109 Im Großen und Ganzen hat diese sogenannte Hausindustrie allen poetischen Reiz eines homerischen Zustandes, sie ist aber auch ein negativer Werthmesser für das Stadium von Fortschritt, in dem sich ein Volk auf dem Weg zu den Höhen der Civilisation befindet, so daß wir für das künstlerische Bedauern über den Verlust derselben reichlichen Ersatz in dein Bewußtsein finden, daß sich unser Volk aus dem primitiven Stadium der ungetheilten Arbeit zu der vollkommeneren Form der getheilten Arbeit schon sichtlich zu erheben beginnt. Volksmusik. Über die Musik des eroatischen Volkes haben wir aus ältester Zeit nur wenige Nachrichten. So erzählt die Geschichte, daß am Hofe Attilas, als er im Jahre 447 Jllyrien verwüstete, slavische Sänger Lieder sangen. Eine andere Notiz des byzantinischen Schrift stellers Thevphylakt besagt, daß um das Jahr 591 drei Slaven, die als Abgesandte zu dem Avaren-Chan wunderten, von den Griechen gefangen und vor Kaiser Maurikios gebracht wurden, wo sie anssagten, daß sie nicht mit den Waffen, wohl aber mit der Kithara umzugchen wüßten, da ihre Hauptbeschäftigung Musik und Gesang sei, und daß sie sonst ein stilles und friedliches Leben führten. Um diese Zeit erfolgte zwar noch nicht die Blasseneinwanderung der Kroaten in ihr heutiges Vaterland, doch ist geschichtlich erwiesen, daß sie sich in kleineren Partien schon während des IV. und V. Jahrhunderts in Pannonien und Jllyrien ansiedelten. Aus jener Zeit, als die große Einwanderung der Kroaten stattfand, nämlich um das Jahr 630, weiß man von ihrer Musikübung nur, daß der Gesang bei ihrem heidnischen Cult ein Hauptbestandtheil war, ja daß ihre Gebete überhaupt nur aus Liedern bestanden, die der Älteste der Gemeinde oder der Familie bei religiösen Ceremonien anstimmte. Von den heutigen rituellen Volksliedern der Kroaten stammen viele ohne Zweifel aus der Heidenzeit, da sie ans frühe religiöse Gebräuche und Feierlichkeiten Hinweisen. Im Laufe der Zeit wurden zwar die meisten dieser heidnischen Gesänge christianisirt, indem man statt der Namen heidnischer Gottheiten solche von christlichen Heiligen setzte; allein trotz dieser Umgestaltung bleibt ihr heidnischer Ursprung erkennbar, wie dies das weiterhin folgende Erntelied zeigt. Wenn nun auch das kroatische Volk seine alten Lieder der Sprache, den Persvnen- nnd Ortsnamen nach umarbeitet, läßt sie doch die Melodie, ist diese einmal festgestellt und gehört sie rituellen Liedern an, unberührt. Uns ist zwar keines der ältesten Lieder schriftlich aufbewahrt, wir können sie also nicht mit den im Volke lebenden Liedern