510 ungeheure Bautätigkeit, welche seit zwei Jahrzehnten in Budapest herrscht, hat ganz neue Industriezweige erzogen, welche Allem, was die moderne Architektur fordert, Genüge leisten. Daß die Maurer-, Steinmetzen-, Zimmermanns-, Bautischler-, Schlosser-, Glaser arbeit u. s. w. aus den Händen einheimischer Gewerbsleute kommt, ist nur natürlich. Aber auch die Architekten und Baumeister entstammen bereits zahlreich und hochbegabt der Bevölkerung des Landes. Nachdem der nüchterne und geschmacklose Kasernenstil, der auf den alten Barock- und Zopfstil gefolgt war, glücklich überwunden worden, greift heute der Architekt wieder auf die Renaissance zurück und schafft Werke, welche an die schönsten Gebilde des XV. und XVI. Jahrhunderts erinnern. Mit diesem größeren Zuschnitt der Gebäude muß selbstverständlich die Ausführung der Details im richtigen Verhältniß stehen und dies bedingt eine künstlerische Schulung der obenerwähnten Handwerker, ohne welche weder die Paläste der Budapester Andrassy-Straße, noch die verschwenderisch ausgestatteten ländlichen Schlösser vieler unserer Aristokraten, noch endlich die würdigen öffentlichen Gebäude so mancher Provinzstädte in einer Form hätten entstehen können, wie sie der Beschauer heute an ihnen bewundert. Es ist auch ein ganz anderes Material, das sich heute an der Ausschmückung dieser zahlreichen Bauwerke betheiligt. Der Klempner von ehedem muß heute ein ornamental geschulter Künstler sein, um die decorativcn Zinkdetails herzustellen; der ehemalige Steinmetz hat sich zum Bildhauer verfeinert; der Anstreicher von damals ist zum Kunstmaler fortgeschritten, und in solchem Verhältniß bewegt sich der Fortschritt des ganzen Bau- und Einrichtungswesens. Und wenn es irgend ein Gebiet gibt, auf welchem Ungarn früher kaum gehoffte, aber jetzt tatsächlich erreichte Resultate mit Stolz betrachten kann, so ist es das Gebiet der Bau-Industrie. Weniger hoch ist das Niveau der Textil-Jndustrie, besonders hinsichtlich ihres Umfanges. Während in England, Deutschland und Frankreich dieser Industriezweig die meisten Millionen in Umlauf bringt und die zahlreichsten Arbeitskräfte beschäftigt, hat er sich bei uns bisher kaum als Großindustrie zu entwickeln vermocht. Was wir in Preßburg, Gacs, Losonz und anderwärts an Tuch- und Gewebefabriken besitzen, ist zumeist für die Equipnung der Armee und Houvedschast in Beschlag genommen, während Handel und Privatbedarf sich von der ausländischen Industrie versorgen lassen. An der rumänischen Grenze Siebenbürgens ist zwar eine Weberei-Industrie entstanden, sie hat aber bis in die neueste Zeit meist nur das grobe Lodentuch zur Bekleidung des rumänischen Volkes geliefert. Jndeß hat auch neuestens dieser Industriezweig einen Aufschwung genommen, die Bestrebungen geschickter Gewerbsleute richten sich auch bei Fabrikseinrichtungen von bescheidenerem Zuschnitt auf die Erzeugung moderner und feinerer Stoffe und helfen bereits den Bedarf des Mutterlandes decken. Zum gleichen Zwecke ist in Küsmark eine Flachs-