259 unter lautem Spott als „Henneler" durchs Dorf ziehen lassen. Selbst das Poesievolle Getriebe der Brechlerinuen, welche in den duftig blauen Herbsttagen die reizende Staffage der Landschaft ausmachen, haben die schwere Arbeit durch das Aufstellen des „Brechel- busches" gewürzt, den zu rauben Aufgabe der Dorfburschen ist. Diese letzteren bilden überhaupt das belebende Element des Dorfes. Sie sind die Veranstalter aller bäuerlichen Belustigungen, die wir später kennen lernen werden, vom tollen Fasching angefangen bis zum Perchtenlaufen am Vorabend des Dreikönigstags. Von ihnen wird auch aller jener Schabernack ausgeheckt, den sie trntzigen Dirndeln wie alten Jungfern bei allen nur möglichen Gelegenheiten anthun. Jeder thörichte Vorgang, der sich im Dorf ereignet, jeder schlimme Zufall, jede Unziemlichkeit, die, sei es von Burschen oder Mädchen begangen wird, wird schonungslos gegeißelt und der öffentlichen Rüge und dem Spott der Dorfbewohnerschaft preisgegeben. Wie dem Bauern, dessen Alpen vieh am wenigsten Milch abwarf, die Spottgeige ans Hans gerußigt wird, kommt der nächtliche Besuch eines Burschen beim Mädchen durch Aufstreuen von Sägespänen ans Tageslicht. Insofern bilden die Dorfburschen eine Art Sittenpolizei, die sich in manchen Thälern, z. B. Ulten, wo die sogenannten Nachtraupen ihr Unwesen treiben, zu einer förmlichen Vehme, ähnlich dem Haberfeldtreiben in Baiern, ausgebildet hat. Das Hauptmoment im Leben des Dorfburschen bildet natürlich das Verhältniß zum anderen Geschlecht. Wann der erste Flaum ober der Lippe sproßt, spuken ihn, die sauberen Dirndeln schon gewaltig im Kopfe herum. Vorderhand zwar, so lange das Herz noch frei ist, erstreckt sich das Interesse auf alle, welche ein paar rvthe Wangen und glänzende Augen haben, und macht sich vorzüglich im Necken und Trutzen kund, das beim abendlichen Heimgarten, beim sonntäglichen Kirchgang, ans dem Tanzplatz und bei sonstigen ähnlichen Gelegenheiten Stoff genug znm Lachen und Schäkern gibt. Ernster wird die Sache schon beim nächtlichen „Gasslgehen" und „Fensterten". Diese Sitte mit all den dabei vorkommenden Abenteuern, Schwänken, tollen Streichen und den nicht selten folgenden Eifersuchts- und Rachescenen bildet die Einleitung zum bedeutendsten Abschnitt im Herzens roman jedes Burschen, wie tausend Lieder und Schnaderhüpfeln beweisen. Beim Gassel- gehen sind fast immer mehrere Burschen, von denen der beste „Sprecher" erst das Mädchen durch ein eigenthümliches „Schnaggeln" mit der Zunge weckt, worauf zwischen beiden der Reimstreit beginnt. Diese „Gasselreime" sind ähnlich den Hochzeitssprüchen voll derben Humors und werden natürlich nach Gutdünken verkürzt oder verlängert. Mancher Bursche hat ein bewunderungswerthes Geschick in dieser Stegreifdichtung und setzt die Scherzreime oft halbe Stunden lang fort, während ihm oben das gefeierte Mädchen und unten seine Kameraden zuhören. Zum Schluß schlieft ersteres in Jacke und Kittel und reicht Schnaps und Brot dem Burschen durchs Fenster heraus, der sich nun mit seinen 17*