109 Diese Culturmission Siebenbürgens tritt am Ende des XVII, Jahrhunderts zurück, seine politische Mission aber endet, nachdem es seine Ausgabe in der Geschichte dev ungarischen Staates so glänzend ersüllt, mit der Wendung in den europäischen Verhältnissen. Denn die siegreichen deutschen und ungarischen Waffen des auch mit der heiligen Stefanskrone gekrönten deutschen Kaisers verdrängen nach und nach die Türken vom Gebiete des ungarischen Reiches. Nach der Vertreibung der Türken aber hätte die Selbständigkeit Siebenbürgens — vom Gesichtspunkt des ungarischen ^Staates ans einen Sinn nur noch gehabt, wenn sich die vom anderthalbhundertjührigen Tinkenjoch befreiten ungarländischen Theile um Siebenbürgen hätten gruppiren können. Allein dies konnte nicht geschehen, weil der unterbrochene Zusammenhang zwischen den westlichen und östlichen Theilen des ungarischen Alföld sich von selbst wiederherstellte und damit auch die territoriale Integrität des Landes wieder zu erstehen begann, von dem natürlichen Mittelpunkte des neuerdings geeinigten Alföld aber Siebenbürgen zu weit abseits liegt; und dann war dieses kleine Land durch die langwierigen Kämpfe so erschöpft, daß es sich dem an Macht erstarkten Kaiser-König überliefern mußte. Die natürliche Consequenz der neuen Lage ist es dann, daß auf Grund des Leopoldinischen Diploms Siebenbürgen mindestens in Personalunion mit dem Mutterlande gelange, was denn auch geschah. So führt es denn noch etwa anderthalb Jahrhunderte lang kein selbständiges, aber doch ein gesondertes Dasein, als einfache Provinz eines als großes Ganzes angesehenen „Reiches" und eines der Werkzeuge dieser „Reichs"-Politik. Es verknöchert in jenen Landes-Jnstitutionen, die in der Vergangenheit zur Erfüllung der dem Lande obliegenden Aufgaben zweckmäßig, die aber nicht geschmeidig und geeignet genug waren, um dem Begriffe, den die Geschichte als „Land Siebenbürgen" gekannt und gewürdigt hat, ethischen und politischen Inhalt einzuflößen. Selbst der Titel eines Großfiirstenthums, mit dem es durch die Dankbarkeit Maria Theresias und die Politik ihrer Minister geschmückt wird, haucht dem Abseitsgestellten, an sich Schwachen kein neues Leben ein, sondern gibt der verrosteten Maschine nur einen neuen Lacküberzug. Kurz, Siebenbürgen ist nicht mehr, was es war. Selbst sein Volk hat sich geändert, es ist nicht mehr dasselbe, das dem Lande einst eine Seele gegeben. Die endlosen Kämpfe zweier Jahrhunderte haben das die Ebenen und Thalschaften bewohnende Magyarenthum furchtbar gelichtet. Während diese Magyaren zur Vertheidignng ihres Bodens, ihres Stammes und der westlichen Civilisation ihr Blut so reichlich vergossen, wurden ihre Wohnsitze in den Thalschaften und Ebenen - wie ein scharfsinniger kaiserlicher Oberbeamter um die Wende des XVI. und XVII. Jahrhunderts an Ort und Stelle beobachtet hat — langsam, aber zusehends durch ein Hirtenvolk fremden Stammes besetzt, das theils von den Bergen und deren Schlupfwinkeln nieder wärts zog, theils aus dem Lande jenseits der Alpen über die Berggrate hereinwanderte,