106 Das Rhemthal von Mayenfeld in der Schweiz bis zum Bodensee bildet die bedeutend,te Gebirgsspalte in der ganzen Nordalpenzone. Infolge der ziemlich geraden Erstreckung und der nicht unbedeutenden Breite des Thals — die erstere beträgt 08 Kilometer, wovon 30 auf Vorarlberg entfallen, die letztere wechselt zwischen 2 bis 10 Kilometer - gewinnen wir in dieser Spalte einen recht belehrenden Einblick auf die mneren Ketten der nördlichen Zone, von der Neogenformativn am Ostuser des Bodensees über die Flysch- und Kreidezone bis zu den Kalkgebilden, welche im Süden den Ausblick abschließen. So interessant aber dem Geologen diese Gebirgsspalte ist und so sehr sich auch der nicht steingelehrte Wanderer an den mannigfachen Landschastsbildern erfreuen mag, welche durch die verschieden gestalteten Abhänge bedingt sind, so wenig erquickend ist m manchen Abschnitten, namentlich in den unteren, der Anblick der Rheinthalebene selbst. Diese ist nichts anderes als ein vom Stromgeschiebe aufgeschwemmtes Land, welches den Bodensee im Lause von Jahrtausenden bis aus die heutige Sndostgrenze zurückgedrüngt hat. Und wer dieses Gebiet nicht nur vom dahineilenden Eisenbahnwagen aus überblickt, sondern abseits der Straße zu Fuß durchwandert, der findet nur zu oft weitausgedehnte Moore und Tümpel, magere, baumlose Wiesen und von stagnirenden Gewässern durch zogene Strecken. Von Bregenz rheinaufwärts führt uns die Straße über den Ölrein, von wo wir noch einmal auf die freundliche Bregenzer Bucht zurückschanen; ans einer langen gedeckten Brücke übersetzen wir die Ache und kommen bald nach Lauterach, von wo die Eisenbahn linie in die Schweiz abzweigt. Von hier ab liegen alle bedeutenderen Ortschaften des Thals am Saum des Gebirges, denn die ersten Ansiedler kannten die Tücke des Stroms und die späteren suchten sich die Wasserkräfte der Berge dienstbar zu machen. So finden wir schwarz ach am Ausgang des uns schon bekannten Schwarzachtobels, der auch wegen der ansehnlichen Wetzsteinerzeugung zu nennen ist; dann folgt das stattliche Dorn birn, in seinen vier Vierteln weitausgedehnt und mit seinen äußersten Parcellen hoch in die Region der Vorberge hinanfragend. Der Marktflecken Dornbirn bildet die größte Ortschaft des Landes und ist bekanntlich der Hauptsitz der hochentwickelten vorarlbergischen Baumwollindustrie, die von hier ab im Rhein- und Jllthal bis Bludenz in allen größeren Ortschaften und zahlreichen einzelnen Fabriken betrieben wird. Bei Dornbirn öffnet sich die Schlucht der Dornbirner Ache, welche am Fuße deschohen Freschen entspringt und im Unterlans den Namen Fussach führt. Von Dornbirn ab nähert sich der stellen weise wandähnliche, dann wieder ganz zerklüftete Abfall des Höhenzuges, der hier in der Hohen Kugel (1.643 Meter) culminirt, mehr dem Strome. Hart am Gebirge zieht sich in langer Zeile Hohenems hin, ehemals Hauptort der gleichnamigen Grafschaft und zeitweilige Residenz des einst hochangesehencn Grasengeschlechtes gleichen Namens.