGLIAE. rnnmucus 11x
ßouu 0mm und .1; im." budcr SKJJHWAppCII
mcr H.
Inrlulnur D052 mit am man geprllgwr Darstellung
l-RIDIÄRICUS MAGNUS BDRUSSORUM RLX Kuppel-
mnn I.
1.1.1.... 1.1.1.1... von 1-......-.......,......... 1.. 1.
K. 1.1.1.... s.
zo 1...T.1..... n... 11.1. .11. n.11..1 1.1.1.1... n.1...11
KALENDARIVM PERPETVVM x.p,..1.1.... s.
21 1..11.1....1 n... 11.1. .11. 120a... gaprägtcr n.....1
DIE EDLE IÄGERREI Keppelmin s.
22 1..11..1....1 n... .111. .11. 111a... 1......." n.1...11...
PLETE VICTORIE BY TORGAU 1. Novum!
x...,..1...... 11, 1... 14.4.11... 11111.. MARSCHA!
1.5.1115 FRIEDERICUS BORUSSORUM REX,
.1
11.11.1111.. n... 1.... .11. 11.11.1. 31...... n.
E111E1E von FOCXIANI DEN 2c. AUG. 17
.1
24 11.11.11... n... ...1. .11. 11.4.1. geprägter n.
E1...' 1., 11.. a...11.1.1.1.d.... n..p...1..11.1. 1.1.1
...11. 1111.11. 11.1.... 1.. d... 14.4.1110... E.d...
1s 11.11.11... n... 11.1. .11. n.a..1 geprägtzr 0.111.111
1-111..1.1.ga 11.... z.
21. 11.11.11... n... 11.1. .11. 13.11.1 3.1.2.... n.
PISCATOR PEmus 4.11... mo 3.11... s.
27 11.110111... n... 11.1. .11. 13.11.1 1.1.1.5... n.
PISCATOR PETRUS v.11.1... 1m 11....
1a 1..11..1.1... n... 1.... .... n..11.1 1..... 1.1 11.13.11.
1...1...a....d.1 K....11.1. 11. 11.11.. 11.1.1... 1.1.."
v1.1... 11m... .111 .1... 1.1.1. E..1... s.
29 1s1.a....1.....11..... 1.. E11..11.1.1.1 n... PRINT
DINANDS SIEG BEI MINDEN 1. August 1759
29. 51.11.1... 111. 13.11.1 1.1 E11...1.1a.. Dose.
ANMERKUNGEN 6-11
Deß Friedrich relber, rnir dessen Person iind "reren ei
Teil der Iserlol-mer Dosen eidi befaßl. eeldie selhsi
brendi haue eder versdwnku, iee nich erwiesen nr
unwahrscheinlich. De er selbst nidir reirdiee, sond
edinnbiee, dürfte er kenne nendrrebekrdeeen verrdi
ben. Bekannt war sein beißender wire. nnd deß er
einledie Dosen veredeenkee, gnvicn mit den wereen
lll menle 1e prix' Die Frenndedieir ernabe den
eel benützt nrid verschenkte helunnxlidu en Fr
rriinkdeeen, Golddnsen mit Emzilmnlcrei oder ge
seeindeeen, meist zu seinen Lieblingsszeinen cbryeer
Jeepie, rnir nriuenren reidi besetzt.
'i.ene freundlicher Mirreiinng von sredrerdiiver xei
senlhal vom Ardaiv der Sud Iserlohn vom I6.
1969, dern ich bier neeinen besten Denk nneepredie.
Roden johann Reneberr, needireibirng der Febriken
du Ruhr, 1754.
Die auf den Dosen geprägtzn jahreszahlßn geben
das Denirn der Anfertigung, eendern dee Ereignisses
diirree die Hereeenring beld nedi diesen enreeenden
vor die Darstellung en nkeneiieiie verlor.
Professor Dr. Kirmis s. Lir. kennre 1898 ohne
Miibe innerbelb dreier Mnnere nddi 117 versduiedi
erennngen eeeieren, ieider ohne eie iine zu iiberiieri
gnrerneirene Deee keereee damals erwe drei Merk.
So wird einniei Horzz PARTUMUNT MONTES
TUR RIDICULUS MUS bei 01x, oder virgii
mcews INGETIOR ARMIS ENeis XI. Vers
ie, der Evangelist LUCas v. bei sedeer und
nder auch ein Ausspruth der "nierniereklee EX
SALUS PATRIAE bei Giese 11 wiedergegeben.
In der Derreeunng des Friedens von HUBERTuSB
xeieerin Merie Theresia, nnegeben von allcgorisdaen
en zwei ihr zur seire rreiiende riirrren, deren einer
los der Prenßenkisnig ier, Friedenspalrncn ene. Ned
nnd srdeerr Liz. eber ende eigener Erfzhrung,
ßiidniree von rrene 1. nnd Merie Thcrßsi sowie ibi
mbrer Denn nnd Lenden verhältnismäßig sehen ii
nidir in großer Anzahl verbreieee geweren. wer hän
Preußen nir die Gegner Friedridie besonderes lntere
ebnen, nnd uererreide als Exponland leg ferner als
ei igtcn Niederiende eder creßbrirnnnien.
71 im' 9.x
Waren zu den Messen nach Frankfurt
und an der Oder, nach Leipzig und
iweig. Am 2. April 1755 bekam die
und Dosenfabrique" vom König Fried-
von Preußen 1712-1786" ein Kessel-
und alleiniges Herstellungsrecht der
iir sechs Jahre, wonach es nicht erneuert
i. Lit. 20.
licherweise sind die Dosen selbst die
Zeugen über die in Iserlohn bestandene
e. Alle Nachforschungen in älterer Lite-
Lexikas und Kirchenregistern nach
iensdaten der Künstler unserer Dosen
en Herkunft sind bisher ziemlich erfolg-
ieben. Doch trotz vieler holländischer
und Beschriftungen kann als sicher
imen Werden, daß ihre Hersteller Deut-
'en.
serlohner Dosen fast regelmäßig signiert
inogrammiert sind, sind uns vier Meister
die die Vorzeichnungen oder Präge-
herstellten, oder auch selbst die Fabri-
waren. Es sind dies
HANN HENRICH GIESE
HANN HENRICH HAMER
ANN ADOLPH KEPPELMAN
HANN HENRICH BECKER
len verdient Giese hervorgehoben zu
Er wurde als Sohn eines Spangen-
es am 3. Mai 1716 in Iserlohn geboren
dort am 13. Juli 1761 gestorben7. Von
it es auch in Johann Diederidi von
Westphälische Geschichte, Lemgo 1755
10" Kupferstiche, darunter einen mit
adtbild von Iserlohn, datiert 1749 s.
Nach dem Rodenschenü Gewerbe-
vom Jahr 1754 war er es, der die neue
Herstellung der Dosen durch Prägung
amens Giese hat Tabakdosen jetzo auf eine
befangen und statt dessen daß selbe bishero
hen werden, hat derselbe inventiret, daß
ter gewalzet werden, wodurch die Arbeit
und die Dosen vor wohlfeiler als
gegeben werden können" s. Lit. 20.
olz zeichnet Giese auf der Ansicht des
iamer Rathauses 9a IOHAN
CH GIESE FECIT ET SCULPSIT
O. Die Prägungen seiner Dosen sind die
an, von ihnen gibt es die meisten Varia-
weshalb uns auch am meisten erhalten
muß sehr rührig gewesen sein, denn
57 sucht er um eine Konzession zu einer
für Messingeinsatzgewichte an. Doch
764 wurde der Giesesche Hammer Fa-
llTl Lägerbadi von Hermann Caspar
in siehe gekauft und in eine
iühle umgebaut 7.
arner ist bloß bekannt, daß er im Jahr
idn einem summarischen Verhör wegen
Geldmüntzerey" mit andern ausge-
und geschlossen nach Wesel abgeführt
Is. Lit. 20. Die früheste seiner Dosen ist
der Darstellung Lissabons vor und nach
dbeben datiert 1755 die spä-
1762, doch noch 1765 sucht er um
atz zum Bau eines Fabrikshauses an.
gibt es eine Signatur mit sprediendem
'amn1 I.H.H. und einem kleinen sdiräg-
en Hammer 5a Abb. und 7a.
id über Keppelman keinerlei Nßdlfidl-
Aufzeichnungen berichten, wird Johann
Becker erstmals 1764 als Fabrikant
genannt s. Lit. 20, in welchem Jahr, nach den
Datierungen zu schließen, die drei anderen
Meister Giese 1760, Hamer 1762, Keppelman
1764 ihre Tätigkeit bereits eingestellt hatten.
Es ist wohl anzunehmen, daß Becker mit
Lohman deren Betriebe und auch Prägestödte
übernahm und später, wenn diese bereits aus-
gedruckt waren, durch neue ersetzte. So gibt es
auch Dosen, deren Dedtel und Boden seine und
Gieses, wie aud-i seine und Lohmans Signatur
tragen. Beckers Datierungen beginnen erst 1770
und enden 1777. Doch noch 1786 heißt es in
der Gothaisdien Handlungszeitung und gleich-
lautend im Westfälischen Magazin
,Di.e Dosenfabrilt war am stärksten im sieben-
jährigen Krieg im Gange. Vornehmlich wurden viel
messingene, geprägte und ausgestochene Dosen
fabriciret. Sie hat zwar jetzt noch geschickte Meister,
aber ihr Debit ist nicht mehr so groß, wie vormahls.
Jedoch wird noch eine ziemlich starke Anzahl an
kleinen Dosen, weld-ie man hier Tünteldosen zu
nennen pfleget, jährlich verfertiget" s. Lit. 20.
Am 23. November 17987 sudite Bedter um
Aufnahme in die Drahtziehergilde an und
wird 1810 nodi als Gildecamerarius genannt
s. Lit. 20. 1802 hatte er mit seinem Sohne die
beste Fabrik. Die Fabrikation bestand damals
aus sieben Werkstätten und drei Meistern, vier
Gesellen und einem Lehrling, welche messingene
Rauch- und Schnupftabakdosen sowie unter
anderem Tünteldosen herstellten s. Lit. 20.
Noch im Jahr 1779 wollte der limburgisdw
Fabrikant Conrad Hengstenberg in Iserlohn
eine Rauchtabaksdosenfabrik anlegen s. Lit.
20, dod-i ist keine signierte Dose von ihm be-
kannt, Bedter und Lohman verhinderten wohl
die Gründung, denn die Mode und der Absatz
der Dosen waren im Abflauen.
Doch auch in dem 50 km von Iserlohn entfern-
ten Elberfeld gab es eine Fabrik, von der aber
bloß eine einzige geprägte Dose vom Iserlohner
Typ mit der DarstellungFriedridis und PRINTZ
FERDINANDS SIEG BEI MINDEN bekannt
ist. Sie ist beiderseitig signiert 8c WID öeH
fecit ELBERFELD 1759 Abb. 29 und 29a.
Aus den Notizen von 20 Jahren konnte, nadi
Meistern geordnet, eine kleine Aufstellung der
Prägungen zusammengestellt werden, weld1e
noch zu ergänzen sein wird Meist haben die
Darstellungen Querformat, nur wenige weisen
Hochformat auf. Die obligaten Insdiriften be-
ziehen sich auf die Darstellungen. Viele Dosen
haben noch Sprüdie, Devisen, Zitate und
Gedidite, meist in lateinisdien Blodtbuchstaben
mit Apotheosen bombastiseh-naiven Inhalts.
Drei Dosen 11 und H8 weisen die
seinerzeit so beliebten Chronogramme auf, zum
Beispiel
FRIDERICVS BORVSSORVM REX VENIT
ID ICV VM
501 106 1005 10
VICIT FVGAVIT HOSTES PATRIAE SVAE
VICI VI
107 1757
Sprachlich sind in der Aufstellung 30 Dosen
deutsch, 16 holländisch, sedis latein, vier latein-
deutsch, neun latein-holländisdi, zwei latein-
englisch und fünf deutsch-holländisch beschrif-
tet.
Die meisten Darstellungen auf den Dosen zei-
gen Begebenheiten aus dem Siebenjährigen
Krieg und geben Aufschlüsse über die Formie-
28
rung der damaligen Heere, der Infanterietaktik
und der Bewaffnung oder Apotheosen auf
Friedrich d. Gr., der in Ganz- oder Halbfigur,
als Kniestüdt, Brustbild oder in einem Medail-
lon dargestellt wird 11,
10, 12. Außer ihm sind noch abgebildet sein
Bruder Prinz Friedrich Heinrich G11, 12,
Herzog Ferdinand von Braunschweig der
Prinz von Soubise Kaiser Franz I. und
seine Gemahlin Maria Theresia 10,
1a, deren Feldherren Daun und Laudon
11 und die Könige von England Georg II.
und III. 3a, die ja audi Großherzöge von
Braunschweig waren. Andere Darstellungen
sind der Friede von Fontainebleau 1762
der Friede von Hubertusburg 1763
K311, der Friede von Focxani 1774
und der Friede zwischen Rußland, Preußen und
Schweden 1762 4. Weiters kommen vor die
Städte Hamburg Amsterdam 9a,
Rotterdam 14, 9a, Breslau 15, Lissa-
bon und Prag 10, ferner reli-
giöse und biblische Themen, Hirschjagd und
Sauhatz. Sonderbarerweise ist bisher noch keine
Darstellung von Iserlohn noch aus dem Berg-
werksleben bekannt geworden.
Den Hinweis auf die Verwendung als Raudi-
tabaksdosen bezeugen uns die Verse am Boden
einer Dose, auf deren Deckel Abb. pfeifen-
raudaende Kavaliere in Damengesellschaft gra-
viert sind, sie lauten
Unter denen seltenen Wuaren
Die man uns in vielen ehren
Hat aus Indien gebracht
Wird Tobark bey jung und Alten
fernerhin den Preiß behalten
Weil er frohe Geister mudrt
Unter den für den Export nach Holland be-
stimmten Dosen zeigt uns die, deren Dar-
stellung die Macht verherrlidit
und neben den vier Erdteilen die Wappen
der sieben holländischen Provinzen und an
einem Tisch drei pfeifenraudiende Kaufleute.
Die darunter gesetzten holländischen Verse
lauten wörtlich übersetzt
Id1 fahre gleich einem Helden nadi fern gelegenen
Küsten
Was hat man nidit dies Geld, viel lieber sollt idi
rasten
und bleiben in diesem Land und haben meine Ruhe
und trinken ein Glas Wein und rauchen eine Pfeife
Tabak.
Und eine Dose von Bedter Abb. 28 zeigt
am Deckel und Boden rauchende Kavaliere und
Kaufleute und darunter beiderseits den Spruch
TOBACK DU EDELES KRAUT WIR PREISEN
DEINE TUGEND
DU BIST DER ALTEN LUST UND DAS
CONTECT DER IUGEND
WER DICH MIT MASSEN BRAUCHT ALS EIN
GESCHENK VON OBEN
UND EIN PAAR PFEIFFEN RAUCHT DER
WIRD DICH MÜSSEN LOBEN.
Die Iserlohner Dosen sind fast alle signiert, die
meisten, auf welchen Zeitereignisse dargestellt
sind, audi datiert. Entsprechend dem Raum auf
dem Bildfeld sind die Namen oft willkürlich
gekürzt oder monogrammiert, mit oder ohne
Vornamen und Ortsbezeichnung. Bei Giese,
Hamer und Becker ist diese mit Iserlohn an-
gegeben und bei Keppelman wohl anzunehmen.
Die in der Vorliteratur s. Lit. 10
angeführte und fälsdwlidi weiter "berno
angebliche Signatur SECUER" dürfte
stümmelt entstelltes, daher verlesenes BE
bedeuten. Bei Bedter und lernen
den vier Erdteilen eine bisher unbekanr
einmalige Signatur H. C. LOHMAN
LITERATURNACHWEIS
A. K. z. Friedridis des Großen Tabaksdosel
Berliner vaterländisehen Wodiensd-rrift ,.Der Bar'
Nr. 24 v.15.1.1B90.
G. G. Winkel und A. v. Erdtert, Raumtabaksdose
Zeit Friedridis des Großen. In ..Pallas", Zeirsi
Kunstgewerbe-Vereine zu Magdeburg und Halle
x11. Jg., Nr. und 9110 1x91.
G. G. Winkel, Rauduabalrsdosen aus der Zeit
des Großen, in ..Der Sammler", Berlin, XIV.
u. S. 51 u. 6411. 11191.
Dr. H. Brendidte, Raudnabaksdosen aus der Z1
richs des Großen, in Der Sammler", Berlin,
Nr. S. 10111. 1893.
4a Dr. H. Brendidre, Acltere Rauditabaksdosen nidr
sehen Charakters. Sammler, xv. Jg., s. 243-241,
W. v. Sebimmeliennig, Rauchtabaksdosen aus
Friedridis des Großen. Sitzungsberidite der
gesellschaft Prussia, 1B. Heft, S. 89495, Königsl
Sammler, XV. Je-. S. 104-107, 11191.
Otto Sd-iulz-Stendal, Die Rauchrabaksdosen aus
Friedridis des Großen im altmärkischen Museum i1
1899.
Prof. Dr. Kirmis-Neumünster, Die Iserlohner
..Daheim'. ein deutsches Familienblart, 37. Jg.
S. 24, 1900.
Prof. Dr. H. GrößlerlEislebt-n. Sedis Messingdos
sitze des Vereins für Gesdiidite und Altertümer
schaft Mansfeld. Mitteilun en des Vereins für
und Aitettümer der Gra sdtaft Mansfeld zu
xv. Jg., Eisleben, Selbstverlag, 1901.
J. van Linden. Les boires en cuivre dites tabatiert
daises. In Annales de la sociäte archeologiqne et
de Bruxelles, xv. Jg., s. 199-211, 1901.
10 A. Vasel, Geprägt Rauthrabaksdosen mit vaterl
Darstellungen, Braunsdiweiger Magazin, Nr.
1902.
11 O. Tschirdi. Iserlohner Dosen im Monatsblatt Bra
gia, xv1., 1907.
12 Fred. W. Burgess, Chats on Household Curios
London 1914.
11 Fred. w. nnrgarr, Chats on ols Copper and Bras
London 1914.
14 Prof. E. Sdiroeter, Die Iserlohner oder Friedr
Orts- und Heimarkalender des Stadt- und La
Weißenfels für das Jahr 1914, b. JE" 5. 5011
M. Lehmstedt, Weiflenfels 1914.
15 Sigurd Erixon, Mässingdosor in Gustavianskt,
kring den gustavianskn tidens kulrurhistoria
S. 10911., Stockholm 1912.
I6 Prof. O. Tsehirdi, Die holländischen und preußisr
singdosen des 17. und is. Jahrhunderts. Mitteilu
Heimat- und Museumsvereines in Heiligengrabe,
Verlag Museumsverein 191m.
17 Gustav Pflngätlth, Iserlohner Tabaksdosen. Wesx
111111, Verlag Gundiadi-Bielefeld, 9. Jg., Heft 1o,
1935.
1x Paul Sdtuhmatfter-Gardelegen, Einig Bemerkunge
Rauchrabaksdosen, die die Siege Friedrichs des
verherrlidien. 25 Jahre städrisd-ies Museum
S. 41-52, Weißenfels 1935.
19 Gustav Pfingsten, Iserlohner Tabaksdosen des 18.
derts. Festschrift zur 700-Jahr-Feier von Iserlohn,
Iserlohn 1937, Bände.
20 Wilhelm Schulte, Iserlohn. Die Gesdaidste einer St
lohn 1917, Bände.
Katharina Morrison MaeClinton, ,.Duteb znd Ger
baten Bares" als Kapitel XXIII, S. 204, in
of opular Antiques, N.Y. 1945m.
Riäard Steiskal-Paur, Iserlohner Dosen in
Kunst-Chronik, I. Jg., Nr. 17-19, II. Jg., Nr.
Z3 Klaus Mamwsky, D1 Sdrlad-rt bei Minden auf
Tabaksdosen, Mindener Heimarblärrer, 16. Js-r N1
1954.
Z4 Fritz Kühn, Iserlohner Tabaksdoscn, in ,.I.iebes
lohn", Westfalen-Verlag, Dortmund o. J., S. 91-5
zs Otto-Kurt Laag, Tabakdosen verkünden den Sieg
den. in ,.Die Sd-rladit bei Minden 1.8.1759",
Bruns-Verlag, Minden 1959.
26 Ausstellungskatalog 200 Jahre Schlacht bei Minde
Minden 1959.
Gorm Benzon, Tobaksdaser, Politiken Magasiner
havn 21. Dez. 19s1.
Z8 Johann Jakob Cordes, Vom .Tobadt" und von
im Jahrbuda der Männer vom Morgenstern,
Bremerhaven 19er.
29 Georg A. Brongers, Adtttiende eeuwse tabaksd
Iserlohn uit het ..Niemeyr Nederlands Tabaeolog
seum", s. o. J. 19s4.
JO Walter Bnrdters, Iserlohner Tabaksdosen, in
FALENZ 45. Band, Heft 211. 1967.
31 Ridiard SteiskaI-PaurfFranz Kirnbauer, Iserlohn
Montan-Verlag, Wien, 46 5., 20 Abb., 1969.
32 Stadtardiivar Konrad Rosenthal, Iserlohner Tabak
Johann Henridi Giese. WESTFALENSPIEGEL"
Verlag, Dortmund, Mai 1970.
22
SIGNATUREN
rzungen
iese Deckel 1.11.01E5E 151211101111 1. GIESE 315.
B01"- 1412141 112-"
eäpelmnn Q1. Quäfformar 101-1 1-1EN11 01551-3 0112512 15E11101-111 101. 11, 12
er H0 Oma! 1. 1-1. 01E5E FEC 911.140 011251 15E111o11 5.1111
m8,..." C..- Chfgnogrgmm 1011411 HENRICH GIESE 91mm 015512
2121111511141... GI
151- ESE
1. 11. 0. 15m1 1z
1011 11131111 01EsE FECIT 1011
ziclmis der Signaturen der Meister auf Iserlohner Dosen IOFEäf-IN HENRICH GIESE 12135115" 521,
0. 10
BINIERT SIGNIERTE DOSEN
11.11. 5110111111 1.311141. 01E5E 11111411101 zu, 91, 1.1-1. 1141111211 11,511, 1o. 12,
DE11 PREUSSEN EE1 BRESZLAU 1.114 40.111.011 44.1141- I. H. HAMER FECIT 1B. 7. 11B I. H. HAMER FECIT
RGAU ...; 51.4.01. 1011.14 1011. 11511. 114111511 1.0 15E111o1111
151511101111 1141711111 s. 1c 1a
101141111 11211111011 114 11
GNIERTE DOSEN .01.4...14.. 110.144.111... 1. 11. 11. 1.114 1.141.414 11.11.11... 455 11
5111101110 DEs 11sv110E11 5511112682 U20 WEG v411 110111114. ägägä QKICEPPELMAN 31014 3,1 B. 11
EST ....
11151115 0121100111115171151 PAULUS 01000011-1 11011014. 1. 4. 11. M. 1011112111411
ART HIEYLIGE. 31515? IAD. KEPPLMAN K. M. Fec.
11.11.1411 0.0.; 1111 v... 114141. E144. 41.111141 ääIKELMAN f. IP-KM 4B. 5.1.10. 11 11. 15
l. Wlvwn ..
MPLEGTEUVICTORIE 1.1.1.. .1... 4.111 10.1.4. 11 15.111.154, 1151111111411
TOR 1760 zur!
41.11.1... 4.1 v4. 141114743111; .... 4.11. 17.1.4141 110111114. H5
....
... 1114141411144. i.o1v.v4.rl....1.g.1 11... v... 1.5.1.... 34.1. m15 CKEQEEEF äh 111111 räynnwpgn
''dM'.Sd1 v1.1'410 ..
114 11.13.5 11.05.2114. 11111111011 1150111311 1. 11.1. 211,511
.1... 1.1.4 114.111.411 4.. 1.401.114. 501.1... 1.011.114. 15131101111 45 HECK ER
BECKER 1.1.1.5. 11,11
1.
IERTE DOSE AUS ELBERFELD
4011u5 11011u5- 1111114112 1111011141105 51E0 1759 41 11. 0.. w.
P5121131? B21 BEI 11111110111 Q... D. 0.. 1.1. 1.011 ... .11. 1104.11. HdcW 04111 1.41 12152111011
üestüdn, darunter Signaxur ELßERFEl-D- 1759
v1c'r011 11401-1 VICTORIE BY 201111130111 175 41
elchms der Iserlohner Me1ster und deren Dosen. USSÄE BOMMRDEMENT
v411 005111111
ÄNN HEINRICH GIESE ISERLOHN 11 v151i.1.1...41.1. ... 501.14. 114110,; von 17111111015... 1750 110111114.
ä5311.a.".'rr"11;."m15 1-"111. 011250103511" im
1DE111cu5 BORUSSORUM 12 5141.10... .... 4.1. 414 1.1411 13 Iwv- mm ww 1760 weg--
Shlgsisdlen Krug", FRIDERICUS 111.x 11 1.011.114.
1DE1110u5 11Ex ... 11.441101. 5.431011... 4... 41.. 1.1.11.
.... ... 1.......
DPOLDUS 1051111105 1141114 GIDEON 11111-111 E4110 DE 1.1.1.1
11.155 DE 041111 11 141112011 1-1 NN PH KEPPELMAN
111151110115 11Ex 11. 11.441101. VICTORIE 1111440 1757 4.1.1141 IOHA D01-
lhmlem" 'd"""l'g'AP"' fäflfjgffäfnf"" E111DE1110u5 1714011115 15011u5- 11.1.5011 vor ... 11.4. 4.11. E14-
14141441411541111.144.411.111. 111121414 1.... 144.411.411 4.11.41 äcgänidfdfihläns mit Sddadnm läiwä-ÄME ROSBACH m7
lndllvugrg VICTORIE CÜKAPLETE v1cT0111E 1757 110115114. FRIEDEym. HUBliRTUSBURG Apmllzosc auf P1104114. 1763
01011141144... 1111.11 u... 11.11.. 5.101110...
ROSSBÄEIDSSEN in F55 11 "4. 170a 4. 1.111 .1 114.111.111 v0.1 5.5.
10 DER .10. .011... ... 1. 411.
TORGAI-J f. 11 1. 11" .1 2ai"'ä.'."1".?;'1"iii1?.31'1"'15011..1vv.. D1EdEg1EH140E11E1
511V m1sE4lSÄmÄ.1 1.1.4.. 1.1.4 4.. 154405 01111111 D4111E1 1.. 4410111111115. 1704
ff, 01.154405 OPFER DIE EDLE 1401211111 1704
1111211... 11.11 541'111... 10.11.1... 1.11. 17.1.0541... 1.011.114. 11.1.5144. 1.1.1 15.11-15.11... Via 11451151
'RB"1'ÜS4.Ü."""i" MÜNSTER Efßgäää MINDEN "59 ämi 7.'1'fs'.'1'.'.'ä?1"3i.äi5'3h"ä;m' .1... 171113210215 11..
ISTE .1...
ISTERDAM TSTADTHUYS VAN holländ. beben Vnmnw von
AMSTERDAM 11 1.1.4114. 1.1.4 401.111.011 1541411111. BY 1105114011 1757
4112 11ö.....44.114... 01.00.1 4.1.1411 4.1 5.141 111140 11.4..-
'11. 41 4110 4. 11.114.454 5.1.1....
21' MTÄÄÜ101ÄCES13R1DE111CU5 äÄsmlÄäl. 11 RHIEÄEENAE 1m 111111;- 10 älägffälßlß BORUSSOBUM VICTCBY EY KKEEEED QM
4.
RUSSORUM RFZXWICTORIE Chomwmm 1c. E111DE111cu5 BORUSSORUM DIE BELAGERUNG .701. 111404 1757
lslx1l14El11-1S1r11101;1110u5 REX Qu
mNovER 1141711514171; 1511311111545... 5.1 151111115414. 17511 301111.. 11 v10ro1114 111 111511111110 1702 0811427114111 VICTORIE 111 170a 113113114
....
31'313" CREVELT rÄätzÄfelelgjfg 1154 111.411.414 11. VICTORIA av 1111211111410 1051221973311 EIN 11E11 170z 41.1.14.
rz 11110 1760 d. m. Y.
icwaäläjäälmkTEN ÄIÄISCIÄIEäÄIZEGN! 1z v1c1o1114 111110111 2.1.13. 211.411.451 11.11.1141 110111114
E5z14u 1141411112 BEY 201111001111 1751 441.154. am 11
MBARDEMENT 01.11 1-14011- 5.411.411... 4.101114... 1101111111. 11 VICTQEIA EY VEUJNEWAUSE"
Am. DÜSSELDORF 14 1101111104171 1.111.111... 11.00.1011 1.1.1.1-
;45.14 .111. 114.411.111. 5011.41 213234.44 111.111.114. 11.4.- 441114. ROTTERDAM zclä.ä1z1ä1läll1g.g.x.f FREYBERG 1m ggflggä"
11 110111
5315113513235 DUX ggjggägigygggig" am 15 1s11E514uxw.,10...1111-0111Tz 0017111511 VICTORIE 1111 110114114
TORGAU 1702 1.....
10 11110 11111111005 111111101115 11111115 11211011141100 1111411- 1101111114
giägääcgäsvggfßrgsoxum 11Ex übergmg
ANN HEINRICH HAMER ISERLOHN
11.4.1 511 101705112 ... 1-1140 54.1.4. 54 11554 ... 1757 4.1.1141.
11055114011 1.011.114.
11.4.1 541011105112 1.. PRAG VICTORIE BY 20111100111 1.1.4 17511 4.1.1141 IOHANN HEINRICH BECKER ISERI-OHN
1101111411014111111 110114114.
v411 005111111 SIEGE 11111 11u55E11 0111211 015 FRIEDEN 1.0.. 1001114111 1774 4.1.1.4.
111 E110E17111DE11 01o111Eu5E 54.1.41. 1.4 11554 ... 1702 411.114. 1011011111
OBERUNG ...... 1141111111001 11055114011 1. SIEGF. 01.11 11u551a11 0111.11 015 11.111 11a... 1000.11! 1774 4.1.04.
0.013... .... 11.11.11 11 111 11.44.1111 1.1. 11...... 11 1.1411 10110111111 1114110. 11.11.
0.014... 10111141... 1-1 0120110 1'111 11 41.41.4... engl1sd1- 1.141114 THERESIA
1141011110120110 THE 111 11 1.14.. 111114111114 1777 5.1.11... 1771 177317 4.11.14.
.1E1S1äEzIy1l1J5c11nu 35125114111 414 54.111.410... 1702 4.1.1.4. v1.1 11.4.41. 1.... 50.1.4. 11 lS-ldxifäei P11... v. 01.01.... 50110114.
.EU 5011 .1.
1.444,4 1155411011 vor ... 11.41 4.... 1755 4.14141- 0.0.1; 11. 11. 111.....1..1.w.110..1 1z 5.1.4011. .1..41.41-
1214541... 1755 11.111.114. 1.141.
114.544 11.14.0 11. 171311111311141113. 1111114... 5.5011... v0.1 01.1.1... 5.1.11... z. 177a 30112134.-
... 501.. v.. .1... ung .1 4.1.
044.. 1115041011 PETRUS 177a v... 5141.11. 1770 1.141.-
110111110115 11Ex 11...... 11141114114 v. 51.01-04.14. .111... 11. c. 101111411 111.111.114.
1.41.41 4. 0.. 11.11.5114 54.1.41. 1.4 201114011 1751 1.141. 0. v4.4... 1115041011 111-raus v... 1514141. 1775 1.1.1.1-
0101114 151511 MINDEN 1759 15.1.4. 10.. 10111411111111411 1701 44.1.4. 1773 .111... 1-1. c. 1011171411 110111114.
0111 44.... ... Ev.1v...145..1.. .... 4.... 5u541111E 1... 11.4. 4.1.1.4.
.... 1.111.141. 441.11 v... 114.410 wie 110111114. 11.1.41... 101.01.
uia Thercsia und vier Kinder Kavalier u. Damcn in Ganen- Kaufleute in Rokokoarohkeklur dann!
hollinfl. ardxiteklur u. beidcrsciugvn Hymne auf den Tabak
29
Wilhelm Mrazek
ZUR WISSENSCHAFTS-
GESCHICHTE DES
WIENER PORZELLANS
Die Geschichte der Wiener Porzellanerzeugung
als Gegenstand der kunstwissenschaftlidien For-
sdiung ist noch keine hundert Jahre alt. Sie ist
auf das engste mit der Geschichte des Öster-
reichisdnen Museums verbunden; war doch dieses
Institut nach Auflösung der Wiener Porzellan-
fabrik im Jahre 1864 dazu ausersehen worden,
den künstlerischen Nachlaß zu übernehmen und
damit gleichsam als Erbe das Andenken zu
pflegen und das Interesse wachzuhalten.
Es verwundert daher nicht, daß Jacob von
Falke, der erste Mitarbeiter Rudolf von Eitel-
bergers, des Gründers des Museums und Initia-
tors der Wiener Schule der Kunstgeschichte, im
Jahre 1887 mit der Monographie Die k. k.
Wiener Porzellanfabrik. Ihre Geschichte und
die Sammlungen ihrer Arbeiten im k. k. Öster-
reichischen Museum" eine Publikationsreihe
einleitete, mit der die Sammlungsgebiete des
Instituts und dessen Bestände einem weiten
Kreis bekannt gemacht werden sollten. In dieser
Schrift, die neben einem geschiclmtlichen Über-
blick einen Katalog über die 426 Porzellane
aus dem Besitz des Museums enthielt, konnte
Falke nicht nur die Informationen des letzten
Direktors der 'Wiener Manufaktur und deren
künstlerischen Nachlaß, der 1865 dem Museum
übergeben wurde, verwerten. Er zog vor allem
zwei SCI1OI1 viel früher erschienene Arbeiten zur
Geschichte der Manufaktur heran, nämlich die
im Jahre 1818 anläßlidi des hundertjährigen
Bestandes von der Fabrik selbst herausgegebene
Sdirift Zur Säcular Feyer der k. k. Porzellan
Manufaktur zu Wien sowie den Beitrag des
berühmten Dr. Benjamin von Scholz, Profes-
sor am k. k. Polytecl-inisd1en Institut und von
1827 bis 1833 Direktor der Manufaktur, über
Porzellan und Porzellanerden, vorzüglich in
den österreichischen Staaten", der 1819 im
ersten Band der Jahrbücher des Polytechnischen
Instituts erschienen war.
30
Das Ergebnis war im wesentlichen eine noch
heute gültige Periodisierung der Geschichte der
Manufaktur. Falke unterschied von der Grün-
dung im Jahre 1718 bis zur Auflösung im Jahre
1864 fünf Perioden
1. Periode 1718-1744 Die Fabrik als Privat-
anstalt des Claudius Innocentius Du Pa-
quier.
2. Periode 1744-1784 Die Fabrik als kaiser-
liche Anstalt unter Maria Theresia.
3. Periode 1784-1805 Die Fabrik unter der
Leitung Konrad von Sorgenthals.
4. Periode 1805-1827 Die Fabrik unter der
Leitung Matthias Niedermayers.
5. Periode 1827-1864 Die Fabrik in Nieder-
gang und Auflösung.
Mit dieser Periodisierung, die von allen späteren
Autoren übernommen wurde, legte Jacob von
Falke den Grundstock für jede weitere wissen-
schaftliche Befassung. Wesentliches, das über
Falke hinausging, konnte erst Friedrich Minkus
im Jahre 1895 beibringen. Er verfaßte eine
Studie zur Geschichte der ersten Periode von
1718-1744, zur Geschichte der Privatanstalt
des Claudius Innocentius Du Paquier, auf
Grund von archivalischen Dokumenten im
I-Iaus-, Hof- und Staatsarchiv, die in diese
dunkle und nur spärlich dokumentierte Zeit
einiges Lidnt brachte. Diese Studie von Wilhelm
Minkus war dann der Anlaß für von Seidlitz,
Ergänzungen hierzu aus den Archivakten der
Meißner Manufaktur beizubringen.
In der Zeit zwisdien Falkes Monographie und
den Beiträgen von Minkus und Seidlitz hatten
im Zuge der Industrialisierung und musealen
Reformhewegung die Gründungen von kunst-
gewerblichen Museen zugenommen und war
eine ganze Generation von Kunsthistorikern
mit kunstgewerblichen Themen befaßt. Justus
Brinckmann, der Direktor des Hamburger
Museums für Kunst und Gewerbe, zeigte sich
am Wiener Porzellan sehr interessiert un
mentierte dies in seinem vorbildlichen
durdn sein Institut. Gleicherweise befaß
die Direktoren der in Böhmen, Mäh
Schlesien nach dem Wiener Vorbilde ge
ten Gewerbemuseen in Reidienberg,
und Brünn mit dem Wiener Porzell
brachten so manchen ergänzenden
Gustav E. Pazaurek in Reichenberg,
Braun in Troppau sowie Julius Leise
Brünn bereicherten um die Jahrhundei
mit ihren Arbeiten nicht nur die F0
sondern weckten mit ihnen auch das all
Interesse der Öffentlichkeit. In diesen
entstanden audi die größeren und
Privatsammlungen, die vor allem vom
bürgertum der Museumsstädte zusamm
gen wurden. In Wien war es Josef
der mit seinem Beitrag über das Wien
zellan in der Publikation zu der Aus
über den Wiener Kongreß im Jahre 11
als besonderer Kenner der Materie erw
meinsam mit den Vorgenannten wurdet
institutseigenen Zeitschriften und Mitt
blättern die Probleme und die Funde pi
und so um die Jahrhundertwende eine
regster wissenschaftlicher Aktivität und
maliges Interesse am Wiener Porzellan
geführt.
Die günstige Konstellation fand einen
Niederschlag in der Ausstellung von
Porzellan im Troppauer Gewerbemusc
Jahre 1903. E. W. Braun zeigte 800 P01
und ermöglidite damit einen ersten un
den Überblidt über die Wiener Proc
Aber auch in Wien war man nicht
geblieben. Im Jahre darauf, 1904, zei
Wiener Institut eine Ausstellung von
Porzellan, die mit 2.320 Katalognumme
was sich in der österreichisch-ung
Monarchie an wertvollen Porzellanen in
xelleudncr mit Sdulinsdnuhläufer als ,.Winrcr', um
47a.
uuc Objekne Manufaktur von c. 1. Du um
1-1144. 1m Hinter rund Entwürfe zu Blumunbil am.
auf ein Gruppe Ausstellung "Wiener Porzellan
-1ser mit Dame im Clavid-lord, Dame mir Laure
Flöunspieler, um 1755-1760.
eekannc mit Pamherhenkel und Maskarunzusguß. um
Manufaktur Du Paquiex. Slg. Fürst Lied-nenstzin,
als Chiucxisdacs Zimmer in Schloß Eisgrub.
elvase mit buntem Vogel und indianischen Fels- und
rnzweigmoxivcn, um 11204125. Uslzrreiduisducs Mu-
für angewandte Kunst, Wien.
Teitmg ist dem zur Ausstellung Wiener Por-
1718-1864" erschienenen umfangreichen
og entnommen, der 186 Seiten Text, 300
rzweißabbildungen und 22 Furbbilder um-
sowie Beizräge zur Wissenschafzsgeschiclaze und
Veschichle und Technik des Wiener Porzellans,
lidiem und privatem Besitz befand, zur Schau
stellte und damit einen einmaligen Höhepunkt
erreichte. Josef Folnesics vom Österreichischen
Museum hatte mit Einsatz der ganzen Autori-
tät, die das Wiener Institut genoß, alles, was
nur irgendwie zu erreichen war, zusammen-
getragen. Zu dieser bisher größten Präsentation
von Wiener Porzellan, die unwiederholbar
blieb und bleiben wird, erschien auch ein Kata-
log, der, entsprechend den damaligen Usancen,
sehr knapp in der Beschreibung war und keine
Abbildungen enthielt, ein Manko, das die Be-
deutung dieser Ausstellung stark beeinträd-itigte.
In der Folge jedoch lieferte diese umfassende
Überschau das Material für zahlreiche Bespre-
chungen und brachte so eine Diskussion in
Gang, die in allen musealen Fachblättern der
Monarchie ihren Niederschlag fand. Zwischen
1904 und 1914 wurde auf diese Weise das
Wiener Porzellan ein Lieblingsthema der kunst-
wissensdiaftlidien Forschung. Die ästhetischen,
technischen und historischen Probleme wurden
Geltung brad-iten, sollte es das wissenschaftliche
Standardwerk bleiben, obwohl sidn seither die
meisten Besitzverhältnisse auf Grund der Zeit-
ereignisse vollständig gewandelt haben.
In diesem Jahrzehnt blieb audu das private
Sammlertum nicht untätig. Der Wiener Indu-
strielle Karl Mayer konnte eine Sammlung
zusammentragen, die, wie der von Josef
Folnesics im Jahre 1914 verfaßte Katalog
erkennen läßt, mit 528 Porzellanen nicht nur
einen erstaunlichen Umfang erreichte, sondern
aud1 höchste Qualität aufwies. Dieser Kata-
log sowie der spätere Auktionskatalog vom
Jahre 1928, die alle Objekte abbilden, sind
für alle Sammler ein unentbehrliches Nadi-
schlagewerk geworden. Sie sind bisher die beste
Ergänzung zu dem Werk von Folnesics und
Braun.
Bis zum Zusammenbruch der Monarchie im
Jahre 1918 lieferten E. W. Braun und Julius
Leisching nod1 manchen Beitrag zu Detail-
fragen, vor allem zu der mit nur wenigen
Ernst, der Direktor des Wiener Museums, in
Jahre 1925 dem Porzellan des Klassizismus de
Sammlung Bloch-Baur noch einen stattlichei
und aufwendigen Band widmete, der dies
Epoche besonders würdigte, blieb die Versteige
rung nicht aus. Ebenso erging es der Sammlun1
Strauß und vor allem der Sammlung Ka
Mayers, die besondere Cimelien aus der Früh
zeit enthielt. Von diesen beiden Samrnlungei
konnte jedoch nur ein geringer Teil für da
Museum erworben werden. Die meisten Por
zellane wanderten ins Ausland, viele nad
Amerika, wo vor allem nach 1938 das Inter
esse am Wiener Porzellan erwacht war um
durch emigrierte Sammler wachgehalten wurde
Erst die Jahre nach dem zweiten Weltkriej
rückten das Wiener Porzellan wieder in dei
Blickpunkt des Interesses. Der wesentliche An
stoß hierzu kam jedoch nicht von österreichi
scher Seite. Hier hatte man noch andere Sorgen
auch in dem Institut, das es als seine Aufgabi
betrachtet hatte, dem Wiener Porzellan zu ge
Runder Teller mit buntem V0 el und indianisdiem Blüren
zwt-igmotiv, um 17204725, sterteidiisdtes Museum
angewandte Kunst, Wien.
Schüssel aus einem Service mit barndtern Vasenrnotiv um
indianischen Blütenzweigen, um 1720. Slg. Fürst Liediten
Stein.
Große Schüssel aus einem Jagdsetvice, Hatzgruppe mit
jagtem Pfcld, um 1710-1740. Slg. Fürst Liediteustein.
eingehend behandelt, besonders in Kunst und
Kunsthandwerk", der Zeitschrift des Wiener
Museums, und führten mitunter auch zu hef-
tigen Kontroversen. Diese Auseinandersetzun-
gen befaßten sich vor allem mit der Frage der
Markenbezeichnung, ein Problem, das durch
einen Beitrag von Heinrich Modern über Un-
bekannte Marken der Kaiserlichen Wiener
Porzellanfabrik" ausgelöst worden war und
sd-iließlich in seinem Sinne geklärt werden
konnte.
Der Hauptertrag der Wiener Ausstellung war
dann die bisher größte und umfassendste Pu-
blikation zur Gesdiichte der Wiener Porzellan-
manufaktur im Jahre 1907. Von den beiden
Autoren behandelte josef Folnesics vorn Wie-
ner Institut die Geschirr- und Geräteproduktion
und E. W. Braun den Beitrag über die Porzel-
lanplastik. Mit zahlreichen Abbildungen ver-
sehen, die der damaligen Reproduktionstechnik
entspradien und nur selten die eigentümliche
Sdmönheit" der Wiener Porzellane zur vollen
32
Akten belegten Frühzeit der Wiener Manufak-
tur, deren Produktion und deren Künstler.
Von einer Rußlandreise brachte E. W. Braun
die Kenntnis von Wiener Porzellanen für den
russischen Hof nach Hause, die sich in der
Eremitage befanden und worüber er in Kunst
und Kunsthandwerk" berichtete. julius Lei-
sching wieder zeigte noch im letzten Kriegsjahr
in seinem Brünner Museum eine Ausstellung
von 309 Porzellanen aus Brünner Privatbesitz.
Ein Nachweis, daß auch in den Kronliindern
das Wiener Porzellan ein begehrtes Sammel-
objekt geworden war.
Die Zwischenkriegszeit von 1918 bis 1938 war
mit ihren Wirtschaftskrisen nicht dazu angetan,
das Interesse am Wiener Porzellan wachzuhal-
ten oder zu fördern. Die Besitzer der großen
Sammlungen, wie Max Strauß, Karl Mayer und
Ferdinand Bloch-Baur mußten sich von ihren
Sammlungen trennen; in den zwanziger und
dreißiger Jahren begann der Ausverkauf von
österreidnschem Kunstbesitz. Obwohl Richard
bührender Geltung zu verhelfen. Hier reicht
es 1952 nur zu einer kleinen Publikation in de
Reihe der Bildhefte des Instituts, die sich aus
schließlich mit dem Porzellan aus der Manua
faktur Du Paquiers befaßte und in erster Lini
zur Information der Museumsbesucher gedadii
war. ln diesen Jahren war das wissenschaftlich
Interesse fast ausschließlich auf dieses Themz
gerichtet. Hier lagen nicht nur die meister
ungelösten Probleme, sondern die Porzellan
dieser Zeit hatten durch das Sammlerinteress
für Arbeiten der Frühzeit, die ja in Wien weger
ihrer eigentümlichen Schönheit" sidn von der
Erzeugnissen der anderen Manufakturen unter-
schieden, eine ästhetische und finanzielle Aufl
wertung erfahren. Es war der englische Kunst-
historiker John Forrest Hayward, der als erste;
diese eigentümliche Schönheit" der Du
Paquier-Porzellane wieder erkannte. In einei
Aufsatzreihe, zuerst im Apollo" erschienet
und dann zu einem Buch zusammengefaßt, ver-
öffentlichte er ebenfalls im Jahre 1952 seinl
Er lenkte damit die Aufmerksamkeit
zrösterreichischen Sammlerkreise auf
Porzellan und muß als der Wieder-
des Wiener Porzellans für den inter-
Kunstmarkt angesprochen werden.
Ward inaugurierte, fand dann seine
ig in den Mitteilungsblättern der
Freunde der Keramik. Die promi-
nternationale Vereinigung von Lieb-
id Sammlern von Keramik und Por-
röffentlidite vor allem in dem Jahr-
di dem Erscheinen des Buches von
immer wieder Beiträge von Sammlern
sthistorikern zu den Problemen der
aus der Du-Paquier-Zeit. Im Mittel-
Interesses stand die Problematik
zellane, die Johann Gregor Höroldt
seines Wiener Aufenthaltes bemalt
nnte. Ein Detailproblem, sicherlich,
aber von nicht zu unterschätzender Bedeutung.
Mit zunehmender Konsolidierung der wirt-
schaftlichen Verhältnisse und der Aktivierung
der WiSSEnSdmftliChCn Tätigkeit am Österreichi-
schen Museum ergaben sich auch wieder Mög-
lichkeiten, das alte Porzellanthema aufzugreifen
und für eine Generation interessant zu machen,
die keine Beziehungen mehr zur altösterreichi-
schen Vergangenheit hatten. Ignaz Schlosser,
Direktor des Museums von 1951-1958 und
Leiter der Keramikabteilung, sowie der Unter-
zeichnete und in jüngster Zeit unsere Mitarbei-
terin Waltraud Neuwirth haben zumeist in der
hauseigenen Zeitschrift Alte und moderne
Kunst" immer wieder Themen aus dem Um-
kreis des Wiener Porzellans aufgegriffen und
wissenschaftlich dargestellt. Die von uns für
die beiden Bände des Forumverlages Barock
in Österreich" und Biedermeier in Österreich"
verfaßten Beiträge zur Geschichte des Wiener
Porzellans können nur als ein kurzgefaßter
Überblick angesehen werden. Eine Zusammen-
fassung aller bisherigen wissensdiaftlichen Er-
gebnisse, die das vergriffene Standardwerk von
Josef Folnesics und E. W. Braun endgültig er-
setzen könnte, ist jedoch noch nicht vorhanden.
Der Katalog zur Ausstellung Wiener Porzel-
lan 1718-1864" im Österreichischen Mu-
seum für angewandte Kunst mag als grund-
legende Vorarbeit hierzu angesehen werden. Es
ist zu hoffen, daß die Verhältnisse ein solches
Unternehmen begünstigen, um endlich aus den
gewonnenen Erkenntnissen vieler Kunsthistori-
ker und Sammler die wissenschaftliche Summe
für die Gegenwart und die zweite jahrhundert-
hälfte ziehen zu können.
Die Ausstellung Wiener Porzellan 1718-1864"
wird bis Ende April 1971 gezeigt.
10
lfälumenmäddäcn, um l74417Ö9, USCCIYGÄCIIÄSÖIES Museum
ür an cwzn Kunst, Wxen.
Kindcrgruppß, um ms. Usrerreidiisdaes Museum an-
gnwanftc Kunst, Wizn,
Sitzende Dam und sirzznder Kavzlier, um 1780. Österrei-
düsdues Museum im angewandte KunsnWien.
Dcicuner mit Silhüuutcndekßr, um 1800. Üsrerreidiisilltl
Museum Angewandte Kunst, Wien.
Alois Vogel
KARL STERRER,
EIN MALER SEINER ZEIT-
ZUM 85. GEBURTSTAG
34
Am 4. Dezember 1855 wurde Karl Sterrer in Wien
geboren. Seine Vorfahren schon beschäftigten sich
mit Malerei und Architektur, sein Vater war Bild-
hauer und schuf eine der Figuren auf der Rampe
des Wiener Parlaments. Mit sechzehn Jahren kam
der iunge Karl Sterrer bereits an die Wiener
Akademie am Schillerplatz, wo er bei Professor
Deliug und später bei Professor Griepenkerl stur
dierte. Seine Begabung fiel schon bald auf, und
am Ende des Studiums, im Jahre 1908, erhielt er
den Rompreis.
Schon in seinen frühen Bildern macht sich eine
Feuerbach geschulte Ruhe und Ausgeglichenh
bemerkbar, die für das ganze Werk dieses Künstle
mit wenigen Ausnahmen, bezeichnend ist, Die
sten iener frühen Bilder können in die Nähe
in München wirkenden Hans Thema gerückt werdi
Es ist eine Romantik treudeutscher Beseeltheit, wov
schon die Bildtitel Bloublümelein" und Die Blü
lein fein", beide Bilder entstanden 1911, zeugt
Es ist eine Welt der Idylle, der Stille und der heil
Ordnung, die sich hier widerspiegelt. Eine abg
schirmte lnnenwelt, mit der man der äußeren begz
nen zu können glaubte. Von der nahenden Ersch
terung des ersten Weltkrieges ist nach nichts
bemerken. In derselben Zeit entsteht das Bild
Demoiselles d'Avignon" 1907 von Picasso. Zwisch
diesen Werken liegen allerdings Welten. Und
Künstler, die sich damals im Bateau-Lavoir"
Paris trafen, galten nicht nur in Wien als Narr
und Scharlatane. Die Situation in München war nlt
viel anders. Interessant ist daher in diesem Zusa
menhang, daß Karl Sterrer bei einer großen Ai
steliung, die 1913 in der bayrischen Kunstmetropr
stattfand und auf der Österreich mit Ferdinand Anc
Gustav Klimt, Oskar Laske, Jan Preisler, Fra
Rumpler, Karl Sterrer und Max Svabinsky vertret
war, von der Münchner Presse sehr gefeiert und
der bedeutendste österreichische Aussteller geschö
wurde.
Der erste Weltkrieg änderte im CEuvre Sterrers Tlll
allzuviel. In dem bekannten Kriegspressequart
schuf er meistens Offiziersparträts. Einige eher
den Jugendstil zurückgreifende Aquarelle des Jahi
1919 weisen auf eine Abkapselung. Erst einige Jal
nach Kriegsende findet der Maler zu seiner für
fruchtbarsten Epoche, die eine größere Flüchigk
zeigt, eine gewisse Manumentalitöt in der Erfassu
des menschlichen Körpers und in der herben GTL
1500m", Die Blümlein fein, 1911. UI
Slorrer, Gebirgsbauer, 192D.
Slerrer, Zwei Frauen, 1970. Kcmbinierve T1
Slerrer, Das Leben, 1923. Ul
der Leiber. Wir werden immer mehr an
und den Tiroler Egger-Lienz gemahnt, wobei
2er in den weiten Räumen der Landschaften,
lers bei ienen, in deren Vordergrund Gruppen
die Landschaftalso nicht um ihrer selbstwillen
le ist, Einflüsse der italienischen Renaissance,
Iers Lionardas, geltend machen,
wendet sich nun besonders dem Akt zu. Es
is dieser Zeit sehr viele Graphiken und Bilder,
ner wieder dieses Thema zum Vorwurf haben.
einige kleine Bronzen stammen aus dieser
Das Leben", ein Ölbild aus dem Jahre
mit seinen das Geviert tüllenden strotzenden
lößt uns an die Wiederentdeckung der
lfl der alleriüngsten Zeit denken auch hier
Jlle des Fleisches, der Muskeln und natürlich
nden Lebens.
tun zu vermerken, wie sehr im deutschsprachi-
ium und besonders in den Grenzgebieten der
der Heimatkunst, der Jugendbewegung und
her Konstellationen, die zu autoritären Syste-
hrten in Österreich zu Dollfuß und Schusch-
an der Formung der Künstler der späteren
iitwirkten. Ähnlich wie bei Hanak Ankara
wir auch bei Sterrer nach der Beauftragung
instlers durch öffentliche Stellen eine Stagna-
es schöpferischen lrnpetus. Freilich müßte noch
esenmosaik in der Dollfuß-Gedöchtniskirche
lt werden, vor allem aber rückt jetzt Sterrers
se Wirkung als Lehrer immer mehr in den
iunkt seines Lebens. Hier setzt er nun seine
Persönlichkeit und seine ganze Kratt ein.
im Jahre 1921 als Protessar an der Akademie
ldenden Künste in Wien tätig, ging durch
ichule eine große Anzahl heute sehr bekann-
mstler. So waren unter anderem Günther
Werner Berg, Hans Fronius, Franz Erntl,
th Merlicek, Arnulf Neuwirth, Rudolf Sziszko-
irl Weiser und Max Weiler Schüler des bis in
ihes Alter immer noch schaffenden Malers.
Walther Maria Neuwirth
VlKTOR PIPAL UND SEIN
POSTIMPRESSIONISMUS
IM GEISTE DERIMUSIK
Fast immer steht am Beginn der Größe die Bedräng-
nis. Der Wiener Veduten-, Genre- und Landschafts-
maler Viktor Pipal wurde am 29. November 1887
als Sohn eines altösterreichischen kleinen Beamten
in Samac in Bosnien geboren. Zeichen- und Malkurse,
später Seminare an der Wiener Kunstgewerbeschule
und an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt,
kunstgeschichtliche Vorlesungen sowie Atelierstudien
bei Professor Franz Rumpler halfen dem iungen
Lehrer Viktor Pipal zur eigenständigen Entfaltung
seines ursprünglichen Talentes, das zwischen den
kaloristischen Tonwerten der Wiener Tradition und
dem aus Frankreich importierten Impressionismus
durch einen geradezu explosiven Einbruch des klas-
sischen Musikerlebens seine Vollendung im Bereich
der Wiener Vedute erreichte.
Dieser Durchbruch erfolgte im Jahr 1926. Viktor
al war damals schon 38 Jahre alt. Acht Jahre
urde er ins Künstlerhaus aufgenommen. So-
ekte der Rückschau.
in Wirklichkeit war Viktar Pipals künstlerischer
Wachstumsprazeß im Rahmen der turbulenten Wie-
ner zwanziger Jahre natürlich viel komplizierter.
Viktar Pipal war durch kein reglementiertes Akade-
miestudium manipuliert" worden. Vielfältige Ein-
flüsse stürmten auf den sensiblen Suchenden ein
Nachwirkungen der Sezession und des Jugendstils,
des Expressionismus, der Primitiven, die ersten Kon-
takte mit der absoluten Abstraktion und das monu-
mentale Erlebnis des Farbenlogikers Cezanne.
Mut wurde Voraussetzung und Verpflichtung. Viktor
Pipal mit dem deutschslawischen Blut stand schick-
salsmäßig im Schatten, gehörte er doch zu den eher
Behutsamen und scheinbar leicht Abweisbaren, zu
den Stillen, in sich Verkapselten im hektischen Kalei-
daskop der Danaustadt, aber auch zu den Hart-
näckigen. Er überwand die Freilichtmalerei eines
Theodor von Hörmann und dialogisierte mit Cezan-
neschen Stilproblemen.
Der Tiefpunkt der zwanziger Jahre schien überwun-
den. Am 9. Juni 1926 wurde Usterreich von der
Völkerbundkontrolle befreit, eine lebhafte Bautätig-
keit setzte ein. Der pathetische Bildhauer Edmund
Moiret stellte im Theseustempel des Volksgartens
Die Stadt des neuen Lebens" aus, und Wilhelm
Dachauers Nibelungenmarke wurde in Amerika zu
der schönsten Marke der Welt erklärt. Und gerade
in diesem Jahre bastelte sich der musikalisch begabte
Viktor Pipal, der in der Wiener Varstadtderkleinen
Leute" hauste und lehrte, einen wohlteilen, kleinen
Detektorradioapparat, legte die Kopfhörer an und
genoß mit wachstem Empfinden die damals noch
fast an das Wunderbare grenzende akustisch
Übertragung.
Er erlebte in magisch anmutender Unmittel
Beethoven, Schubert, Hugo Wolf, Schumann
iew, Bach, Haydn, Brahms, Mahler, Mendr
Richard Wagner, Anton Bruckner und
Strauss. Für Eintrittskarten in die großen
söle hätte das Geld gefehlt, Die Eindrüc
einsamen Hörers waren so gewaltig, daß
Pipal während des Hörens mit Pastellkreic
billigem, getöntem Papier, halb unbewußt,
sche Linien formte Abstraktionen im
Sinne! und nach dem ieweiligen geistigen
des Klanges diesen intuitiv in wahlverwandte
kleidete. Die so entstandenen Blätter der
schen Graphik" zeigte er im Überschwai
Erlebten musischen Freunden, die nun auch il"
zu experimentieren begannen. Bei späteren
chen stellte sich eine frappante Ähnlichl
Gleichheit der gewählten Linien und Farben
Von nun an war Viktar Pipal überzeugt, daß
nur eine Logik der Farben, sondern auch ei
bedeutsame gesetzmäßige Übereinstimmung
und Farbe und von Rhythmus und abstrakter
führung gibt.
Ungefähr 50 Blätter dieser musikalischen
wurden über die Not der Zeit hinübergeret
sind im Besitz des Künstlers. Ocker-sepia
Farbreihen, die die verschiedenen Stufen ei
Formungen widerspiegeln, kontrastieren
blau-violetten Skala. Eine gelb-weiß und
zu hellrot sich steigernde Farbenreihe sche
Viklor Pipol, Herbsllandsdxcfl Klosfemeuburg, 01
60x74 cm. Nioderösrerreichisdaes lundesmuseum, Wien
Vikior Pipal, Eroicagasse in Wien-Döbling. 4a a1 cm, Ul
Vikmr Pipul, Kellergasse in Wien-Döbling. 4a a1 cm, 01
Viktor Pipal, Herbstlandsdtatt Klosterneuburg, Ul
60x74 cm. Niederüslerreichisdies Landesmuseum, Wien
Viktor Pipal, Eroicagusse in Wien-Dobling. 4a cm,
Viktor Pipal, Kellergasse in Wien-Döbling. 43x61 cm,
geistigen Bereich verhaftet zu sein. Bei Beethoven
dominiert die geistige Komponente in Blau, Grün,
Ocker, Gelb und ausstrahlenclem Weiß, während
die materialisierten Regionen Braun, Grau, Schwarz
und Rot beanspruchen. Grelltöne und Mollver-
schwommenheiten wechseln ab. Vehemente Rhythmik
findet im linearen Geschehen Ausdruck und Tempo.
Aus der schwer zu deutenden Menge der Graphiken
der ietzt schon hochbetogte Künstler kann wegen
seiner Sprachbehinderung nur sehr unvollkommen
zu Erklärungen in Anspruch genommen werden sei
noch die Produktion des romantisch-pathetischen
Bereiches von Richard Wagner und die eindringli-
chen graphischen Studien der sakralen Musik von
Anton Bruckner hervorgehoben, wo das erdhaft
Dämonische in blauen und violetten Spiralen ver-
körpert ist. Das Übersinnliche triumphiert in weiß
aufblitzenclen Protuberanzen. Wahrscheinlich haben
diese unikalen Graphiken durch lange, behelfs-
mäßige Lagerung manches von ihrer ursprünglichen
Kraft eingebüßt. Sie bleiben aber eine interessante
Dokumentation früher abstrakter Graphik der
Wiener zwanziger Jahre.
Für Viktor Pipal stellen sie das richtungweisende
Farbkompendium dar, das für ieden aus dem opti-
schen Motivmilieu quellenden musikalischen Erinne-
rungsakt, seien es Melodien oder Tonfolgen, die
wahlverwandten Farbtöne auf der Palette fixierte.
Als nun der Maler Pipol seine einsamen Spazier-
gönge in seiner Freizeit durch Heiligenstodt, Sieve-
ring, Ottakring, Nußdorf, Breitensee, durch die
Kahlenberger Straße unternahm, klangen in seiner
Erinnerung Melodien und Motive klassischer Musik-
stücke auf, die mit den dämmernden Konturen des
nahenden Abends oder eines düsteren, winterlichen
Tages in Blau, Grau und andere Schattentöne zu-
sammenflossen.
Der gewandte Zeichner Viktor Pipal hielt mit weni-
gen Bleistift-, Kohlen- oder Tuschestrichen sein Bild-
motiv im Skizzenbuch fest und vollendete im Nach-
klingen des musikalischen Erlebnisses seine Gemälde.
Blaue, graue Dömmerungen über Armut und ver-
welkende Talente und Lebenshoffnungen kleiner
Leute" im Zwielicht und in der Enge der Vorstadt,
alles ins Zeitlose gerückt, Bewohner eines anderen
Wiens, fern von Heurigenmanie und Verkaufts-
mei-Gwand"-Stimmung, malte der Meister der Musik
in Farben. Er symbolisierte diese Namenlosen durch
kahle, abbruchreife Vorstadthäuser, deren Mehrzahl
ietzt gar nicht mehr existiert, durch eine kalkige
Hauswand, eine Straßenlaterne, eine Wöscheleine,
eine morsche Plakatplanke, durch einen müden
Baum. Aus der Hoffnungslosigkeit seiner Molltäne
blitzt in dramatischer Antithese ein Licht auf, Visionär.
So schuf Viktor Pipal in tiefstem Grunde soziale
Gemälde. Es sind das der Rummelplatz", mehrere
Variationen der Kahlenberger Straße", das Pud-
lerhaus in Nußdorf", die Eroicagasse", das Beet-
hovenhaus", eine Winterliche Gasse", eine Gasse
in Sievering", die erste und zweite Fassung vom
Ratzenstadl", ein Haus in Ottakring", der Pfarr-
platz in Oberdöbling", der Wintermorgen", die
Greiner Gasse", eine Gasse in Grinzing", die
Straßenecke", der Autostandplatz", das Weiße
Haus in Ottakring", ferner Zerstörte Höuser", die
Bahngasse", das Ende einer Gasse" und viele
andere. Viktor Pipal hat als Vedutenmaler Wiens
37
seiner Stadt das gleiche gegeben, das Rudolf von
Alt seinem zeitgenössischen Wien hinterlassen hat.
Die Veduten und auch die anderen Landschaftsbilder
mit Motiven außerhalb Wiens sind klassische Zeu-
gen des Wiener Spötimpressionismus. Dieser im
heutigen Wien nunmehr deutlich in einigen Varian-
ten in Erscheinung tretende End-Stil besitzt eine
wesentlich lokale Verkettung. Um die Wende des
achtzehnten Jahrhunderts hatte sich bei einigen
Malern, wir würden heute von Avantgardisten spre-
chen, die mutige Abkehr von der barocken Malerei
zu scharfer und unparhetischer WirklichkeitsdarsteI-
lung vollzogen. Zu diesen ersten Naturalisten"
hatte Ferdinand Georg Waldmüller nahe Beziehun-
gen. Sein Genie sah den sonnendurchleuchteten
Augenblick in aller Farbenpracht und Präzision. Auf
diesem Wege war Waldmüller knapp bis zum
38
Impressionismus vorgedrungen. Rudolf von Alt,
August von Pettenkofen und Theodor von Hörmann
die genannten Künstler sind noch lange"nicht auf
dem internationalen Forum genügend hoch einge-
schätzt hatten leidenschaftlich für die lichtbetonte,
atmosphärische Malerei weitergearbeitet und ein
Resultat gezeitigt, das für die Empfängnis des
französischen Impressionismus den geeigneten Nähr-
boden bot, Dabei ist nicht zu übersehen, daß sich
der erste Teil dieses Werdeganges im Blickwinkel
der deutschen Romantik vollzog und als Kontrast-
wirkung zu dieser gewertet werden muß. Erst bei
dem typisch sozialen Maler Viktor Pipal wacht wie-
der eine Nuance der Romantik auf, nämlich der
Hang zum Melancholischen, zum Lenauton", der
sich bei Pipal aus dem Mißverhältnis des schwer
ringenden Künstlers zu der Gesellschaft erklären
lößt.
Viktor Pipal ist, um Geltung kömptena, eine
und in seiner Art selbstbewußte Persönlichki
worden. Melancholie wurde Anklage. Auc
musikalische Schubertgebürde überwand der
ler im Geiste der Musik. Seine Farmen- und
sprache wurde hart.
Um dem umfönglichen Lebenswerk Viktor
gerecht zu werden, seien auch die Vedutc
Wiener Innenstadt Mölkerbastei", Augu
straße", Freyung", Albrechtsrampe", Ze
Feuerwehrzentrale", ferner die Bilder lm
Gastgarten im Frühling", Kellergasse im Vl
sowie die Praterbilder und sein Gemälde
Donau" genannt.
Gleich Rudolf von Alt hat Viktor Pipal auch
Wachau, Niederösterreich und im Burgenlani
Motiven gesucht, die der Musik seiner Seel
sprachen. Ernte dieser Wanderungen sind
anderem die Bilder Dürnstein", Gasse in
stein", Krems", Stein", Senftenberg", Scl
in Drasenhofen", Ringelspiel im Dorf",
bruch", Heidenreichstein", Dorfstraße mit
lern", Burgenlöndische Straße", Keller in
dorf", Abendlandschaft Wolkersdorf", drei
relle von Waidhofen an der Thaya", Pulkcii
eines der echtesten Pipal-Bilder Der aufgel
Friedhof". Die solide traditionelle Bindung
Viktor Pipal auch in den Bildnissen Meine
zwei Fassungen, Mädchen am Fenster", Mr
mit Blume", Alte Frau", Bildnis eines Mann
seinen Genrebildern Netzflicker", Schni1
Geldzöhlende alte Frau", Rauchender
Kleinhauslerin", Häusliche Idylle" und Spie
Knabe mit Schiffchen" sowie in seinen Blun
dem.
Die Bilder Viktor Pipals sind weder romontiscl
naturalistisch, sie besitzen einen aufgeloz
Realismus, der durch eine zur Natur paralle
fundene Farbigkeit aus dem Geiste der Mu
dramatischen Kontrast zwischen Leuchten'
meist bläulich getönten Dunkelheiten iene Stir
und Augenblicksotmosphdre erhält, die für
Wiener Spötirnpressionismus charakteristisch
Seine Sfilfarm, eine Repräsentation eines
ginn des lndustriezeitalters neuen Lebensg
ist heute bereits von anderen Form- und
gehalten überrollt. Sie kann aber als Beleg
gelten, daß es auch im Bereich der Wiener
unseres Jahrhunderts eine spezifische Wiener
gibt, deren Essentielles traditionsgemäß dar
steht, lmportgut mit heimischen Werten Zl
schmelzen und mit einem Höchstmaß techi
Feinheiten auszustatten.
Viktor Pipal, Das "LObkOWlfZDGlUlS" in Wien, lnr
Stadt, Augustinerstraßeillü 61 cm, Ol
Viktar Pipal, Ländlicher Friedhof. 4B 6l cm, Öl
'ogel
ILIEN IN DEN
HOLZSCHNITTEN
.INDE WABER
Vielleicht würden wir es anders erwarten, tropisch
üppiger, farbensprühender und greller, das Bild von
Brasilien; doch die Künstlerin zeigt uns ein Brasilien
vor dem ewig wuchernden Grün der Urwälder, ein
Brasilien unendlich langer Küsten und vor allem ein
Brasilien der gewaltigen Spannungen von Luxus und
Armut, von barocker Kultur und elenden Slums, von
westlicher Zivilisation und den immer wollenden,
bedrohenden Mächten der Natur. Vielleicht bringt
die Künstlerin vieles von der Tanigkeit der Farben
schon mit, ist uns manches zum Teil von ihren Holz-
schnitten nach Motiven aus ihrer niederösterreichi-
sdien Heimat schon vertraut, und doch will es uns
scheinen, als würden in den zehn großen Farb-
holzschnitten, die Linde Waber als Niederschlag
einer Reise durch Brasilien im vorigen Winter schuf,
neue Wertigkeiten auftauchen.
Wir wissen Der Holzschnitt bedingt eine harte,
zuchtvalle Arbeit und neigt, schon vorn Material
her, eher zu einer herben, strengen Linienführung
denn zu weichen, fließenden Komponenten. Trotz-
dem sind die Werke dieser Künstlerin wie wir
schon in einem Vorwort eines Kataloges zu einer
Ausstellung ihrer Holzschnitte feststellten von
überraschend malerischen Modulationen geprägt.
Wir führten letztere einerseits auf die frauliche
sich Ungeordnetes breitet, ebenso wie hinter der
Horizontlinie. Selbst in dem Blau des Himmels oder
des Meeres ist keine Eindeutigkeit, eine Spur zieht
ins Ungewisse. Ähnlich verhält es sich bei dem Bild
von Rio de Janeiro, nur daß hier der Atem des
Meeres alles blau überhaucht. Der mit Elend wie
mit Krätze überzogene Leidende Berg" bringt
ein verwandtes Motiv wie das zweite Blatt. Bewegter
kurven sich die Konturen, in schroffen Einschnitten,
zernagt, zersägt ist das Massiv.
Bei den Bildern Sao Paula", Churasco" und Sal-
vador de Bahia" sind wieder Architekturen in ver-
schiedenen Abstufungen die wesentlichen Bild-
inhalte, und wieder sind sie Ausdrucksmittel und
Träger der sozialen Gegensätze. Sao Paulo" im
brennenden Rot, mit den getürmten Hochhäusern,
Churasco" mit den winkeligen Gassen im Vorder-
grund und ebenso Salvador de Bahia", nur daß
bei letzterem nicht die steinernen Wohntürme hinter
den verfallenden Elendsvierteln aufragen, sondern
die Türme des alten Domes, zu dem die elenden
Gestalten der ausgepawerten Massen auf der ge-
wundenen Straße in feierlicher Prozession einmal
im Jahr hochpilgern.
In den beiden sehr schmalen, im Breitformat gehal-
tenen Blättern Die Geschichte um Brasilia" und
Naher, Brasilianische Tragödie, 1969. Farbholx-
Komponente der Künstlerin, andererseits auf ihre
technische Versiertheit zurück. Das technische Rüst-
zeug erarbeitete sie sich in der Meisterschule bei
Prot. Christian Ludwig Martin und Prof. Max Mel-
cher an der Akademie in Wien. Besonders der
technischen Anleitung Max Melchers verdankt Linde
Waber, wie manch anderer iunger Druckgraphiker,
besonders viel.
Was uns bei den Blättern aus Brasilien nun beson-
ders auffällt, ist die Bedrängnis, das Überhand-
nehmen des Ungewissen, des bedrohlich Chaoti-
schen. Sicher, bei dem ersten Blatt, das den Titel
Ohne Brücke" trägt, ist das nur gleichsam am
Rande und aus dem Unterbewußtsein zu spüren.
Und doch, auch hier beginnt schon das Feste, die
wunderbare alte Barockarchitektur im rechten Stadt-
viertel, zu wanken. Die Wasser des Meeresarmes
trennen diese Stadt von der anderen drüben, wo
die elenden Hütten und Notquartiere der Teutel"
sind. Noch ist alles hier, doch schon geht der Riß
quer durch. Telegraphendrühte gehen andeutungs-
weise über das Bild hinaus. Wohin?
Sicher, das sind kompositorische Elemente, und doch
ist es auch mehr.
Bei Las Favellas", einem Bild mit starkem Dia-
gonalautbau, tritt die Fragwürdigkeit dieser Er-
scheinungswelt schon deutlich hervor. Im Zentrum,
an einem Hang, befindet sich die Bretterbudenstadt
der Armen, im Hintergrund, rechts darüber, ahnt
man die Hochhäuser der City, und vorne, die ganze
Fläche querend, liegt ein kahler Tierschädel,var dem
Brasilianische Tragödie" wird gewissermaßen das
ganze Erlebnis Brasilien zusammengefaßt. Beide
Blätter zeigen andeutungsweise die zwei großen
Figuren, die in der Stadt Brasilia aufgestellt sind,
die Kirche und andere charakteristische Gebäude,
das Grün der Urwälder, das Ocker der Wüsteneien
breitet sich aus, und während die Bewegung im
Bild bei der Geschichte um Brasilia" zu den Blatt-
röndern und über sie hinausdrängt, anscheinend
ohne Ende, schiebt sie sich gewissermaßen bei der
Tragödie" im linken Drittel zusammen. Bei beiden
ist das eingangs erwähnte Ungewisse, Unfaßbare
dominierend geworden die longgezogenen, wie
tadig gewischten Partien, die, einem Sandsturm
ähnlich, um die Hauptstadt des Landes ebenso wie
um das chaotisch Zusammengepreßte der Tragödie"
sind. Auf letzterer Darstellung vereinigen sich die
verschiedenen Eindrücke Die Wolkenkratzer links
und die charakteristischen Obiekte der Hauptstadt
rechts, dazwischen, in einem magisch hellen Streifen,
werden die alten, wankenden Bauwerke der Kolo-
nisationszeit zerquetscht. Dunkel herrscht da und
dort, Risse tun sich auf, spitz und eckig greifen die
Konturen in das ungewiß Weiche der über dem
Horizont schwebenden Helle.
Wenn wir diesen Zyklus mit Linde Wabers früheren
Arbeiten vergleichen, will es uns scheinen, daß sie
sich einer dynamischeren Arbeitsweise nähert und
doß sie die Bezugspunkte immer öfters über die
Blattränder hinausschiebt, womit auch das nicht
Gezeigte in das Bildgeschehen einbegriften wird.
39
Lmde Weber, Leidender Berg, T969. Farbholzschn
Llnde Wabev Ohne Brücke 19m9. Fcrbhclzschnvff
Lmde Weber, Las Fcxellcs, 1759 Furbholzschnin
Lwnde Wuber, R10 Le Myshvv,T969.Furbhol1sd
Lmde Weber Die Geschichäe um Bruswha, 196
holzschniN
Erich Fitzbauer
HERWIG ZENS-
DAS ZEICHNERISCHE UND
GRAPHISCHE WERK
Die Kunst unserer Zeit geht bei der Auseinander-
setzung mit der Realität die unterschiedlichsten
Wege. Zwischen gelassener Resignation und leiden-
schaftlicher Anteilnahme, zwischen ernster Ergriffen-
heit und heiterem Sarkasmus, zwischen steitem
Pathos und skurriler Clownerie finden sich, vom
Gegenstandslasen ganz abgesehen, zahllose Spiel-
arten, und das macht, bei der Anzahl der Motiv-
kreise und einer immer größer werdenden Auswahl
an technischen Verfahren, die ganze erstaunliche
Vielfalt der Ausdrucksmöglichkeiten des zeit-
genössischen Künstlers aus,
Vorbilder gibt es zur Genüge, in Vergangenheit
42
und Gegenwart, und so hat es der Künst
heute, dem es um die Bewältigung der Rec
tun ist, nicht leicht, einen eigenen, von
prögtem nicht belasteten Strich, kurz sein
sönlichen Stil zu finden.
Gelegentlich aber gelingt dieser wichtige
so auffälliger Weise, daß das Ergebnis,
der Legion mehr oder weniger unbeholfer
vergeblicher Versuche, unsere ganze Aufm
keit verdient. Ein Beispiel dafür meinen wir
Zeichnungen und Graphiken des 1943 in
bei Wien geborenen Herwig Zens zu erkenne
Das bevorzugte Werkzeug des iungen Küns
Herwig Zens, Foniainebleuu, 1969. Radierung
Herwig Zens, GigunW oder Beelhoven beim Anblick
des Wiener Feslwochenplakufes 197 Rudierun 1970.
Aus der Graphikmuppe Feuersfnub heuer lau zum
Beelhoven-Jahr. Graphische Sammlung Alberiinu Wien
Herwig Zens, Chantilly, 1969. Federzeichnung. Bundes-
minislerium für Unterricht und Kunst
Herwig Zens, Mardwegg, m9. Feder. Bundesminislerium
für Unlerrichl und Kunsl
Hsrwig Zens, Der große Speerwerfer, 1965, Feder-
zeidwunzg
Herwig ens, lndiunupalis, 1970. Federzeichnung
feine Tuschfeder, die er in überaus charakteri-
cher Weise handhabt. Der Gefahr, in seiner
hhaltigen Produktion einer Manier zu verfallen,
Zens dadurch auszuweichen, daß er allen
öpferischen Variationstendenzen, die sich ihm
rieten, nachgibt, freilich innerhalb eines fest
rissenen, wenn auch nicht allzu eng gezogenen
malen und thematischen Rahmens. Einerseits
zt er etwa die feine Schraffur und wendet sie
hlich an, daneben hat aber auch das Lineare,
einfache Strich, seine wichtige, ia oft dominie-
de Funktion. Und in zahlreichen Blättern sind
ierte oder aquarellierte Bildteile Schwerpunkt
und meist auch Ausgangspunkt der Darstellung.
Betrachten wir seine Arbeiten vom Standpunkt der
Komposition, so finden wir, wenn auch in der
Minderzahl, sehr detailreiche und durchgestaltete
Lösungen, in denen die einzelnen Elemente vor
allern einer formalen Einheit zustreben, während
sich die Sinnzusammenhänge, wenn überhaupt,
meist erst nach schwieriger Deutung erschließen,
wobei dem Unbewußten ein hohes Maß an Bedeu-
tung zuzukommen scheint.
Die meisten Blätter von Zens iedoch sind sparsam
gehalten, so sehr, daß gelegentlich auf den ersten
flüchtigen Blick der Eindruck des Unvollendeten, ia
geradezu des abrupt Abgebrochenen entstehen mag.
Doch hat das ausgesparte Weiß, das oft große
Flächen beherrscht und dabei von äußerst behut-
sam gesetzten Kontrasten abgeteilt oder umgeben
ist, stets eine wichtige Funktion in der Gesamtkon-
zeption. Hat man die Intentionen des Künstlers
einmal erkannt, dann spürt man in seinen Blättern
immer stärker die Tendenz zur Geschlossenheit, zur
Geordnetheit, selbst dort, wo zuerst der Eindruck
des Chaotischen, Disharmonischen, io des Provisori-
schen vorgeherrscht haben mag.
All dies findet eine bevorzugte Anwendung auf
einen Themenkreis, in dem der Mensch als Einzel-
43
Herwrg Zens, Brahms-Saul, 1969. Federzemhnung
und Gruppenwesen figuriert. Dabei wird der Künst-
ler mit seinem typischen, zum Skurrilen und Kari-
katuristischen neigenden Strich, der stets aber nur
Mittel bleibt zu dem von einer Idee geleiteten
Zweck, zu einem oft scharfen Kritiker der
Gesellschaft unserer Zeit. Van den zahllosen
Spannungen, die sich auftun zwischen Mensch und
Mensch, zwischen Mensch und Kollektiv, zwischen
Mensch und Sachobiekt und letztlich zwisdien dem
Menschen und einer Idee, finden manche bei Zens
überzeugenden künstlerischen Ausdruck, wobei wir
zum Teil recht eigenwilligen Verschlüsselungen und
Interpretationen begegnen. Meist wird das mensdi-
liche Sein, egebenenfalls unter Hinzuziehung auto-
biographischer Momente, erst nach vielen Brechun-
gen in den einzelnen Persönlichkeitsschichten sicht-
bar, und derlei Spiegelungen, fremd und kaum
kenntlich anmutend, erscheinen dem Beschauer dann
nur noch als phantastische Komposition mit kaum
erkennbaren Wirklichkeitsbezügen.
Aber solches meist unbewußte Auf- und Ab-
kreuzen in den bewegten und unabgrenzbaren
meerweiten Bereichen zwischen Tag und Traum,
zwischen Wirklichkeit und Uberwirklichkeit ia
selbst Unwirklichkeit macht erst, die vollendete
Handhabung des technischen Riistzeugs voraus-
gesetzt, das eigentlich Künstlerische aus, zumindest
für den, der in der Kunst einen Weg zu den dunklen
Tiefen der Seinsfragen, zu den letztlich unenträtsel-
baren Geheimnissen des Lebens sucht.
Unter den Bildnissen dominieren die sogenannten
Selbstporträts, die freilich infolge ihrer bis zu
maskenhafter Unkenntlichkeit reichenden Fremd-
artigkeit eher beklemmende Visionen einer fast
schon utopisch anmutenden Welt als Spiegelungen
der eigenen Persönlichkeit zu sein scheinen. Und in
manchen Blättern erreicht die Ausdruckskraft des
Grauens eine Dichte und Intensität, wie man sie
seit den expressionistischen Schöpfungen der zwan-
ziger Jahre nur selten gesehen hat.
In den Gruppendarstellungen liegt fast durchwegs
ein unüberhörbarer satirischer Ton, der sich bis zu
heftiger Aggressivität zu steigern vermag. Publikum
wird wiederholt Zielscheibe seines Sarkasmus. Der
akademische Bereich mit all seinen Auswüchsen
wird besonders scharf aufs Korn genommen, die
Fragwürdigkeit politischer Agitotionen angeprangert
und die würdevoll sich gebärdende Hohlheit so
mancher abgelebten Institution ad absurdum ge-
führt.
In vielen Zeichnungen ist der Mensch nur ein Teil
innerhalb eines kompositorischen Ganzen. In frü-
44
heren Blättern weist etwa manches ins Gebiet
einer grotesken Anatomie, mit Totenschädeln,
Skeletteilen, isolierten Gliedern und Sehnensträn-
gen. In iüngster Zeit wieder nehmen architektoni-
sche Elemente in wachsendem Maße einen immer
breiteren Raum ein. Ja mitunter tritt der Mensch
gänzlich zurück, und die Kulisse einer Stadt ader
ein eindrucksvolles Bauwerk gelegentlich mit spar-
samer Andeutung von benachbarten landschaft-
lichen Elementen wird zum ausschließlichen Bild-
inhalt. Eine Folge von interessanten Zeichnungen
niederösterreichischer Burgen und Schlösser gibt da-
von Zeugnis.
In den Landschaftsdarstellungen aus der iüngsten
Zeit finden wir in wachsendem Maße aquarellistische
Elemente miteinbezogen, und das führt zu reizvoller
Synthese von diffiziler Schwarzweißzeichnung und
großflächig, großzügig gesetzter, im ganzen aber
gemäßigter Farbigkeit.
In der Druckgraphik ist Zens von Holz- und Linol-
schnitten ausgegangen. Manches davon ist in Buch-
form erschienen, als Beigabe zu lyrischen Texten,
die dadurch eine treffende, doch sehr freie, von der
Illustration im herkömmlichen Sinn weit entfernte
graphische Ergänzung erfahren. Eine ähnliche Be-
ziehung zum lyrischen Text zeigen auch die Radie-
rungen des Mappenwerkes Bahnhof der Hoffnung",
interessante Arbeiten, die noch stark mit seinem
individuellen Zeichenstil korrespondieren. Seit die-
sen Anfängen gelangte er, im Erkennen und Nützen
der verschiedenartigen technischen Möglichkeiten
dieses Verfahrens, darin zu immer neuen graphi-
schen Lösungen. Und hat er bisher seine Thematik
im ganzen beibehalten, so weist im iüngsten Schaf-
fen manches darauf hin, daB sich das in stetiger
Arbeit erworbene tedinische Rüstzeug auch an
neuen Anwendungsgebieten wird erproben wollen.
Die Anfänge von Herwig Zens' skurril-phantastischer
Kunst reichen bis ins Jahr 1960 zurück, doch hat er
sich der Öffentlichkeit erst vor wenigen Jahren
vorgestellt, mit vereinzelten Illustrationen in Zeit-
schriften sowie durch einige Ausstellungen, die ihm
die spontane Zustimmung eines größeren Publikums
und der Kritik einbrachten. Daß sein Werk in-
zwischen nicht nur in thematischer Hinsicht beträdit-
liche Bereicherung, sondern auch manche Vertiefung
und Verfeinerung erfahren hat, konnte man während
einer im vergangenen Jahr in der Galerie Bosilisk
in Wien stattgefundenen Ausstellung, die diesem
Künstler gewidmet war, an Hand einer gültigen
Auswahl seiner Arbeiten erkennen.
PREISTRÄGER DES MULTIPLES-WETTBEW
Helmut Gsöllpointner, Rupert Klima, Beri
Cornelius Kolig, Jörg Schwarzenberger.
BILDTEXTE ZU Tangenten '70 und Hans Knesl
Helmuth esei ointner, Telescopeplastiw
Vordergrund asobiekte" von Tim Schröde
Ernst lnsom, Farbraulett" rechts; im Vori
win Reiter, .Himmlische Äpfel", rechts dah
ätlle Schar landend'; links davon Jerrit Torn
3.
Nyrom, Obiekt
Im Vordergrund eine Blechskulptur, .Symbo
Hannes TUIßO
Hans Knesl, Gebeugte', 1970. Stein, vs
Hans Knesl, ,.Große Schreitende', wss. Bete
Hans Knesl,.Relief in Scheibenfarm",'l968.G
Hans Knesl, Grofie Schreitende", 1970. ex;
msiesoi zu
ERREICHISCHES MUSEUM
ANGEWANDTE KUNST
nten '70 Multiples-Wettbewerb
HAUS, AUSSTELLUNGSHALLE, 4-10. NOVEMBER 1970
ünstlerische Tendenzen in Verbindung mit neuen Herstellungsverfahren er-
in den letzten Jahren die Grundlage struktureller Veränderungen auf allen
an des Bildnerischen. Die Möglichkeiten serienmäßiger Fertigung originaler
erke und nicht ihrer Reproduktionen sind enorm. Die Praxis zeigte iedoch
nur Ansätze einer auf Massenkonsum abzielenden Realisierung von
es.
igt durch den gewaltigen Aufschwung, den die Druckgraphik auf interna-
Ebene während der letzten Jahre zu verzeichnen hatte, versuchten sich
gster Zeit Künstler und Editoren in zunehmendem Maße auch mit der
tion und dem Vertrieb ganzer, beziehungsweise aus Einzelteilen zusam-
setzter Multiples. Diese Obiekte werden in zumeist doch nicht
tdigerweise limitierten Serien als Originale und nicht nach einem
al hergestellt. Ihr Preis ergibt sich primär aus Auflagenhöhe, Aufwendig-
twie dem Rang und dem Marktwert ihres Urhebers. Das Multiplikative
Serienobiekte liegt in der gewählten Form, kann und soll sich aber auch
Inhalt erstrecken. Damit soll was schon Daniel Spoerri, der Gründer
59 ins Leben gerufenen Edition MAT MuItipIication d'Art Transformable
chtigte die begriffliche Abgrenzung zur Reproduktion vorgenommen
aber auch zum Ausdruck kommen, daß Auflagenobiekte Multiples
ell eigene Bedingungen stellen. Als Originale in Serie sind Multiples
ur vervielfältigt, sondern oft auch in sich selber im Sinne schöpferisch-
iatorischer Betätigungsmöglichkeiten des Publikums vielfältig. Die ein-
Exemplare eines bestimmten Auflagenobiektes müssen daher nicht
Idig einander gleichen. Sie können auch wenn es Herstellungsart und
wen zugrunde liegende gestalterische Idee zulassen Stück für Stück,
ungsweise in zahlenmäßig festgelegten Serien voneinander abweichen.
er skizzierte Sachverhalt war für die Firmen W. HamburgerlA. Mosburger
andes Moment, den ersten Wettbewerb für künstlerisch gestaltete Auf-
biekte in Österreich auszuschreiben und durchzuführen. Für ein modernes
ieunternehmen stellt sich die Aufgabe, zur gesellschaftlichen Integration
unst mit beizutragen, zweifellos anders als für die Einzelperson, die
tigterweise rein subiektiven Vorlieben stattgeben kann und sich die
nach strukturell relevanten Ansatzpunkten kulturellen Tätigwerdens erst
ht zu stellen braucht. Die Impulse, die von Multiples als ergänzendem
aart zu Einzelkunstwerken im Sinne echter Breitenwirkung ausgehen kön-
iaben die Organisatoren des Wettbewerbes, an dem sich mehr als
österreichische Künstler mit annähernd 170 Obiekten, Entwürfen und
rpen beteiligten, in ihrem Vorhaben wesentlich bestärkt. Bildende Kunst
nd muß als geistige Leistung Exklusivität beanspruchen, sie sollte iedoch
it dem Buch oder der Schallplatte vergleichbar nur in untergeordneter
II von Geld und unikatbedingten Spitzenpreisen abhängig sein.
Peter Baum
obere Reihe v. I. n. r. 1-4
Hans Knesl Plastik. Zeichnungen. Aquarelle
NEUES HAUS, AUSSTELLUNGSHALLE, 27. NOVEMBER 1970 3. JÄNNER 19
Die seit dem Tode Anton Hanaks im Jahre 1934 eingetretene Stagnation
dem Gebiete der österreichischen Bildhauerei war nach 1945 wie mit einr
Schlag überwunden. Innerhalb kürzester Zeit entwickelte sich vor allern Wi
zu einem ungemein lebendigen Zentrum der modernen Plastik, das bis
Gegenwart seine Vitalität behalten hat.
Neben den Vertretern der älteren Generation, die in dem Zeitraum zwisch
den beiden Weltkriegen ihre Ausbildung erhielten und ihre frühen Arbeit
schufen, und die dann als Lehrende an den beiden Wiener Ausbildungszentr
tätig waren und auch noch sind, eroberte sich eine iüngere Generation, zu
Teil in Übereinstimmung, zum Teil in Widerstreit, ihre eigene Position.
war weniger von den internationalen Modeströmungen beeinflußt, sondern el"
eine konsequente Weiterentwicklung der seit dem Aufbruch zur Moderne
1900 hier in Wien bestehenden Tendenzen, die selbst im abstrakten Schaff
noch ihre Herkunft von der menschlichen Figuration erkennen lassen.
Von den Lehrenden wurde Hans Knesl von der Hochschule für angewanc
Kunst im November dieses Jahres 65 Jahre alt.
Vor den Arbeiten Hans Knesls, die er in den Materialien Ton, Gips, Naturste
und Metall, aber auch in Beton und Aluminium geschaffen hat, erweist es si
wieder sinnvoll, die alle Unterscheidung der Bildhauerei nach den Begriff
Skulptur" und Plastik" zu gebrauchen. Diese beiden polaren Gestaltung
weisen, wobei bei dem einen die direkte Arbeit am Stein, das Fortnehm
von Masse durch das Heraushauen der endgültigen Form mit dem Meißel
bei der anderen das Hinzufügen von Material um einen Kern zu versteh
ist, handhabt Knesl mit iener Sicherheit, die nicht allein aus einer das Har
werkliche vollendet beherrschten Technik resultiert, sondern vielmehr aus ein
künstlerischen Eros, dem die Sinnlichkeit des Materials und die Sinnenhaftigk
plastischer Formen die wesentlichen Elemente seines Gestaltens bedeuten. We
er auch hin und wieder durch Einbeziehung modernster Techniken über die
Grundtatsachen bildhauerischen Gestaltens hinauszugehen scheint, so bleibt
dennoch ein Bildhauer" im umfassenden Sinne.
Daß ein so schaffender Künstler darüber hinaus das stete Bedürfnis hat,
Feder, Stift und flüssiger Farbe der drängenden und schaffenden Unruhe
begegnen, ohne ienen physischen und zeitlichen Aufwand, die iede bildhaue
sche Arbeit erfordert, ist nur zu verständlich. Seine Themen und Imagination
auch mit graphischen und malerischen Mitteln zu bewältigen, ist ein für Kne
Schaffen charakteristischer Wesenszug. Solche Arbeiten sind nur in den settr
sten Fällen sogenannte Bildhauerzeichnungen, geplante Vorstudien oder au
nome Schöpfungen. Sie sind ein bedeutsames Nebenprodukt, spontan hingeset
aus der Situation und in ieder Situation entstanden. Skizzen- und Malblc
sind 1a seine ständigen Begleiter, um Geschautes oder visuell lmaginierl
festzuhalten, unmittelbar, dynamisch, gewalttätig, wild, aggressiv und brutal
immer in jener offenen und nicht abgeschlossenen Farm, die ieder spontan
Tätigkeit eigen ist.
Wilhelm Mraz
Bildfolge untere Reihe v. I. n. r. 5-8
Beriychta
Informationen
Aus der Kunstwelt Aktuelles
Albertina Anton Lehmden
Noch parallel zur großen Gütersloh-
Retrospektive von Aquarellen und
Zeichnungen des Meisters mit 109
Katalognummern von 1909 bis 1970
einen größeren Beitrag über den
Künstler brachten wir bereits in Num-
mer 112 der Zeitschrift Heribert Hutter
Zu A. P. Güterslohs ,Fabel von der
Freundschaft" eröffnete die Alber-
tina am 5. November 1970 eine Schau
von Aquarellen, Zeichnungen und Ra-
dierungen Anton Lehmdens.
Die insgesamt 140 klein- bis mittel-
formotigen Arbeiten wurden allerdings
zu dicht und unattraktiv gehängt. Da
unter den Blättern auch qualitativ
nicht allzusehr gesiebt wurde das
traf vor allem auf iüngst entstandene
Arbeiten zu, verpaßte man ein mög-
liches Optimum hinsichtlich Auswahl
und Präsentation.
Rechtzeitig zur Ausstellung fertig
wurde hingegen der Lehmden gewid-
mete Graphikband des Residenzver-
lages mit einer Einführung von Walter
Koschatzky und einem Guvrekatalog
Verfasserin Sigrun Stock der größ-
tenteils unnumerierten und hinsichtlich
ihrer Auflagenhähen kaum kontrollier-
baren Druckgraphiken.
Lehmdens Albertina-Ausstellung bie-
tet keine Überraschungen. So wie fast
alle Maler der Wiener Schule er-
schöpft sich auch dieser Künstler in
den letzten Jahren in zahllosen Wie-
derholungen gleichermaßen bekannter
wie gefragter Suiets und ihrer bild-
nerischen Umsetzungen. Von ganz
wenigen Ausnahmen abgesehen, wir-
ken Lehmdens neue Arbeiten gegen-
über frühen und früheren Blättern
1950 bis 1962 stereotyp, ohne wirk-
liche Inspiration gezeichnet koniunk-
turbedlngter Verschleiß auf Kosten des
ehemals bewundernswerten Einfüh-
lungsvermögens und einer ebensol-
chen Sensibilität.
Lehmdens Landschaften, Kriesbilder
und dem Verfall preisgegebene Ar-
chitekturen sind Symbole des Ver-
gänglichen. Sie verweisen in gleichnis-
haften Details ebenso wie in ihrem
thematischen Grundtenor auf die
Relativität alles irdischen. Obwohl
Lehmden den Menschen nur selten
darstellt, ist seine Bildwelt ganz auf
ihn bezogen. Lehmden definiert in ihr
dabei indirekt den Menschen als histo-
risches Wesen, das in seinen Zeug-
nissen dem Faktor Zeit begegnet, zu-
gleich aber auch sich von ihm laslöst,
um dem Absoluten nöherzukommen.
Die Poesie des Unauffälligen, Unauf-
wendigen, der Relikte einst großer,
blühender Kulturen, aber auch die
historische Aura, die Atmosphäre"
eines Stadtbildes beschäftigen dabei
den Künstler stets von neuem. Sie
sind für ihn das Gerüst, der -zunächst
äußerliche Anlaß für innere Bil-
der", für seine vorwiegend in frühen
Beispielen beglückend echten, gültig
umgesetzten, eigenständigen symbol-
haften Darstellungen von Werden
und Vergehen. Wo die Adäquanz von
Inhalt und Form in diesem hohen
Maß gegeben ist, muß auch die Frage
nach der Zeitgemäßheit beziehungs-
weise Zeitlosigkeit der Kunst von
Anton Lehmden positiv entschieden
46
werden. Eine hier nur fragmen-
tarisch ausgeiotete Ausstellung, die
in ihren qualitativen Unterschieden
ebenso zur Suche nach der Wahrheit
herausforderte wie in den themati-
schen Anliegen eines durch eine in-
haltliche Konstante sich auszeichnen-
den CEuvres. Abb.
Galerie nächst St. Stephan
Maria Lassnig
Body-awareness-painting" nennt die
zur Zeit in New York lebende Kärntner
Malerin Maria Lassnig ihre Gemälde,
die sie im Anschluß an eine Personal-
schau in der Neuen Galerie am Lan-
desmuseum Joanneum in Graz auch
in Wien bei Monsignore Mauer
zeigte.
Maria Lassnig interpretiert in diesen
introspektiven Erlebnissen" ein sehr
kritisches Verhältnis zur Zeit, zu deren
Symptomen, mit denen man in kon-
kreten Beispielen täglich konfrontiert
wird. Anonymität sie wird nur durch
ausgeprägte selbstbildnishafte Züge
durchbrochen und eine gewisse Mo-
numentalität sind in ihren der Pop-
Art und Neuen Figuration entfernt
zurechenbaren Darstellungen Merk-
male ausgeprägt subiektiven Zu-
schnitts.
Maria Lassnig ist eine ernst und hart
zupackende Künstlerin, die nicht auf
Artistik hält. Sie bevorzugt das Herbe,
eine eher unösterreichische Offen- und
Direktheit mit dem Ziel der Erkennt-
nisvermittlung. Sehr zustatten kam ihr
dabei in den letzten Jahren ihre ma-
lerische Flexibilität, die die Notwen-
digkeit stilistischer Veränderungen
und Neuakzentuierungen einkalkuliert.
Abb.
Amerika-Haus
Beispiel Eisenstadt
Künstlersymposien bringen nicht im-
mer die erwarteten Ergebnisse. Eine
Reihe von Unsicherheitsfaktoren, die
das Klima gemeinsamen Arbeitens
und damit die Voraussetzungen schöp-
ferischer Leistungen beeinträchtigen,
stand zuletzt gerade auch in Öster-
reich guten Gesamtergebnissen ent-
gegen. Das Jahr 1970 war iedach eine
diesbezügliche Ausnahme. Diese pa-
sitive Feststellung ließ sich beispiels-
weise bei den Retzhofer Malerwo-
chen" machen über sie berichtet Alois
Vogel an anderer Stelle, traf aber
auch auf die Ergebnisse des ebenfalls
internationalen Arbeitstreffens in
Eisenstadt zu. Eine Ausstellung in der
Galerie des neuen Amerika-Hauses
in Wien gab darüber unter dem Titel
Beispiel Eisenstadt" Aufschiuß. Elf
Künstler aus sechs Ländern waren an
der Schau mit durchschnittlich drei
Arbeiten vertreten. in ihrer Gesamt-
heit hinterließen die Werke einen er-
frischenden Eindruck. Erfreulich in vie-
len Einzelfällen die überdurchschnitt-
liche Qualität der Bilder, erfreulich
aber auch die lebendige Mischung
von Stilen und Tendenzen, das Auf-
einandertreffen unterschiedlichster
Meinungen und Ansichten, die bei Ar-
beitstreffen dieser Art als Ansporn
wirken können. Daß die drei betei-
ligten Österreicher Angeli, Messensee
und Gottfried Fabian mit dem Groß-
teil ihrer Arbeiten das günstige Ge-
samtergebnis nicht unwesentlich be-
einflußten, registrierte man gerne. Be-
sondere Beachtung verdienten vor al-
lem die beherrscht gemalten Bilder
Messensees, deren inhaltlicher und
formaler Spannungsreichtum in Ver-
bindung mit einer tatsächlich zeitge-
mäßen Variante des Gegenständlichen
in dieser Umgebung qualitative Spitze
war. Die Abstraktionen von Rudolf
Vambeck sie kommen mit sparsamsten
Mitteln aus, gewinnen jedoch gerade
durch diese Reduktion hinsichtlich
Form und Farbe an durchaus eigen-
ständiger Profilierung und Andrew
Molles zählten ebenfalls mit zum
interessantesten der Schau, an der
außerdem Roswitha Lueder BRD, der
Pole Stanislaw Fiialkowski, Tamas
Hencze Ungarn, Hansiörg Mattmuel-
ler Schweiz, Harry Hoehn und Do-
menick lzzo USA beteiligt waren.
Abb.
Galerie im Griechenbeisl
Kriesche, Haubert. Tesar
Richard Kriesche, Grazer Maler, Pla-
stiker, Konzeptkünstler, Hersteller von
Multiples, Siebdrucken und Environ-
ments, der sich gegenwärtig in London
aufhält, wurde im zehnten Jahr ihres
Bestehens von der Wiener Galerie im
Griechenbeisl zu einer Personalschau
eingeladen. Das Ergebnis eine für
lokale Verhältnisse ungewöhnliche Ex-
position, intelligent arrangiert und in
ihrer scheinbar puritanischen Grund-
tendenz für ein mitspielendes" Publi-
kum ein Aufmerksamkeitserreger er-
sten Grades. Kriesche, dem es um ein
Bewußtmachen und optisches Regi-
strieren von Fakten, etwa Zahlen,
Umweltfaktoren und Maßeinheiten,
geht, nimmt heute ieden ihm sinnvoll
erscheinenden bildnerisdien Ansatz-
punkt wahr. Er ist kein Spezialist,
kein Stilpuritaner, besitzt anderer-
seits aber doch durchaus persönliche
stilbildnerische Merkmale, denen man
hinsichtlich Farbe und Flächenokzen-
ten am ausgeprägtesten in seiner
Siebdruckmappe Herausgeber Pool"
im Forum Stadtpark bzw. dem Torf-
muilenviranment begegnete, das er
eigens für die Schau im Griechen-
beisl in Wien installierte. interessant
bei Kriesche auch die bewußte Hin-
wendung zu neuen Materialien und
Methoden, wie Plexigias, Tiefziehver-
fahren, Foto-Siebdrucken bzw. das
Einbeziehen von Vorfabrikaten ab-
geschnittene Zentimetereinheiten in
einen bildnerischen Prozeß, dem es
wie der Grazer Kritiker K. H. Haysen
feststellte um den Kontrast zwi-
schen der Festlegung konkreter Maße
und dem Gegensatz zur heutigen Fak-
tizität, die von diesen Maßen nicht
mehr beherrscht wird", geht. Daß
Kriesche in diesen Akten von Be-
wußtseinserweiterung eine eigene,
rein bildnerische Poesie erzielt, macht
seine Arbeiten besonders sympathisch.
Während das Griechenbeisl in der
Linzer Neuen Galerie eine große
Jubiläumsgruppenschau eröffnete,
ging das Wiener Programm mit Kol-
lektiven der 1944 in Waidhofen an
der Ybbs geborenen Malerin Ran
Haubert sowie des 1939 geborenen
lnnsbrucker Architekten um
gen Schülers Roland Rainr
Akademie der bildenden
Wien, Heinz Tesar, auf
Niveau weiter. Tesars Ko
tekturen" aus Holz, mit weit
harzlack überstrichen und
gelnder Oberfläche, besitze
charakter. Sie sind obwol
im kleinen Format ihre röui
formale Prägnanz offenba
größere architektonische Di
als Environments, die stäc
Akzente setzen und ihre gi
liche Relevanz erweisen kö
dacht. Tesars Obiekte verf
eine ausgeprägte ästhetiscl
nente. Ihre monocolore un
Eleganz, die Elemente orgai
sprungs mit stärker konst
stimmten Teilen adäquat
überzeugt dabei in ähnlici
wie die inhaltlich-funktions
Überlegungen, die durch di
tonischen Obiekte und Ense
Tesor provoziert werden.
Galerie Basilisk
Ausstellung Roter Apfel
Unter den vielen Ausstelil
zuletzt sehr agilen Golerii
die Schau Roter Apfel in
Basilisk" schon deshalb beSt
deutung, weil sie indirekt ei
sches" Faktum in Erinnerun
das in seinen Ausweitunge
Wiener Kulturleben außen
Bedeutung gewann. Fast oll
ler und Musiker, die vor
Jahren in der idyllisch
Hinterhofgalerie Zum Roti
im Landstroßenviertel ausst
ben inzwischen ihren Weg
Das heißt nun keineswegs,
von ihnen eine Berühmthe
soll iedoch mit Nachdrucl-
lichen, daß die vielfach bi
der Skurrilität keineswegs
Pioniere von damals zumini
künstlerischen Metier treu
Die farbenprächtigen, paeti
der von Harun Ghulam
dem Saxaphonisten der
unorthodax Jazz", Arbeiten
storbenen Erich Brauner Tl
dynamischen, aggressiven
gen Karl Anton Flecks, Mai
wirths inzwischen gut bekan
dene Zeichnungen mondär
Girls im Pop-Look, die eins
Häuserfluchten von Wal
hammad Malli er ist der
ger der vorhin genannten
Formation, Prelogs Abstrak
wie Bilder und Graphiken
Leskowa, Lia Pechoc und
Zimmermann bildeten die
lungsreiche Summe zwischl
spektivem und in die Zul
richtetem. Abb. 10
Staatsdruakerei
Franz Xaver Weidinger
Landschaften und Porträtstl
ren die bevorzugten Then
rund achtzig Arbeiten um
Guvrequerschnittes, den der
oberösterreichische Maler
phiker Franz Xaver Weic
großen Ausstellungsraum dt
druckerei in Wien vorstei
ll, die eine während Jahrzehn-
Jm Änderungen unterworfene
demonstrierte, wie sie nach
ung und künstlerischer Um-
für viele Landschatter des
hunderts Gültigkeit besaß.
allgemeinen sehr sensibler,
im über das Papier huschender
der nur in einigen figürlichen
und Zeichnungen von Köpfen
wärtere Konturen annimmt, ist
iidingers Blätter verschiedener
en charakteristisch. Ausgestat-
einem Schuß Romantik und
nanchmal stärker stattgegebe-
Akribie des Naturalisten aus
Jgung Impressionismus und
ianistische Strömungen sind
ls an Weidingers Werk nicht
varübergegangen, finden die
ogenen kleinformatigen Blät-
Künstlers auch heute noch ein
iertes Publikum.
Peter Baum
Bundesministerium für
Wissenschaft und Forschung
BESUCHERSTATISTIK DER
STAATLICHEN MUSEEN UND
KUNSTSAMMLUNGEN
Das Bundesminisierium für Wissen-
schaft und Forschung gibt bekannt,
dußindenihm uniersiehendenSicui-
lichen Museen und Kunstsammlun-
gen in den Monaten November197O
82.327 und Dezember 1970 67.539
Besucher gezählt wurden.
rE 1-10
Leiirrideri, Radierung, 1970
ri Paris GU'EVS1Gh,WE1bHCh8V
enak, 1919. Kreide, 527 X372 mm
Lussnig vor eiiderri iiirer Aus-
Nlg iri der Galerie HÖCHSQ
iepriari
LOSSmg, creaiiari dVÄdum, 194,0.
1111,50 a5 Cm
iried Fublan, KHHSÜIGFZ auf Leiri-
1970
Eh Messensee, Drei Figuren, 1970.
uf Leinwand, 102 232 cm
ird Ariaeii, xerriai Aiaiork iirid die
Khl von Cunukkule, 1970. Acryl auf
Nüfld, IUOx 120 arri
ird Kriesche iri seiner Aiieeieiiiirig
ar Wiener Galerie im Griechenbeisl
Tesur, Kariiakidrariiiekiar, 1970
1er Maiiarrirriad Mull1, Siudiunsichi,
Radivrung
10
47
Berichte
In INNSBRUCK, in der GALERIE IM
TAXISPALAIS, stellte vom 22. September
bis 1B. Oktober 1970 ANTON
CHRISTIAN aus. Dem 1940 in
Innsbruck geborenen Künstler, der an
der Wiener Akademie studierte und
einige Zeit in Paris gelebt hat, geht
es um das Raumproblem. Mit
Gegenüberstellungen von organischen
Figuren und anoranischen Räumen,
erreicht durch verschiedene
SClilCIiflIflQS- und Durchblickeffekte,
aktiviert er den Betrachter zu einem
geistigen Mittun. Der Katalog der
Ausstellung, von Peter Weiermeir
gestaltet, gibt ein einleuchtendes
Beispiel von Christians Bemühen,
erinnert aber auch an ähnliche
Obiekte, die Peter Baums Edition vor
zwei Jahren von Helmut Krumpel
brachte. Abb. 11
In GRAZ fanden zur Berichtszeit
Ausstellungen im Rahmen des
STEIRISCHEN HERBSTES statt, wovon
wir an anderer Stelle berichten. In der
GALERIE IM CAFE SCHILLERHOF
wurde eine Auswahl von Arbeiten
der beiden Maler GREGOR
TRAVERSA und MANFRED GONITZER
vom 30. September bis 19. Oktober
gezeigt. Während Traversa in seiner
phantastischen Strichelmanier
hauptsächlich immer neuen
graphischen Feinheiten nachzuiagen
sucht, wirkt Gönitzer flächiger,
neueren Strömungen zugetaner.
In SALZBURG zeigte die GALERIE
STUBHANN vom 29. September bis
24. Oktober 1970 eine Kollektivschau
der geborenen Meranerin MARTHA
COUFAL-HARTL. Es handelte sich
dabei um Arbeiten aus einem
Zeitraum von zehn Jahren, das
Hauptkontingent stellten Medaillen,
Reliefs und Kleinplastiken. Das
verwendete Material ist Bronze,
Serpentin und gemeißelter Stahl.
Von der Medaille kommend, wandte
sich die Künstlerin, die bei Professor
Ferdinand Welz in Wien studiert hat,
auch freieren Gestaltungen zu. Daß
sie schon lange auf einem Weg dazu
ist, zeigten auch ihre Sieger-
medaillen für die Olympischen Spiele
in Innsbruck, die 1964 entstanden.
Diese Arbeit trug ihr auch den
1. Preis einer internationalen Jury
ein. Auch die Technik der gemeißelten
Bronzen und Stahlplatten verrät das
künstlerische Herkommen der CoutaI-
Hartl. Die Serpentinsteine, alle in
den letzten Jahren entstanden, sind
ein interessantes Vortasten in einen
neuen Raum. Eine Anzahl von Farb-
linolschnitten ergänzte die Schau.
Abb. 12
In LINZ war in der NEUEN GALERIE
vom 21. September bis 18. Oktober
1970 das Stadtmuseum Linz mit der
Dokumentation FAHNEN UND
TEXTILIEN zu Gast. Es wurden damit
die Restaurierungs- und Kon-
servierungsarbeiten der Mitarbeiterin
des oberösterreichischen Landes-
museums, des Stadtmuseums Linz
und Hallein Frau CLARA HAHMANN
einem breiteren Publikum vor Augen
geführt. Der Hauptteil der Schau,
mit den wertvollsten Stücken, war
den Fahnen zugedacht. Die älteste,
ein hochrechteckiges Banner aus
rotem Fahnendamast, war eine
Linzer Bürgerfahne" aus dem Jahre
1605, die iüngste, die Fahne der
Bürgerschaft von Urfahr zur
Begrüßung Kaiser Franz' 1.", aus dem
48
Jahre 1814. Die Schäden waren oft
recht beträchtlich, und in dem
umfangreichen, wissenschaftlich
bearbeiteten Katalog, der Beiträge
von Georg Wacha, Ernst Burgstaller,
Ernst Penninger und Franz Lipp
enthält, wird spwohl die Arbeit des
Restaurators gewürdigt als auch über
die einzelnen Obiekte referiert.
Neben den Fahnen waren noch
Krippenfiguren, bekleidete Figuren,
Heilige darstellend, aus Holz und
Wachs, Marionetten und einzelne
andere Beispiele der Textilkunst nach
erfolgter Restaurierung ausgestellt.
Abb. 13
Ebenfalls in LINZ, allerdings im CLUB
DER BEGEGNUNG, konnte man
vom 24. September bis 22. Oktober
1970 die Malereien und Collagen des
Wiener ERNST ZDRAHAL sehen. Der
iune Künstler, der sich in seinem
Guvre auf immer weniger Farben
beschränkt, der Fläche zu Fläche in
Verhältnis bringt und mit seinen
aggressiven Anstrichen einer
technisierten Welt ihre kalten, glatten
Oberflächen vorhält, verläßt immer
öfters die Anordnung des recht-
eckigen Tafelbildes. Dem Kalten
und Glatten entsprechend, baut
Zdrahal oft runde Spiegel in seine
Farbkörper ein, auf daß der
Beschauer selbst in das Werk, kühl
und in der Krümmung des Glases
verzerrt dach wie sind wir
wirklich? aufgenommen wird. In
manchen Tafeln ist noch die humane
Bindung deutlich, in anderen wieder
eine mythische Bezogenheit, die
iedach durch lndustrieformen
verfremdet ist. Abb. 14
MAUTHAUSEN, mit dem Granitstein-
bruch Gusen bei Langenstein, war
heuer der Ort, an dem das
1. BILDHAUERSYMPOSION in
Oberösterreich stattfand. Die Firma
Anton Poschacher stellte Granite
im Werte bis 60.000 Schilling zur
Verfügung. Die Leitung des Treffens
lag in den Händen des Linzers
Hannes Hasledrer. Drei Künstler
entschieden sich für hohe Stelen. Es
waren das KARL PRANTL, STEFAN
KAMENECZKY und UDO KIRCHMAYR.
Haben Prantls und Komeneczkys
Steine Ruhe, Würde und Geschlossen-
heit, so ist dem Obelisken Uda
Kirchmayrs etwas unruhig Flatterhaftes
eigen, das dem Stein widerspricht.
Eine sehr schöne Gestaltung ist dem
Japaner MAKOTO FUJIWARA
gelungen, der einen gewaltigen Block
gespalten hat und ihn gewissermaßen
von innen bearbeitete. Wohl sind
auch diese Flächen bewegt, doch
spürt man hier organische Zusammen-
hänge. Ein Einklang mit dem Stein-
Sein und den Proportionen ist
gegeben. Auch HIROMI AKIYAMA,
der einen schwarzen, afrikanischen
Granit bearbeitete, schuf eine in
seiner Geschlossenheit schöne
Leistung. Die Komposition des
Niederästerreichers MATHIAS HIETZ,
mit seiner Gedrungenheit und
Schwere, ist mit der Großen Mutter
in Verbindung zu bringen. HANNES
HASLECKER schuf einen Altar aller
Konfessionen". OSAMU NOKASJIMO
baute ein ausgewogenes architek-
tonisches Gebilde. Die Arbeit des
Franzosen Walter GÜRTLER ist die
unpersönlichste. Die von der
menschlichen Figur bestimmte Form ist
spannungslos und tot. Die
Aufstellung der Skulpturen auf dem
Plateau oberhalb des Steinbruches
wurde am 31. Oktober in Anwesenheit
zahlreicher Festgäste gefeiert.
Abb. 15,16
LINDABRUNN in Niederösterreich
war heuer zum vierten Male der Ort
eines solchen SYMPOSIONS. Der
Japaner JIRO SUGAWARA schuf ein
Sonnensymbol, SHIGERU SHINDO,
sein Landsmann, knochenähnliche
Gebilde, GERHARD CLASS aus
Kanada erarbeitete ein sehr
statisches Zeichen mit zwei kugel-
förmigen Teilen, die durch einen
Sattel verbunden werden. Die beste
Arbeit ist wohl die des Polen
MACIEJ SZANKOWSKI. Der gut
gegliederte Stein ist eine freie
Abstraktion mit großen rhythmischen
Bezügen. Auch die Skulptur des
Osterreichers JOHANN REISCHER,
eines Autodidakten, ist eine gelungene
und gute Leistung. GERHARD LABER,
auch Österreicher, schuf ein
begehbares Werk, HERMANN
WALENTA ein ausgewogenes,
weichgeformtes Element, das mit
seinen erosiansartigen Durchbrüchen
besticht. FRITZ PILZ aus Wien stellte
gebündelte vertikale Formen auf, die
durch kugelförmige Elemente wie
durch Nieten verbunden werden.
FRANZ KATZGRABER, der heuer der
Leiter des Symposions war, formte ein
monumental wirkendes, in der
Senkrechten orientiertes Werk. JÜRG
SCHWARZENBERGER aus Wien
verteilte niedere, wellige
Steinelemente in der Landschaft.
Bei der am 28. September erfolgten
Feier zum Abschluß der Arbeiten
waren, wie alle Jahre, viele Freunde
des Unternehmens und Interessenten
gekommen. Landeshauptmann Maurer
sprach von der Wichtigkeit, diesen
Steinen einen Platz in Brennpunkten des
täglichen Lebens, vor allem an Orten,
wo iunge Menschen verkehren, also
etwa in Schulanlagen, zu geben.
Abb. 17, 18
Die Kulturverwaltung der Stadt KREMS
an der Donau hatte heuer erstmals
einen ÖSTERREICHISCHEN
GRAPHIKWETTBEWERB
ausgeschrieben. Eine Ausstellung
der mitPreisen ousgezeichnetenWerke,
ergänzt durch eine Auswahl der
eingereichten Arbeiten, war in der
Zeit von 26. September bis
11. Oktober 1970 im KUNSTLERHAUS
STADTPARK zu sehen. Die Jury,
bestehend aus W. Koschatzky,
F. Nowotny, M. Melcher und
H. Kühnel, erkannte die ersten beiden
Preise ieweils einer handkalorierten
Lithographie von PETER PONGRATZ
und einer Kaltnadel-Aquatintaarbeit
des Salzburgers RUDOLF HRADIL zu.
Weitere Preisträger waren BRIGITTE
SIMLINGER, ADI HOLZER, OTHMAR
ZECHYR, KURT AMMANN, PETER
KUBOVSKY, LINDE WABER, THEO
BRAUN, KARL KREUZBERGER. Die
sehr erfreuliche Initiative der Stadt,
die damit zeigt, daß sie nicht nur zur
Vergangenheit orientiert ist, müßte
vielleicht bestimmter zusammengefaßt
werden. Etwa in einer Konzentration
allein auf Druckgraphik oder Hand-
zeichnungen etc. Schade, daß sich
anerkannt gute Graphiker wie
Frohner, Hrdlicka u. a. nicht
beteiligten, womit sehr zu Unrecht
von vornherein eine Wertung des
Unternehmens entstand. Abb. 19
KREMS hatte aber in der selben Zeit
auch mit der Entdeckung eines bis
dahin vollkommen vermauerti
Kreuzganges aus dem letzten
Viertel des 13. Jahrhunderts
aufzuwarten. Im Laufe der Re
rierungs- und Wiederherstelli
arbeiten an der Dominikaner
und dem ganzen Klosterkomr
stieß man auf dieses nach ob
italienischen Vorbildern erric
nördlich derAlpen einmalige
An einer Seite des Hofes soll
Reste freigelegt und ergänzt
um so einen onnähernden Eir
des einstigen Zustandes zu Q1
freilich durch die spätere Auf
auf alle Fälle nicht wieder he
ist. Abb. 20
In KVOTO, Japan, stellte die
Österreicherin LINDE WABEIi
GALERIE HEIAN vom 6. bis
11. Oktober 1970 aus. Sie zeig
Farbholzschnitte, die in Wien
entstanden sind, und ebenso
brasilianischen Zyklus, über
in diesem Heft ausführlicher
berichten. Die Exposition T0111
allen Landeszeitungen eingeh
Würdigungen. Abb. 21
In WIEN-HIETZING präsentie
rührige GALERIE WITTMANF
9. bis 30. Oktober neue Bilde
LUCIA KELLNER. Die kleinen,
lebendi und farbenfreudig
Aquarelle kommen wohl zum
von Kandinsky, oft aber von
wir denken besonders an Ja
Choisy II" oder Schnee im
Frühling". Es sind Traumbilde
Besonders iene Blätter der Iel
Monate, bei denen die Künstl
sparsame Federzeichnungen
großen Farbflächen kombinie
einen köstlichen Reiz. Abb.
AI
Dr. Wanda Aschenbrenner
Am 10. Jänner 1971 ist Frau
Aschenbrenner nach schwere
kurzem Leiden gestorben. Dll
gebildete Kunsthistorikerinbe
sich ihr Leben lang mit der
der Barockzeit, insbesondere
Lebenswerk Paul Trogers, de
eine umfassende Monographi
widmete. Unsere Zeitschrift ve
ihr mehrere Beiträge zu diese
Wir verlieren mit ihr eine Mitc
deren besondere Fachkenntn
wir hoch einschätzten.
BILDTEXTE 11-22
11 Anton Christian, Ausstellun
Galerie im Taxispalais, Innsb
12 Martha Coufal-Hartl, Weinbei
1970. Serpentin
1a Clara Hahmann, Wappen da
Fahne des Bürgerkorps Hallei
14 Ernst Zdrahal, Doppelfigur,
110 90 cm
15 Bildhauersympasion in Mouthi
Oberösterreich. Plastiken von
nach rechts Hiromi Akiyam
Hannes Haslecker, Karl Prantl
Österreich
16 ildhauersymposion in Mauthi
Oberösterreich. Plastiken von
rechts Stefan Kameneczky S1
Osamu Nokasiima Japan
Hietz Usterreich, Makoto
gaben
17 ildhauersymposion in
Niederösterreich, 1970. P11
Sugawara Japan
18 Bildhauersymposion in
Niederösterreich, 1970. Plasti
llünri Reischer Österreich
19 Rudolf Hradll, Pietons, 196a.
und Aquatinta ein 1.
uUsterreichischen Graphikwet
der Stadt Krems, 1970i
20 Ehemaliges Dominikanerklos
051110991 des Kreuzganges,
fundene Säule aus dem letz
des 13. Jahrhunderts.
21 Linde Weber vor dem Ausste
der Galerie Heian in Kyoto
Ausstellung Lucia Kellner in
Witlmann in Wien-Hietzing
12
13
14
15
16
"I8
19
21
49
Grund der Überlegung gewesen sein, die größte Schau dieses Herbstes, die
den etwas umständlichen Titel österreichische Kunst 1970 Skulpturen plastik
abiekte" führte, im Schloß und Park EGGENBERG zu zeigen. Denn hierher
kommen täglich viele Besucher, Einheimische und Fremde, um das Bauwerk
zu besichtigen; und hier sollten sie auch mit den Zeugnissen unserer Zeit
konfrontiert werden. Um es kurz zu sagen Das Schloß hat eine großartige
Architektur, und von den Zeugnissen unserer Zeit bestanden daneben nur wenige,
viele kaum, die meisten überhaupt nicht. Daß es aber zu dieser Diskrepanz
kam, war sidier eine Folge der Auswahl, aber auch, und nicht zuletzt, eine Folge
der vollkommen verfehlten Aufstellung.
Zur Auswahl wäre zu sagen, daß bei einem Übergewicht an unreifen
Experimenten neuer Strömungen, wobei immer weniger vorgegeben und immer
mehr dem Betrachter" zu tun" überlassen wird, gerade die Bewahrer des
Menschenbildes", wie es in dem schönen Katalog genannt wird, zum Teil in
geringer Anzahl und zum anderen Teil mit schlechten Kräften vertreten waren.
Warum ist etwa nichts von Andreas Urteil ausgestellt gewesen? Nur weil er
gestorben ist? Warum sind Schweiger, Bottali und Coufal nicht, dafür aber
Erich Unterweger und Erich Huber, Graz, dabei? Warum hing ein so
schwacher Rotterdam und verschwand Cornelius Kalig fast gänzlich?
Und damit kommen wir schon zur Aufstellung, für die Oswald Oberhuber
verantwortlich zeichnet. Sowohl die Reihungen zur Siegesallee" der
Auffahrtsstraße als auch die Gruppierungen im Hof waren verunglückt.
Lieblose Aufstellung, wie etwa die drei Steine Karl Prantls, die sich infolge
des unebenen Hofbodens eder in eine andere Richtung neigten, oder die
begehbare Plastik Gsöllpointners, die niemand zu begehen wagte, weil sie
mitten im Gras stand dafür aber schön rat auf dem Grün wirkte, samit aber
wieder nur zum Anschauen warl. Eine Ausstellung österreichischer Skulpturen,
Plastiken, Obiekte, eine Präsentation der modernen österreichischen Strömungen,
wie erfreulich und wünschenswert, aber nicht in dieser ZufälligkeiW.
Als dritte Trigon-Personale stellte man im KUNSTLERHAUS GRAZ vom
4. Oktober bis 2. November 1970 den Mailänder Bruno Munari dem
österreichischen Publikum vor. Mit der Gestaltung der Exposition hatte Skreiner
Jörg Mayr betraut und damit einen guten Griff getan. Die rund 100
Gegenstände wurden auf eine vorn Dach abgehängte, frei schwebende
Konstruktion in der Längsachse des Raumes placiert. Eine kühle und
übersichtliche Anordnung, wie sie den kühlen und strengen Obiekten Munaris
entsprach.
Der Künstler ist ein Bahnbrecher der zeitgenössischen Kunst. Schon 1933
schuf er Zweckfreie Maschinen" aus bemaltem Karton und dünnen Seidenfäden
und 1935 veränderliche kinetische Strukturen. Aus den gezeigten Werken ging
eindeutig die mehrschichtige Struktur des Künstlers hervor hier Designer,
Gestalter praktisch verwendbarer Dinge, wie Aschenbecher, Leuchtkärper,
Speisewärmer u. ä., dort reine Graphiken, Lichtspiele, Plastiken, Dinge mit
rein ästhetischem und spielerischem Wert. Es wird aber auch die
Verschränkung der beiden Elemente einleuchtend, denn auch die
Asdienbecher und Speisewärmer haben in ihren sparsamen Formen eine
ästhetische Komponente, und mit den reinen Obiekten kann man hantieren,
spielen, Entspannung finden. Bemerkenswert, mit welch einfachen Mitteln
große Wirkungen erreicht werdenl
In der GALERIE MOSER waren vom 4. bis 24. Oktober 1970 neue Ulbilder
und Zeichnungen von Wolfgang Hollegha zu sehen. Diese Ausstellung
wäre allein eine Reise zum Steirischen Herbst" wert gewesen. Der
österreichische Künstler, um den es seit einiger Zeit stiller geworden war,
zeigte seine großformatigen Arbeiten. Die Farben in freiem Auftrag mit
solcher Beherrschung auf die Fläche gesetzt, mit feinen Nuancierungen in sich,
zu einem dynamischen Ganzen vereint, beweisen die ungebrochene Kraft
Holleghas. Im allgemeinen sind die Gefüge diditer geworden. Besondere
Leistungen stellen auch die außerordentlich großen Graphiken dar. Auch hier
ist die Sicherheit einmalig, mit der die Hand, auch dort, wo es ersichtlich
sehr schwungvoll und emotionell geschieht, den Strich zog.
Die Räume der NEUEN GALERIE GRAZ beherbergten die Ergebnisse der
fünften INTERNATIONALEN MALERWOCHEN AUF SCHLOSS RETZHOF.
Diese Leistungsschau bestätigte einmal mehr, daß bei diesen Arbeitstreffen
wesentliche Leistungen geschaffen werden und daß hier, trotz eines gegen-
seitigen regen Meinungsaustausches und einer im Menschlichen verankerten
Begegnung, ieder Künstler seine Persönlichkeit bewahrt und wesentlich Eigenes
schafft. Aus den drei benachbarten Ländern waren von Italien Bruno Conte,
Maurizio Nannucci und Giancarlo Zen, von Jugoslawien Petar Dabac,
Metka Krasovec und Vladimir Velickovic, von Österreich Peter Blaas, Andrea
Kovachich, Jorrit Tornquist und Robert Zeppel-Sperl gekommen, um in dem
bei Leibnitz gelegenen Schloß für Wochen in Ruhe arbeiten zu können.
Die besten Arbeiten hat in ieder Hinsicht der Jugoslawe Vladimir Veliökavit
geboten. Die drei großen sdiwarzgrundigen Bilder, auf denen blau-weiße
Figuren agieren, sind engagiert und doch künstlerisch packend, einfallsreich
und doch sparsam. Hier werden Zeitbezüge mit wenigen Andeutungen, Skalen,
Rastern hergestellt; der Mensch hängt drinnen wie in einem Netz, aus dem es
kein Entrinnen gibt, ist festgebannt wie auf dem Fernsehschirm. Das ist
eine neue Figuration, die mehr als Fleischbeschau ist, die zeitnah ist und unter
50
die Haul gehl. Besonders müßle man auch Tornquisl mit seinen gleichsam aus
dem Laboralorium kommenden Farbweriigkeilsfrägern nennen. Ebenso isl
der Beitrag des sleirischen Wieners Zeppel-Sperl originell. Er komm! aus der
enlgegengesefzlen Ecke, sozusagen aus der drillen, und malt unbekümmerl
seine Blumenmädchen und -knuben in eine landsdnafllicher gewordene
Zeppel-Welf. Erstmals wurde auch ein Foiograf IU den Leibnilzer Wochen
eingeladen, der Zagreber Pelar Dabac, dessen Milarbeil im Katalog auch zu
erwähnen wäre. Abb. 23-29.
Alois V01
BlLDTEXTE 23-29
23
24
25
26
Snirisdier Herbsf 197D, Helmuih
Gsöllpoininer, Begehbare Plastik, 1969.
Harfsdiaumbeschichäeö
Bruno Gironcali, 27 Siüdr Obiekle,
1770. Gi Mafrafzen
Bruno unari, Graphik ahgewandell
der Name Munari
Trigon-Personale Bruno Munurl
27 lnlernalionale Malerwochen auf Sch
Relxhaf, Bilder des lnnshrudcers
Blaas
28 Wolfgang Hollegha in der Gali
Moser, Graz
29 Internationale Malerwochen auf Srh
Relzhcf, Bild von Vladirnir Veliökt
Jugoslawien
Jeaenktage au Jahre sind
örntner Volksabstimmung,
lahre seit der Gründung der
Surk vergangen in der
unbekanntes Kunstgut aus
Wien vorgestellt wird.
rird eine Auswahl der
des Diözesanmuseums
t. Die Sammlung kam durch
gefährdeten oder liturgisch
benötigten religiösen
zustande und umfaßt
ir, Skulpturen, vollständige
liturgisches Gerät. Die
ig zeigt u. a. romanische
reuze, ein noch unbekanntes
Fastentuch, bestickte Kaseln
eschnitztes Kirchenestühl.
tionellen Aspekt
isito kommt demnach
is Gewicht zu, ihm wird auch
ar Abschnitt des Kataloges
ahl wurde mit Rücksicht auf
lschen Gegebenheiten
auf das Mittelalter
t. Das Diözesanmuseum
besitzt gerade aus dieser
ze höchsten Ranges innerhalb
itösterreichischen Kunst,
den Rangersdorfer Altar, die
ilde von Thomas und
von Villach, den Gurker
und die Magdalenenscheibe
rnsfeld, die zugleich mit
ant fIöchenhaft-ornamenfalen
die künstlerische Eigenart
dokumentieren. Die
ieit des dortigen Volks-
tZBIQl sich in dem Über-
bensbeiahender, freundlich-
üge in den ausgestellten
zen. Der profane Lebens-
scheint im Mittelalter noch
em religiösen verwoben;
au, der damals in Kärnten
bedeutende Rolle spielte,
zr dem Schutz verschiedener
rie etwa dem des hl. Daniel,
iulturhistorisdi und volks-
iesonders interessante
aus Flitschl mit sehr
Darstellungen der
Arbeiten und Geräte
at.
diten verfolgt die Oster-
Galerie mit dieser
wenig bekannte
aus dem so sehr besuchten
em Wiener Publikum vor-
Jnd was sich aus der
ung des Umfangs der
ig ergibt den Betrachter
daß diese Kunstwerke aus
iösen Funktion her
werden sollen.
sender wissenschaftlicher
iit Einleitung von Unim-Praf.
Demus Zur mittelalterlichen
ntens und von Hofrat
Dr. Leopold Schmidt,
les Österreichischen Museums
Lunde Kunstwerke aus
ls Zeugnisse mittelalterlicher
imigkeit liegt auf.
Diese latsacne wird durch eine
Reihe von Ausstellungen in den
verschiedensten Städten Italiens
bereits zu Beginn der Saison 1970l71
bestätigt.
Die Galerie Hermes" in Rom zeigte
Malerei und Graphik des
Grazer Künstlers Luis Sammer. Wie
Wilfried Skreiner im Katalogvorwort
schreibt, erkannte Sommer die
Möglichkeit zu autonomer eigen-
schöpferischer Gestaltung der Natur
ohne Reproduktion oder Negation des
Gegenstandes. Sie selbst wird für
ihn zum Material, das er in strengen
blockhaften Kompositionen
verarbeitet.
Im Anschluß an diese Ausstellung
brachte in der gleichen Galerie der
iunge österreichische Maler Helmut
Kand seine Werke zum ersten Male in
Italien.
Bei der IV. Rassegna d'Arte Moderno
in Acireale Sizilien waren diesmal
die Österreicher die einzigen Gäste
aus dem Ausland. Während die
italienische Kommission ausschließlich
Künstler eingeladen hatte, die sich
mit ambientalen Problemen befassen
und damit iene Tendenz fartsetzte,
die schon auf der variöhrigen
Biennale von Venedig dominierte,
wurde der österreichische Beitrag von
Graphikern aus der Wiener Secession
bestritten. Es beteiligten sich Hans
Escher, Karl Kreufzberger, Oskar
Matulla, Hans Staudocher,
Ferdinand Stransky und Heinrich
Tahedl. Die Raumgestaltung oblag der
in Venedig lebenden österreichischen
Kunstschriftstellerin Christiane David,
die auch bei der Round-table-Konferenz
mit italienischen Kritikern Österreich
vertreten hat.
In der Galerie La Lanterna" in
Triest wurde in Zusammenarbeit
mit dem Osterreidiischen
Kulturinstitut Rom die Ausstellungen
Druckgraphik aus der Ver-Sacrum-
Zeit und Graphik der Wiener
Secession heute" gezeigt, denen von
Presse und Publikum außerordentliches
Interesse zukommen. Prof. Oskar
Matulla, Vizepräsident der Wiener
Secession, wurde aus diesem Anlaß
vom Circolo di Cultura ltalo-
Austriaco di Trieste" zu einem Vortrag
über Gründung und Entwicklung der
Secession eingeladen. Im November
wurden beide Ausstellungen von
der Venezianer Galerie BeviIacqua
La Masa" am Markusplatz über-
nommen, um anschließend nach
Vicenza zu gehen.
In der Galerie a-dieci" in Mailand
waren Werke des aus Kärnten
stammenden Malers Fritz Steinkellner
zu sehen. Kristian Sotriffer stellte
den Künstler in der ihm eigenen
gewandten und geistreichen Art mit
einer Einführung zum Katalog dem
italienischen Publikum vor.
Die Goethe-Galerie in Bozen begann
die Saison mit Plastiken und
Graphiken von Alfred Hrdlicka. Ernst
Fischer schreibt dazu, daß Hrdlicka
iene Welt, die wir nicht so gewollt
haben, aber in der wir leben, von
der wir also nicht absehen können,
mit Rasiermessern zeichnet. Diese
Die Galerie bematoro" in t-lorenz
begann die Saison mit der Ausstellung
Mensch und Maske", in der
Arbeiten von Fritz Dobretsberger, Eva
Mozzucco und lnge Werthmann zu
sehen waren.
Am 10. Oktober wurde in der gleichen
Galerie die Ausstellung Zeit-
genössische Kunst aus Nieder-
österreich" in Anwesenheit des
Präfekten und des Bürgermeisters von
Florenz sowie der Vertreter der
niederösterreichischen Landes-
regierung und des Österreichischen
Kulturinstituts in Rom eröffnet. Die
Ausstellung stand unter dem Ehren-
schutz des Landeshauptmanns von
Niederösterreich, Okonomierat
Andreas Maurer. W. Z.
Das Arbeitsprogramm des
Österreichischen Kulturinstituts
in Rom 1970171
Die Arbeit des Österreichischen
Kulturinstituts in Rom setzte im
akademischen Jahr 1970l71 mit einem
Seminar des Instituts für österreichische
Geschichtsforschung über die
Topographie des mittelalterlichen
Rom" ein. Fast zur gleichen Zeit
wurde anläßlich des 29. Inter-
nationalen Theaterfestivals in Venedig
die Ausstellung Max Reinhardt und
die Commedia dell'Arte" im Theater
La Fenice" eröffnet. In diese Schau
wurde auch eine umfangreiche
Dokumentation über die Reinhardt-
lnszenierung des Kaufmann von
Venedig" am Campo San Trovaso
Venedig 1934 einbezogen.
An wissenschaftlichen Forschungs-
vorhaben werden die Edition der
Register Papst Innocenz' lll.
1193-1216, der Acta Salzburgo-
Aquilejensia 1342-1378" sowie Die
Aufklärung in Italien und deren
Auswirkungen auf Österreich"
weitergeführt. Als neues kunst-
historisches Vorhaben wird das
Corpus der mittelalterlichen Grob-
möler in Rom und Latium" in Angriff
genommen. An Publikationen werden
1970171 Die Bauornamentik des
Traionforums" Dr. Christoph Leon,
ein Band Quellen zur Geschichte
der Barockkunst in Rom" Dr. Jörg
Garms und der 13. Band der
Römischen Historischen Mitteilungen"
erscheinen; außerdem sind der zweite
das Pontifikatsiahr 1199-1200 um-
fassende Band der Edition der
Register Papst Innocenz' III.
Univ.-Doz. Dr. Othmar Hageneder
und Dr. Alfred A. Strnad, ein dem
Pontifikat Klemens' VI. 1342-1352
umfassender Band der Acta
Salzburgo-Aquileiensia" Univ.-Prof.
DDr. Josef Lenzenweger, der erste
Band der Berichte des päpstlichen
Nuntius am innerösterreichischen
Hof zu Graz" Univ.-Prof. Dr. Johann
Rainer und eine monographische
Darstellung der Wiener Nuntiotur
des Antonio De Luca 1856-1865 zur
Veröffentlichung vorgesehen.
Im Rahmen der Vortragstütigkeit
hat der Direktor des Osterreidwischen
Museums für angewandte Kunst,
Hau-Prof. Dr. Wilhelm Mrazek, über
Muth Innsbruck das Inema Yoeta
Ludens" behandeln. Außerdem ist
ein Vortrag des Landeskultur-
referenten von Salzburg, Hofrat
Dr. Gustav Pichler, über Raimund
und Goldoni" vorgesehen.
Das erste Konzert wurde in der Kirche
Santa Maria delI'Anima" vom
Grazer Harten-Quintett aufgeführt,
das außerdem in Triest, Venedig und
Mantua konzertierte.
Es folgen ein Liederabend mit
Prof. Dr. Erik Werba und ein
Klavierkonzert mit Rudolf
Buchbinder ieweils im Palazzo Broschi
in Rom.
Ende Jänner 1971 fand das 5.
literarhistorische Symposion das
Osterreichischen Kulturinstituts mit
italienischen Germanisten statt,
diesmal über das Thema Oster-
reichische Literatur nach 194
Der Schriftsteller Kurt Klinger und
Reinhard Urbach von der
Österreichischen Gesellschaft für
Literatur" hielten das Grundreferat.
In der lnstitutsgalerie wurde eine
Graphikausstellung von
Hundertwosser gezeigt, es folgen
Ausstellungen von Gemälden und
Graphiken von Alfred Wickenburg
sowie von Radierungen Anton
Lehmdens. Außerdem werden
öffentliche Galerien in Rom, Triest,
Venedig, Mailand und Vicenzo
Ausstellungen österreichischer
Künstler bringen.
Anläßlich der 5. Mitteleuropäischen
Kulturbegegnung in Görz 14.-17.
November 1970, die dem Thema
Aktuelle Werte der Urbanistik in
Mitteleuropa" gewidmet war,
betreute das Kulturinstitut den
österreichischen Beitrag. Univ.-Prof.
Dr. Hans Sedlmoyr sprach über Der
Mensch in einer lebensfremden
Umwelt". Aus diesem Anlaß wurde
auch die Ausstellung Stadtbaukunst
in Österreich" ezeigt, welche vom
Institut für Baukunst und Bou-
aufnahmen der Technischen Hoch-
schule in Wien zusammengestellt
worden ist.
Aufruf
Im Rahmen der Erforschung der
Wiener Ringstraße wird ein Beitrag
über die Architekten des Wiener
Opernhauses Eduard van der Nüll und
August Sicard von Sicardsburg
verfaßt, in welchem über die Ring-
straße hinausgreifend ein Werk-
Verzeichnis zusammengestellt werden
soll. Der Unterzeichnete bittet
daher alle Sammler oder Direktoren
von Sammlungen, welche von den
genannten Architekten Obiekte
Zeichnungen, Kunstgewerbe etc.
besitzen, die für die genannte Arbeit
noch nicht erfaßt wurden, ihm von
diesen Obiekten Mitteilung zu machen.
Dr.-lng. Hans Christoph Hoffmann
Kleiststraße 3B
D-61 Darmstodt-Arheiligen
51
Internationale Aktualitäten
BRD STÄDTISCHE SAMMLUNGEN BIBERACH a. d. RISS BRAITH- UND MALI-MUSEUM
Die Städtischen Sammlungen zeigten in Zusammenarbeit mit dem österreichischen
Kulturzentrum Wien vom 11. Oktober bis 22. November 1970 die Ausstellung
,Wiener Schule des phantastischen Realismus". Diese war mit über 70 Werken eine der bisher
umfassendsten und bot mit einem Querschnitt durch das Werk von 22 Künstlern über das
bereits Bekannte hinaus das ganze Spektrum des Phänomens der Wiener Schule".
Zur Eröffnung der Ausstellung sprach Prof. Johann Muschik aus Wien als berufener
Interpret einleitende Worte.
BRD HAMBURG, MUSEUM FÜR KUNST UND GEWERBE
Das Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg, das die Ausstellungen der zweiten
Jahreshälfte 1970 mit der Ausstellung Oskar Kokoschka Handzeichnungen, Druckgraphik,
Tapisserie 1965-197 einleitete, mußte diese, um dem Wunsche vieler Interessierter
nachzukommen, bis zum 1. November verlängern.
In der Zeit vom 24. September bis 13. Dezember lief die Ausstellung Düdalische Kunst
auf Kreta irn 7. Jahrhundert v. Chr. Geb", die zum ersten Male wichtige neuere und
ältere Funde auf Kreta vereinigte. Die Epoche, aus der die Kunstwerke stammen,
ist van den Archäologen nadi dem mythischen Baumeister des Königs Minos, Düdalos,
benannt. Die Branzestatuetten, Waffen und riesigen Tangefäße Pithoi, die der Ausstellung
ihr Gesicht verliehen, gehören zu den seltensten Zeugnissen früher archaischer Kunst.
BRD KUNSTAUSSTELLUNGEN GERTRAUD METZ, MÜNCHEN
Die überaus rührige Galerie zeigte auf der Theresienhöho eine Ausstellung von
Lothar Bruckmeier, einem geborenen Münchner, der in Eichgraben, Niederösterreich,
lebt und sctlafft. Der Künstler arbeitet vorwiegend in Collagen, Radierungen, Farb-,
Feder- und Bleistiftzeichnungen rein intuitiv, und Erlebnisse und Visionen sind meist
Ausgangspunkt seiner Arbeiten. Unverkennbar sind altdl seine Fabulierfreude und das
Experimentieren sowie die maßvoll satirisch-kritische Tendenz in seinem Guvre. Der
Bogen seiner Bildthemen ist weit gespannt u. a. Eruption, Wachtraum, iedem seine Insel,
Tanz der Sieger, ungleiche Freunde, Samurai u. a. Ferner zeigte die Galerie die
Ausstellung Fritz Laderer, einen österreichischen Künstler, dessen Arbeitsgebiete vorwiegend
Tafelbilder, Holzschnitte, Radierungen, Siebdrucke, Wandmalereien sind. Hauptthema und
Kern seiner Arbeiten ist der Mensch, wenn auch das Figurale oft nur assoziiert wird,
nur in Formeln oder Chiffren angegeben wird. Zeigt Laderer in seinen aggressiv-
expressiven Ulbildern die beinahe ungestiJrn wilde Leidenschaft, die Herausforderung des
Fleisches", so sind seine Radierungen in eher lyrischer Darstellung mit der Metamorphose
des Menschlichen beschäftigt.
BRD ERÖFFNUNG DER GALERIE BRUNIDOR IN HAMBURG
Die Anfang Oktober 1970 vorgenommene Eröffnung der Galerie Brunidor hebt dieses
Ereignis aus zwei bestimmten Gründen hervor Zum einen beschränkt sie ihr Angebot
von vornherein auf Originalgraphik, Multiples und bibliophile Bücher, zum anderen
bietet sie Meistergraphik, für deren Qualität sie sich mit ihrem Namen verbürgt.
Die Vorgeschichte der Galerie ist fast 25 Jahre alt, denn knapp nadl dem zweiten
Weltkrieg, 1946, gründete Robert Altmann in den Räumen der Surrealisten-Zeitsdlrift
View" in New York die Edition Brunidor. Neben dem ersten Mappenwerk, das
Originalgraphik von Max Ernst, S. W. Hayter, Jaan Miro und Yves Tonguy enthielt,
arbeiteten später auch weltbekannte Künstler wie Andre Massen, Victor Brauner,
Fernand Leger für die Galerie.
BRD NEUE DUMONT-PUBLIKATION UBER KANDINSKY
In einer Auflage van 1500 Exemplaren ersdlien Das graphische Werk. Wassily Kandinsky",
ein vollständiger Iuvre-Katolog von Hans Konrad Roethel, herausgebracht vom Verlag
Dumont-Sdiouberg in Köln. Preis ab 31. Dezember 1970. DM 640.-.
USTERREICH WIEN, AUSSTELLUNG ALTE SPIELKARTEN"
Das Stadtmuseum Linz übergab VOr drei Jahren seine Sammlung von Spielkarten dem
Deutschen Spielkarten Museum in Bielefeld zur lnventarisierung. Dort entstand ein
umfassender Inventar-Katalog der Spielkarten-Sammlung des Stadtrnuseums Linz"
las Seiten, und aus Anloß seiner Fertigstellung wurden in einer Ausstellung auf der
Sparrenburg in Bielefeld die Bestände erstmals irn Jahre 1969 gezeigt. Die Spiele, die
einer Linzer Privatsammlung Anton Fachingar, gest. m0 entstammen, bilden den
Grundstock. Durdl eine vislzahl von Kartenspielen aus dem 1a, und w. Jahrhundert,
in Usterreidl, Bayern und den ehemals zur Österreich-Ungarischen Monardiie
gehörenden Ländern gesammelt, bietet die Sammlung Padlinger einen interessanten
Uberblidr über die Materie Das beliebte Trappolierspiel, Karten mit deutschen Farben,
mit dem sogenannten Ansbadrsr oder bayerischen Bild, Spiele mit Sdlweizer oder
französischen Farben usw. Hervorzuheben ist die Reihe der Barackspiele mit Fabeln,
Tieren, Jagddarstellungen u. a. sowie die eigene Gruppe der Hexenarten der
Zauberkarten und der Wahrsagekarten. Ferner leiten Lehrkarten für das Alphabet zu den
Kinderspielen über sowie Spiele für Kostüme, Berufe und Noten. Gesellschaftsspiele
stehen am sdrluß der Reihe.
Vam I0. bis 23. November 1970 zeigte das Stodtmuseum Linz in den Scttauräumen der
ostsrrsidrisshan Staatsdruckerei in Wien unter der Patronanz der Firma Ferdinand
Piatnik s. Söhne erstmals diese umfangreiche sarnrnlung in Usterreich. Gleichzeitig bot
die Spielkartensammlung der Firma Piatnik mit ihrem firmeneigenen Bestand, der sich über
die Kulturgeschichta der Spielkarte bis zur Jahrhundertwende und bis zum Jugendstil
sowie bis zur laufenden Produktion erstreckt, einen gleidigewidltigen Beitrag Zum
Ausstellungsthema AIte Spielkarten".
ÖSTERREICH KATHOLISCHE HOCHSCHULGEMEINDE WIEN
Die Kathalisdie Hachschulgemeinde Wien veranstaltete in der Zeit vam 9. November bis
2B. November 1970 die Ausstellung Geist und Form VI", in der Arbeiten der Malerei,
Graphik und Bildhauerei gezeigt wurden. Die ausgestellten Werke wurden von einer Jury
Msgr. Otto Mauer, Prof. Josef Mikl, Direktor Dr. Alfred Schmeller und Prof. Fritz Watruba,
ausgewählt. Im Zeitraum der Ausstellung fanden Literatur- und Musikabende statt.
SCHWEIZ ART 71", ZWEITE INTERNATIONALE KUNSTMESSE IN BASEL, FESTGELEGT
Das Organisationskomitee der ersten internationalen Kunstmesse Art beschloß nach
der im Juni 1970 durchgeführten, erfolgreich abgeschlossenen Messe, die Art 71" in den
Zeitraum vom 24. bis 29. Juni 1971 festzulegen. Die entsprechenden Fropogierungsarbeiterl
wurden unverzüglich eingeleitet, und die zweite Veranstaltung dieser Art wird aurJt heuer
wieder in den Hallen der Schweizer Musterrnesse in Basel mit der ideal gelegenen
anschließenden Grünfläche stattfinden. Audi diesmal sind die Hauptfoktoren die Kunst
des 20. Jahrhunderts und die wichtigsten Kunstbüdier des letzten Dezenniums. Die erste
internationale Kunstmexse im Voriahr Art 70" vereinigte auf einer Ausstellungsfläche von
6000 rund 90 Galerien und 2D Buchverleger aus zehn Ländern. Der van den Ausstellern
bekanntgegebene Umsatz bezifferte sich auf nahezu sedls Miltionen Schweizer Franken.
Auskünfte für Interessenten und Anfragen erteilt das Sekretariat der Art", Internationale
Kunstmesse, Postfadl CH-MJOO, Basel 21. Leopold Netopil
52
Internationaler Kunstspiegel
Bild so REINHARD DIEZL, im geborener Villactler Maler und Graphiker, wurdr
der Galerie Tao irn Usterreictlisctlen Kulturzentrum Wien Mahlerstraße zu einl
Ausstellung seiner expressiven, einer kultivierten Palette dominierender Braun-Ge
verpflichteten, "an stillebenartigen Gouachen eingeladen.
Die Autofina-Galerie in Linz Mozartstraße zeigte im Oktober Olbilder, Aqua
und Radierungen von RICHARD MATOUSCHEK.
Mit einem attraktiven Programm der verschiedensten künstlerischen Disziplinen
Forum Stadtpark Graz seinen zehniährigen Bestand. Unter den Vortragenden, Au
und Ausstellern befanden sich a. r. Jonke, Wolfgang Bauer, Hermann J. Poinitz,
Pongratz, Martin Esslin London und der Wiener in Berlin, Gerhard Rühm.
Rund sechzig österreichische Maler und Graphiker stellten druckgraphische Blätter
die Vernissagen irn Rahmen der ARENA 70" zur Verfügung, die im Theatersaal
Casanova als interdisziplinäre Avantgarde- und Experimentalveranstaltung stottfa
Ausstellungstitel Das gute Bild gegen das Bundesheer". Der Verkaufserlös ging
Kasse des Volksbegehrens zur Auflösung des österreichischen Bundesheeres". Al
allem ein kleines gegen ein großes Happening.
BILD 31 Überaus preiswerte und größtenteils qualitütsvolle Zeichnungen van
HERZMANOVSKYrORLANDO präsentierte die Galerie Peithner-Lictitenfels in Wie
Beispiel der sdrau. Qltt deftiges Volksfest" in der erotisch-tändelnden Manier dt
humarigen Künstlers.
Bild 32 KARLHEINZ PILCZ, Mödlinger Zeidlner und Radierer mit frühen Quervl
zur Wiener Schule, stellte in der agilen Espressogalerie Romanum in Perchtoldsdr
Aus Anlaß des Usterreidlisdwen Staatsfeiertoges am 26. Oktober veranstaltete da
Museum des 20. Jahrhunderts in Wien ein Gespräch mit PETER PONGRATZ
Psycho-Modulator", der im Rahmen einer Ausstellung des Malers im Zwanzger
zu sehen war.
Einen Wettbewerb für künstlerische Siebdrucke Serigraphien sdlrieb die ZENTRA
SPARKASSE DER GEMEINDE WIEN aus.
BILD 33 Mit einer beachtenswerten Ausstellung lnternationaIer Graphik" setztt
GALERIE KALKSBURG" ihre Bestrebungen im Interesse einer Vertiefung des Kor
zwischen Schülern und zeitgenössischer Kunst fort. Die von Professor Josef Butting
gegründete Galerie im altehrwürdigen Jesuitenkolleg zweifellos ein inneroppos
Novum und als solches über die Steinmouern des Internats hinaus für österreichis
Mittelschulen beispielgebend kontrontiarte im Rahmen der Schau u. a. mit
und Druckgraphiken von Appel, Fruhtrunk, Gaul, Geiger, Lenk, Mack, Calderaro,
Musit, Nagorni, Attersee, Avramidis, Bischof, Decleva, Lehmden, Fuchs, Haflehne
Staudacher, Moldovan, Prantl, Rainer, Ringel, Wotruba. Insgesamt Werke von
Bild 34 Im Herbstkatalog der Kölner Galerie Aenne Abels finden sich neben
bedeutender deutscher Expressionisten auch vier Aquarelle des Österreichers
HUNDERTWASSER, darunter das Aquarell Silberlropfen von Acquapendentd
In der Galerie Wittmann in WiensHietzing stellten zuletzt LUCIA KELLNER und
PALFFY aus.
Die erste Wiener Foto-Galerie Die Brücke" eröffnete ihren Ausstellungsraum irn
Bezirk, Bäckerstraße mit einer Schau von Fotografien, Bildserien und Lichtgrapl
KURT W. ERBEN.
Bild 35 In Reclams Universal-Bibliothek erschienen zum Preis von ie zwei DM
MONOGRAPHIEN ZUR BILDENDEN KUNST über Robert Rauschenberg, Frank St
George Segal, George Ridrey und Jacksan Pollock.
Bild 36 Nur eine Woche dauerte die Gruppenausstellung von MARTHA JUNGV
PONGRATZ, RINGEL UND NAVRATIL in der Galerie auf der Stubenbastei, in
Wienerin FLORENTINA PAKOSTA ihre im Expressionismus wurzelnden Köpfe",
Zeidlnungen und Radierungen, zeigte. Dazu Otta Breicha im Katalogvorwart
die schöne Unverbindlichkeit des Ungefährbleibens weiß, hat sie sich mit der Zeit
eine besondere Genauigkeit spezialisiert auf eine verhaltene Direktheit, die auct
Hüßlichen oder wenigstens Unschönheitlichen nicht ausweicht hämisahen Kicherf
einem Profilgrinsen, dem Verbräunen und Ausstreichen der Einzelheiten. Die gewl
Verbeulungen, die Gesichtshälften, die nicht zusammenpassen wollen, sind dunkel
gefaßt und festgepreßt. Augenhöhlen und Mundlödler klaffen, wie sie es sollen.
Verseltsamte Eierköpfe, Asketenschädel, Boxervisagen werden fündig, Gesichterw
und Schattenrnassen. Das Sdlulteräffchen souffliert einer Maske ins Ohr. Auch da
Dunkel ist licht genug."
Einen Kontakt-Klub Druckgraphik" gründete die von Ing. Karl Gerstmayer geleit
Kleine Galerie in Wien Neudeggergasse B. Den ersten Vortrag, Titel
SAMMELOBJEKT DRUCKGRAPHIK", hielt FRED NOWAK, dessen technische
Weidienstellungen für Kollegen eine mehr als nur charmant-hilfsbereite Wiener
Spezialität sind.
Bild 37 Fragmente eines Fußballfeldes" stellte der Wiener Konzeptkünstler
WOLFGANG ERNST vom 10. bis 1B. November 1970 im Württembergischen Kunsh
in Stuttgart aus. Als Visitenkarte dazu sein auctl als Einladung fungierendes
Ausstellungsplakat.
Bild 38 EUGENIO CARMI, 1920 in Genua geborener Maler, Bildhauer und
Graphiker, zeigte in der Mailänder Galerie Arturo Schwarz seine der geometriscl
Abstraktion verpflichteten Bildwerke, Multiples und Serigraphien. Im Anschluß
daran falgte eine Kollektive des berühmten Plastikers Cesar.
Bild 39 Zwei Beispiele aus der Kollektion ,ßchmudr-SkulpturlSkulptur, SrJlmud
1935 in Serbien geborenen Kunsthandwerkers PETER SKUBIC in der Galerie Wittrr
Abb. ein Ring aus Weißgold, Perlen und Brillanten. Abb. ein Ring aui
beides Obiekte von ungewöhnlicher Formgebung.
Bild 40 Elf Jahre hindurch zeigte Usterreidls Paradesurreolist Nr. LEHERB,
keine Einzelausstellung in Wien. Im November war's dann soweit. Bei Manfred
Sdieer und Sohn, Galerie 10, eröffnete Staatssekretär Dr. Veselsky die Kollektion
Meisters unter dem Motto Horoscap das 20. Jahrhunderts".
Bild 41 In einem teilweise renovierten Kreuzweg des Stiftes Klasterneuburg wu
ein aus 15 Segmenten bestehendes Glasfenster Farben GeIb-Broun-Blau des Wi
Malers und Graphiker PETER BISCHOF eingesetzt. Nach Fertigstellung der seine
Funktion denkbar adäquat erfüllenden Arbeit fand eine von der Gesellschaft für
Christliche Kunst veranstaltete, von Pater Herbert Muck geleitete Diskussion statt,
sidl mit Grundsatzfragen moderner Kunst in alter Architektur beschäftigte.
Bild 42 Neue Ulbilder zeigte vor seiner Abreise nach London der Wiener Maler
HEINZ STANGL in der Galerie Ariadne, Wien Bäckerstraße. Unser Ausstellul
ein 197D entstandenes Gemälde mit dem schlichten Titel Samstag"
Bild 43 ZINK IN DER KUNST" lautete der Titel einer Ausstellung in der Galt
der Ersten österreichischen Spar-Oasse in der Passage, Wien, Hoher Markt
Wildpretmarkt. Die Exposition konfrontiarte mit Plastiken und Reliefs der deutschi
Künstler Helmut Schlüter, Cyriakus lnter und August Pigulla, die mit Materialien
Rheinischen Zinkwalzwerkes arbeiteten.
36
41
ßxmßß
lemz pllcä
mß"
37
42
3B
39
KUHSIQGQGHSIEIIGB KUHSIQBQGHSIBHUB
aus dem aus dem Auktionshaus
Aus dem Kunsthandel Dorotheum, Wien Sothehy, London
Dorotheum, Wien
589. KUNSTAUKTION VOM 22.-25. SEPTEMBER 1970 1155 Katalognummern
Gesamtergebnis 6,360.000.-
Giulio Carpioni 1613-1679, Das Venusopfer. CllLwd, 97 117 cm.
Das Gemälde wurde von den Staatlichen Kunstsammlungen in Kassel
erwarben. Kat. Nr. 20
Ruf 30.000.- Meistbot 50.000.-
Theodor van Hörmann 1840-1895, Die Ernte. Sign. u. dat. Theod. Hoermann
Samois 1887, ÖllLwcL, 38 55,5 cm. Kat. Nr. 50
Ruf. 25.000.- Meistbot 80.000.-
Alexander Keirincx 1600-1652, Hirtenrast am Waldweiher. Monogr.
A. K., OllLwri, 141,5 112 cm. Kat. Nr. 57
Ruf; 70.000.- Meistbot 250.000.-
Theobald Michau 1676-1765, Landstraße in Flandern. ÖllKupfer,
26,5 35 cm. Kat. Nr. 75
Ruf; 25.000.- Meistbat 130.000.-
Carl Moll 1861-1945, Sonntag im Belvederegarten. Sign. C. Moll, UllLwd.,
80 80 cm. Kat. Nr. 79
Ruf 40.000.- Meistbot 80.000.-
Jacques Sablet, gen. le peintre du Soleil" 1749-1803, Die Brüder Jacques
und Francois Sablet beim Grabstein eines Freundes vor der Cestiuspyramide
in Rom. Sign. u. dat. J. Sablet, Roma 1791, OllLwd, 62 75 cm. Das
Gemälde wurde von der Direction des Musees de France im Louvre für
das Museum in Brest angekauft. Kat. Nr. 96
Ruf 14.000.- Meistbot 55.000.-
Jakob Seisenegger 1505-1567, Brustbild einer iungen Frau. UllLwd,
62 54 cm. Kat. Nr. 114
Ruf 30.000.- Meistbat. 110.000.-
Der Erzengel Michael. Lindenholz, ungetaßt, 92 cm. Das hervorragende
Werk wird dem Ulmer Bildhauer Hans Multscher zugeschrieben und
ist um 1450 zu datieren. Die Plastik wurde vom Museum Schwäbisch Gmünd
erworben. Kat. Nr. 841
Ruf. 120.000.- Meistbot 150.000.-
Vier spätgotische Reliettateln, die hl. Kirchenväter Augustinus, Ambrosius,
Gregarius und Hieronymus darstellend. Nußholz, ungefaßt, ie 106 56 cm.
Brabant, um 1550. Kat. Nr. 846
Ruf 60.000.- Meistbat 90.000.-
Sotheby, London
AUKTION VOM 13. OKTOBER 1970
Schmuck und Kleinkunst der Renaissance aus der Sammlung Arturo Lopez-
Willshaw 30 Katalognummern
Gesamtergebnis f. 371.700. öS 22,951.545.-
10 Kelch aus Heliotrop mit emaillierter Goldeinfassung. Um 1600.
Wahrscheinlich aus der Prager Hatwerkstatt. Kat. Nr.
Meistbot 5.500. öS 339.611.-
11 Reliquienkästchen aus Bergkristall mit emaillierter Galdeinfassung. Italien,
Mitte 16. Jh. Das Gegenstück Geistliche Schatzkammer Wien. Kat. Nr.
Meistbot f. 16.000. öS 987.960.-
12 Anhänger, große Perle in figuraler Goldtassung, emailliert und mit
Edelsteinen besetzt. Florenz, 3. Viertel 16. Jh. Der Überlieferung nach
gelangte dieses Schmuckstück um die Mitte des 17. Jahrhunderts als
Geschenk des Großherzogs Ferdinand ll. von Toskana an den Großmoghul
Schah Jehan nach Delhi. Zuletzt Sammlung Goldschmidt-Rothschild. Kath. Nr.
Meistbot f. 40.000. öS 2469900.-
13 Gießgetäß aus geschnittenem Rauchquarz mit emaillierter Goldfassung.
1. Hälfte 17. Jh. Vermutlich aus der Prager Hofwerkstatt. Kat. Nr. 13
Meistbot f. 12.000. öS 740.970.-
AUKTION VOM 14. OKTOBER 1970
Gemälde aus der Sammlung von Mr. und Mrs. William Goetz, Beverly Hills,
California 16 Katalognummern
Gesamtergebnis 1,107.500. öS 68385356.-
14 Pablo Picasso, Fillette au Chien. Pastell und Gouache auf Papier, sign.,
70,5 47 cm. Ausgeführt wahrscheinlich 1905 in Paris. Kat. Nr.
Meistbot 62.000. öS 3.828.345.-
15 Paul Cezanne, La Maison et l'Arbre. Sign., 66 55,5 cm. Ausgeführt um
1873174. Kat. Nr.
Meistbot 180.000. öS 11,114.550.-
16 Andre Derain, The Pool of London. Sign.,81 100 cm. Gemalt1905. Kat. Nr.6
Meistbot 80.000. öS 4,939.B00.-
17 Berthe Morisot, Julie Monet iouant du Violon. Mit der Signatur gestempelt,
64 52 cm. Gemalt1B93 in Paris, rue Weber. Es handelt sich um eines
der vielen Porträts, die B. Morisot von ihrer Tochter malte. Kat. Nr. 12
Meistbat f. 31.000. ÖS 1,914.172.-
AUKTION VOM 21. OKTOBER 1970
Gemälde des 19. und 20. Jahrhunderts 179 Katalognummern
Gesamtergebnis 105.900. öS 6539060.-
18 Ferdinand Georg Waldmiiller, Ländliche Szene vor einem Bauernhaus.
Sign. u. clat. 1853, OllHalz, 47 60,5 cm. lm Buch van Bruno Grimschitz
nicht erwähnt. Bei dem Gemälde dürfte es sich thematisch um ein Gegenstück
zum Notverkautw handeln. Das Ergebnis ist das höchste, das in
letzter Zeit für ein Bild von Waldmüller erzielt wurde. Kat. Nr. 86
Meistbot 15.000. öS 926.212.-
Buchbesprechungen
loslio lrtlin Laughlin Pewter in America.
its Maken lt lh Murks". Farlnat
11x13 cm, 56! Seiten, Abbildungen,
Barre Pllbllllllß, Barre Mass. U.5.A. 175D
Dollar.
Die Kette der Zinnbücher reißt nicht ab. Es
ist, wie wenn das ioviale Metall in steigen-
dem MaBe eine magisdle Anziehung auf
den heutigen Sammler ausüben würde.
Wenn man auch der Hexerei unserer Kunst-
stoffchomio gebührende, wenn auch mit
ahnungsvotler Scheu gepaarte Bewunderung
zollt, versenkt man sidl um so lieber in
eine verflassene Zeit, in der man nidtt nur
Altbier aus zinnernen Krügen trank, son-
dern in der auch jeder Haushalt, sozusa-
gen, mit Zinn durchsetzt war. Auch im
recht primitiven Dasein der englischen
Settler, die 162D mit der Mayflawer" am
amerikanischen Kontinent gelandet waren,
erwiesen sich Zinngeschirr und Zinngeröt
unentbehrlich. Unter den Einwanderern be-
fanden sich wahrscheinlidi englische Zinn-
gießer, die, ausgerüstet mit heimisdlen
Gußfarmen, ihr gewohntes Gewerbe be-
treiben konnten. Das Interesse des
amerikanischen Sammlers wendet sich na-
turgemäß diesen früheren Produkten zu,
von denen iedoch nur sehr wenige Exem-
plare existieren. Es sei hier erwähnt, daß
die zahlreichen amerikanischen Zinnlieb-
hober im American Pewter Collectors
Club" vereinigt sind, unter dessen Ägide
Sammeln und Studium von Zinngegenstän-
den mit echt amerikanischer Großzügigkeit
und Akribie betrieben werden. Erstaunliches
wird geleistet. Mr. laughlin, eines der
ältesten Mitglieder, bringt in seinem kürz-
lidt erschienenen Buch Pewter in America,
its Makers ßt their Marks" alles Wissens-
werte, das über das amerikanische Gewerbe
bekannt wurde; in nicht geringem Maße ist
solches Wissen seiner unermüdlichen For-
schungsarbeit zu verdanken. Zunächst gibt
uns der Verfasser eine Beschreibung der
Technik des Zinngusses und der Zinnbear-
beitung, wobei audt auf europäische Quel-
len Salmen verwiesen wird. Es folgt eine
Typisierung der Gefäßformen, die fast aus-
schließlich auf englische Vorbilder zurück-
gehen. Hiebei stützt er sich auf die grund-
legenden Arbeiten des englischen Forschers
H. H. Cotterell und dessen Typologie. In
der amerikanischen Formenwelt sind
deutsche Einflüsse nur sporadisch erkenn-
bar in Pennsylvanien. ads Budn enthält
Abbildungen von Kannen deutschen Ge-
prages, allerdings in Kombination mit
englischen Details. Obwohl der amerika-
nisdle Meister nidlt kategorisdlen Zunft-
oder behördlichen Vorschriften zu gehor-
chen holte, sondern als freier Handwerker
schuf, lassen seine Produkte hinsichtlich
Legierung und Bearbeitung nichts zu wün-
schen übrig. Der freie Wettbewerb schien
eine segensreiche wirkung ausgeübt zu
haben. Auch mußte man beständig gegen
die hochwertigen englischen Importe stand-
halten. London und Bristol waren die Aus-
gongshdren dieser Exporte, und so blieb
denn oudl die Formgebung des amerikani-
sdlen zinns vorwiegend englandhörig. In
diesem Zusammenhang ist es bemerkens-
wert, doB auch auf omorikanisdiem Zinn
das eingestempelte Wort LONDON" an
sich eine Qualitötsbezeichnung darstellt. In
Deutschland, z. B. Mainz, war dies auch
üblich, was von den englischen Kollegen
sehr übelgenommen wurde. Die englischen
Exporteure waren so klug, das Produkt
durch hochwertige Legierung teilweise blei-
frei! und sorgfältige Bearbeitung so zu
gestalten, doß dessen Prestige iahrhunderte-
lang aufrecht erhalten werden konnte. Die
Amerikaner neigten dazu, die übernom-
menen Farmentypen nodt zu vereinfachen,
wodurch deren puritanischer Charakter
unterstrichen wird. Reliefguß erscheint sel-
ten, z. B. an den Ohren" der bekannten
fladlen Breischüsselctlerl, und ist kennbar
dui populär amerikanischen Geschmack
eingestellt. Gravuren beschränken sidt auf
56
Widmungen, Dotierungen u. dgl. Nirgends
zeigt sidi ein Hang zu üppiger Ober-
flüchendekoration, wie er besonders bei
den deutschen Meistern zutage tritt. Durch
den langiöhrigen Gebrauch alter Gieß-
formen entsteht ein Konservativismus ohne-
gleichen, und Stilverschleppungen von mehr
als hundert Jahren sind keine Seltenheit.
Offenbar verlangten die damaligen Kauter
keineswegs immer das Neueste, womit sie
sich von ihren Nachfahren sdlroff unter-
sdlieden. Man kann sich schwer vorstellen,
daß ein europäischer Sammler an solch
nüchterner Sachlichkeit besonderen Gefal-
len finden könnte, anders wie sein ameri-
konischer Kollege, bei dem die patriotische
Komponente eine besondere Rolle spielt.
Die bisher bekanntgewordanen Stempel
amerikanischer Meister sind in Mr.
Loughlins Buch fotografisch wiedergegeben.
Nur wenige ähneln den in Europa üblichen.
Als bevorzugtes Symbol erscheint der ame-
rikanische Adler, ein Zeichen wachsenden
Selbstbewußtseins und Appells an den
Patriotismus des Käufers und seine Bevor-
zugung des heimischen Produktes. Zinnge-
schirr und Gerät, wie etwa die bekannten
Tranlampen, Kerzengießformen und Bett-
wärrner, waren im amerikanischen Haus-
halt außerordentlidi verbreitet, vor allem
in den nördlichen Staaten. Nur wenig ist
davon übriggeblieben, und die Preise, die
für alte authentische Stücke bezahlt wer-
den, sind dementsprechend. Das meiste
entstammt dein späten 1a. und frühen 19.
Jahrhundert. Dclnn hat eine Flut von Bri-
tanniametoll" so wie in Europa die viel
solidere Zinnware verdrüngt. Mr. Laughlin
geht auch auf diese Kategorie ein und
weist gebührend auf den ott zweifelhaften
Gescttmadi, der diesen Produkten anttattet.
Auch wenn europäische Sammler kaum
Gelegenheit finden werden, amerikanisches
Zinn zu erwerben und auch in ihrer Ge-
sdlmocksrichtung anders orientiert sind,
dürften doch der kultivierte Text und die
schöne Ausstattung des Buches Freude
schenken.
Wien, Juli 1970 Robert M. Vetter
Helene und Thema Finkenstaodt, Stangl-
und Große Kerzen Stäbe,
Kerzen und Stangen der Bruderschaften
und Ziinfta in Bayam, Anton H. Konrad
Verlag Wo anhorn, 196D, BD Saiten Text,
71 Saiten Tafeln, Farbtafeln, DM 19.11.1.
Mit der sdlänen Freiheit des Amateurs",
der aus einer anderen Wissenschaft kommt,
der Anglistik nämlich, hat Thomas Finken-
staedt zusammen mit seiner Frau iahrelang
in Bayern Prozessionsstanigen, Bruderschafts-
stäbe und -kerzen festgestellt, systematisch
bearbeitet und fotografiert. Aus einem
Bestand von über 2000, die in sehr unter-
schiedlicher Zahl in den einzelnen Land-
schuften erhalten sind, so in Oberbayern
700, degegen in Unterfranken nur etwd loo,
werden mehr als B0 einzeln im Bild vor-
gestellt und sehr ausführlich beschrieben
und kommentiert. lkonogrophisch ergibt
sich ein höchst interessanter und anmutiger
Reigen von Patronen der verschiedensten
Zünfte und Brudersdtaften, wobei vor allem
in der wichtigen Einleitung gerade zur
Geschichte dieser Verbünde und Gemein-
schaften neues Material und neue Erkennt-
nisse vorgelegt werden. Finkenstaedt ver-
sucht über die Rechtszeichen der Zünfte,
eben iene Kerzen und stongen, etwas über
die Sozialordnung im ausgehenden Mittel-
alter und im Barock also vor der Ge-
werbetreiheit zu erfahren, Zitate aus den
Zunftordnungen lassen die Vielschichtigkeil
erkennen, zeigen ober immer, daß die
ökonomisch-soziale Welt der Handwerker
selbstverständlich in die große ordnung der
Kirche eingeordnet war. So wird etwa am
Tage des Patrons abgerechnet, die Rang-
ordnung überträgt sich auf iene in der
Prozession usw. Eine erstounlidte Fülle van
Gesichtspunkten bei der Betrachtung sol-
cher kleiner Kunstwerke, wenn man sich
eben nidit nur als Kunst-Gegenstöndf
sieht, sondern ihrer eigentlichen Funktion
nadtforscht. Doß zudem von den Kunst-
historikern zu Unrecht wenig beachtete
Werke von Rang nicht einmal in den
lnventaren verzeichnet waren und sind, er-
fährt man auch. So etwa die Ferdinand
Tietz zugeschriebene Stange mit dem frei-
stehenden heiligen Michael aus Neun-
kirchen bei Fordtheim oder die nur zu
Fronleichnam aufgestellten 3D Stangen
im Dorn zu Eichstätt. Leider fehlen neben
den genauen Beschreibungen die Größen-
angaben.
Ein auch buchkünstlerisch sehr hübsch ge-
machter Band, ein Nachschlagewerk zu-
gleich, anregend für den Historiker, den
Soziologen, den Kunsthistoriker, den Ha-
giographen nichts für Sammler, da zu
hoffen ist, doß der noch erhaltene Be-
stand in den Kirchen und bei den Zünften
gehütet wird, zumal er vielerorts an Fron-
leichnam seiner uralten Bestimmung dient,
mitgetragen zu werden zur Ehre des Altar-
sakraments und eines ehrboren Hand-
werks".
Walther Maria Nauwirtlt Versunken die
bitteren Worte", 1M philosophisdt orien-
tiarte Gedankengcdicltte, 1D! Saiten, Uxter-
tetdiisdte verlegsdnstdlt", wie
gebunden. hat Sdtutzumldtlagr
oder DM 9.80, str 10.-, Dollar 2.50.
Als Anregung zu geistigen Erlebnissen und
somit als Lektüre für feinsinnige Leser
bestimmt. Über die Dichtung von Walther
Maria Neuwirth urteilt die Presse Für
die Lyrik, die Walther Maria Neuwirth in
seinem Gedidttband ,Versunken die bitteren
Worte' zusammengetaßt und zur Architek-
tur gestaltet hat, besitzt das Prädikat
,lapidar' Geltung. Es ist Aussage, die in
wenigen Zeilen, ta oft in einem Wort, mehr
Dichte und Essenz gibt, als Lyrik es sonst
vermag. Diese Aussage hat aber auch den
subiektiven Kreis menschlichen Erlebens
durchbrochen, sie ist seherisch und allge-
meingültig, sie ist Erbe und Zukunft zu-
gleich. Sie ist Gedonkenlyrik, aber nidtt
mehr Bildungslyrik Im beschaulich betrach-
tenden sinn, sie nimmt auch das rhythmi-
sche Gefälle, die Bilder und Gleichnisse
der Antike und des Christentums nicltt
reflektierend in ihren Wortschatz auf, son-
dern neusdtopferiscti, mit einem zukunfts-
weisenden Sinn. Denn Neuwirth formt an
einem glücklidteren, geistigen Mensdlen-
bild er gibt ihm großartige Chiffren der
Weisheit, magische Zeichen mit auf den
Weg. Er hebt das Dichlertum wieder in den
Rang des Sehertums."
Professor Ernst wurrn, Wiener Neustadt
Linzer Tagblatt"; Natürlich bedarf eine
so feinsinnige Lyrik für ihre intuitive
Verschwisterung von Leser und Werk einer
starken Konzentration..." heinlandzei-
tung" Diese Gedankenlyrik läßt die Um-
risse eines neuen Menschenbildes ahnen
und einer kommenden Welt ohne Bitterkeit,
aber mit dem Wissen um die Dinge..."
FH, Neue Osnobriicker Zeitung"; Wut.
ther Maria Neuwirth ist ein engagierter
Lyriker, obgleich er sidi nicht init aktuellen
Togesereignissen bescttaftigt. Mit Hilfe der
Sprache, des Gedichtes will der Uster-
reicher dazu beitragen, eine bessere, men-
schenwürdigere Welt zu gestalten
Alltag und Fest im Mi alaltar, Katalog der
Ustlrraidtildien Gala Wien, 197D, 110
Seiten, 31 Abbildungen.
Der Katalog der gleichnamigen Ausstellung
im Unteren Belvedere, die vom 14. Novem-
ber 1969 bis 15. November 197D geöffnet
war, beinhaltet neben einer kurzen Einlei-
tung vcm Direktor Aurenhamrner, in der auf
das neugegründete lnslitul tur mittelalter-
liche Realienkunde osterreidis", durch de-
ren Mitwirkung die Ausstellung zustande
kam, hingewiesen wird, zwei wichtige
Abhandlungen zum Thema. Leopold
Schmidt schreibt über "Den Wirklicttkeits-
geholt der gotischen Tafelbilder
kundlicher Sicht" und Harry Ki.
Die Wirklichkeit und ihr Abbi
Kunst des Spätmittelalters". Sch
auf die realen und nichtrealen
den dargestellten Realien hin,
die topos"-Bildung und macht
vorsichtigen Formulierungen auf
schichligkeit aufmerksam, die
weiteren Erforschung bedarf. Ha
umreißt kurz die Aufgaben der
arbeit an Hand der gegebener
keiten, skizziert ein Bild der Sit
in Frage stehenden Zeit und
Grund der veränderten Sozialst
Spätmittelalters zu der Faststal
eine immer realistischer werdi
stellungsweise der Kunstwerke
Forschung auf dem Gebiet
wesentlich erleichtert. Absdtliet
er zusammen, daß gerade die
Naturgetreue der idealistischer
lungsweise der frühen Epoche
naturnähere der späten ihre
kungen, Uberzahnungen und
düngen einer eingehenden Erfor
dürfen. Aus den beiden Aufs
aus der ganzen Ausstellung wi
lidl, wie wichtig das genannte
das die Komplexität des Materic
flechten hat.
Eingelangte Bücher
wiLLi FISCHER, OFFSETDRUCK
Seiten, m1 Abbildungen, Leinen
phansUmschlag, 1970. Heinz Moi
München, DM 111.-.
NICOLAS SCHUFFER, DIE KYBEF
STADT, 115 Seiten, zahlreidte Ab
brosrh, 197D. Heinz Moos Verlag
MUSEEN IN HESSEN. Ein Hand
öffentlichen Museen und Samm
Lande Hessen, herausgegeben vom
Museumsverbond, Kassel. 415 Seiti
bildungen, Leinen, 197D, DM 22.5
RENATE WAGNER-RIEGER, WIEt
TEKTUR IM w. JAHRHUNDERT,
TeXf, 96 Seiten Schwarzweißab
Zeichnungen im reit, Leinen, 19
reichischer Bundesverlag, Wien,
es 490.-.
HELGA AICHINGER, am KURNt
DEN PFAU, Verse van Josef Gugl
Seiten, kart., 197D. Verlag Ernst
LahrlSdtwarzwaldt DM 14.80.
MICHAL WALICKI, JAN VERN
DELFT, 140 Seiten mit 6B Abbildi
von llvierfarbig, Leinen mit farbig
umschlag, 19m. VEB Verlag der
den, DM 14.50.
Erste Ausstellung seit 1904
Mehr als 750 Porzellane aus dem Bestand des
Osterreichischen Museums für angewandte Kunst und aus Privatbesitz
Wiener Porzellan
1718-1864
Hiezu erschien ein umfangreicher Katalog von
Wilhelm Mrazek und Waltraud Neuwirth mit 186 Seiten Text, 300 Schwarzweißabbildungen, 22 Farbbildern,
mit Beiträgen zur Wissenschaftsgeschichte und zur Geschichte und Technik des Wiener Porzellans,
Zeittafel, Künstlerbiographien, Marken, Zeichen, Signaturen, Malernummern und Bossiererzeichen, Bibliographie
Österreichisches Museum für angewandte Kunst
Wien Stubenring Säulenhof, Saal XII, Dubsky-Zimmer Tel. 72 56 96, 72 5697
Dauer der Ausstellung 12. November 1970 bis 30. April 1971
Geöffnet Dienstag bis Freitag 9-16 Uhr, Samstag und Sonntag 9-13 Uhr, Montag geschlossen
Führungen Samstag 11 Uhr, Sonntag 10.30 oder 11 Uhr
KUNSTHAUS AM MUSEUM
CAROLA VAN HAM
KÖLN
DRUSUSGASSE 1-5 TEL. 238137
Kunstversteigerungen
Ausstellungen
Nächste Auktion
24.-27. März 1971
KATALOG AUF ANFRAGE
Antiquitäten
HERBERT ASENBAUM
Ein- und Verkauf
von antikßm Ärbmuck,
Silber, Porzellan
iergläser, Kleinkunst
Zum Antiquar"
WIEN KÄRNTNER STRASSE 28
Telefon 52 28 47
Vis-ä-vis der Malteser-Ritter-Ordens-Kirche
Österreichs universelle Mustermesse mit25 Fachausstellungen des Konsum-
Hi!
und lnvesiitionsgütersektors. 7. I4. März 1911
Wenn Sie inserieren wollen, rufen Sie bitte 5278 94 52 8979 oder 72 56 96197
JOI-LBACKHAUSEN
SÖHNE
ALTE TRADITION
HIT JUNGEM GEIST
Johann BACKHAUSEN 81. Söhne
MÖBELSTOFF- UND TEPPICHFABRIKEN WIEN UND HOHENEICH, NÖ.
Teppiche. Stil- und Möbelstoffe
Decken. Samte. Vorhanstoffe.
Lager orientalischer Teppiche
VERKAUFSNIEDERLAGE
WIEN KÄRTNER STRASSE 33
Ecke Johannesgasse Telefon 52 Z9 04
MAHLEHSTRASSE1
1015 WIEN FACH
TELEPHON 0222 5236!
TELEX 01-1843
..'..
14., maß
Kothgasser Ranftbcchcr
EINRlPllTlJNICl-"Xl
-IJ mas xvnl. pmmiuxm-zxrrs
SPEZIELL SILBER. PORZELLAN. GLAS
5B DNARCZYK
ELEFUN 52 44-15
Dorotheum
Kunstabteilung
Wien Dorotheergasse11, Tel. 52 3129
591. Kunstauktion
16.,17.,18. und 19. März 1971
Gemälde alter und moderner Meister,
Graphik, Skulpturen und Holzarbeiten,
antikes Mobiliar, Antiquitäten,
Asiatika, Waffen
Besichtigung
11.,12.,13.,14. und 15. März 1971
Fortschritt
BUöw
Wzß GOCSBÜH.
182
Tradition
Wagner'sche Unim-Buchdruckerei Buchroithner 81 Co.
Innsbruck. Erlerstraße 5-7