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nennen sind, enthalten deren weit über 3000. Die ursprünglichen Stammesnnterschiede
des mährischen Volkes treten auch in den Volksliedern sehr deutlich hervor und begründen
deren große Mannigfaltigkeit, namentlich in melodischer Beziehung. Jede irgendwie
gehobene Stimmung, gleichviel, ob durch Lust und Freude oder durch Schmerz und Leid
hervorgerufen, alle außergewöhnlichen Ereignisse, welche den ruhigen Spiegel des
idyllischen Stilllebens aufzuregen geeignet waren und das Gemülh des Volkes mächtig
ergriffen, fanden ihren Ausdruck im Liede.
Franz Snsil.
Unter den lyrisch-epischen Gesängen stehen obenan die mährischen Volksballaden;
inan findet unter ihnen wahre Muster ihrer Gattung. Ihren Stoff entnehmen sie theilweise
den alten Mythenresten. So kommen in einer alten Ballade drei pilgernde Musiker zu
einem Ahornbaum, dessen Holz ihnen zu Geigen geeignet scheint. Sie machen sich also
daran, den Baum zu füllen. Beim ersten Schlage des Beils wird der Baum leichenfahl,
beim zweiten seufzt er auf, beim dritten offenbart er sich ihnen als ein Mädchen, das durch
den Fluch der eigenen Mutter in den Ahornbaum verzaubert wurde. In einer anderen läßt
der todte Gemal die Witwe um ein anderes Leichengewand bitten, da er in dem am
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