282 Architektur der Renaissance- und Neuzeit. Mit Widerstreben räumt in der Architektur Böhmens die Gothik der Renaissance das Feld. Während sich die letztere in Italien schon zu voller Pracht entfaltet hat, sammelt der gothische Stil in Böhmen seine Kräfte, um noch in der letzten Phase seiner Entwicklung Bedeutendes hervorzubringen. Die letzte Blüte des gothischen Stils ist hier innig ver knüpft mit dem Namen des königlichen Baumeisters Benedict Rieth (Reta) von Piesting (Pistov), welcher als einer der letzten hervorragenden Gothiker austritt. Und doch konnte sich selbst dieser aus der gothischen Bauhütte hervorgegangene Meister des Einflusses der neuen „wälschen Kunst" nicht erwehren, auch er fühlte sich verführt, zu den neuen Formen zu greifen. Er that dies bei dem Bau des Wladislaw'schen Flügels der königlichen Burg zu Prag. Der Umstand, daß an einem profanen Bau der neue Stil zuerst Anwendung fand, ist für seine Stellung in Böhmen bezeichnend; auch späterhin sind es nur Profane Bauten, bei welchen die Renaissance vollständige Ausnahme findet, während bei dem Ban und Weiterbau von Kirchen und Kapellen der gothische Stil sich nahezu durch das ganze XVt. Jahrhundert in seinem alten Rechte zu behaupten weiß. Bei dem Wladislaw'schen Saalbau kommt der Renaissancestil nur rein äußerlich zum Vorschein, ohne die Construction zu berühren: im Innern insbesondere an der zur Allerheiligenkirche führenden Wandseite, wobei jedoch zu bemerken ist, daß die in der Mitte eingestellte Thür bedeutend später ist und bereits dem Beginn des XVII. Jahr hunderts angehört. Am Außenbau sind es die an beiden Längsseiten paarweise gruppirten viereckigen Fenster, welche Renaissanceformen aufweisen. Eines derselben, durch den späteren Zubau verdeckt, trägt die Inschrift: ,1VinäisInu8 rox UnAnrio et Lollemie 1493". Nachdem das Saalgebäude im Jahre 1502 durch Meister Benedict vollendet worden, wurde an den mit ihm zusammenhängenden Bautheilen noch weiter gearbeitet, und zwar sowohl zu Lebzeiten Wladislaws als auch nach dessen im Jahre 1516 erfolgten Tode unter seinem Sohne und Nachfolger Ludwig. Dieser Zeit, zu welcher immer noch Meister Benedict den königlichen Schloßbauten Vorstand, entstammt der an der Südseite in den ehemaligen Schloßgraben auslaufende, durch den Fenstersturz des Jahres 1618 berühmt gewordene Tract. Als jener Raum, in welchem sich die geschichtliche Scene abspielte, wird von neueren Localforschern, der alten Tradition entgegen, die geräumige Stube des ersten Stockwerkes angesehen. Wenn dies auch nicht der Fall wäre, bietet dieser gewöhnlich dem Besucher verschlossene Raum ein Interesse für die Baugeschichte, indem er sich durch ein zierliches Renaissanceportal auszeichnet. Der an demselben angebrachte, zwischen zwei Greifenfignren gestellte Anfangsbuchstabe verewigt den Namen des königlichen Bau herrn. Die Pilaster und die Säulen, welche hier und am Wladislawsaale Vorkommen,