56 Blüte stehende Heidekorn ausathmet. Das melancholische Gesnmme der Bienen wird uns zu einem sanften Schlummerlied, bei dem wir in den so angenehmen halb wachenden, halb träumenden Zustand verfallen. Doch — ist es Traum oder Wirklichkeit? Unweit vom Garten, gleich hinter dem Heidekorn, erscheinen auf der Steppe kleine braunrothe Gesellen, die in possirlichen Stellungen und lebhaften Sprüngen ihr Spiel treiben. Es sind keine Kobolde der eingebildeten Welt, sondern leibhaftige Bewohner der Steppe mit Fleisch und Blut. Wir springen auf und die Thierchen sind verschwunden; da jedoch der Wissensdrang den Sieg über die Lust zum äoles kur nionla davonträgt, nähern wir uns vorsichtig den kleinen Bauen und bleiben versteckt auf der Lauer liegen. Nach einer Weile erscheint in der Öffnung ein Köpfchen, dann das ganze Thierchen, das Männchen putzt sich und pfeift, bis endlich die ganze Gesellschaft versammelt ist. Das niedliche braunrothe, viel zierlicher als der Hamster gebaute Thierchen ist im Westen und Süden Europa's unbekannt, es ist nämlich der Ziesel (Sperinoplnlus cilillus), ein Bewohner des Nordostens. Die podolische Hochebene birgt auch eine Art europäischen Prairiehundes, nämlich den Bobak (^rclon^s bobuch, dessen lustiges affenähnliches Treiben der aufmerksame Reisende hier oft beobachten kann. Mittlerweile ist es Abend geworden. Die Königin des Tages ist im fernen Nord westen in ihrer ganzen majestätischen Pracht, in Feuer und Gold gebadet, unter gegangen; ein violetter Schimmer breitet sich über die Landschaft aus. Unser Gastwirth mahnt unv ernstlich davon ab, die Reise bei der Nacht fortzusetzen. Die Nacht ist keines Menschen Freund, wir könnten uns leicht verirren und in ein bodenloses Moor gerathen, übrigens treiben die bösen Geister Nachts ihr Unwesen in der Steppe. Wir bleiben. Auf weichem Heu gebettet, bringen wir die Nacht im Freien zu. Der schnatterude Ton des Wachtelkönigs und das Quaken der Frösche leitet das Abendconcert, das bald von tausend Stimmen aus genommen wird, ein. Im fernen Sumpf blinzeln die Irrlichter, die frische Nachtluft erweitert unsere Brust, die köstlichen Düfte berauschen unsere Sinne, — o übe ans uns deine ganze Macht aus, du süße, herrliche Steppenuacht! Am nächsten Tage setzen wir unsere Reise gegen Süden fort. Durch üppige Wiesen und bebaute Felder führt unser Weg an zahlreichen Holzkreuzen und heiligen Standbildern, die die gottesfürchtige Landesbevölkerung überall reichlich errichtet, vorüber. In weiter Entfernung von den Flußthälern sind die Ortschaften selten. Aber auch hier sucht der Mensch für seine Behausung breite Lößschluchten und überhaupt Einsenkungen im Terrain auf, um Schutz vor den Steppenwinden zu finden. Die Dörfer, die wir hier passiren, bezeugen schon durch ihr Aussehen die Wohlhabenheit des Landmannes. Nette, reinliche Häuser, mit kleinen Blumengürtchen, in denen weder die Malve, noch die Pfingstrose, am wenigsten aber die beliebte Gartenrante