inder romanischen Skulpturin Italien ebensowie inSüd- frankreich oder in England. Eine gewisse Schlüsselslel- lung für die Verbreitung dieses Motivs mag der 1180 errichtete Lettner in Canterbury einnehmen, von dem in jüngster Zeit Einzelteile wiedergefunden worden sind"; Bestimmte Elemente bauplastischen und archi- tektonischen Arbeitens sind in der uwestlichen Schulen ausgebildet worden und verbinden Weils etwa mit den Kirchen in Worcester (um 1 175) und Glastonbury (nach 1184): die Linearitätder Bögen ohne Basen und Kapitel- le und diejeweils einen kleineren Bogen übergreifenden Arkaden. ein Merkmal, das bereits in dem von Brakspear als solchen angesehenen GründungsbaudieserSchule in Malmesbury (1 150- 1165) auftaucht; die in die Flä- che eingelassenen runden oder quadratischen Relief- platten (Abb. 4 und 5)."' Aber Worcester und Glaston- bury behalten die eindeutige Jocheinteilung bei. staf- feln jeweils die Fensterbögen im Obergaden und tren- nen durch die Wandvorlagen die jeweiligen Trif0riums- bögen voneinander. Hier geht Weils eigene Wege: die durch keine Wandvorlagen unterbrochene Triforiums- zone erhält in der Ausgestaltung der Details einen künstlerischen Eigenwert, derden Charakterdes Innen- raumes insgesamt prägt. Die dem nEarly Englishrr aus der Romanik noch anhaltende Schwere geht hier Hand in Hand mitdem fürdie Gotik kennzeichnenden Streben nach Raumverschmelzung und Bereicherung des Raumeindrucks." Die Eindeutigkeit. mit der die Jocheinteilung im Lang- haus vermieden wird, ist nicht in allen Teilen der Kathe- drale zu spüren. In den Seilenschiffen sind die Gurtbö- gen durch zwei Rundstäbe und die Diagonalrippen durchdrei Rundstäbeprofiliert.vielleichtwegen der Nä- he dieserGewölbe fürden Beschauer; die Wanddienste bestehen wieder aus zwei Flundstäben (Abb. 7). Gerade- zu eine Alternative zu dem Wandaufrißdes Langhauses ist die Gestaltung des Nordportals (um 1210), des Haupteinganges der Kathedrale (Abb. 10 und 11). Die Gewölbedienste für die zwei Joche sind bis auf den Bo- den heruntergezogen. Das Bündel derdrei Dienste wird durch die profilierten Schaftringe einem strengen Rhythmus unterworfen, der diese Dienste von dem reich gegliederten. horizontal verspannten Blendarka- turenschmuck deutlich abhebt. Die konkaven Nischen der unteren Zone sind nach dem Vorbild von Malmes- buryentstanden. Diemittlereund obereZone bilden den bei den Engländern beliebten Linearismus im Wandauf- bau weiter aus. Die reich profilierten Spitzarkaden der mittleren Zone greifen so ineinander über, daß die äu- ßersten Wulste der Bögen sich jeweils überschneiden. Ungleich den sich überschneidenden Rundbögen in Durham oder Castle Acre, wo ein Bogen immer über dem anderen zu liegen scheint, durchdringen sich die Profile in Weils und allgemein in der "westlichen Schu- lerx, ein Thema, das die Assoziation des Webens unmög- lich und die Bezogenheit auf die Fläche zur Grundord- nung ornamentaler Arbeit macht, das in der Spätgotik autdem ganzen KontlnentAnklang findet. In der oberen Zone sind zwei lanzettförmige Bögen durch einen ge- drückten Spitzbogen zusammengefaßt. Basen und Ka- pitellefehlen. ähnlich wie inworcesterund Glastonbury (Abb. 4 und 5). Diese Form des Maßwerks in Weils. im Englischen nY-traceryu genannt, wird in England erst um 1300 zu einem allgemein beliebten Motiv." Der eigentliche Flaumgrund, vor dem die Säulen und Arka- den aufgebautsind, istschwerzufassen, weil erfürjede Zone in einer unterschiedlichen Tiefe auszumachen ist. Die Wand als tragende Baumasse verliert damit an opti- scher Wirklichkeit. Die Linearität derArkaturen und die durch die Rangordnung der Dienste und Profile beding- te Tiefenstaffelung gewinnt einen das normannische Mauerwerk überwlndenden Eigenwert. Dasowohl amAußenbau als auch im Innenraum die Pro- file der Fenster des Langhauses aus der Zeit um 1200 erhalten sind, ist anzunehmen. daB die Fensterformen heute die gleichen sind wie damals. Das Licht der Hoch- schiffvvand ist nicht so übermächtig wie in dem kurz vor 1200 begonnenen Bau von Chartres. Das Dach über den Seitenschiffen verkürzt die Lichtbahnen im Haupt- schiff beträchtlich, so daß zwar die ganze Höhe der Obergadenzone ausgenutzt wird, das Licht aber nur durch etwa drei Fünftel dieser Fläche einfallen kann; denn um den Spitzbogen im Obergaden nicht unpropor- tioniert breit werden zu lassen, konnte nur dieser kleine Teil des Obergadens für den Lichteinfall genutzt wer- den. Alle Fenster im Langhaus wurden in der Zeit des nPerpendicularu überarbeitet und mit einem entspre- chenden Maßwerk versehen. Doch schon für das Bau- werk des 13. Jahrhunderts gilt. daß der Lichteinfall von Westen her den Innenraum beherrscht. Die drei hohen lanzettförmigen Fenster geben dem Langhaus einen ausgesprochen vertikalen Akzenl, der in dem späteren Einbau der Strebebögen um den Raum der Vierung sei- ne notwendige Ergänzung findet." Die Horizontalität der beiden Hochschiffwände und die Vertikalität der Lichtbahnen schaffen eine gewisse Spannung im Flaum, ähnlich wie anderswo durch Wandvorlagen und Gurtbögen die Bewegung zum Altarraum hin verzögert wird. Die Westfront mit den beiden unteren Teilen der Türme neben den Seitenschiffen wird in der Zeit zwischen 1220 und der Weihe der Kathedrale 1239 errichtet. Die FassadeausdieserZeitsetztsichdeutlichvondem süd- lichen (1390 - 1394) und nördlichen Westturm (Fertig- stellung 1436) ab sowie von der Fiale in der Mittelachse des abgetreppten Giebels. Die Westfront zum großen Friedhof hin wirkt im 13. Jahrhundert breit und schwer. Selbst der Vierungsturm ragt in dieser Zeit nur knapp über den First des Langhauses hinaus. Aus der Fläche der Fassade kommen nach Westen sechs Strebepfeiler heraus, in der Vertikale fast ohne Flückstufung, die vier mittleren in der Verlängerung der Arkaden des Haupt- schiffes und der Außenmauern des Seitenschiffes (Abb. 12). DerSüdwestturmführtdas System der Fassa- denwand mit zwei Strebepfeilern nach Süden und ei- nem nach Osten weiter, entsprechend der Norwest- turm. dessen Strebepfeiler ebenfalls parallel zur Länge der Fassade bzw. zur Länge der Außenmauern liegen." Diese Strebepfeiler geben der Fassade eine vertikale Tendenz, wenn sie auch nicht bestimmend wirkt; ande- rerseits führen sie das Spiel von Licht und Schatten ein. das die figürliche und dekorative Bauplasllk über die ganzeBreitederwandhinaußerordentlichbelebt.Wäh- rend das Strebewerk auf dem Kontinent als Kennzei- chen für das konstruktive Denken des gotischen Bau- meisters gilt, werden die Strebepfeiler gewiß auch be- nötigt, um den Seitenschub späterer Türme abzufan- gen, aberdie HorizontalitätderAnlage und der gestalte- rische Akzent auf der bauplastischen Arbeit heben den Eindruckder konstruktiven Aufgaben fast aul. zumal die beiden Strebepfeiler zu beiden Seiten des mittleren Westportals keinen der Türme stützen. Die verschiedenen möglichen Funktionen einer West- frontsind hierzugunsten einereinzigen Richtung aufge- geben worden: die Fassade drückt nicht den Zusam- menhang von Innenraum und Außenbau aus; sie ent- wickelt sich nicht in die Höhe, sondern geht über das Maß - also überdie Seitenschiffe hinaus - in die Brei- te. ohne daß ein anderes als ein dekoratives Denken dem zugrunde liegt; die Strebepfeilerwerden ihres We- sentlichen beraubt: zu tragen und dieses Tragen auszu- drücken; die Westportale, als Motiv und Symbol ein Herzstück in den gotischen Kathedralen Frankreichs, werden in Weils recht unansehnlich in die Sockelzone hineingedrängt. DieAufgaben, innen genügend Licht zu schaffen, starke Strebepfeiler für die Türme zu bauen, angemessene Portale für Prozessionen zu errichten und eine Skulpturenwand zu entwerfen, will der engli- sche Baumeisternichtangehen.indemeralle Konflikte, die bei der Realisierung seines Vorhabens auftreten können, im Sinne eines harmonisierenden Gestaltens authebt, weil dann alle Einzelelemente ihren logischen Platz innerhalb eines Systems erhalten; erwill primär el- rie Schauwand für die Gläubigen, und alle anderen Ele- mente werden diesem einen Gedanken untergeordnet. Der Typus der breit gelagerten, horizontal und vertikal gegliederten Westfront ist an den romanischen Fassa- den in Italien, Südfrankreich und England ausgebildet worden. Die Fassade von S. Michele in Pavia hat eine glatte Abschlußmauer. Dienstgruppen, die keine tra- gende Funktion haben. sowie horizontale Fleliefstreifen gliedern die nach 1117 entstandene Westfront. Ähnlich ist derAufbau der Fassade in Parma(1130 - 1 150), bei der die Zwerchgalerien nicht nur mit dem Giebel auf- und absteigen, sondern auch in zwei übereinanderlie- genden Geschossen horizontale Bänder mit Ftaumni- schen bilden, ein Typus. derzu Beginn des 13. Jahrhun- derts in Arezzo in Mittelitalien zu einer Fassadenbildung mit mehreren Geschossen von Zwerchgalerien ohne vertikale Elemente führte. Klar erkennbar entwickelt sich auch in Südfrankreich die Westfront im Sinne einer gegliederten Schauseile, bei der die französische Drei- portalanlage mit rahmenden Diensten und Türmchen an den Seiten so verbunden wird, daß mit der Einteilung in zwei Geschosse der duerrechteckige Block den Ein- druck von Schwere vermittelt und gleichzeitig das Ar- beiten mit Bauplastik nahelegt. Beispiele dafür sind die ehemalige Abteikirche Sainte-Marie-des-Dames in Saintes, die ehemalige Prioratskirche Saint-Nicolas in Oivray und die ehemalige Kollegiatskirche Notre- Dame-la-Grande in Poitiers." Bezeichnendenueise werden die ursprünglichen Seitenportale zu rundbogi- gen Blendarkaden. Im Vergleich dazu treten in den eng- lischen Westfassaden des 12. Jahrhunderts, und zwar in Castle Acre, Fiochester und Malmesbury, jene die Ar- chitekturbetonenden Elemente in den Hintergrund. Die Bögen sind nicht groß und stark. so daß sie optisch eine beträchtliche Mauermasse tragen können, sondern klein und so nah aneinandergerückt, daß die einzelnen Bögen sich überschneiden. Aus der architektonischen Ordnung wird ein ornamentales Motiv, das vielfältig als Kreuzbogenfries oder Blendbogengalerie aufgenom- men wird. Eine klare Einteilung in Geschosse fehlt ebenso wie eine figürliche Plastik. Wenn man von der Betonung der Ecktürme in Rochester und Lincoln ab- sieht, geht es den englischen Baumeistern um eine fili- grane Behandlung derWestfassade, die ganz einem or- namentalen Denken entspringt. In Weils werden durch die kräftigen Strebepfeiler und die durch die Breite der Front gehende Geschoßgliederung die Voraussetzun- gen geschaffen, von diesem Denken abzurücken und sogareine figürliche Bauplasllk einzusetzen. die durch- aus spezifisch Englisches und darüber hinaus Frühgoti- sches zum Ausdruck zu bringen vermag. Wird die ldee einerSchauwand fürdie Gläubigen konse- quent zu Ende gedacht, bleibt kaum noch die Möglich- keit, das in England bereits aufgenommene Motiv des Westportals adäquat zu gestalten. Die Vertikalität der Strebepfeiler, der hohen lanzettbogigen Fenster und der übereinanderliegenden Skulpturennischen korre- spondiert in Weils mit der Horizontalität der Sockel- zone, der untersten Fenster- und Blendarkadenzone. die nach oben durch ein durchlaufendes Gesims abge- schlossen ist. und deroberen großen Fensterzoneunter dem Figurenfries mit Darstellungen von der Auferste- hung der Toten. Beide Elemente sind für den Engländer Pole des Gestaltens. die bis in die Zeit des r-Perpendicu- lam hinein in dem gitterartigen Aufriß ihre Gültigkeit be- halten. Die Westfronten von Lincoln und Peterborough leben von zwei Grundgedanken: Arkaturen und Dekora- tionen zwischen zwei Ecktürmen auszuspannen und durch riesige Arkadennischen. die in übermenschlichem Maßin den Westblock eingeschnitten sind, ein architek- tonisches Thema des Eingangs zu formulieren. In Lin- coln werden die horizontal gereihten Blendarkaden durch diegewaitigen Bogennischen gestört; die Bogen- nischen finden andererseits inder Flächigkeit der Front kein Pendant. ln Peterborough werden drei Fliesen- nischen in der Horizontale verspannt; die mittlere insbe- sonders vermittelt diesen Eindruck, weil sie schmaler als die anderen ist, der Bogen spitzer. andererseits ver- sucht der Baumeister das Thema horizontal aufgebau- ter Bauplastik durch die Gleichartigkeit der drei Giebel- felder einzuführen, deren Fenster- und Skulplurenzone in der Horizontale nur durch den Giebelansatz in je un- terschiedlicher Höhe unterbrochen wird. Weils scheidetdie riesigen Portalnischen alsThema be-