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Anderseits blieben auch die Reformirten nicht zurück. Ans folgender Melodie, welche
Goudimele auf den XVI. Psalm geschrieben,
Schü - tze uns in Nö - then, o gu - ter Gott
hat man ein Volkslied gemacht, welches sich dann unter dem Geigenbogen der Zigeuner
in folgenden Csardas verwandelte:
Unsere Volkslieder sind formal nicht von einander verschieden; sie haben Abschnitte
aus zwei sehr kurzen melodischen Zirkeln, welche nach der Theorie des musikalischen Zirkels
auch als Eins gelten können. Unter diesen — um nicht jeden gewohnteren Gang der
Melodien zu erwähnen — find diejenigen eigenthümlich, deren erster Halbzirkel im zweiten
— wie ein Fugenthema — im Tonzirkel der oberen Quinte sich wiederholt.
Ihrem Charakter nach gehören die Volkslieder jedoch verschiedenen Gattungen an;
es gibt z. B. historische, patriotische und Soldatenlieder, Liebes-, Scherz-, Spott-,
Trink- und Bethärenlieder.
In der Sammlung von Johann Erdelyi (1846 bis 1848) zeigt sich folgendes
Verhältniß: Liebeslieder gibt es darin 712, geschichtliche 28, patriotische und Soldaten
lieder 63, Trinklieder 93, Spott- und Scherzlieder 94, „Betyaren"-Lieder 50. Sonach
gehört wohl der Löwenantheil den Liebesliedern, in Bezug auf ihren inneren Werth jedoch
ist kaum eine Kategorie der anderen vorzuziehen. Die Soldatenlieder vertheilen sich
gleichmäßig auf Feldherren, Officiere, Gemeine. Der Tod eines alten Majors wird mit
soldatischem Humor besungen:
Nah ist dir des Todes Röcheln,
Wisch' den Staub drum von den Knöcheln,
Schon erwartet dich das Grab,
Drum heißt's jetzt: Allons, Marsch ab!
Ein anderes Mal wird der beliebte Hauptmann befragt:
Wann maschiren wir, mein lieber Kapitän? Donnerstag, seid ohne Sorgen,
Morgen, morgen, übermorgen, Meine lieben Krieger!
Der ehemalige gemeine Soldat, der so viel von „Wälschland" zu fabeln wußte,
wird durch folgende Zeilen treffend charakterisirt:
Alle Wetter dieser Krieger,
Unfehlbarer Herzbesieger,
Muh von Land zu Lande irren.
Sein Gesicht doch Rosen zieren.