524 Das Comitat, die Stadt, der Gerichtshof, die übrigen Staatsämter, ein Theil der katholischen Geistlichkeit und die patriotische Bürgerschaft, der Lehrkörper der Mittelschulen und Erziehungsanstalten, die ungarische Presse und das ungarische Casino thun seit zwanzig Jahren sehr viel zur Verbreitung des nationalen Geistes, so daß jetzt, namentlich seit der Wiedererweckung des Verfassungslebens, auch das gesellschaftliche Leben von Temesvar schon den ungarischen Charakter zeigt. Eifrig hat für die Weckung des nationalen Bewußt seins ein trefflicher Sohn der Stadt gewirkt, der kürzlich verstorbene Friedrich Pesty, Sectionssecretär der Akademie der Wissenschaften, der, solange er daselbst wohnte, durch die von ihm redigirten Zeitungen und seine Fachwerke den öffentlichen Geist stark beeinflußte. Die Zahl der Einwohner von Temesvar, mit Ausschluß der Besatzung, beträgt jetzt 33.694; die große Mehrheit ist der Sprache nach magyarisch und deutsch, die übrigen sind Walachen und Serben. Die Umgegend von Temesvar zeigt zwar, besonders nach Westen hin, ganz den Alföld charakter, doch ist sie weitaus belebter als andere Theile der großen Ebene, und zwar wegen der durchziehenden Flüsse, welche sie nicht nur bewässern und befruchten, sondern auch die reichen Humusgelände der Ufer zu allen Zeiten besonders günstig und anziehend für den ansiedlungslustigen Menschen gemacht haben. Daher sind hier auch die Ortschaften viel dichter gesät als im übrigen Alföld. Dieser schöne Landstrich ist von der Maros, Theiß und Donau begrenzt und im Inneren von zwei größeren Flüssen durch schnitten: der unterhalb Pancsova in die Donau mündenden Temes und der mit dieser längere Zeit parallel laufenden und dann bei Perlas in die Theiß fallenden Mga. Die Bega ist von Claudius Mercy, Gouverneur der Provinz, theils durch Vertiefung, theils durch lange Durchstiche in einen Kanal verwandelt worden, womit nicht nur eine Strom- regulirnngs-, sondern auch eine Entwässerungsarbeit gethan war; sowohl der Ackerbau, als auch der Verkehr gewannen dadurch und zugleich wurde eine Änderung des Klimas zum Besseren befördert. In der That besitzt das Alföld wenige Gegenden, die für die Landwirthschaft gedeihlicher wären als die Umgegend von Temesvar. Die ziemlich dichte Bevölkerung lebt zwar in erster Reihe vom Ackerbau, doch beschäftigen auch Industrie und Handel viele Menschen und sind mächtige Hebel jenes Wohlstandes, der auf diesem weiten Landstriche auch für die unteren Schichten des Volkes als allgemein gelten darf. Die Straßen, Eisenbahnen und Wasserwege bilden in diesem Gebiete ein förmliches Netz und erleichtern es auch den abgelegeneren Ortschaften nicht wenig, die näheren oder entfernteren Märkte zu besuchen. Die Ortschaften liegen meist in fruchtreichen Gemarkungen und sind größtentheils hübsch und regelmäßig gebaut. Man sieht es ihnen sogleich an, daß sie nach wohlbedachtem Plane und auf Commando entstanden sind. Die den ersten Ansiedlern eingeräumten großen