276 Das Tolnaer Tomitat. Dieses Comitat lehnt sich mit seiner Ostgrenze an die Donau, mit seiner westlichen Ebene an Somogy und wenn wir sein Gebiet aus der Vogelschau überblicken, fällt uns darin ein in engem Bette weit umherschweifendes und ein großes Stück Land durch gaukelndes Wassernetz auf. Für einen Fluß zu klein, für einen Bach zu groß, kommt der Kapos, wie schon sein Name erkennen läßt, von dem in Somogy gelegenen Kaposvär her, um eine Strecke weit auch die Grenze von Baranya zu bespülen, dann bei Dombövar in Tolna einzutreten, dieses Comitat zweimal zu dnrchschneiden und unterwegs seinen Namen zwei- bis dreimal zu verlieren oder zu ändern. Vom untersten Süden ausgehend, steigt er bis Simontornya hinauf und fällt da in den Siö. Der Siö, dieses im Hain erwachsene Kind des Plattensees, lockt ihn mit sich nach Süden, so daß er in Gestalt eines jene steinlose, lehmige Berggruppe umgeht, welche die Mitte des Tolnaer Comitats bedeckt; auf ihrem Weg nach Süden laufen die beiden um die Wette mit dem in geringer Entfernung und überall parallel mit ihnen hinabfließenden Sarviz, bis endlich die drei Flüßchen bei dem farrennährenden Agärd sich zu einem dreieinigen Flusse verbinden und als solcher, allerdings todmüde, träge Szegzärd erreichen, unterhalb dessen sie sich in den bereits halbtodten Tolnaer Donau-Arm fallen lassen. Doch selbst hier noch entzweien sich die vereinigten Gewässer; ein Theil sondert sich ab, legt sich in sein altes ungemachtes Bett und irrt unter hundert Windungen weiter, bis er schließlich sein eigensinniges Köpfchen in die Bätaer Donau tauchen muß. Wenn die Donau schwillt, preßt sie die Gewässer empor, so daß es selbst bei Simontornya merklich wird. Dieses launenhafte Wassernetz lenkt auch die Eisenbahnen, der eine Lauf gegen Dombövar, der andere gegen Szegzärd hin. Wir sagen: ein Wassernetz, denn es hat sich aus den Verästlungen des Kapos, Koppäny, Siö und Sarviz gebildet. Heute sind dies bereits Flüßchen, im Grunde aber doch nur Abflußkanäle für die Gewässer der ausgedehnten Sumpfgelände, die sich rechts und links zu Füßen des erwähnten Gebirges lagern, und zwar sind sie erst zu Anfang unseres Jahrhunderts entstanden, theilweise sogar nur als Erneuerungen jenes Kanales, welchen zu Ende des lll. Jahrhunderts unter Diocletians Regierung dessen Heerführer, später Schwiegersohn und Nachfolger, Galenits, in dem Bette des Siö-Särviz ausheben ließ, um den Plattensee mit der Bätaer Donau zu verbinden, worauf er das durch den Kanal durchschnittene Unter-Pannonien nach seiner Gemalin Pannonia Valeriana benannte. Die drei Kanäle — Kapos und Siö-Särviz oder Palatinalkanal — haben in den drei Comitaten Weißenburg, Somogy und Tolna nahezu 100.000 Joch Sumpf landes in reichen Culturboden verwandelt.