Dem Beispiel der Khalifen, Künstler und Baumeister von allen ieiten für die Errichtung und Ausschmückung ihrer Residenzen herbei- zuholen, folgten auch die Statthalter und Gouverneure der verschiedenen linder des Reichs. Ihre provinzialen Residenzen wurden ein Abbild ler Hauptstadt: sie errichteten Paläste, Moscheen und Wohnhäuser m Stil der Khalifenresidenz und ließen sie in derselben Weise aus- schrnücken und einrichten, bis herab zu den täglichen Gebrauchs- gegenständen, die sie von auswärts bestellten oder lokal anfertigen ießen. Auf diese Weise fand innerhalb des islamischen Reiches ein Austausch zler verschiedensten künstlerischen Techniken und Stilarten statt. Das zrgab sich aus dem Austausch von Künstlern und dem Transport von Kunstgegenständen über große Strecken im Rahmen des Reiches. Fördernd und grundlegend für diese Entwicklung war die geistige Einheit, die mit dem Postulat der Verbreitung des Korans in seiner Ursprache, also Arabisch, eng zusammenhing. Dadurch wurde die arabische Sprache in allen islamischen Ländern in dem Maße eine Lingua Franca, ja fast noch mehr, wie es das Latein im mittelalter- lichen Christentum war. Mit der arabischen Sprache wurde natürlich auch die arabische Schrift von Anfang an und überall zum Allgemein- gut. Ein weiterer einigender Faktor war in gewissem Maße die ge- meinsame Pflicht der Pilgerfahrten nach Mekka für alle Gläubigen, die eine Verbindung zwischen Völkern ganz verschiedener Abstammung schuf und keine Rassenunterschiede kannte. Die Araber übernahmen das geistige Erbe der in Syrien und Ägypten vorherrschenden hellenistischen Kunst und Kultur und auch der Kultur und Kunst der Sasaniden (226-641 n. Chr.) in Persien. Den Formen- schatz aller eroberten Länder haben sie assimiliert und weiterent- wickelt und sich zu eigen gemacht. Die geistige Inspiration der isla- mischen Kunst ging also von Arabien aus, ihre materielle Formung jedoch von andern Ländern, in denen Kunst bereits eine vitale Rolle spielte und auf alten Traditionen beruhte. Auf diesen Grundlagen hatte sich eine islamische Kultur entwickelt und war eine islamische Kunst mit ausgeprägtem Eigencharakter entstanden, die alle islamischen Länder in einer künstlerischen Einheit verband. Diese Einheit, die in einer jede Entgleisung ausschließenden stilistischen Beherrschtheit und Sicherheit wurzelt, gibt den islamischen Kunstwerken ihren Reiz, der sie zu allen Menschen und allen Zeiten sprechen läßt. 2 Keramikschalc mit oliv- farbzncr Lüstcrmalcrei. In du Mitte die knapp und eindrucksvoll skizzierte Figur einer schwimmen- den Gans. 9. 1h. 3 Die Dekorzrion dieser Lüsterkrramikschal: zeig: ein: mir gekrtuzltn Bei- nen hocktndc Lauten- spiclcdn, die träumerisch versunken in ihr Spid zu sein scheint. iLIh. Wenn wir den Entwicklungsgang dieser künstlerischen Einheit von ihren Anfängen her näher betrachten, so finden wir, daß der Stil während der Llmayyadenzeit noch vorwiegend hellenistisch beeinHußt ist. Das ist erklärlich, denn die Umayyadenhauptstadt Damaskus lag in einem Gebiet, das der hellenistischen Kultursphäre angehört hatte. Von den Wohnstätten und Palästen der Umayyaden in Damaskus ist nichts erhalten, und wir wissen nicht, wie sie ausgesehen haben. Doch haben wir die Ruinen von einigen ihrer jagdschlösser und Lager- plätze in der XWüste, wohin die Khalifen sich oft zurückzogen. Es ist anzunehmen, daß durch das gebräuchliche System der Leiturgie, also die Lieferung von Material und Arbeitskräften aus allen Gegenden des Reiches, auch hier Künstler und Baumeister herangezogen wurden, die in der Hauptstadt tätig waren. Die erhaltenen Dekorationsftirmen dieser jagdsehlösser und Lagerplätze geben uns einen Einblick in das künstlerische Schaffen der Epoche. Als nun die Abbasiden ihre Dynastie begründeten, wurden sie politisch stark von ihren persischen Anhängern unterstützt. Ihre Hauptstadt Baghdad lag in einem Gebiet, in dessen Kunst noch die sasanidische Tradition lebendig war. Mit dem Aufblühen von Baghdad war eine lebhafte künstlerische Tätigkeit, gefördert von den Abbasidenkhalifen, verbunden. Vom alten Baghdad haben wir kaum Überreste, die uns einen Einblick in das künstlerische Schaffen der Epoche geben können. Doch mit der Entdeckung und Ausgrabung von Samarra ist uns das wichtigste Material gegeben, um uns eine Vorstellung von der Kultur und Kunst dieser frühislamischen Glanzzeit zu machen. Samarra wurde 836 gegründet und blieb für etwa fünfzig Jahre die Residenz der Abbasiden und wurde dann wieder aufgegeben zugunsten v?" Blghdad. Was die Ausgrabungen von Samarra für uns auch noch Wichtig macht, ist die Tatsache, daß wir hier eine zuverlässige Da- lienmg innerhalb der fünfzig Jahre für die Funde haben.